Skip to content

Besorgnis der Befangenheit bei einem Patientenverhältnis des Richters zu einem beklagten Arzt

Oberlandesgericht in Bremen – Az.: 5 W 36/11 – Beschluss vom 12.01.2012

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 10.11.2011 gegen den Beschluss des Landgerichtes vom 04.11.2011 wird dieser dahingehend abgeändert, dass das Gesuch des Klägers, den Vorsitzenden Richter am Landgericht S. für befangen zu erklären, für begründet erklärt wird.

Der Gegenstandswert wird auf 1.427.944,- € festgesetzt.

Gründe

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichtes vom 04.11.2011 ist gemäß § 46 Abs. 2 ZPO zulässig, insbesondere rechtzeitig erhoben worden. Sie ist auch begründet.

Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Landgericht darauf abgestellt, dass gemäß § 42 Abs. 2 ZPO dem Ablehnungsgesuch einer Partei wegen der Besorgnis der Befangenheit eines Richters nur dann zu entsprechen ist, wenn objektive Gründe vorliegen, die bei verständiger Betrachtung vom Standpunkt einer ruhig und vernünftig denkenden Partei aus die Besorgnis begründen können, der erkennende Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber. Maßgeblich ist nicht, ob er tatsächlich befangen ist oder ob er sich für befangen hält (vgl. im Einzelnen Zöller-Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 42, Rdn. 9 m.w.N.).

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das Landgericht in seinem angefochtenen Beschluss indessen zu Unrecht verneint.

In seiner dienstlichen Stellungnahme vom 18.08.2011 hat der Vorsitzende Richter der für den vorliegenden Arzthaftungsfall zuständigen Kammer des Landgerichtes erklärt, dass er bei dem Beklagten zu 1., einem der in Anspruch genommenen Ärzte, in den Jahren 1991, 2006 und 2008 in orthopädischer Behandlung gewesen sei, dabei 2006 und 2008 jeweils zwei Mal. Die verordneten krankengymnastischen Behandlungen habe er jedenfalls z.T bei der Beklagten zu 2. erhalten, einer krankengymnastischen Praxis in der Rechtsform einer GmbH, deren Geschäftsführer wiederum der Beklagte zu 1. ist.

Diese persönlichen und rechtlichen Beziehungen zwischen dem abgelehnten Richter und insbesondere dem Beklagten zu 1. hat das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss zu Unrecht als nicht ausreichend angesehen, um damit ein Näheverhältnis zu begründen, das die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt (vgl. dazu im Einzelnen Zöller- Vollkommer, a.a.O., Rdn. 12 m.w.N.). Soweit es sich dabei auf den Beschluss des OLG Celle vom 21. 07.2011 (GesR 2011, 560) bezieht, sind die dort zu Recht anerkannten Voraussetzungen für ein erfolgreiches Ablehnungsgesuch allerdings nicht als abschließend für Fälle der vorliegenden Art zu verstehen.

Richtig ist zwar, dass das dortige besondere Näheverhältnis zwischen einer Richterin und der Hebamme, die sie bei der Geburt ihres Kindes betreut hat, über das im vorliegenden Fall zwischen Richter und Arzt, dem Beklagten zu 1., bestehende hinausgehen wird. Zu Unrecht beschränkt das Landgericht den Anwendungsbereich des § 42 Abs. 2 ZPO allerdings auf Fälle einer solchen besonders intensiven Vertrauensbeziehung zwischen dem behandelnden Arzt und seinem Patienten und verneint sie im vorliegenden Fall unter Hinweis auf den Charakter der angewandten Heilmethode als einer „orthopädischen Standardtherapie“. Dabei verkennt es, dass in aller Regel jede ärztliche Behandlung auf einem besonderen Vertrauensverhältnis beruht (vgl. dazu auch BayLSG, Beschluss vom 07.07.1976, zitiert nach juris), von einmaligen, länger zurückliegenden und weniger bedeutsamen kleineren Maßnahmen womöglich abgesehen, die in größeren medizinischen Einrichtungen eher zufällig von dem einen oder anderen Arzt verabreicht werden mögen. Um einen solchen Fall geht es vorliegend jedoch nicht. Der zuständige Richter hat sich über Jahre wiederholt in die Behandlung des Beklagten zu 1. und „seines“ krankengymnastischen Instituts begeben und schon damit -aus der allein maßgeblichen Sicht des Beschwerdeführers- zu erkennen gegeben, dass er besonderes Vertrauen in dessen ärztliche Heilkunst hat. Dass die letzte Behandlung einige Jahre zurückliegt, ändert daran nichts, sondern beruht ersichtlich eher auf der Tatsache, dass aktuell kein Behandlungsbedarf besteht.

Ebenso wenig kann es eben wegen des allein ausschlaggebenden Standpunktes des Beschwerdeführers darauf ankommen, wegen welcher konkreten Beschwerden sich der Richter in die Behandlung begeben hat, zumal der Beschwerdeführer insoweit keine Kenntnis haben kann und die übrigen Beteiligten hierüber sicher keine Auskunft schulden. Ob es sich lediglich um eine „orthopädische Standardmaßnahme“ handelte, ist ebenso ungeklärt wie unerheblich.

Ob dem danach anzunehmenden besonderen Vertrauensverhältnis zwischen dem Beklagten zu 1. und dem abgelehnten Richter deshalb zusätzliches Gewicht bei der Bejahung der Voraussetzungen des § 42 Abs. 2 ZPO zukommt, weil es im vorliegenden Rechtsstreit um einen Arzthaftungsprozess mit zudem außergewöhnlicher, nicht nur wirtschaftlicher Bedeutung geht, kann ebenso dahingestellt bleiben wie die Frage, ob sich die Besorgnis der Befangenheit auch darauf stützen lässt, dass der abgelehnte Richter nach den Angaben des Beschwerdeführers in der Beschwerdebegründung die Parteien womöglich erst verspätet über seine Beziehung zum Beklagten zu 1. informiert hat (zur Offenbarungspflicht vgl. Zöller-Vollkommer, a.a.O., Rdn. 9 m.w.N.).

Einer Entscheidung über die Kosten bedarf es nicht; der Gegenstandswert im Ablehnungsverfahren folgt dem der Hauptsache (vgl. OLG Celle a.a.O.).

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Soforthilfe vom Anwalt!

Jetzt Hilfe vom Anwalt!

Rufen Sie uns an um einen Beratungstermin zu vereinbaren oder nutzen Sie unser Kontaktformular für eine unverbindliche Beratungsanfrage bzw. Ersteinschätzung.

Ratgeber und hilfreiche Tipps unserer Experten.

Lesen Sie weitere interessante Urteile.

Unsere Kontaktinformationen.

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Hier finden Sie uns!

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

zum Kontaktformular

Ersteinschätzungen nur auf schriftliche Anfrage per Anfrageformular.

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Über uns

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!

Das sagen Kunden über uns
Unsere Social Media Kanäle

 

Termin vereinbaren

02732 791079

Bürozeiten:
Mo-Fr: 08:00 – 18:00 Uhr

Kundenbewertungen & Erfahrungen zu Rechtsanwälte Kotz. Mehr Infos anzeigen.

Ersteinschätzung

Wir analysieren für Sie Ihre aktuelle rechtliche Situation und individuellen Bedürfnisse. Dabei zeigen wir Ihnen auf, wie in Ihren Fall sinnvoll, effizient und möglichst kostengünstig vorzugehen ist.

Fragen Sie jetzt unverbindlich nach unsere Ersteinschätzung und erhalten Sie vorab eine Abschätzung der voraussichtlichen Kosten einer ausführlichen Beratung oder rechtssichere Auskunft.

Aktuelles Jobangebot

Juristische Mitarbeiter (M/W/D)
als Minijob, Midi-Job oder in Vollzeit.

mehr Infos