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Blendwirkung durch Photovoltaikanlage – Unterlassungsanspruch

Nachbarschaftsstreit um Blendwirkung von Solaranlage: Gericht entscheidet zugunsten des Umweltschutzes

In dem Urteil des Landgerichts Darmstadt (Az.: 7 O 129/21) vom 20.10.2022 wurde die Klage von Eigentümern eines Reihenendhauses abgewiesen, die von den Nachbarn, den Eigentümern eines Mehrfamilienhauses mit einer Photovoltaikanlage, die Unterlassung der durch die Anlage verursachten Blendwirkung gefordert hatten. Das Gericht entschied, dass die Lichtreflexionen der Solaranlage die Benutzung des klägerischen Grundstücks nur unwesentlich beeinträchtigen und somit nach § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht verboten werden können. Die Kläger wurden zudem zur Übernahme der Kosten des Rechtsstreits verpflichtet.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 7 O 129/21 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Die Klage gegen die Eigentümer einer Photovoltaikanlage wurde abgewiesen, da die Blendwirkung nur eine unwesentliche Beeinträchtigung darstellt.
  • Die Kosten des Rechtsstreits müssen von den Klägern getragen werden.
  • Beweisaufnahme durch Inaugenscheinnahme von Lichtbildern und Videos bestätigte, dass die Beeinträchtigung durch die Lichtreflexionen der Solaranlage als unwesentlich anzusehen ist.
  • Das Gericht berücksichtigte auch den öffentlichen Belang des Umweltschutzes bei seiner Entscheidung.
  • Die Kläger können die Lichtreflexionen der Photovoltaikanlage nach § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht verbieten.
  • Maßgeblich für die Beurteilung der Wesentlichkeit ist das Empfinden eines verständigen Durchschnittsbenutzers.
  • Umweltschutzinteressen spielen eine Rolle bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Beeinträchtigung.
  • Die Entscheidung beruht auf einer Abwägung zwischen nachbarrechtlicher Duldungspflicht und Übergeordneten Gemeinwohlinteressen.

Blendwirkung von Photovoltaikanlagen: Wann besteht ein Unterlassungsanspruch?

Photovoltaikanlagen sind ein wichtiger Bestandteil der Energiewende und tragen zur nachhaltigen Stromerzeugung bei. Doch was tun, wenn die Anlagen eine Blendwirkung auf benachbarte Grundstücke ausüben? In einigen Fällen kann dies zu Streitigkeiten unter Nachbarn und sogar zu Gerichtsverfahren führen. Doch wann haben betroffene Anwohner einen Anspruch auf Unterlassung der Blendwirkung? Und wie urteilen die Gerichte in solchen Fällen? In diesem Beitrag geben wir einen Überblick über die rechtlichen Grundlagen und aktuelle Urteile zum Thema.

Zunächst sollte geklärt werden, was überhaupt unter der Blendwirkung von Photovoltaikanlagen zu verstehen ist. Diese entsteht, wenn das Sonnenlicht auf die Solarmodule trifft und reflektiert wird. Je nach Stand der Sonne und Anordnung der Anlage kann es zu einer starken Blendung kommen, die für Anwohner unangenehm oder sogar gefährlich sein kann. Doch wann ist die Blendwirkung so stark, dass sie als Störung des Eigentums angesehen wird und einen Unterlassungsanspruch begründet? Dies hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie zum Beispiel der Intensität und Dauer der Blendung sowie der Art und Nutzung des betroffenen Grundstücks.

Um einen Einblick in die rechtliche Bewertung der Blendwirkung von Photovoltaikanlagen zu geben, wird im folgenden Beitrag ein aktuelles Gerichtsurteil zum Thema vorgestellt und analysiert. Dabei wird gezeigt, wie die Gerichte in solchen Fällen vorgehen und welche Kriterien für die Beurteilung eines Unterlassungsanspruchs maßgeblich sind. Zudem werden Tipps gegeben, wie betroffene Anwohner vorgehen können, um ihre Interessen wirksam durchzusetzen.

Blendwirkung von Photovoltaikanlagen: Wann ist die Grenze zur Beeinträchtigung überschritten?

photovoltaik anlage mit störender blendwirkung
Eine Photovoltaik-Anlage, die aufgrund ihrer Blendwirkung die Nachbarschaft beeinträchtigt, kann zu Konflikten führen. In bestimmten Fällen kann ein Nachbar einen Unterlassungsanspruch geltend machen, wenn die Beeinträchtigung durch die Blendwirkung über das zumutbare Maß hinausgeht.
(Symbolfoto: AlyoshinE /Shutterstock.com)

Photovoltaikanlagen sind längst ein fester Bestandteil der Energieversorgung in Deutschland. Sie dienen der nachhaltigen Stromerzeugung und tragen zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes bei. Doch was tun, wenn die Solarmodule auf dem Nachbargrundstück eine störende Blendwirkung entfalten? In einigen Fällen kann die Blendwirkung eine solche Beeinträchtigung darstellen, dass die betroffenen Anwohner einen Unterlassungsanspruch geltend machen können.

Aber wann ist die Grenze zur Beeinträchtigung überschritten? Wie muss die Blendwirkung beschaffen sein, damit ein Unterlassungsanspruch besteht? Und wie können betroffene Anwohner vorgehen, um ihre Interessen durchzusetzen? In diesem Beitrag geben wir einen Überblick über die rechtlichen Grundlagen und aktuelle Urteile zum Thema Blendwirkung von Photovoltaikanlagen.

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Photovoltaikanlage: Blendwirkung vs. Umweltschutz – Gericht entscheidet über Nachbarschaftsstreit

Im Herzen der Auseinandersetzung stand die Klage von Bewohnern eines Reihenendhauses gegen die Besitzer eines benachbarten Mehrfamilienhauses. Die Kläger forderten die Unterlassung der Blendwirkung, die von einer auf dem Dach des Mehrfamilienhauses installierten Photovoltaikanlage ausging. Diese Anlage, bestehend aus 82 Solarkollektoren mit einer Leistung von 29,9 kWp, hatte laut den Klägern zu einer unerträglichen Blendwirkung auf ihr Grundstück geführt, insbesondere in den sonnenreichen Monaten.

Solaranlagenstreit erreicht Gerichtssaal

Die rechtliche Auseinandersetzung entzündete sich, nachdem die Kläger erfolglos versucht hatten, die Angelegenheit außergerichtlich zu klären. Trotz mehrfacher Aufforderungen an die Beklagten und einem gescheiterten Schlichtungsversuch sahen sich die Betroffenen gezwungen, rechtliche Schritte einzuleiten. Die Kläger argumentierten, dass die Blendwirkung der Solaranlage den Aufenthalt in ihrem Garten und den rückwärtigen Zimmern ihres Hauses stark einschränke und zudem Augenbeschwerden verursache.

Juristische Herausforderungen und Entscheidungen

Das Landgericht Darmstadt musste in diesem Fall eine Vielzahl juristischer Fragen klären. Einer der kritischen Punkte war die Anwendbarkeit des § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGZPO, der vorschreibt, dass vor Erhebung einer Klage in Nachbarschaftsstreitigkeiten ein Schlichtungsverfahren durchzuführen ist. Das Gericht entschied, dass diese Vorschrift für einen der Beklagten, der in einem anderen Bundesland wohnte, nicht anwendbar war. Des Weiteren beurteilte das Gericht die Zulässigkeit des Klageantrags und kam zu dem Schluss, dass die Beschreibung der zu unterlassenden Immissionen als „wesentlich“ im rechtlichen Sinne angemessen war.

Blendwirkung von Photovoltaikanlagen: Grenzen der Zumutbarkeit

Ein zentraler Aspekt der Urteilsfindung war die Bewertung der Blendwirkung durch die Photovoltaikanlage. Das Gericht lehnte die Klage ab und begründete dies damit, dass die von der Anlage ausgehenden Lichtreflexionen das Grundstück der Kläger nur unwesentlich beeinträchtigten. Die Bewertung basierte auf dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsbenutzers und berücksichtigte Faktoren wie die Dauer und Intensität der Blendungen sowie deren Auswirkungen auf die Nutzung des Grundstücks.

Umweltschutz wiegt schwer im Urteil

Interessanterweise spielte auch der Umweltschutz eine wesentliche Rolle in der Urteilsbegründung. Das Gericht stellte fest, dass die Kläger die Lichtreflexionen der Photovoltaikanlage hinnehmen müssen, insbesondere weil der verständige Durchschnittsbenutzer bei der Beurteilung von Immissionen auch öffentliche Belange wie den Umweltschutz berücksichtigt. Diese Entscheidung unterstreicht die zunehmende Bedeutung von Umweltschutzinteressen in der Rechtsprechung, selbst wenn es um private Nachbarschaftsstreitigkeiten geht.

Im Ergebnis wurde die Klage abgewiesen, und die Kläger wurden zur Übernahme der Kosten des Rechtsstreits verpflichtet. Das Urteil betont die Notwendigkeit einer sorgfältigen Abwägung zwischen den Rechten Einzelner und übergeordneten öffentlichen Interessen wie dem Umweltschutz. Es zeigt auf, dass die juristische Auseinandersetzung um Photovoltaikanlagen und deren Auswirkungen auf die unmittelbare Umgebung in Zeiten der Energiewende und des verstärkten Umweltschutzes komplex und vielschichtig bleibt.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Wie wird die Zumutbarkeit von Blendwirkungen durch Photovoltaikanlagen rechtlich bewertet?

Die rechtliche Bewertung der Zumutbarkeit von Blendwirkungen durch Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) in Deutschland basiert auf verschiedenen juristischen Grundsätzen und Einzelfallentscheidungen. Im Kern geht es darum, ob und inwieweit die von einer PV-Anlage ausgehenden Lichtreflexionen und Blendungen für Nachbarn als unzumutbare Störung gelten können.

Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat in einem Urteil festgestellt, dass Blendungen durch eine Photovoltaikanlage auf dem Dach eines Wohnhauses vom Nachbarn grundsätzlich nur dann zu dulden sind, wenn die Beeinträchtigungen bestimmte Grenzen nicht überschreiten. Dies bedeutet, dass eine gewisse Toleranzschwelle existiert, deren Überschreitung eine rechtliche Handhabe gegen die Blendwirkungen ermöglicht.

Ein weiteres Urteil des Landgerichts (LG) Frankenthal hebt hervor, dass Nachbarn nicht zumutbar ist, ihre Wohnbereiche und Außenflächen wie Terrassen und Gärten nicht normal nutzen zu können, weil sie durch die Blendwirkung einer PV-Anlage erheblich gestört werden. In diesem Fall wurde der Klage der Nachbarn auf Unterlassung der Störung stattgegeben, da nach einem Sachverständigengutachten die Blendung zu zeitweisen Einschränkungen der Sehfähigkeit und zu einer Nachbilderzeugung führte.

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Die rechtliche Bewertung hängt stark von den spezifischen Umständen des Einzelfalls ab, einschließlich der Intensität und Dauer der Blendung sowie der Möglichkeit, diese durch technische Maßnahmen zu reduzieren. So gibt es beispielsweise Spezialmodule mit reflexionsarmen Oberflächen, die die Blendwirkung von PV-Anlagen minimieren können.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Zumutbarkeit von Blendwirkungen durch Photovoltaikanlagen rechtlich dann als überschritten gilt, wenn die Beeinträchtigungen eine normale Nutzung der Wohnbereiche und Außenflächen erheblich einschränken und keine zumutbaren Maßnahmen zur Reduzierung der Blendung ergriffen wurden. Die Gerichte legen dabei Wert auf eine Abwägung zwischen den Interessen der Energiegewinnung und Umweltschutz einerseits und dem Bedürfnis nach einem störungsfreien Wohnraum andererseits.

Wie werden Immissionen durch Photovoltaikanlagen im Nachbarrecht behandelt?

Im deutschen Nachbarrecht werden Immissionen durch Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) auf der Grundlage des § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) behandelt. Dieser Paragraf regelt die Zuführung von unwägbaren Stoffen, zu denen auch Licht gehört, auf ein Nachbargrundstück. Es gibt keine spezifischen technischen Regelwerke oder definierten Immissions-Grenzwerte für Lichtimmissionen von privaten Solaranlagen. Daher erfolgt die rechtliche Bewertung auf der Basis von Einzelfallentscheidungen.

Wenn ein Nachbar durch die Lichtreflexionen einer PV-Anlage beeinträchtigt wird, kann er grundsätzlich einen Abwehranspruch geltend machen. Dieser Anspruch besteht jedoch nur, wenn die Beeinträchtigung als wesentlich anzusehen ist. Die Gerichte prüfen in solchen Fällen, ob die Nutzung des Nachbargrundstücks durch die Lichtimmissionen in einer nicht unwesentlichen Weise gestört wird und ob diese Störung durch zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann.

Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat beispielsweise entschieden, dass eine Blendwirkung durch eine Photovoltaikanlage nicht als ortsüblich anzusehen ist und der betroffene Nachbar nicht verpflichtet ist, diese zu dulden. Der Eigentümer der Anlage muss dann Maßnahmen ergreifen, um die Blendwirkung zu unterbinden.

In einem anderen Fall hat das OLG Braunschweig entschieden, dass ein Nachbar die Blendwirkung einer PV-Anlage nicht hinnehmen muss, wenn diese eine wesentliche Beeinträchtigung darstellt. Die Gerichte ziehen Sachverständige hinzu, um die konkreten Blendzeiten und die Intensität der Lichtimmissionen festzustellen und auf dieser Grundlage zu entscheiden.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Nachbarn von Photovoltaikanlagen grundsätzlich einen Anspruch auf Unterlassung der Blendwirkung haben können, wenn diese als wesentliche Beeinträchtigung eingestuft wird. Da es keine festgeschriebenen Grenzwerte gibt, hängt die Entscheidung von der Bewertung des Einzelfalls durch die Gerichte ab, wobei die ortsübliche Nutzung und die Zumutbarkeit von Maßnahmen zur Verhinderung der Störung berücksichtigt werden.

Welchen Einfluss hat der Umweltschutz auf die Duldungspflicht von Immissionen?

Der Umweltschutz hat einen wesentlichen Einfluss auf die Duldungspflicht von Immissionen, da das Immissionsschutzrecht den Schutz der Menschen und der Umwelt vor schädlichen Umwelteinwirkungen zum Ziel hat. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) definiert schädliche Umwelteinwirkungen als Immissionen, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

Im Rahmen des Immissionsschutzrechts werden Maßnahmen der Gefahrenabwehr und der Vorsorge verfolgt, um potenziell schädliche Einwirkungen auf den Menschen und seine Umwelt zu verringern. Dies bedeutet, dass bei der Beurteilung, ob Immissionen zu dulden sind, auch die möglichen Auswirkungen auf die Umwelt berücksichtigt werden müssen. Vorbeugender Immissionsschutz erfordert, dass die möglichen Auswirkungen umweltrelevanter Anlagen und von Verkehrseinrichtungen in einem möglichst frühen Stadium beurteilt werden.

Das Verwaltungsgericht Augsburg hat in einem Urteil festgestellt, dass die Duldungspflicht von Immissionen auch von den konkreten örtlichen Gegebenheiten abhängt und dass eine gegenseitige Pflicht zur Rücksichtnahme besteht. Dies bedeutet, dass nicht nur derjenige, der Immissionen verursacht, eine Pflicht hat, sondern auch derjenige, der sich solchen Immissionen aussetzt, kann eine Duldungspflicht haben.

Zusammengefasst spielt der Umweltschutz eine wichtige Rolle bei der Beurteilung der Duldungspflicht von Immissionen. Das Immissionsschutzrecht zielt darauf ab, die Umwelt und die Gesundheit der Menschen zu schützen, und beeinflusst daher die Entscheidung, ob und inwieweit Immissionen als zumutbar oder unzumutbar gelten. Die Duldungspflicht hängt von der Erheblichkeit der Immissionen und der Möglichkeit ab, diese durch zumutbare Maßnahmen zu verhindern oder zu verringern.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  • § 1004 BGB (Beseitigung und Unterlassung): Erläutert das Recht eines Eigentümers, die Beseitigung einer Beeinträchtigung zu verlangen sowie zukünftige Störungen zu unterlassen. Im Kontext des Urteils ist dieser Paragraph relevant, da die Kläger die Unterlassung der Blendwirkung durch eine Photovoltaikanlage fordern.
  • § 906 BGB (Zuführung unwägbarer Stoffe): Regelt, inwiefern der Eigentümer eines Grundstücks Immissionen durch von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen dulden muss. Für den vorliegenden Fall bedeutend, da entschieden wurde, dass die Blendwirkung der Photovoltaikanlage nur eine unwesentliche Beeinträchtigung darstellt.
  • § 15a EGZPO (Schlichtungsverfahren): Bestimmt die Notwendigkeit eines Schlichtungsverfahrens vor Erhebung einer Klage in bestimmten zivilrechtlichen Streitigkeiten. Die Unzulässigkeit eines Teils der Klage basiert auf dem Fehlen dieses Schlichtungsversuchs.
  • § 91 ZPO (Tragung der Kosten des Rechtsstreits): Bestimmt, dass die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Relevant für den vorliegenden Fall, da die Kläger als unterliegende Partei die Kosten des Verfahrens tragen müssen.
  • § 709 ZPO (Vorläufige Vollstreckbarkeit): Erläutert die Bedingungen, unter denen ein Urteil vorläufig vollstreckbar ist, einschließlich der Sicherheitsleistung. Das Urteil im vorgestellten Fall wurde auf dieser Grundlage für vorläufig vollstreckbar erklärt.

Diese Paragraphen und Gesetze bilden das rechtliche Fundament des behandelten Falles und helfen, das Urteil und seine Konsequenzen zu verstehen.


Das vorliegende Urteil

LG Darmstadt – Az.: 7 O 129/21 – Urteil vom 20.10.2022

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger begehren von den Beklagten die Unterlassung der Blendwirkung durch eine Photovoltaikanlage.

Die Kläger sind Eigentümer eines mit einem Reihenendhaus bebauten Grundstücks in der Xstraße … in […]. Der Beklagte zu 3 ist Eigentümer des mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks in der Ystraße … in […], seine Eltern, die Beklagten zu 1 und zu 2, sind Inhaber eines Nießbrauchrechtes an diesem Grundstück. Auf der Rückseite des klägerischen Hauses und mit Blickkontakt zu dem Dach des Hauses der Beklagten befinden sich Wohnzimmer, Schlafzimmer und Büro des Klägers zu 1 sowie der Garten.

Der Beklagte zu 3 wohnte zunächst in […], meldete sich dort zum 01.09.2020 ab und kurz darauf in der Stadt Mannheim an, wo er studierte. Im Haus seiner Eltern, den Beklagten zu 1 und 2, verfügte der Beklagte zu 3 seither noch über ein eingerichtetes Zimmer.

Am 19.04.2021 ließ der Beklagte zu 3 auf dem Dach Hauses der Beklagten eine Photovoltaikanlage bestehend aus 82 Solarkollektoren mit einer Arbeitsleistung von 29,9 kWp errichten, wobei der dabei erzeugte Strom im Rahmen eines Mieterstrom-Modells an die Mieter der Wohnungen verkauft werden sollte.

In der Folge forderten die Kläger die Beklagten zu 1 und 2 zunächst mit Schreiben vom 20.04.2021 (Anlage K 8, Bl. 15 d. A.), sodann mit anwaltlichem Schreiben vom 07.05.2021 unter Fristsetzung bis zum 04.06.2021 (Anlage K 9, Bl. 18 f. d. A.) erfolglos auf, die Blendwirkung der Photovoltaikanlage zu beseitigen.

Am 03.05.2021 registrierte die Bundesnetzagentur den Beklagten zu 3 als Betreiber der Stromerzeugungseinheit (Anlage B 1, Bl. 68 f. d. A.).

Ein von den Klägern gegen den Beklagten zu 1 eingeleitetes Schlichtungsverfahren, bei dem die Beklagte zu 2 als „Beistand“ zugegen war, scheiterte (Anlage K 11, 21 ff. d. A.).

Die Kläger behaupten, von der streitgegenständlichen Photovoltaikanlage gehe eine unerträgliche, grell-helle Blendeinwirkung auf die rückwärtige Seite des klägerischen Hauses aus, die so stark sei, dass an sonnenreichen Tagen im Zeitraum von 11:30 Uhr bis 13:30 Uhr der Aufenthalt in allen rückseitigen Räumen des Hauses sowie dem rückseitigen Garten nur eingeschränkt möglich sei, und dass sie ferner bei den Klägern und ihrer Tochter Augenbeschwerden hervorrufe.

Die Kläger haben ihre Klage zunächst nur gegen den Beklagten zu 1 gerichtet und sie sukzessive zunächst gegen die Beklagte zu 2, schließlich gegen den Beklagten zu 3 erweitert.

Die Kläger beantragen nunmehr,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die von der Solaranlage auf dem Dach des Hauses Ystraße in […] ausgehende unzumutbare Sonnen-Blendwirkung auf die rückwärtige Seite des Hauses der Kläger in der Xstraße […] zu verhindern,

2. den Beklagten zu 1 zu verurteilen, die außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 1.192,86 EUR nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

hilfsweise, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die von der Solaranlage auf dem Dach des Hauses Ystraße in […] ausgehende Blendwirkung auf die rückwärtige Seite des Hauses der Kläger in der Xstraße in […] nicht mehr als 15 Minuten täglich dauert.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten sind der Auffassung, die Klage sei in Bezug auf den Beklagten zu 3 mangels vorangegangenen Schlichtungsverfahrens unzulässig. Dieses sei erforderlich gewesen, da der Beklagte zu 3 über einen Wohnsitz in […] verfüge.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme von den Klägern vorgelegter Lichtbilder und Videos. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 06.10.2022 (Bl. 214 ff. d. A.) sowie den Inhalt der dort genannten Dateien auf den in der Akte befindlichen USB-Sticks (Bl. 189, 209 f. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Klage ist unzulässig. Im Übrigen ist die Klage zulässig, aber unbegründet.

I. 1.

Soweit die Kläger ihre Klage auch gegen die Beklagte zu 2 richten, ist diese wegen Verstoßes gegen § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGZPO unzulässig. Nach dieser Vorschrift kann durch Landesgesetz bestimmt werden, dass die Erhebung der Klage in Streitigkeiten über Ansprüche aus dem Nachbarrecht nach § 906 BGB erst zulässig ist, nachdem von einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle versucht worden ist, die Streitigkeit einvernehmlich beizulegen. Von dieser Möglichkeit ist in Hessen durch § 1 des Hessischen Schlichtungsgesetzes Gebrauch gemacht worden. Die Kläger haben die vorgesehene Gütestelle indessen vorprozessual allein im Hinblick auf ein Schlichtungsverfahren gegen den Beklagten zu 1, nicht gegen die Beklagte zu 2 angerufen (vgl. Anlage K 11, Bl. 23 d. A.).

2.

Soweit die Klage gegen den Beklagten zu 3 gerichtet ist, war die vorangehende Anrufung der Gütestelle indessen entbehrlich. Denn nach § 15a Abs. 2 Satz 2 EGZPO findet die Vorschrift des § 15a Abs. 1 EGZPO keine Anwendung, wenn die Parteien nicht in demselben Land wohnen. Der Beklagte zu 3 wohnt in Mannheim in Baden-Württemberg, wo er unstreitig studiert und eine Wohnung angemeldet hat, wobei letzteres eine Wohnsitznahme indiziert (vgl. nur BGH, Beschluss vom 07.02.1990, XII ARZ 1/90, NJW-RR 1990, 506 Leitsatz 2 und unter 2.c).

Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagte zu 3 im elterlichen Haus in […] über ein Zimmer verfügt und sich nach seinem Vorbringen „während der gesamten Corona-Zeit […] ganz überwiegend“ dort aufgehalten habe. Dieses Vorbringen ist nicht hinreichend substantiiert. Dass im elterlichen Haushalt das Kinderzimmer für das gerade zum Studium ausgezogene Kind vorgehalten wird, spricht weder für noch gegen das Fortbestehen eines Wohnsitzes oder auch nur tatsächlichen Aufenthaltes. Der Beklagte zu 3 präzisiert auch nicht, in welchem Umfang und in welchem genauen Zeitraum er sich tatsächlich in […] aufgehalten haben will. Dies gilt zum einen, da seine Abmeldung aus […] im September 2020 und damit mitten in der „Corona-Zeit“ erfolgte, während der er sich nach seinen eigenen Angaben noch in […] aufgehalten haben will, zum anderen, da die Klageerhebung im April 2022 erfolgte (vgl. Bl. 133 d. A., § 195 ZPO) und völlig unklar bleibt, ob selbst ein anzunehmender zeitweiser Aufenthalt in […] dann noch fortdauerte.

3.

Entgegen seiner in der mündlichen Verhandlung geäußerten Bedenken hält das Gericht den Klageantrag zu 1 für zulässig, obwohl er zur Beschreibung der zu unterlassenden Immissionen den wertungsabhängigen Begriff „wesentlich“ verwendet. Denn wegen der Besonderheiten der immissionsrechtlichen Unterlassungsklage sind in diesem Bereich Klageanträge mit dem Gebot, allgemein Störungen bestimmter Art zu unterlassen, zulässig, wegen der Schwierigkeiten, mit Worten das Maß unzulässiger Einwirkungen so zu bestimmen, dass der Beeinträchtigte hinreichend geschützt wird und nicht schon eine geringfügige Änderung der Einwirkung trotz einer fortdauernden nicht zu duldenden Belästigung das Verbot hinfällig macht. Aus diesem Grund muss hingenommen werden, dass auch der Streit über die Wesentlichkeit von Immissionen gegebenenfalls im Vollstreckungsverfahren erneut entschieden werden muss (vgl. BGH, Urteil vom 05.02.1993 – V ZR 62/91 – NJW 1993, S. 1656 m. w. N.).

II.

Die gegen die Beklagten zu 1 und 3 gerichtete Klage, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.

1.

Den Klägern steht gegen die Beklagten zu 1 und 3 kein Anspruch aus §§ 1004 Abs. 1, 906 BGB, der einzigen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage, auf Beseitigung der monierten Blendwirkung der Photovoltaikanlage zu.

Denn die von der Photovoltaikanlage ausgehenden Lichtreflexionen in Richtung des klägerischen Anwesens, bei denen es sich um Einwirkungen im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt, beeinträchtigen die Benutzung des klägerischen Grundstücks nur unwesentlich, so dass die Kläger diese nach § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht verbieten können.

Maßstab für die Wesentlichkeit der Benutzungsbeeinträchtigung ist das Empfinden eines verständigen Durchschnittsbenutzers des betroffenen Grundstücks in seiner durch Natur, Gestaltung und Zweckbestimmung geprägten konkreten Beschaffenheit. Dabei sind die jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere im Hinblick auf die Dauer der Blendungen, die Intensität der Lichtreflexe und die konkreten Auswirkungen auf die Nutzung des Nachbargrundstücks. Definitiv unerheblich ist das subjektive Empfinden oder die individuellen Lebensumstände des Gestörten.

Nach diesem Maßstab sind die streitgegenständlichen, von der Photovoltaikanlage der Beklagten ausgehenden Lichtreflexionen unwesentlich. Nach dem Vorbringen der Kläger, den von ihnen vorgelegten Lichtbildern, vor allen Dingen aber den von ihnen vorgelegten Videoaufnahmen, die das Gericht in Augenschein genommen hat, wird das Grundstück der Kläger tatsächlich von Lichtreflexionen getroffen, die nahezu horizontal einfallen und – zeitlich begrenzt – eine gewisse Blendung hervorrufen. Sie überschreiten jedoch aus mehreren Gründen nicht das Maß des Wesentlichen.

So ist aus den von den Klägern selbst vorgelegten Videoaufnahmen ohne Weiteres ersichtlich, dass die Lichtreflexionen weit überwiegend nur in einem Zeitfenster von etwa einer halben bis dreiviertel Stunde pro Tag derart auf das Grundstück treffen, dass sie von dem Betrachter überhaupt als störend wahrgenommen werden. Anders als die Kläger in ihrer Klageschrift angeben, stellt sich die störende Wirkung gerade nicht ganzjährig jeden Tag für zwei volle Stunden ein, sondern in Abhängigkeit des Sonnenstandes und der Bewölkung nur für die genannten kürzeren Zeiträume innerhalb des von den Klägern genannten zweistündigen Zeitfensters und auch dies – wie die Kläger an anderer Stelle (Bl. 182 d.A.) einräumen – nur von April bis Anfang September. So liegt die Dauer der als störend zu wertenden Beeinträchtigung selbst in den von dem Kläger als vermeintlich besonders störend hervorgehobenen Fällen aus den vorgelegten Videos lediglich bei höchstens 41 Minuten (ab ca. Minute 09:30 des Videos USB-Stick Bl. 189 d. A., 2022-07-02 Video extrem starke Blendung\00029.MTS bis ca. Minute 20:00 des Videos a. a. O., 00030.MTS), für den Stichtag 03.07.2022 bei höchstens 39 Minuten (ab ca. Minute 08:00 des Videos USB-Stick Bl. 189 d. A., 2022-07-03 Video extrem starke Blendung\00032 extrem starke Blendung.MTS bis ca. Minute 16:00 des Videos a. a. O., 00033 extrem starke Blendung.MTS), ebenso für den Stichtag 04.07.2022 (ab ca. Minute 18:00 des Videos USB-Stick Bl. 189 d. A., 2022-07-04 Video extrem starke Blendung\00036.MTS bis ca. Minute 39:00 des Videos a. a. O., 00037.MTS). Einzig aus einem in Augenschein genommenen Videopaar ergab sich eine etwas länger andauernde, als störend zu wertende Beeinträchtigung von bis zu 55 Minuten (ab ca. Minute 4:00 des Videos USB-Stick Bl. 209 d. A., Videos\00094.MTS bis ca. Minute 28:00 des Videos a. a. O., 00095.MTS). Die Kläger hatten in der mündlichen Verhandlung Gelegenheit, weitere Beispiele für besonders störende Blendungen zu benennen, haben hiervon aber keinen Gebrauch gemacht. Bei alledem ist im Hinblick auf die Dauer der Beeinträchtigung zu berücksichtigen, dass diese ohnehin nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien nur im Sommerhalbjahr auftreten kann und auch dann nur an sonnenreichen, wolkenfreien Tagen, von denen es im Jahr 2022, aus dem die von den Klägern gefertigten Videos fast ausnahmslos stammen, überdurchschnittlich viele gab. Dies wird durch die weiteren, von den Klägern vorgelegten Videos bestätigt: So ist etwa aus dem Video USB-Stick Bl. 189 d. A., 2021-09-05 Video Blendung\2021-09-05 00014.MTS für den Stichtag 05.09.2021 überhaupt keine nennenswert intensive Blendung erkennbar.

Dabei mögen die Lichtreflexe auch innerhalb des von den Klägern genannten Zeitraums über das Grundstück bzw. die Hausfassade „wandern“. Maßgeblich ist jedoch die Beeinträchtigung an einem gegebenen Punkt auf dem Grundstück, wie etwa dem Standort der von dem Kläger aufgestellten Kamera. An diesen Orten ist die vorliegend besorgte Beeinträchtigung nach dem soeben Gesagten nur von relativ kurzer Dauer. Dieser Maßstab muss jedenfalls für räumlich abgrenzbare Immissionen – wie die vorliegenden annähernd zylinderförmigen Lichtreflexionen der Photovoltaikanlage – gelten. Anders als beispielsweise Lärm, Gerüche oder andere Dämpfe führen sie per se nur zu einer örtlich begrenzten Beeinträchtigung. Im Übrigen wären anderenfalls Benutzer größerer Grundstücke im Vorteil, die wandernde, punktuelle Beeinträchtigungen deutlich leichter abwehren könnten, obwohl die tatsächliche Betroffenheit eines durchschnittlichen Benutzers an einem gegebenen Punkt nur gering ist.

Den von den Klägern selbst vorgelegten Videoaufnahmen ist des Weiteren zu entnehmen, dass die Lichtreflexionen weder den Aufenthalt noch die Arbeit in den betroffenen Räumen hindern. Dies gilt zum einen für die ausdrücklich den Innenraum betreffenden Videos aus dem Ordner „Videos“ des USB-Sticks Bl. 209 d. A. Während dort zweifellos Lichtreflexionen und Licht-Schatten-Spiele an Wänden, Mobiliar und Computerbildschirmen erkennbar sind, geht daraus nicht hervor, dass die Möglichkeit zu Aufenthalt oder Arbeit nennenswert eingeschränkt wären. Das Gegenteil ist der Fall: Auf den übrigen, bereits oben genannten Videoaufzeichnungen sind nahezu durchgängig Geräusche bzw. (Telefon-)Gespräche der anwesenden Personen sowie Arbeitsgeräusche, etwa Blättern, Schreiben, das Tippen auf einer Computertastatur, die Bewegungen einer Computermaus, das Geräusch eines Druckers sowie im Hintergrund laufendes Radio o.ä. zu hören. Dies gilt nur nicht für die Aufzeichnung vom 04.07.2022, allerdings handelt es sich hierbei um einen Sonntag.

Entgegen der Rechtsauffassung der Kläger kann das Gericht die hier maßgeblichen Feststellungen selbst und ohne Inanspruchnahme eines Sachverständigen treffen. Das maßgebliche tatsächliche Vorbringen im Hinblick auf die Beeinträchtigung der Kläger ist unstreitig oder zu Gunsten der Kläger als wahr unterstellt worden. Verbindliche Immissionsgrenzwerte bestehen für von Photovoltaikanlagen ausgehende Lichtreflexionen gerade nicht. Im Übrigen handelt es sich bei der Beurteilung einer Immission als wesentlich um einen Akt tatrichterlicher Wertung (vgl. nur BGH, Urteil vom 26.10.2018 – V ZR 143/17 – NJW 2019, S. 773 Rn. 10).

Sind die von den Klägern behaupteten Lichtreflexionen von diesen demnach bereits nach dem soeben Gesagten als unwesentlich im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB hinzunehmen, so muss dies – ohne dass das Gericht hierüber im vorliegenden Fall entscheiden müsste – jedenfalls deshalb gelten, weil der gedachte verständige Durchschnittsbenutzer bei der Beurteilung seines Empfindens nicht nur seine eigenen Interessen, sondern auch andere öffentliche Belange, namentlich den Umweltschutz, berücksichtigt (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 13.12.2013, 9 U 184/11, NJOZ 2014, 1010 unter II.3.c.cc; Herrler in Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 81. Aufl. 2022, § 906 Rn. 17). Denn anders als möglicherweise ein konkret betroffener einzelner Benutzer stellt dieser übergeordnete Gemeinwohlinteressen in die Beurteilung einer bestimmten Empfindung als wesentlich oder unwesentlich ein. Hierzu zählt auch der Umweltschutz, der zuletzt sogar prominent als Staatsziel in Art. 20a des Grundgesetzes verankert worden ist. In diesem Zusammenhang ist im öffentlichen Diskurs der letzten Jahrzehnte allgemein anerkannt, dass die natürlichen Lebensgrundlagen durch den Treibhauseffekt gefährdet sind und dessen Eindämmung neben anderen Maßnahmen eine Abkehr von der Energieerzeugung mittels fossiler Brennstoffe erfordert, wobei zur alternativen Deckung des unzweifelhaft bestehenden Bedarfs an Elektrizität eine kontinuierliche Zunahme der Stromerzeugung durch regenerative Energiequellen und dabei namentlich durch die Photovoltaik unerlässlich ist. In diesem Sinne hat sich die Anbringung von Photovoltaikanlagen auf den Dächern bestehender (privater bzw. öffentlicher) Gebäude als eine Ausbaumethode etabliert und entsprechende Anlagen sind inzwischen – auch in den Wohngebieten dicht besiedelter Ballungsräume, wie hier – allgegenwärtig. Sind derartige Anlagen allerdings, wie dargelegt, aus dem übergeordneten Gemeinwohlinteresse des Umweltschutzes heraus erforderlich und etabliert, dann sind etwaige verbleibende Beeinträchtigungen, die nicht über das hier anzutreffende Maß hinausgehen, nachbarrechtlich zu dulden.

Entgegen der von den Klägern herangezogenen Entscheidung des OLG Karlsruhe (Urteil vom 13.12.2013, 9 U 184/11, NJOZ 2014, 1010 unter II.3.c.cc; ähnlich offenbar auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.07.2017, 9 U 35/17, NJOZ 2018, 652 Rn. 19) bezieht sich die Duldungspflicht auch nicht nur auf die Anbringung der Photovoltaikanlage als solche. Denn von der Anbringung einer derartigen Anlage allein gehen für sich genommen keinerlei Einwirkungen im Sinne des § 906 Abs. 1 BGB auf ein Nachbargrundstück aus und dem Nachbar steht von vornherein kein zivilrechtlicher Abwehranspruch dagegen zu. Die zusätzliche Berücksichtigung allgemeiner Gemeinwohlinteressen muss daher eine Veränderung des Maßstabs der Wesentlichkeit gegenüber der „Grundkonstellation“ zur Folge haben, in der diese Interessen nicht berücksichtigt werden. Sie muss, mit anderen Worten, zur Folge haben, dass gewisse, tatsächlich vorhandene Beeinträchtigungen, die ohne Berücksichtigung allgemeiner Gemeinwohlinteressen als wesentlich zu bewerten wären und vom Nachbar mit seinem Abwehranspruch aus §§ 1004, 906 BGB unterbunden werden können, nunmehr vom Nachbar als unwesentlich zu tolerieren sind.

Da die Voraussetzungen der einzigen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage bereits nicht gegeben sind, muss vorliegend weder entschieden werden, ob die Kläger tatsächlich, wie von den Beklagten bestritten, Eigentümer des von ihnen bewohnten Grundstücks sind, noch ob der Beklagte zu 1 als bloßer Inhaber eines Nießbrauchs passiv legitimiert ist.

2.

Die geltend gemachten Nebenforderungen (vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen) teilen das Schicksal der Hauptforderung.

3.

Über den Hilfsantrag ist nicht zu entscheiden, denn dieser ist nur für den Fall gestellt, dass das Gericht den Hauptantrag für unzulässig hält, was nach dem unter I.3 Gesagten nicht der Fall ist.

III.

Als unterliegende Parteien haben die Kläger gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.

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