LG Detmold – Az.: 1 O 153/20 – Urteil vom 01.02.2021
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rückzahlung des Reisepreises für eine Klassenfahrt.
Die Klägerin ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und wird im Impressum der Internetseite der B-Schule in C als „Träger der Schule“ aufgeführt, die „an der B-Schule […] durch den Schulleiter OStD D“ vertreten werde.
Unter dem 24.01.2020 buchte die an der B beschäftigte Schulsekretärin E bei der Beklagten eine Gruppenreise nach Liverpool für die Zeit vom 15.03. bis zum 21.03.2020. In dem Buchungsformular ist als „Vertragspartner“ die B-Schule angegeben, deren Kontaktdaten im Folgenden aufgeführt sind; die Klägerin ist dort nicht erwähnt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage zum Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 25.11.2020 (Bl. 96 der elektronischen Akte) Bezug genommen.
Unter dem 29.01.2020 stellte die Beklagte der B-Schule einen Reisepreis in Höhe von 9.666,– EUR in Rechnung (Anlage K1, Bl. 6 der elektronischen Akte), den die Klägerin bezahlte.
Unter dem 03.03.2020 fragte Frau E bei der Beklagten nach den Bedingungen im Fall einer Stornierung an. Die Beklagte antwortete mit E-Mail vom gleichen Tag (Anlage zur Klageerwiderung (Bl. 59 der elektronischen Akte):
„[…]
Bei Stornierungen einzelner Teilnehmer oder der gesamten Gruppe gelten folgende Rücktrittskosten pro Person: – bis 35 Tage vor Reisebeginn 10% – bis 29 Tage vor Reisebeginn 20% – bis 15 Tage vor Reisebeginn 75% – ab 14 Tage bis zum Reisebeginn 90%
Sie liegen demnach derzeit (Stand 03.03.20) bei 12 Tagen vor der Reise, also 90% vom Reisepreis. Das wären 369,00 EUR pro Person. […]“
Mit E-Mail vom 12.03.2020 (Anlage zur Klageerwiderung, Bl. 58 der elektronischen Akte) erklärte Frau E gegenüber der Beklagten:
„[…]
hiermit möchte ich Sie bitten, unsere Reise nach Liverpool (B40580) vom 15.3. bis 21.3.20 zu stornieren.
Wir hoffen, dass es möglich ist, den Eltern doch noch einen kleinen Betrag zurückzuerstatten.[…]“
Am 17.03.2020 erließ das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland aufgrund der Coronavirus- Pandemie eine Reisewarnung für Reisen in das gesamte Ausland.
Die Beklagte stellte der B-Schule unter dem 31.03.2020 eine Stornorechnung (Anlage K2, Bl. 7 der elektronischen Akte), aus der sich ein überzahlter Betrag in Höhe von 963,– EUR ergab, der in der Folge an die Klägerin zurückgezahlt wurde.
Mit Schreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 01.04.2020 (Anlage K3, Bl. 8f. der elektronischen Akte) ließ die Klägerin die Beklagte zur Zahlung des Differenzbetrages in Höhe von 8.703,– EUR bis zum 15.04.2020 auffordern. Nach fruchtlosem Fristablauf verfolgt sie diesen Anspruch – aus eigenem Recht – sowie einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten mit der am 24.08.2020 zugestellten Klage weiter.
Die Klägerin behauptet, sie sei Trägerin der B-Schule, die ihrerseits nur eine rechtlich unselbständige Organisationseinheit darstelle und insbesondere keine eigene Rechtspersönlichkeit besitze. Sie ist der Ansicht, dies sei für die Beklagte aufgrund des Impressums der Internetseite der Schule ersichtlich gewesen, ggf. hätte sie – die Beklagte – nachfragen müssen. Bereits danach sei der streitgegenständliche Pauschalreisevertrag als mit ihr – der Klägerin – abgeschlossen anzusehen. Die Klägerin behauptet weiterhin, Frau E sei neben Herrn D bevollmächtigt gewesen, sie zu vertreten, und erklärt hilfsweise die Genehmigung eines etwaig durch eine vollmachtlose Vertreterin geschlossenen Vertrages.
Die Klägerin behauptet weiter, zum Zeitpunkt der Stornierung der Reise durch Frau E sei prognostisch absehbar gewesen, dass aufgrund der auch in England grassierenden Coronavirus-Pandemie zum Zeitpunkt der beabsichtigten Reise am Bestimmungsort unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände aufgetreten wären, die die Durchführung der Reise erheblich beeinträchtigt hätten, weswegen die Rücktrittserklärung vom gemäß § 651h Abs. 3 BGB keinen Entschädigungsanspruch der Beklagten ausgelöst habe. Jedenfalls sei ein etwaiger Entschädigungsanspruch auf den Betrag von 6.136,52 EUR begrenzt, den die Beklagte im Rahmen außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen (Anlage K6, Bl. 15 der elektronischen Akte) gefordert habe, da bei dessen Berechnung die Anforderungen des § 651h Abs. 2 BGB berücksichtigt worden seien.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 8.703,– EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.05.2020 zu zahlen und ihr vorprozessuale Rechtsanwaltskosten in Höhe von 808,13 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, eine Lehrkraft oder andere an einer Schule beschäftigte Person schließe einen Reisevertrag betreffend eine Klassenfahrt regelmäßig als Vertreter für die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler ab, so dass die Klägerin nicht aktivlegitimiert sei.
Weiterhin ist sie der Ansicht, selbst wenn ein Rückerstattungsanspruch bestehe, könne die Klägerin infolge einer dem Primärrecht – der Richtlinie (EU) 2015/2302 – entsprechenden Auslegung der Absätze 4 und 5 des § 651h BGB lediglich die Ausstellung von Reisegutscheinen verlangen. Sowohl diese Frage als auch diejenige, zu welchem Wahrscheinlichkeitsgrad prognostisch vom Vorliegen unvermeidbarer und außergewöhnlicher die Durchführung der Reise erheblich beeinträchtigender Umstände auszugehen sein müsse, um die Rechtsfolgen des § 651h BGB auszulösen, sei durch nationale Gerichte nicht ohne vorherige Vorlage an den EuGH zu entscheiden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I. Die Klägerin hat gegen die Beklagte in der Hauptsache weder einen vertraglichen Anspruch auf Rückzahlung des restlichen Reisepreises aus § 651h Abs. 5 BGB noch einen bereicherungsrechtlichen Anspruch auf § 812 Abs. 1 S. 2 1. Fall BGB.
1. Zwischen der Klägerin und der Beklagten ist kein Pauschalreisevertrag im Sinne der §§ 651a ff. BGB zustande gekommen.
Die Frage, wer Vertragspartner des mit der Beklagten abgeschlossenen Reisevertrages geworden ist, richtet sich nach den Regeln des allgemeinen Schuldrechts, vorliegend namentlich nach denen des Stellvertretungsrechts (§§ 164ff. BGB). Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine an einer Schule beschäftigte Person, die eine Schulklasse für eine gemeinschaftliche Fahrt anmeldet, im Namen der angemeldeten Schülerinnen und Schüler handelt, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten (OLG Frankfurt, Urt. v. 23.01.1986 – 1 U 40/85, NJW 1986, S. 1941; Geib in BeckOK BGB, 56. Ed., Stand 01.11.2020, § 651a Rn. 14). Der Klägerin ist zuzugeben, dass der vorliegende Fall unter verschiedenen Gesichtspunkten Besonderheiten aufweist, die aber im Ergebnis nicht ausreichen, um von diesem Regelfall abzuweichen:
a) Wenn die B-Schule, wie die Klägerin behauptet, eine ihr untergeordnete, rechtlich unselbständige Organisationseinheit darstellt, wäre durch Auslegung gemäß den §§ 133, 157 BGB zu ermitteln, welche Bedeutung dem Umstand zukommt, dass in dem Vertragsformular diese unselbständige Organisationseinheit als Vertragspartnerin genannt und deren Schulstempel verwendet wird. Insofern könnte einiges für die Annahme der Klägerin sprechen, damit sei seitens der Frau E die der Schule übergeordnete Einheit, die Klägerin, gemeint gewesen. Dies berücksichtigt aber nicht in ausreichendem Maße, wie ein objektiver Dritter in der Position der Beklagten diese Erklärung der Frau E verstehen konnte und durfte. Mangels eines Hinweises auf die Klägerin in dem Vertragsformular hätte die Beklagte Kenntnis von der möglichen Trägerschaft der Klägerin nur aus dem Impressum der Internetseite der B-Schule erlangen können. Dass sie dessen Inhalt positiv kannte, ist indes nicht vorgetragen. Zudem wäre diesem Impressum zu entnehmen gewesen, dass nicht etwa Frau E, sondern vielmehr der Schulleiter Herr D die erforderliche Vertretungsmacht besessen hätte, um die Klägerin zu vertreten. Zwar mag insofern die Verwendung des Schulstempels den Rückschluss auf eine Untervertretung zulassen, zwingend ist dieser aber nicht. Zumindest ebenso gut konnte und durfte die Beklagte davon ausgehen, die Bezeichnung „B-Schule“ beziehe sich auf die dahinter stehenden Schülerinnen und Schüler.
b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 113 Abs. 4 S. 2 NSchG, da die B-Schule keine öffentliche Schule ist, die in den Anwendungsbereich der Norm fällt.
c) Der Umstand, dass die Klägerin den Reispreis bezahlt und die Beklagte einen Teilbetrag an diese zurückerstattet hat, stellt nicht ohne Weiteres ein eindeutiges Indiz dafür dar, dass die Parteien davon ausgingen, diese sei auch Vertragspartnerin geworden. Denn der Beklagten waren die Rechtsverhältnisse zwischen der Schule, der Schulträgerin und den SchülerInnen bzw. Eltern nicht näher bekannt, so dass aus Sicht eines objektiven Dritten auch die Möglichkeit bestand, dass die Klägerin lediglich als Zahlstelle fungierte. Zudem handelt es sich insofern um Umstände, die erst nach dem maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses eingetreten sind und lediglich indizielle Rückschlüsse auf den Willen und Kenntnisstand der handelnden Personen in diesem früheren Zeitpunkt erlauben.
d) In vergleichbarer Weise erlauben auch das Verhalten der Frau E und der Beklagten im Rahmen der Vertragsabwicklung einen Rückschluss darauf, wie die handelnden Personen die abgegebenen Erklärungen verstanden und den Vertrag „gelebt“ haben, auch wenn die Kammer nicht verkennt, dass es sich hierbei um ein nur schwaches Indiz handelt, da neben dem Umstand, dass es sich auch hier um nachträglich eingetretene Umstände handelt, zudem zu berücksichtigen ist, dass diese Erklärungen von rechtlichen Laien abgegeben wurden, die sich wenig Gedanken um die rechtliche Konstruktion der Schulträgerschaft gemacht haben dürften. Nichtsdestotrotz kann im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller Indizien nicht völlig unberücksichtigt bleiben, dass offenbar beide Seiten davon ausgegangen sind, es seien auf Seiten der Reisenden mehrere Personen Vertragspartner geworden. Auf Seiten der Beklagten zeigt sich das an der Angabe des Reisepreises pro Person in der E-Mail vom 03.03.2020, auf Seiten der Frau E in der geäußerten Hoffnung, dass es möglich sei, „den Eltern“ noch einen kleinen Betrag zurückzuerstatten.
2. Aufgrund der vorstehenden Ausführungen kommt auch ein Anspruch aus einer Leistungskondiktion nicht in Betracht, weil die Klägerin im Dreiecksverhältnis zwischen Schulträgerin, Reiseveranstalterin und SchülerInnen bzw. Eltern lediglich als Zahlstelle Leistungen der Letztgenannten gegenüber der Beklagten erbrachte.
II. Mangels eines Anspruchs in der Hauptsache stehen der Klägerin auch die geltend gemachten Nebenforderungen nicht zu.
III. Die Kostenentscheidung und die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
IV. Der Streitwert wird auf 8.703,– EUR festgesetzt.