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Eintragung Arresthypothek als Sicherungshypothek wegen Straftat

LG München I – Az.: 31 S 2971/22 – Urteil vom 19.01.2023

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 23.02.2022, Az. 212 C 16549/21, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts München ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Um was geht es?

In diesem Rechtsstreit geht es um die Eintragung einer Arresthypothek als Sicherungshypothek aufgrund einer Straftat. Eine Arresthypothek ist ein Sicherungsrecht, das einem Gläubiger ermöglicht, das Grundstück seines Schuldners zu pfänden, um so eine Forderung zu sichern. Eine Sicherungshypothek ist eine Hypothek, die als Sicherheit für eine Schuld dient.

Wenn jemand eine Straftat begeht, kann ein Gericht eine Arresthypothek auf dessen Eigentum anordnen, um sicherzustellen, dass eine eventuelle Geldstrafe oder Entschädigungszahlung später beglichen wird. Diese Arresthypothek kann später in eine Sicherungshypothek umgewandelt werden, um die Zahlung der Geldstrafe oder Entschädigungszahlung zu sichern.

Die Eintragung einer Arresthypothek als Sicherungshypothek wegen einer Straftat ist also ein Rechtsmittel, das dazu dient, dass eine mögliche Strafe auch tatsächlich beglichen wird.

Entscheidungsgründe

A.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO) wird Bezug genommen. Änderungen oder Ergänzungen sind nicht veranlasst. Zusätzlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll sowie auf die in der Berufung eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen, insbesondere auf die Berufungsbegründung und Berufungserwiderung.

Die Arrestklägerin und Berufungsführerin wendet sich zunächst gegen die Verneinung eines glaubhaft gemachten Arrestanspruches seitens des Amtsgerichts nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 266 StGB. So habe das Amtsgericht sämtlichen Sachvortrag der Arrestklägerin in ihren Schriftsätzen im Arrestverfahren übergangen und in der Urteilsbegründung und Beweiswürdigung nicht berücksichtigt. Zudem habe es die Beweislastverteilung verkannt. Außerdem würde – entgegen der Ansicht des Amtsgerichts – ein Arrestgrund aufgrund einer glaubhaft gemachten Straftat der Arrestbeklagten, welche gegen das Vermögen der Arrestklägerin gerichtet ist, bestehen. Ein solcher Grund sei außerdem deshalb gegeben, da die Arrestbeklagte ihren Erstwohnsitz in … hat und die Adresse nicht offenbart.

Nicht angegriffen wird mit der Berufung, dass das Amtsgericht es als nicht glaubhaft angesehen hat, dass die Verkaufsanzeige hinsichtlich des Grundbesitzes der Arrestbeklagten im Internet durch diese veranlasst wurde.

Die Klägerin beantragt daher in der Berufung:

Unter Abänderung des Endurteils des Amtsgerichts München vom 23.02.2022, Az. 212 C 16549/21, wird folgender Arrestbefehl und die Eintragung folgender Arresthypotheken als Sicherungshypotheken (§ 1184 Abs. 2 BGB) lastend auf dem folgenden Grundeigentum der Arrestbeklagten erlassen:

1. Wegen Schadensersatzansprüchen der Arrestklägerin aufgrund der Handlungen der Arrestbeklagten … in Höhe von … EUR nebst Zinsen in Höhe von vier Prozent pro Jahr auf folgende Teilforderungen … und Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie einer Kostenpauschale von … EUR wird der dingliche Arrest in das Vermögen der Arrestbeklagten angeordnet.

2. Die Arrestbeklagte hat die Kosten des Arrestverfahrens zu tragen.

3. Die Vollziehung des Arrestes wird seitens der Arrestbeklagten durch Hinterlegung eines Betrages in Höhe von … EUR gehemmt.

4. In Vollziehung des Arrests werden auf dem im folgenden genannten Grundeigentum der Arrestbeklagten Sicherungshypotheken (§ 1184 Abs. 2 BGB) wegen folgender Teilforderungen der Arrestklägerin mit dem jeweiligen Höchstbetrag eingetragen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist weiterhin der Ansicht, dass weder ein Arrestanspruch noch ein Arrestgrund besteht. Insbesondere habe die Arrestbeklagte gegenüber der Arrestklägerin kein Vermögensdelikt begangen. Außerdem weist sie darauf hin, dass sich die Arrestklägerin nunmehr ausschließlich auf die Behauptung beschränkt, als Arrestgrund läge eine angeblich strafbare Handlung der Arrestbeklagten zugrunde.

Die Parteien hatten im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht jeweils Zeugen mitgebracht. Diesbezüglich wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Berufungsvorbringen erfordert keine Änderung des angefochtenen Urteils des Amtsgerichts München.

Das Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Insbesondere begründen nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Für den beantragten Arrest fehlt es jedenfalls an der Voraussetzung des Arrestgrundes gem. § 917 Abs. 1 ZPO, so dass auf die Frage des Vorliegens eines Arrestanspruches nicht eingegangen werden muss.

Hiernach muss zu besorgen sein, dass – nach dem objektiven Standpunkt eines verständigen, gewissenhaft prüfenden Menschen, wobei die subjektive Sicht des Gläubigers unerheblich ist (OLG Brandenburg, Beschluss vom 17.07.2020 – 13 WF 124/20; MayerBeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf 47. Edition Stand: 01.12.2022 § 917 Rn. 6: „aus objektiver Sicht eines verständigen, gewissenhaft prüfenden Dritten“; vgl. kritisch Geipel, Handbuch der Beweiswürdigung 3. Auflage 2017 § 39 B „Der unsichtbare Dritte in der Rechtsprechung“) – ohne dessen Verhängung die Vollstreckung des Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde, wobei die ungünstige Veränderung oder der Eintritt ihrer Wirkungen unmittelbar bevorstehen muss (Thomas/Putzo aaO. Rn. 1).

Das Amtsgericht hatte zunächst mit Beschluss vom 18.10.2021 den Antrag ebenfalls wegen fehlenden Arrestgrundes abgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hin hat das Amtsgericht diesen Beschluss mit Beschluss vom 08.11.2021 aufgehoben und den Arrest angeordnet. Zur Begründung hat es im wesentlichen Bezug genommen auf die Ausführungen in der Beschwerdebegründung, insbesondere auf die dort angeführte Rechtsprechung.

Im Widerspruchsverfahren nunmehr hat das Amtsgericht mit Endurteil vom 23.02.2022 den Arrestbefehl wieder aufgehoben und den Arrestantrag zurückgewiesen. Hierzu hat das Gericht sowohl einen zu sichernden Anspruch als auch einen Arrestgrund als nicht hinreichend glaubhaft gemacht angesehen (§§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).

Die Annahme einer fehlenden Glaubhaftmachung eines Arrestgrundes seitens des Amtsgerichts ist im Ergebnis zutreffend. Allerdings hat das Amtsgericht dies mit dem fehlenden Arrestanspruch begründet und im Übrigen die Ansicht vertreten, dass regelmäßig ein Arrestgrund besteht, wenn das dem Arrestanspruch zu Grunde liegende Verhalten eine vorsätzliche strafbare Handlung darstellt, die sich gegen das Vermögen des Arrestgläubigers richtet und hat hierzu Bezug genommen auf das Endurteil des OLG München vom 27.09.2021 – 3 U 3242/21. Diese Ansicht wird auch von der Berufungsführerin und Arrestklägerin vertreten, nicht jedoch von der Kammer.

Zur Begründung ihrer Ansicht wird von der Arrestklägerin Rechtsprechung angeführt, welche jedoch nicht überzeugend ist. So gibt es (deshalb) auch zahlreiche gegenteilige Ansichten (vgl. z. B. OLG Hamm, Urteil vom 16.08.2006 – 20 U 84/06; MayerBeckOK aaO. 917 Rn. 7; Musielak/Huber, 13. Aufl. 2016, § 917 Rn. 3; kritisch bzw. einschränkend auch MünchKommZPO/Drescher, 5. Aufl. 2016, § 917 Rn. 10; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.10.1998 – 22 W 53/98; OLG Köln, Beschluss vom 19.11. 2010 – 19 W 36/10:

„Für den Schuldner ist nach Aufdeckung seiner Straftat eine neue Situation eingetreten, aufgrund derer nicht ohne Weiteres von der Begehung weiterer Straftaten auszugehen ist. Die in der Vergangenheit begangenen Straftaten begründen insoweit keine Vermutung für die Begehung weiterer krimineller Handlungen“;

einschränkend OLG München, Beschluss vom 29.03.1995 – 15 W 1205/9:

„Dieser „regelmäßig“ gegebene Zusammenhang zwischen Arrestanspruch und Arrestgrund kann allerdings nicht die Prüfung des jeweiligen Einzelfalles ersetzen“,

ebenso Drescher Münchener Kommentar zur ZPO 6. Auflage 2020 § 917 Rn. 10; Mayer BeckOK ZPO aaO. § 917 Rn. 7:

„Da es stets auf die konkreten Umstände des Einzelfalles ankommt, stößt die Annahme solcher Regelfälle indes auf methodische Bedenken“.

Nach Ansicht des OLG Köln, Beschlüsse vom 16.08.1985 – 13 W 35/85 und 04.06.2007 – 19 W 26/07 sowie des LAG Hamburg vom 29.06.2001 – 6 Sa 28/01 (mwN.) soll diese gegenteilige, hier vertretene Ansicht sogar die herrschende Meinung darstellen.

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So hat auch der BGH (Urteil vom 11.03.1975 – VI ZR 231/72) u. a. folgendes festgestellt:

„Um die Besorgnis der Vereitelung oder wesentlichen Erschwerung der Vollstreckung darzutun, genügt nicht allein die Tatsache, daß der Schuldner sich vertragswidrig verhalten hat (so ausdrücklich KG JW 1922 S. 1399; OLG Köln MDR 59, 933; Baumbach/Lauterbach, 29. Aufl., 1966 Anm. 1 C zu § 917 ZPO; Baur JurA 71, S. 18; zweifelnd Stein/Jonas, 18. Aufl., § 917 ZPO Fn. 17). Es kommt vielmehr immer darauf an, ob nach den Umständen des Einzelfalles das Verhalten des Schuldners die ernsthafte Befürchtung einer Wiederholung vertragswidriger und betrügerischer Maßnahmen rechtfertigt. Nur dann ist die Gefährdung der Vollstreckung zu besorgen.

Die Praxis verlangte und verlangt indessen mit Recht konkrete Anhaltspunkte für die Besorgnis, daß der Schuldner über die – sei es auch im zivilrechtlichen Sinne arglistige – Verletzung seiner Vertragspflichten gegenüber dem Gläubiger hinaus auch sein Vermögen dem drohenden Zugriff des Gläubigers entziehen werde. Mit einem allgemeinen „Erfahrungssatz“, wonach derjenige, der einmal unredlich gewesen ist, das auch in Zukunft sein werde (so Kleinfeller Anm. zu KG JW 1922 S. 1399 daselbst), ist es nicht getan“.

Wenn der BGH in der, seitens der Arrestkläger angeführten Entscheidung vom 24.03.1983 – III ZR 116/82 u.a. folgendes ausführt: „Ein vertragswidriges Verhalten in Gestalt eines Verzuges mit einer Abrechnung genügt für sich allein als Arrestgrund nicht (…). Dagegen besteht regelmäßig ein Arrestgrund, wenn das vorsätzliche vertragswidrige Verhalten des Schuldners mit einer gegen den Gläubiger gerichteten strafbaren Handlung zusammenfällt“, so lässt dieser Beschluss jegliche Begründung hierfür vermissen.

Weiter heißt es darin dann aber auch noch „Auch eine im zivilrechtlichen Sinne arglistige Vertragsverletzung rechtfertigt den Erlaß eines Arrestes nur dann, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Schuldner sein Vermögen dem Zugriff der Gläubiger entziehen will“.

Auch die Entscheidung des OLG München vom 13.10.2016 – 5 W 1709/16 enthält keine eigenständige Begründung, sondern verweist ebenfalls lediglich u.a. auf die Entscheidung des BGH vom 24.03.1983 – III ZR 116/82, worin sich aber – wie bereits erwähnt, keine Begründung, aber auch kein Verweis auf anderweitige Rechtsprechung oder Kommentarstellen findet.

Die Entscheidung des OLG München vom 27.09.2021 – 3 U 4456/21, in welcher es u.a. heißt:

„Es besteht regelmäßig ein Arrestgrund, wenn das dem Arrestanspruch zugrundeliegende Verhalten eine vorsätzliche strafbare Handlung darstellt, die sich gegen das Vermögen des Arrestgläubigers richtet“

führt zur Begründung lediglich die folgende Rechtsprechung an: BGH, Beschluss vom 24.03.1983 – III ZR 116/92, KG, Beschluss vom 07.01.2010 – 23 W 1/10, OLG München, Beschluss vom 13.10.2016 – 15 W 1709/16. Die angeführte BGH-Entscheidung ihrerseits enthält lediglich die entsprechende Behauptung, die angeführte Entscheidung des OLG München verweist selbst wiederum nur auf diese BGH-Entscheidung und die Entscheidung des KG Berlin schließlich nimmt ebenfalls Bezug auf den Beschluss des BGH vom 24.03.1983 – III ZR 116/82, welcher jedoch als Begründung wiederum untauglich ist. Zudem wird darin das OLG Dresden, Beschluss vom 13.02.1998 – 9 W 0197/98, 9 W 197/98 angeführt, welcher ebenfalls nur eine unbegründete Annahme enthält, so dass auch die Bezugnahme auf diese Entscheidung letztlich insoweit nicht wirklich eine Begründung darstellt.

In der weiteren, in der Berufungsbegründung angeführten Entscheidung des BGH, Beschluss vom 03.06.2014 – KRB 2/14 wird die dortige Beschwerde gegen die Anordnung eines Arrests als begründet angesehen, weil die Anordnung von der Vorinstanz nicht fehlerfrei begründet wurde. So heißt es in der BGH-Entscheidung u.a.:

„Versuche, Vermögen zu verschieben, sind nicht erkennbar. Schließlich bestehen auch keine Anhaltspunkte für eine Vermögensverlagerung ins Ausland“.

Besonders deutlich OLG Köln im Beschluss vom 04.06.2007 – 19 W 26/07:

„Mit einem allgemeinen „Erfahrungssatz“, wonach derjenige, der einmal unredlich gewesen sei, das auch in Zukunft sein werde, ist es nicht getan. (…) Allein die subjektive Befürchtung solcher Manipulationen reicht für die Annahme eines Arrestgrundes indessen nicht aus. Allein dadurch, dass die Antragstellerin eine Straftat oder eine unerlaubte Handlung der Antragsgegner gegen ihr Vermögen behauptet, wird ein Arrestgrund nach herrschender Meinung, der auch der Senat folgt, hingegen nicht angenommen. Vielmehr ist auch dann in jedem Einzelfall unter Abwägung der vorgeworfenen Tat und der sonstigen Umstände zu prüfen, ob die Wiederholung unerlaubter Handlungen, die zu einer Vereitelung oder Erschwerung der Vollstreckung führen könnten, zu befürchten ist. Eine andere Entscheidung rechtfertigt sich nach Auffassung des Senats auch nicht in Hinblick auf den von der Antragstellerin angeführten Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 24.03.1983″.

Dem ist zuzustimmen und kann auch ohne weiteres auf das vorliegende Verfahren übertragen werden. Sofern manche Gerichte von einer diesbezüglichen tatsächlichen Vermutung bzw. eines Erfahrungssatzes ausgehen, fehlt es an einer fundierten Feststellung bzw. Ermittlung eines solchen Erfahrungssatzes. Wahrscheinlich liegt dem die „Allzweckwaffe richterlicher Beweiswürdigung“ (RA Dr. Klaus M., Abschied von der Wahrheitssuche, Eröffnungsvortrag zum 35. Strafverteidigertag, Berlin 2011) zugrunde, nämlich die „allgemeine Lebenserfahrung“ (vgl. OLG München, Beschluss vom 29.03.1995 – 15 W 1205/95 – „nach den allgemeinen Erfahrungen“), was jedoch in keiner Weise weiterführt. So ist bereits unklar, wann überhaupt von einer solchen Erfahrung gesprochen werden und wie diese (nachvollziehbar) festgestellt werden kann.

Hierzu schreibt Martin Bolay/Berchtold, Sozialgerichtsgesetz 6. Auflage 2021 § 128 SGG Rn. 8:

„Allgemeine Erfahrungssätze sind Schlüsse, die man aufgrund von Erfahrung, auch fachlicher Erfahrung, aus einer Reihe gleichartiger Tatsachen zieht und die daher entweder der allgemeinen Lebenserfahrung oder der besonderen Fachkunde angehören“ bzw. sind „Erfahrungen des allgemeinen Lebens, die sich ständig wiederholen und deshalb von jedermann gewonnen, nachvollzogen und bestätigt werden können“.

Das BVerwG, Beschl v. 31.01.2018 – 9 B 11/17 hat folgendes ausgeführt:

„Der Topos der allgemeinen Lebenserfahrung beschreibt die Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachen einschließlich ihrer Ursachen- und Wirkungszusammenhänge. Diese Wahrscheinlichkeit kann sich so stark verdichten, dass Erfahrungssätze nicht nur auf eine bestimmte Tatsachenfeststellung hinführen, sondern – wenngleich sie weder zu einer Umkehr der Beweislast führen noch das Gericht von der Pflicht zur Amtsermittlung entbinden – selbst zum Maßstab richterlicher Überzeugung werden“.

Diese Äußerungen führen letztlich aber auch nicht weiter, sondern es verlagert sich nur zu der Frage, wie stark denn diese „Verdichtung“ sein muss und wie sie ermittelt werden kann. Auch wenn manche Betrüger oder Täter, die Gelder veruntreut haben, dazu neigen sollten, nach Aufdeckung der Tat ihre Beute weiter zu sichern, kann nicht ohne Weiteres darauf geschlossen werden, dass dies regelmäßig bzw. mit überwiegender, stark verdichteter Wahrscheinlichkeit (vgl. z.B. BacherBeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf 46. Edition Stand: 01.09.2022 § 294 Rn. 3) geschieht.

Siehe auch BSG, Urteil vom 09.12.1969 – 10 RV 789/66:

„Im Gegensatz zu allgemeinen Erfahrungssätzen des täglichen Lebens, die jedermann bekannt sind und daher in der Regel eines Beweises oder einer besonderen Begründung nicht bedürfen, kann eine besondere Erfahrung in bestimmten Fällen nur dann als Grundlage der Entscheidung dienen, wenn die ihr zugrunde liegenden Tatsachen festgestellt und die Quellen angegeben sind, aus der sie stammt“.

Dem muss hier jedoch nicht weiter nachgegangen werden, denn eine solche „besondere Erfahrung“ haben die über die Berufung zu entscheidenden Kammermitglieder jedenfalls nicht und können daher auch ein Urteil darauf nicht stützen (vgl. auch § 291 ZPO). Auch ist etwa eine kriminologische Untersuchung über das (typische) Nachtatverhalten von Tätern von Vermögensdelikten nicht bekannt (vgl. NStZ-RR 2010, 51 Ls d. Schriftltg. zu BGH, Beschluss vom 28.10.2009 – 5 StR 443/09: „Erfahrungssätze sind die auf Grund allgemeiner Lebenserfahrung oder wissenschaftlicher Erkenntnisse gewonnenen Regeln, die keine Ausnahme zulassen und eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit zum Inhalt haben“).

Dass die Tatsache, dass die Arrestbeklagte nicht in Deutschland wohnt, keinen Arrestgrund darstellt, hat bereits das Amtsgericht überzeugend begründet. Insbesondere sind jedenfalls keine konkreten Umstände dafür glaubhaft gemacht, dass – entgegen der Ansicht der Arrestklägerin, die Gefahr besteht „dass die Arrestklägerin ihre Immobilien verkauft, das Geld ins Ausland verbringt und dadurch die Zwangsvollstreckung erschwert“, wobei die Arrestbeklagte gemeint sein dürfte. Auch das, seitens der Arrestklägerin vorgetragene Nach-Tat-Verhalten der Arrestbeklagten wird für die (positive) Annahme der erforderlichen überwiegende Wahrscheinlichkeit im oben genannten Sinne als nicht ausreichend angesehen (§ 286 ZPO). Da in der Berufung aber auch keine neuen Ausführungen hierzu vorgebracht werden, kann auch insoweit auf die Begründung im angefochtenen Urteil Bezug genommen werden. Ergänzend sei noch angeführt, dass eine bloße Vermögensumschichtung durch die Veräußerung von Vermögensgegenständen, hier von Grundstücken, für sich allein für einen Arrestgrund nicht genügen würde. Ein solcher wäre erst zu bejahen, wenn zu besorgen ist, dass der Vermögensgegenstand dem Zugriff der Gesamtheit der Gläubiger entzogen wird (Thomas/Putzo 43. Aufl. 2022 § 917 Rn. 2; OLG Brandenburg, Beschluss vom 17.07.2020 – 13 WF 124/20).

Zudem hätte die Arrestbeklagte zwischenzeitlich – z.B. waren die umstrittenen Entnahmen bereits … ein Thema – schon längst ihre Immobilien verkaufen und das Geld ins Ausland verbringen können. Aus dem Schreiben des Finanzamtes … vom … (Anlage BK 52) ergibt sich zudem, dass die Arrestbeklagte einige, sie belastende steuerrechtlich und auch strafrechtlich relevante Umstände eingeräumt hat, was ebenfalls gegen eine Beseitigungsabsicht spricht.

Die im Termin zur mündlichen Verhandlung von den Parteien mitgebrachten präsenten Zeugen müssen daher nicht mehr vernommen werden, abgesehen davon, dass deren Beweisangebot verspätet ist, da sie erstmals in der Berufungsinstanz als präsente Zeugen angeboten wurden (§ 531 Abs. 2 ZPO). Ausweislich des Protokolls der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht vom 22.02.2022 waren dort als präsente Zeugen lediglich anwesend Frau … und Herr …, welche auch vernommen wurden. Für deren erneute Vernehmung, was grundsätzlich im Ermessen des Gerichts liegt, sieht die Kammer keine Veranlassung (vgl. § 398 Abs. 1 ZPO; BGH, Beschluss vom 27.04.2021 – VI ZR 845/20).

Hinsichtlich des, seitens der Arrestklägerin behaupteten Verlagerung von Vermögen ins Ausland, sei schließlich noch aus dem Beschluss des OLG München vom 10.10.2022 – 16 UF 170/22 (Anlage AG9) zitiert.

Dort hatte der ehemalige Geschäftsführer … im Rahmen der familienrechtlichen Auseinandersetzung … mit der Arrestbeklagten ebenfalls versucht, einen Arrest zu erwirken.

Der Antrag auf Erlass dieses Arrestes in Höhe von EUR … wurde in der ersten Instanz durch das Amtsgericht … – Familiengericht – nach einer mündlichen Verhandlung am … zurückgewiesen. Hiergegen legte … am … Beschwerde ein und behauptete im Rahmen der Beschwerdebegründung einen angeblichen Arrestanspruch in Höhe von EUR … zu haben.

Herr … wurde nach weiterem schriftsätzlichen Vortrag der Parteien durch das OLG München mit Beschluss vom 25.08.2022 wie folgt darauf hingewiesen, dass diese Beschwerde keine Aussicht auf Erfolg biete:

„Auch wenn die Antragsgegnerin ihr Haus in … zum Verkauf angeboten hat und mit dem Kaufpreis ein Haus auf … erworben hat, handelt es sich insoweit um eine freie Entscheidung der Antragsgegnerin, wie sie ihr Vermögen anlegt und wo sie ihre Zeit verbringt. Im Hinblick auf die vielen im Miteigentum der Beteiligten stehenden Immobilien im Inland kann daraus nicht geschlossen werden, dass die Antragsgegnerin ihr gesamtes Vermögen ins Ausland verbringt. (…) Eine Glaubhaftmachung eines Arrestgrunds ergibt sich daraus jedenfalls nicht“.

Hinsichtlich der darin angesprochenen Miteigentumsanteile, welche Gegenstand des Arrestantrages sind, hat sich seit Erlass dieser Entscheidung bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im vorliegenden Verfahren soweit ersichtlich auch nichts geändert.

Kosten: § 97 ZPO; vorläufige Vollstreckbarkeit: § 708 Nr. 10; 713 ZPO.

Weiterführende Infos

Was ist eine Arresthypothek?

Eine Arresthypothek ist eine besondere Form der Hypothek, die zur Sicherung einer zukünftigen Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung oder eines Anspruchs, der in eine Geldforderung übergehen kann, im Grundbuch eingetragen wird. Mit einem Arrest wird in einem gerichtlichen Eilverfahren ein vorläufiger Rechtsschutz im Zivilprozess erreicht, solange bis der Gläubiger über einen vollstreckbaren Titel verfügt (vgl. §§ 916-945 ZPO, hier insbes. § 932 ZPO). Die Vollziehung des Arrestes in ein Grundstück oder in eine Berechtigung, für welche die sich auf Grundstücke beziehenden Vorschriften gelten, erfolgt durch Eintragung einer Sicherungshypothek für die Forderung; der nach § 923 festgestellte Geldbetrag ist als der Höchstbetrag zu bezeichnen, für den das Grundstück oder die Berechtigung haftet. Eine Sicherungshypothek ist eine streng akzessorische Hypothek, bei der das Recht des Gläubigers aus der Hypothek sich nur nach der zugrunde liegenden Forderung bestimmt und der Gläubiger sich zum Beweis der Forderung nicht auf die Eintragung im Grundbuch berufen kann.

 

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