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Corona-Pandemie – Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln des Personennahverkehrs

OVG Lüneburg – Az.: 14 MN 279/22 – Beschluss vom 18.07.2022

Der Antrag wird verworfen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I. Der Antrag, § 12 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Niedersächsischen Verordnung über Schutzmaßnahmen gegen das Corona-Virus SARS-CoV-2 und dessen Varianten vom 1. April 2022, zuletzt geändert durch Verordnung vom 21. Juni 2022 (online eilverkündet am 1. April bzw. 21. Juni 2022 unter www.niedersachsen.de/verkuendung; im Folgenden: Niedersächsische Corona-Verordnung), vorläufig außer Vollzug zu setzen, hat keinen Erfolg.

Diese Entscheidung, die nicht den prozessrechtlichen Vorgaben des § 47 Abs. 5 VwGO unterliegt (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 607; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 110 ff.), trifft der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 12.6.2009 – 1 MN 172/08 -, juris Rn. 4 m.w.N.) und gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 NJG ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter.

Der Antrag ist unzulässig. Er ist nicht statthaft, weil der Senat die vorläufige Außervollzugsetzung der seitdem unveränderten Regelung bereits mit Beschluss vom 2. Juni 2022 selben Rubrums abgelehnt hat (14 MN 259/22; veröffentlicht in juris).

Der Senat nimmt keine Umdeutung des ausdrücklich gestellten Antrags vor. Eine Prozesserklärung, die ein Rechtsanwalt abgegeben hat, ist einer gerichtlichen Umdeutung grundsätzlich unzugänglich (vgl. BVerwG, Beschl. v. 9.2.2005 – BVerwG 6 B 75.04 -, juris Rn. 12; NdsOVG, Beschl. v. 19.6.2013 – 8 LA 79/13 -, juris Rn. 16 jeweils m.w.N.). Anhaltspunkte, die im vorliegenden Fall ausnahmsweise eine Umdeutung gestatten oder gar gebieten würden, sind nicht ersichtlich, zumal der Antragsteller sich mit den Voraussetzungen für einen Abänderungsantrag (s. dazu unter II.) in seiner Antragsbegründung nicht befasst.

II. Selbst wenn der Senat den Antrag in einen allein zulässigen Abänderungsantrag nach §§ 47 Abs. 6, 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO analog (vgl. zur Anwendbarkeit dieser Regelung BVerwG, Beschl. v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 (4 CN 4.14) -, juris Rn. 9; OVG NRW, Beschl. v. 10.12.2021 – 13 B 1454/21.NE -, juris Rn. 3, u. v. 20.7.1998 – 11a B 993/98.NE -, juris Rn. 9 ff.; BayVGH, Beschl. v. 22.8.2017 – 15 NE 17.1221 -, Rn. 21 u. v. 19.7.2012 – 2 NE 12.1520 -, juris Rn. 2; Schoch, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand: 42. EL Februar 2022, § 47 Rn. 186; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 47 Rn. 112; Wysk, in: Wysk, VwGO, 3. Auflage 2020, § 47 Rn. 108) umdeuten würde, hätte der Antrag keinen Erfolg. Der Antrag wäre bereits mangels Antragsbefugnis unzulässig.

Corona-Pandemie - Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln des Personennahverkehrs
(Symbolfoto: liloon/Shutterstock.com)

Ein Abänderungsantrag gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO (hier analog) ist zulässig, wenn der Antragsteller sich entweder auf veränderte Umstände oder auf im vorangegangenen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände beruft. Das Zulässigkeitserfordernis der Antragsbefugnis setzt voraus, dass der jeweilige Antragsteller einen schlüssigen Vortrag zur Änderung der Sach- oder Rechtslage, auch der Prozesslage, bietet und auf dieser Grundlage die Möglichkeit einer Abänderungsentscheidung besteht (vgl. Schoch, in: Schoch/Schneider, VwGO, 42. EL Februar 2022, § 80 Rn. 576; Gersdorf, in: BeckOK VwGO, 61. Edition, Stand: 1.7.2021, § 80 Rn. 200; BVerwG, Beschl. v. 29.1.1999 – 11 VR 13/98 -, juris Rn. 2; OVG NRW, Beschl. v. 29.3.2017 – 4 B 919/16 -, juris Rn. 8; NdsOVG, Beschl. v. 21.12.2020 – 12 ME 140/20 -, juris Rn. 26 f.; BayVGH, Beschl. v. 19.3.2020 – 10 AS 20.477 -, juris Rn. 18). Diesen Voraussetzungen genügt das Vorbringen des Antragstellers nicht.

Das ist zunächst ersichtlich der Fall, soweit der Antragsteller über weite Passagen und ohne Auseinandersetzung mit der Senatsrechtsprechung wörtlich frühere Antragsbegründungen wiederholt und sich mit der Frage auseinandersetzt, ob mit der Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln des Personennahverkehrs ein legitimes Ziel verfolgt wird sowie der Eingriff zur Erreichung des Ziels geeignet, erforderlich und angemessen ist. Gleiches gilt für seine Ausführungen über die „Schädlichen Wirkungen der Maske“. Es ist schon nicht dargelegt oder erkennbar, dass insoweit eine Änderung der Sach- oder Rechtslage vorliegt oder der Antragsteller diese Argumente ohne Verschulden erst nach Abschluss des Verfahrens 14 MN 259/22 vorbringen konnte. Nur vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass der dahingehende Vortrag auch in der Sache nicht zu einer abweichenden Einschätzung führen könnte.

Soweit sich der Antragsteller auf den Bericht des Sachverständigenausschusses nach § 5 Abs. 9 IfSG vom 30. Juni 2020 beruft, fehlt es schon an dem erforderlichen schlüssigen Vortrag dazu, dass auf der Grundlage dieses – 160 Seiten umfassenden – Berichts die Möglichkeit einer Abänderungsentscheidung bestehen könnte. Der Antragsteller beschränkt sich darauf, an verschiedenen Stellen seiner Antragsbegründung die folgenden Passagen dieses Berichts zu zitieren bzw. in Bezug zu nehmen:

  • Seite 13: „Die Kombination von epidemiologischen Erkenntnissen und tierexperimenteller Bestätigung lässt die Schlussfolgerung zu, dass das Tragen von Masken ein wirksames Instrument in der Pandemiebekämpfung sein kann. Eine schlechtsitzende und nicht enganliegende Maske hat jedoch einen verminderten bis keinen Effekt.“
  • Seite 99: „Neben der allgemeinen und im Labor bestätigten Wirksamkeit von Masken ist nicht abschließend geklärt, wie groß der Schutzeffekt von Masken in der täglichen Praxis sind, denn randomisierte, klinische Studien zur Wirksamkeit von Masken fehlen.“
  • Seite 100: „Eine weitere Einschränkung ist, dass die meisten publizierten Studien von einem korrekten Tragen der FFP2-Maske durch die befragten Personen ausgehen. In der Praxis liegt die FFP2-Maske jedoch bei vielen Menschen häufig nicht eng genug an, sodass die Luft beim Ausatmen wie bei einem Ausströmventil mit hohem Druck in die Umgebung gelangt. Eine schlechtsitzende Maske hat auch keinen, ggf. sogar einen negativen Effekt.“
  • Seite 103: „Eine generelle Empfehlung zum Tragen von FFP2-Masken ist aus den bisherigen Daten nicht ableitbar.“

Damit sind aber keine Anhaltspunkte schlüssig geltend gemacht, die die Erwägungen des Senats in seinem Beschluss vom 2. Juni 2022 zur Verhältnismäßigkeit der in § 12 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung geregelten Schutzmaßnahme möglicherweise in Frage stellen könnten. Allein aus den Umständen, dass weiterer wissenschaftlicher Klärungsbedarf in Bezug auf die Effizienz des Tragens von FFP2-Masken gesehen wird, im Falle einer nicht sachgerechten Handhabung der FFP2-Masken auch unerwünschte Effekte eintreten können und eine „generelle Empfehlung“ zum Tragen von FFP2-Masken nicht gegeben wird, folgt insbesondere nicht, dass sich die hier in Rede stehende vergleichsweise geringe Einschränkung (vgl. dazu bereits Senatsbeschl. v. 2.6.2022 – 14 MN 259/22 -, juris Rn. 19 sowie den von dem Kläger zitierten Bericht des Sachverständigenausschusses, Seite 102) nicht mehr als angemessen darstellen könnte. Im Übrigen handelt es sich hierbei nicht um durchgreifend neue Erkenntnisse, wie schon ein Blick auf die Homepage des Eufach0000000017s zu den Infektionsschutzmaßnahmen zeigt (www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Liste_Infektionsschutz.html, Stand 4.5.2022):

„FFP2-Masken haben eine höhere Filtrationswirkung, die auch in Modellstudien gezeigt werden kann. Ein möglicher größerer Effekt von FFP2-Masken im Vergleich zu MNS hinsichtlich der Reduktion von Transmissionen durch das Tragen von FFP2-Masken durch Laien in Alltagssituationen ist jedoch nicht belegt. Von entscheidender Bedeutung ist hier, dass die Maske die richtige Größe und Passform hat, die korrekte Trageweise durch den einzelnen Nutzer sowie ein durchgehender optimaler Sitz. Dies ist selbst bei Personal im Gesundheitswesen nicht immer sicher gewährleistet.“

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

IV. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Nach der Rechtsprechung des Senats ist in Normenkontrollverfahren nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in der Hauptsache grundsätzlich der doppelte Auffangwert im Sinne des § 52 Abs. 2 GKG, mithin 10.000 EUR, als Streitwert anzusetzen (vgl. Senatsbeschl. v. 21.2.2022 – 14 MN 154/22 -, juris Rn. 55; vgl. auch bereits NdsOVG, Beschl. v. 31.1.2019 – 13 KN 510/18 – juris Rn. 29). Dieser Streitwert ist für das Verfahren auf sofortige Außervollzugsetzung der Verordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO zu halbieren.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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