Skip to content

Eheliches Rücksichtnahmegebot bei beabsichtigter Verwertung einer ehelichen Immobilie

Eheliche Pflichten und Immobilienverwertung: Ein Blick auf das OLG Köln Urteil

Im Zentrum des Urteils des Oberlandesgerichts (OLG) Köln (Az.: II-10 UF 38/20) steht das eheliche Rücksichtnahmegebot und dessen Auswirkungen auf die Verwertung einer ehelichen Immobilie. Der Fall dreht sich um eine Beschwerde gegen einen Beschluss des Amtsgerichts Aachen, in dem die Aufhebung der Gemeinschaft durch Teilungsversteigerung einer Immobilie abgelehnt wurde. Das OLG Köln beabsichtigte, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: II-10 UF 38/20 >>>

Die Rolle des ehelichen Rücksichtnahmegebots

Das Amtsgericht Aachen hatte in seinem Beschluss festgehalten, dass die Aufhebung der Gemeinschaft durch Teilungsversteigerung der aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB folgenden Verpflichtung der Ehegatten entgegensteht, bei Durchführung und Durchsetzung vermögensrechtlicher Ansprüche Rücksicht auf den jeweils anderen zu nehmen. Das OLG Köln stimmte dieser Auffassung zu und betonte, dass das eheliche Rücksichtnahmegebot einer Teilungsversteigerung entgegenstehen kann, wenn sich dies aus einer Abwägung der wechselseitigen Interessen ergibt.

Abwägung der wechselseitigen Interessen

In diesem Fall fiel die Interessenabwägung zugunsten der Antragstellerin aus. Es gab keine triftigen Gründe für eine Veräußerung der Immobilie vor Rechtskraft der Scheidung. Der Antragsgegner war nicht auf die Nutzung oder Verwertung des Objektes zu eigenen Wohnzwecken angewiesen. Zudem war nicht ersichtlich, dass eine potentielle Zugewinnausgleichsforderung der Antragstellerin mit den sonstigen Mitteln des Antragsgegners nicht zu bedienen wäre.

Die Situation der Antragstellerin

Die Antragstellerin, die seit fast 30 Jahren in der Immobilie wohnte, war in einem Alter, in dem die Suche nach einem neuen Wohnsitz als nicht ohne weiteres zumutbar erscheint. Dies galt umso mehr mit Blick auf ihre Erkrankungen. Obwohl die eheliche Immobilie selbst nicht ausreichend barrierefrei und behindertentauglich war, war dieSuche nach einer tauglicheren, neuen Wohnung nicht derart unproblematisch, dass eine Teilungsversteigerung bereits jetzt als geboten erschien.

Schlussbemerkungen des OLG Köln

Das OLG Köln beabsichtigte, im schriftlichen Verfahren zu entscheiden, da von einer mündlichen Verhandlung keine weitergehenden Erkenntnisse zu erwarten waren. Es riet jedoch aus Kostengründen zur Rücknahme der Beschwerde. Dieses Urteil unterstreicht die Bedeutung des ehelichen Rücksichtnahmegebots und dessen Auswirkungen auf die Verwertung von ehelichen Immobilien.


Das vorliegende Urteil

OLG Köln – Az.: II-10 UF 38/20 – Beschluss vom 10.06.2020

1. Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Aachen vom 28.01.2020 – 228 F 296/19 – im schriftlichen Verfahren als unbegründet zurückzuweisen.

2. Die Beteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweis binnen drei Wochen ab Zugang des Beschlusses.

Gründe

Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache erfolglos. Zu Recht hat das Amtsgericht festgehalten, dass der Aufhebung der Gemeinschaft durch Teilungsversteigerung die aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB folgende Verpflichtung der Ehegatten entgegensteht, bei Durchführung und Durchsetzung vermögensrechtlicher Ansprüche Rücksicht auf den jeweils anderen zu nehmen.

Hierbei bedarf es keiner Entscheidung, ob – wie das OLG Hamburg (Beschl. v. 28.07.2017 – 12 UF 163/16, FamRZ 2017, 1829) entschieden hat – vor Rechtskraft der Scheidung eine Teilungsversteigerung bereits generell unzulässig wäre. Auch nach der Gegenauffassung (OLG Jena, Beschl. v. 30.08.2018 – 1 UF 38/18, FamRZ 2019, 515; Brudermüller, FamRZ 1996, 1516; Wever, FamRZ 2019, 504; Klein, Handbuch Familienvermögensrecht, 2. Aufl. (2015), Kap. 4 Rn. 167; jurisPK-BGB-Grandel/Breuers, 9. Aufl. (2020), § 1353, Rn. 50. f.) kann das Gebot ehelicher Rücksichtnahme jedenfalls dann einer Teilungsversteigerung entgegenstehen, wenn sich dies aus einer Abwägung der wechselseitigen Interessen ergibt. Dass vorliegend die Interessenabwägung zugunsten der Antragstellerin ausfällt, hat das Amtsgericht, auf dessen Ausführungen zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt.

Insbesondere sind – auch im Lichte des Beschwerdevorbringens – keine triftigen Gründe für eine Veräußerung der Immobilie bereits vor Rechtskraft der Scheidung ersichtlich. Der Antragsgegner ist auf die Nutzung oder Verwertung des Objektes zu eigenen Wohnzwecken nicht angewiesen. Schon das Amtsgericht hat darauf hingewiesen, dass die vom Antragsgegner angeführte potentielle Zugewinnausgleichsforderung der Antragstellerin derzeit noch nicht zu bedienen ist und auch nicht ersichtlich ist, dass diese mit den sonstigen Mitteln des Antragsgegners nicht zu bedienen wäre.

Dass er – wie er behauptet – zu Lasten einer eigenen Altersversorgung gemeinsame Kredite der Eheleute bedient habe, zwingt nicht dazu, eine Verwertung der Immobilie schon vor Scheidung als zwingend anzunehmen; immerhin steht das Objekt im Miteigentum des Antragsgegners und ist damit (weiterhin und auch ohne Teilungsversteigerung) Teil seines Vermögens. Hinzu tritt, dass er für die Zeit der Nutzung durch die Antragstellerin nunmehr Nutzungsentschädigungsansprüche verfolgt, also wirtschaftliche Kompensation erstrebt:

Demgegenüber hat die Antragstellerin, die seit dem Jahr 1973 mit dem Antragsgegner verheiratet ist, bereits seit 1991, also seit fast 30 Jahren, in dem Objekt gewohnt und ist mit rund 70 Jahren in einem Alter, welches – zumal in Zeiten noch andauernder Kontakt- und Bewegungseinschränkungen wegen des Coronavirus – die, zumal noch eilige, Suche nach einem neuen Wohnsitz als nicht ohne weiteres zumutbar erscheinen lässt. Dies gilt umso mehr mit Blick auf ihre Erkrankungen. Mag auch – wie das Amtsgericht zu Recht festgehalten hat – die eheliche Immobilie selbst nicht ausreichend barrierefrei und behindertentauglich sein, ist gleichwohl die Suche nach einer tauglicheren, – und dann ungewohnten – neuen Wohnung nicht derart unproblematisch, dass eine Teilungsversteigerung bereits jetzt als geboten erschiene.

Der Senat beabsichtigt, nach §§ 117 Abs. 3, 68 Abs. 3 S. 2 FamFG im schriftlichen Verfahren zu entscheiden, weil von einer mündlichen Verhandlung keine weitergehenden Erkenntnisse zu erwarten sind.

Er rät indes schon aus Kostengründen zur Rücknahme der Beschwerde.


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant

  1. Familienrecht: Das Familienrecht ist in diesem Fall das primäre Rechtsgebiet, da es sich um eine Auseinandersetzung zwischen Ehepartnern bezüglich einer gemeinsamen Immobilie handelt. Insbesondere geht es um die Frage, ob und unter welchen Umständen eine Teilungsversteigerung der ehelichen Immobilie zulässig ist.
  2. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 1353 Abs. 1 S. 2: Diese Norm ist zentral für den Fall, da sie das eheliche Rücksichtnahmegebot kodifiziert. Es wird argumentiert, dass dieses Gebot einer Teilungsversteigerung der ehelichen Immobilie entgegenstehen kann. Das Gericht hat zu entscheiden, ob das Rücksichtnahmegebot in diesem speziellen Fall eine Teilungsversteigerung verhindert.
  3. Wohnungseigentumsgesetz (WEG): Obwohl das WEG nicht explizit im Text erwähnt wird, ist es dennoch relevant, da es die rechtlichen Rahmenbedingungen für das Eigentumund die Verwaltung von Wohnungseigentum in Deutschland regelt. Es könnte in Bezug auf die Rechte und Pflichten der Parteien in Bezug auf die eheliche Immobilie relevant sein.
  4. FamFG §§ 117 Abs. 3, 68 Abs. 3 S. 2: Diese Normen des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) regeln das schriftliche Verfahren und die Möglichkeit, von einer mündlichen Verhandlung abzusehen. Das Gericht beabsichtigt, nach diesen Normen zu entscheiden, da es keine weiteren Erkenntnisse von einer mündlichen Verhandlung erwartet.
  5. Zugewinnausgleich: Der Zugewinnausgleich ist ein zentraler Aspekt des deutschen Eherechts und kommt zur Anwendung, wenn ein Ehepaar im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebt und die Ehe geschieden wird. In diesem Fall wird argumentiert, dass die potenzielle Zugewinnausgleichsforderung der Antragstellerin derzeit noch nicht zu bedienen ist und auch nicht ersichtlich ist, dass diese mit den sonstigen Mitteln des Antragsgegners nicht zu bedienen wäre.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Soforthilfe vom Anwalt!

Jetzt Hilfe vom Anwalt!

Rufen Sie uns an um einen Beratungstermin zu vereinbaren oder nutzen Sie unser Kontaktformular für eine unverbindliche Beratungsanfrage bzw. Ersteinschätzung.

Ratgeber und hilfreiche Tipps unserer Experten.

Lesen Sie weitere interessante Urteile.

Unsere Kontaktinformationen.

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Hier finden Sie uns!

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

zum Kontaktformular

Ersteinschätzungen nur auf schriftliche Anfrage per Anfrageformular.

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Über uns

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!

Das sagen Kunden über uns
Unsere Social Media Kanäle

 

Termin vereinbaren

02732 791079

Bürozeiten:
Mo-Fr: 08:00 – 18:00 Uhr

Kundenbewertungen & Erfahrungen zu Rechtsanwälte Kotz. Mehr Infos anzeigen.

Ersteinschätzung

Wir analysieren für Sie Ihre aktuelle rechtliche Situation und individuellen Bedürfnisse. Dabei zeigen wir Ihnen auf, wie in Ihren Fall sinnvoll, effizient und möglichst kostengünstig vorzugehen ist.

Fragen Sie jetzt unverbindlich nach unsere Ersteinschätzung und erhalten Sie vorab eine Abschätzung der voraussichtlichen Kosten einer ausführlichen Beratung oder rechtssichere Auskunft.

Aktuelles Jobangebot

Juristische Mitarbeiter (M/W/D)
als Minijob, Midi-Job oder in Vollzeit.

mehr Infos