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Erhebliche Verschiebung der Hin- und Rückflugzeiten als Reisemangel

AG Bad Homburg – Az.: 2 C 2488/17 (28) – Urteil vom 30.01.2019

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1) einen Betrag in der Höhe von 192,52 € nebst Zinsen hieraus in der Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 4. August 2017 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird außerdem verurteilt, an den Kläger zu 1) einen weiteren Betrag in der Höhe von 144,40 € sowie an die Klägerin zu 2) weitere 144,40 € jeweils nebst Zinsen hieraus in der Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 4. August 2017 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird schließlich noch verurteilt, die Kläger von außergerichtlich entstandenen nicht anrechenbaren Rechtsanwaltskosten in der Höhe von 74,26 € freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1) und der Beklagten haben zu 17 % der Kläger zu 1) und zu 83 % die Beklagte zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2) werden ausschließlich der Beklagten auferlegt.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, eine Vollstreckung durch die Kläger gegen eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in der Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vorläufig vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung eine Sicherheit oder Hinterlegung in der Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

6. Eine Berufung gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen reiserechtlichen Minderungsanspruch sowie einen Schadensersatz wegen entgangener Urlaubsfreude nach einer von der Klägerin bei der Beklagten gebuchten Reise.

Die beiden Kläger buchten im November 2016 bei der Beklagten eine neun Übernachtungen einschließende Reise nach Mallorca. Die Reise sollte vom 29. Juni bis einschließlich 8. Juli 2017 stattfinden. Für die Reise zahlten die beiden Kläger der Beklagten einen Reisepreis in der Höhe von 1.444,– €. Zu den Einzelheiten der von den Klägern gebuchten Reise wird auf die Reisebestätigung/Rechnung der Beklagten (Anlage K 1 zur Klage, Bl. 7 bis 11 d. A.) Bezug genommen.

Ende Mai 2017 erhielten die Kläger die Nachricht, dass sowohl der Hin- als auch der Rückflug der beiden Kläger verschoben worden sei. Der Hinflug nach Mallorca sollte nunmehr am 29. Juni 2017 um 16.30 Uhr starten und um 18.40 Uhr landen. Der Rückflug wurde auf eine Abflugzeit um 13.20 Uhr und auf eine Ankunftszeit um 15.25 Uhr in München verschoben. Zu den insoweit geänderten Flugzeiten wird auf die den Klägern zur Verfügung gestellten Reiseunterlagen (Anlage K 3 zur Klage, Bl. 13 d. A.) verwiesen. Die Kläger setzten sich daraufhin zunächst mit ihrem Reisebüro in Verbindung. Dieses teilte den Klägern mit, dass durchaus noch eine Buchung der ursprünglichen Flugzeiten möglich sei, wenn die Kläger bereit seien, hierfür Umbuchungsgebühren im Umfang von 273,– € pro Person zu zahlen. Dieses Angebot lehnten die Kläger ab.

Mit einem Schreiben vom 5. Juni 2017 verlangte der Kläger zu 1) von der Beklagten die Einhaltung der ursprünglichen Flugzeiten. Zum genauen Inhalt des Schreibens wird auf die Anlage K 2 zur Klage (Bl. 12 d. A.) Bezug genommen. Die Beklagte teilte daraufhin den Klägern mit, dass es bei den verschobenen Flugzeiten bleibe.

Nach der Rückkehr von der Reise wandten sich die Kläger an ihren Prozessbevollmächtigten. Dieser machte gegenüber der Beklagten einen Reisepreisminderungsanspruch sowie einen Schadensersatzanspruch wegen entgangener Urlaubsfreude geltend. Zu den Einzelheiten des Forderungsschreibens des Prozessbevollmächtigten der Kläger wird auf das Schreiben vom 18. Juli 2017 (Anlage K 4 zur Klage, Bl. 14/15 d. A.) verwiesen. Die Beklagte lehnte eine Zahlung an die Kläger ab.

Mit der vorliegenden Klage verfolgen die Kläger ihren Zahlungsanspruch gegen die Beklagte weiter. Außerdem sind vorgerichtliche Anwaltskosten ebenfalls Gegenstand der Klage.

Die Kläger behaupten, der faktische Verlust des Hin- und Rückflugtages als Urlaubstag stelle bei einer Gesamtreisedauer von insgesamt nur zehn Tagen eine unzumutbare Beeinträchtigung der Reisenden und einen erheblichen Reisemangel dar.

Die Kläger haben beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 1) 288,80 € nebst Zinsen hieraus in der Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. August 2017 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 1) 144,40 € sowie an die Klägerin zu 2) 144,40 € jeweils nebst Zinsen hieraus in der Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. August 2017 zu zahlen,

3. die Beklagte zu verurteilen, die Kläger von außergerichtlich entstandenen nicht anrechenbaren Rechtsanwaltskosten in der Höhe von 74,26 € freizustellen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, dass An- und Abreisetage in erster Linie der Beförderung zum und vom Urlaubsort und nicht der Erholung dienten. Darüber hinaus sei die von der Gegenseite geltend gemachte Minderungsquote maßlos übersetzt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet. Der Kläger zu 1) hat gegenüber der Beklagten einen Reisepreisminderungsanspruch in der Höhe von 192,52 €. Dieser Anspruch des Klägers zu 1) stützt sich auf die §§ 651 d Abs. 1 a.F., 638 Abs. 4 BGB.

Nach der Auffassung des Gerichts war die von dem Kläger bei der Beklagten gebuchte Reise in erheblichem Umfang mit Mängeln behaftet. Denn sowohl der Hin- als auch der Rückflug der beiden Kläger wurde zeitlich erheblich verschoben. Entgegen der ursprünglichen Reiseplanung kamen nunmehr die beiden Kläger am Anreisetag, dem 29. Juni 2017, erst um 18.40 Uhr vor Ort in Palma de Mallorca an. Demgegenüber sollte der Hinflug nach der ursprünglichen Reiseplanung schon am frühen Morgen des 29. Juni 2017 starten und um 8.00 Uhr vor Ort ankommen.

In ähnlicher Weise hat die Beklagte die Rückflugzeiten verschoben. Nach der ursprünglichen Reiseplanung sollte der Rückflug am 8. Juli 2017 derart stattfinden, dass die beiden Kläger erst um 23.15 Uhr spät abends in München wieder ankamen. Demgegenüber mussten die beiden Kläger nunmehr schon um 15.25 Uhr nachmittags in München landen. Diese erhebliche Verschiebung sowohl der Hin- als auch der Rückflugzeiten begründet nach Einschätzung des Gerichts einen erheblichen Reisemangel. Insoweit stützt sich das Gericht maßgeblich auf die Entscheidung des BGH vom 10. Dezember 2013 unter dem Aktenzeichen X ZR 24/13 (veröffentlicht unter NJW 2014, 1168 ff.).

Erhebliche Verschiebung der Hin- und Rückflugzeiten als Reisemangel
(Symbolfoto: Von Rob Wilson/Shutterstock.com)

Nach § 651 a Abs. 1 BGB a. F. wird der Reiseveranstalter durch den Reisevertrag verpflichtet, dem Reisenden eine Gesamtheit von Reiseleistungen, z. B. den Flug zu dem gewünschten Urlaubsort und die Zur-Verfügungstellung eines Hotelzimmers, zu erbringen. Die Luftbeförderung gehört bei einer Flugreise damit zu der vom Reiseveranstalter zu erbringenden Hauptleistung (vgl. hierzu BGH, NJW 2014, 1168). Sie ist zeitgebunden, und weil sie nur erbracht werden kann, wenn der Reisende an ihr mitwirkt, indem er sich rechtzeitig am Flughafen und am Ausgang einfindet, muss der Reisevertrag regeln, wann sie erbracht werden soll (vgl. hierzu BGH, a. a. O.).

Zwar ist entgegen der Darstellung der Kläger im vorliegenden Falle nicht von einer fest verbindlichen Vereinbarung der in der Reisebestätigung/Rechnung der Beklagten genannten Flugzeiten auszugehen. Denn in der Reisebestätigung/Rechnung hat die Beklagte ausdrücklich die dort genannten Flugzeiten als „voraussichtliche Flugzeiten“ beschrieben. Dies bedeutet allerdings nach der zitierten Rechtsprechung des BGH, der der unterzeichnende Richter folgt, nur, dass der Beklagten ein beschränktes Leistungsbestimmungsrecht gemäß § 315 Abs. 1 BGB zur Seite stand. Denn insbesondere bei Reiseverträgen, die – wie im vorliegenden Falle – lange vor der vorgesehenen Reisezeit geschlossen werden, kann sich der Reiseveranstalter ein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 Abs. 1 BGB ausbedingen, welches es ihm erlaubt, bei Vertragsschluss bestehende Unwägbarkeiten hinsichtlich der zum Reisezeitpunkt möglichen Flugzeiten dadurch Rechnung zu tragen, dass er den Zeitpunkt der Abreise und der Rückreise erst zu einem späteren Zeitpunkt festlegt.

In diesem Fall muss der Reisevertrag jedoch bestimmen, in welchem Rahmen das Leistungsbestimmungsrecht ausgeübt werden darf, d. h. ob der Reiseveranstalter sogar befugt sein soll, den Tag festzulegen, und ob ihm bei einem festgelegten Tag der gesamte Zeitraum von 0.00 bis 24.00 Uhr zur Bestimmung der Abflugzeit zur Verfügung stehen soll oder ob er bei der Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts jedenfalls auf eine bestimmte Tageszeit oder ein bestimmtes Zeitfenster (etwa zwischen 9.00 und 12.00 Uhr vormittags) festgelegt sein soll (vgl. hierzu BGH, NJW 2014, 1168, 1169). Ein solches beschränktes Leistungsbestimmungsrecht kann auch dadurch vereinbart werden, dass im Reisevertrag – wie im vorliegenden Falle – eine voraussichtliche Abflugzeit festgelegt wird. Mit der Qualifikation der Abflugzeit als voraussichtlich wird allerdings nur zum Ausdruck gebracht, dass der Reiseveranstalter dazu berechtigt sein soll, die vertragliche Abflugzeit erst zu einem späteren Zeitpunkt endgültig zu fixieren und hierbei in gewissem Umfang von der vorläufigen Angabe abzuweichen (so ausdrücklich der BGH, NJW 2014, 1168, 1169).

Entscheidend ist nach der Auffassung des BGH in jedem Falle, dass die Reisebestätigung die Funktion erfüllt, den Reisenden zuverlässig zu informieren (vgl. hierzu BGH, NJW 2014, 1168, 1169). Eine vorläufige Angabe über die Abreisezeit ist deshalb ebenso wie die übrigen Angaben verbindlich und keinesfalls als reines Werbemittel anzusehen, mit denen der Reiseveranstalter an bestimmten Flugzeiten interessierte Kunden zum Abschluss eines Reisevertrages bewegen kann, ohne zur Einhaltung der vertraglich versprochenen Flugzeit verpflichtet zu sein. Dies spricht nach der Einschätzung des BGH maßgeblich dafür, dass bei Vereinbarung einer bestimmten Uhrzeit als Abflugzeit auch deren Qualifikation als voraussichtlich Abweichungen hiervon nur in einem verhältnismäßig engen Rahmen gestattet (so ausdrücklich der BGH, NJW 2014, 1168, 1169).

Nennt also der Reiseveranstalter in seinem Reisekatalog oder eben in der Reisebestätigung/Rechnung voraussichtliche Flugzeiten, hat dies regelmäßig zur Folge, dass bei einem Abschluss des Reisevertrages auch eine Vereinbarung über entsprechende Flugzeiten getroffen wird. Denn der Reisende darf solche Angaben als Beschreibung der Leistung verstehen, die der Reiseveranstalter ihm gegenüber zu erbringen bereit ist. Die Charakterisierung der Abflugzeit als voraussichtlich bringt dabei lediglich zum Ausdruck, dass die endgültige Abflugzeit in gewissem Umfang von der zunächst genannten abweichen kann (so ausdrücklich der BGH, NJW 2014, 1168, 1169).

Insoweit hat der BGH auch das Interesse des Reiseveranstalters berücksichtigt, der typischerweise darauf angewiesen ist, eine gewisse Flexibilität bei der Planung und Festlegung der Flugzeiten zu behalten. Dadurch kann z. B. ein für einen bestimmten Charterflug gebuchtes Kontingent soweit wie möglich ausgeschöpft und auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass der Veranstalter in seiner Planung von der Angabe der Flugzeiten und deren möglicher Änderung durch die Fluggesellschaften abhängig ist. Um eine weitgehende Flexibilität zu behalten, benötigt der Reiseveranstalter nach der Einschätzung des BGH jedoch keinen in Reisebedingungen formulierten Änderungsvorbehalt. Er kann und muss mit dem Reisenden vielmehr bei Vertragsschluss diejenigen Vereinbarungen hinsichtlich der voraussichtlichen Flugzeiten treffen, die ihm eine spätere Konkretisierung innerhalb des vertraglich vorgesehenen Rahmens erlauben (vgl. BGH, NJW 2014, 1168, 1170). Hingegen soll es dem Reisenden gerade nicht zumutbar sein, voraussetzungslos Abweichungen von dem vertraglich vereinbarten Zeitrahmen hinnehmen zu müssen. Denn Reisende entscheiden sich regelmäßig bewusst für einen Flug zu einer bestimmten Tageszeit, da sie u. U. die Anreise zum und die Rückreise vom Flughafen einplanen und deshalb wissen müssen, ob hierfür weitere Aufwendungen einzuplanen sind. Die Abreise und die Rückkehr sind allerdings in zeitlicher und auch finanzieller Hinsicht nicht mehr sicher kalkulierbar, wenn der Reisende, der – wie die Kläger – von einer Abflugzeit am frühen Morgen des 29. Juni 2017 ausgehen durfte, kurzfristig auf einen in die Nachmittagsstunden desselben Tages verlegten Fluges verwiesen werden darf.

Anknüpfend an diese Überlegungen geht der unterzeichnende Richter deshalb von einem erheblichen Reisemangel aus, den der Kläger zu 1) nicht hinzunehmen brauchte. Denn sowohl der Hin- als auch der Rückflug der lediglich für neun Übernachtungen eingeplanten Reise ist zeitlich von der Beklagten deutlich nach hinten bzw. nach vorne verschoben worden. Insoweit kann das Gericht nicht die Augen vor dem Umstand verschließen, dass dem Kläger zu 1) insoweit nahezu zwei volle Urlaubstage verloren gegangen sind. Denn bei einer Ankunft in Palma de Mallorca schon um 8.00 Uhr am frühen Morgen hätten die beiden Kläger den Anreisetag noch sehr gut am Urlaubsort verbringen können, während dies bei der nunmehr geplanten Anreise, die erst am späten Nachmittag bzw. frühen Abend des 29. Juni 2017 endete, nicht mehr möglich war.

Ähnlich hat sich die Planung der Kläger zu 1) für den Rückreisetag verschoben. Denn im Gegensatz zu der ursprünglichen Planung, bei welcher die beiden Kläger den Rückreisetag noch nahezu vollständig vor Ort verbringen konnten, waren sie insoweit gezwungen, unter Berücksichtigung der üblichen Transferzeit schon am früheren Vormittag am Flughafen zu sein, um den Rückflug noch zu erreichen. Dies ist für die Kläger schlicht und einfach nicht zumutbar gewesen.

Insoweit gibt der unterzeichnende Richter seine frühere Rechtsprechung, bei welcher er selbst davon ausgegangen ist, dass An- und Abreisetage in erster Linie der Beförderung zum und vom Urlaubsort und nicht der Erholung dienen, ausdrücklich auf. Denn diese Einschätzung ist im vorliegenden Falle nicht mehr haltbar. Denn die beiden Kläger haben eine lediglich für neun Übernachtungen angesetzte Urlaubsreise geplant, bei welcher nach der Überzeugung des Gerichts auch der An- und der Abreisetag als Urlaubstage vor Ort eingeplant worden sind. Diese Planung der Kläger hat die Beklagte schlicht vereitelt. Bei einer zeitlichen Verschiebung von im vorliegenden Fall über zehn Stunden beim Hinflug und etwa acht Stunden beim Rückflug kann die Einschätzung, dass An- und Abreisetage nicht der Erholung dienen, nicht aufrechterhalten werden.

Der unterzeichnende Richter folgt insoweit der u. a. von Führich vertretenen Rechtsauffassung, der davon ausgeht, dass der Reisende lediglich Flugverspätungen bis zu vier Stunden entschädigungslos hinzunehmen hat (vgl. hierzu Führich, Reiserecht, 7. Auflage, § 9, Randziffer 11 m. w. N., § 22 Randziffer 8). Im entsprechenden Zusammenhang hat Führich einen Zeitraum von maximal vier Stunden vorgeschlagen, innerhalb dessen eine in der Reisebestätigung benannte Abflugzeit verlegt werden darf (vgl. insoweit Führich, NJW 2014, 1171). Dies entspricht der zitierten Rechtsprechung des BGH, der ebenfalls davon ausgeht, dass die endgültige Abflugzeit „in gewissem Umfang“ von der zunächst genannten abweichen darf (vgl. hierzu BGH, NJW 2014, 1168, 1169).

Einen solchen Zeitraum von maximal vier Stunden hat auch das Landgericht Hannover in einer aktuellen Entscheidung vom 27. April 2017 (RRa 2017, 280, 282) als maßgeblich zugrunde gelegt. Insoweit hat auch das Landgericht Hannover zum Ausdruck gebracht, dass es dem Reisenden nicht zumutbar sei, voraussetzungslos Abweichungen von dem vertraglich vereinbarten Zeitrahmen hinnehmen zu müssen (vgl. Landgericht Hannover, RRa 2017, 280, 282). Denn eine Flugverschiebung von mehr als vier Stunden stellt keineswegs eine bloße Unannehmlichkeit dar und ist dem Reisenden nicht mehr zumutbar. Anknüpfend hieran kann im vorliegenden Falle ein Reisemangel zugrunde gelegt werden.

Diesen möchte das Gericht im Hinblick auf die deutliche Flugzeitenverschiebung sowohl beim Hin- als auch beim Rückflug mit jeweils 60 % des von dem Kläger zu 1) täglich gezahlten Reisepreises bewerten. Denn es nicht zu verkennen, dass der Erholungswert am An- bzw. Abreisetag schon nach dem ursprünglichen Reiseplan dadurch beeinträchtigt war, als keineswegs der gesamte Reisetag für eine Erholung zur Verfügung stand. Im Hinblick auf die deutliche Verschiebung des Hinflugs um etwa zehn Stunden und diejenige des Rückflugs um ca. acht Stunden geht allerdings der unterzeichnende Richter davon aus, dass eine Reisepreisminderung von 60 % angemessen, aber auch sachgerecht ist.

Auf der Grundlage des von dem Kläger zu 1) insgesamt gezahlten Reisepreises von 1.444,– € ergibt sich ein täglich von dem Kläger zu 1) gezahlter Reisepreis bei insgesamt neun Reisetagen von 160,44 €. Ein Anteil von 60 % hiervon beläuft sich auf 96,26 €. Da der An- bzw. auch der Abreisetag betroffen war, errechnet sich insoweit ein gerechtfertigter Reisepreisminderungsanspruch des Klägers in der Höhe von insgesamt 192,52 €.

Der ausgeurteilte Zinsanspruch folgt aus dem Gesichtspunkt des Verzugsschadensersatzes (§§ 280, 286, 288 BGB). Nach dem Ablauf der von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zu 1) vorgerichtlich gesetzten Zahlungsfrist befand sich die Beklagte in Verzug.

Für ebenfalls gerechtfertigt hält das Gericht den von beiden Klägern geltend gemachten Schadensersatzanspruch gemäß § 651 f Abs. 1 BGB a. F. Denn die Reise war in Bezug auf den An- bzw. den Abreisetag erheblich beeinträchtigt. Die Auffassung der Beklagten, dass gemäß dem Gesetzeswortlaut des § 651 f Abs. 1 BGB auf die gesamte Reise abzustellen ist, teilt der unterzeichnende Richter nicht. Denn nach ständiger Rechtsprechung ist es ausreichend, wenn einzelne Reisetage mit Mängeln behaftet sind, die eine Minderungsquote von jeweils mindestens 50 % erreichen (vgl. hierzu Landgericht Frankfurt am Main, NJW-RR 1991, 1203, 1204; Amtsgericht Hamburg-Blankenese, RRa 2002, 224; Führich, Reiserecht, a. a. O., § 11, Randziffer 61 m. w. N.).

Diese Minderungsquote von mindestens 50 % ist nach vorgenannter Einschätzung des unterzeichnenden Richters im vorliegenden Falle erfüllt. Insoweit haben die beiden Kläger auch einen Entschädigungsanspruch wegen nutzlos aufgewandter Urlaubszeit.

Auch diese Einschätzung entspricht der Rechtsprechung des Landgerichts Frankfurt am Main, die zuletzt noch einmal in einer aktuellen Entscheidung vom 12. Oktober 2017 (veröffentlicht in RRa 2018, 67 ff) deutlich gemacht worden ist. Denn insoweit hat das Landgericht zum Ausdruck gebracht, dass bei der Beurteilung der Frage, ob eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise vorliegt, stets eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist. Für die Erheblichkeit der Beeinträchtigung kommt es nicht nur darauf an, welchen Anteil der Mangel in Relation zur gesamten Reiseleistung hat. Vielmehr ist auch zu berücksichtigen, wie gravierend sich der Mangel für den Reisenden ausgewirkt hat. Dabei ist das Maß, mit dem ein Mangel die Reise beeinträchtigt, aufgrund einer an Zweck und konkreter Ausgestaltung der Reise sowie Art und Dauer der Beeinträchtigung orientierten Gesamtwürdigung zu beurteilen (vgl. Landgericht Frankfurt am Main, RRa 2018, 67, 68; vgl. auch BGH, RRa 2009, 40, 42). Diese Gesamtwürdigung ist aus der Sicht eines Durchschnittsreisenden orientiert am Reisezweck und Reisecharakter unter Würdigung aller Umstände vorzunehmen (BGH, RRa 2013, 218 ff.).

Unter Berücksichtigung dieser abstrakten Maßstäbe geht der unterzeichnende Richter im vorliegenden Fall von einem einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung rechtfertigenden erheblichen Reisemangel aus. Denn zum einen ist zu berücksichtigen, dass die konkrete Reise lediglich auf neun Übernachtungen vor Ort angelegt war. Zudem waren im Rahmen der ursprünglichen Reiseplanung sowohl der An- als auch der Abreisetag – jedenfalls im Wesentlichen – zur Erholung vor Ort gedacht. Anknüpfend daran ist davon auszugehen, dass sich der konkrete Mangel der Reise für die beiden Reisenden gravierend ausgewirkt hat. Deshalb haben sie auch einen Schadensersatzanspruch wegen entgangener Urlaubsfreude.

Dessen Höhe orientiert sich an dem von den beiden Klägern zu zahlenden Reisepreis. Bei einem Gesamtreisepreis von 1444,- Euro ergibt sich für die neun Übernachtungen pro Nacht ein zu zahlender Reisepreis von 160,44 Euro. Anknüpfend hieran ist die Berechnung des von den beiden Klägern für die beiden betroffenen Reisetage geforderten Entschädigungsanspruchs von jeweils 72,20 Euro pro Person und Tag, insgesamt also 144,40 für beide Reisenden nicht zu beanstanden.

Soweit die Beklagte gerügt hat, dass es in Bezug auf den Rückflug an einer Rüge gegenüber der Reiseleitung vor Ort fehle, folgt ihr der unterzeichnende Richter nicht. Denn schon vor dem Antritt der Reise hat sich der Kläger zu 1) an die Beklagte gewandt und sein Unverständnis über die verschobenen Reisezeiten deutlich gemacht (vgl. die Anlage K 2, Bl. 12 d. A.). Hierauf hat die Beklagte unstreitig dahingehend reagiert, dass sie mitgeteilt hat, es verbleibe bei den verschobenen Flugzeiten. Auch aus diesem Grund geht der unterzeichnende Richter davon aus, dass eine nochmalige Mängelrüge gegenüber dem Reiseleiter der Beklagten vor Ort entbehrlich war.

Der ausgeurteilte Zinsanspruch folgt wiederum aus dem Gesichtspunkt des Verzugsschadensersatzes (§§ 280, 286, 288 BGB). Denn nach dem Ablauf der vorgerichtlich von dem Prozessbevollmächtigten der Kläger gesetzten Zahlungsfrist befand sich die Beklagte auch mit der Zahlung des Schadensersatzes in Verzug.

Ebenfalls unter Verzugsgesichtspunkten ist die Beklagte verpflichtet, die Kläger von vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten freizustellen. Da lediglich ein Freistellungsanspruch geltend gemacht worden ist, kann der Einwand der Beklagten im Rahmen der Klageerwiderung, dass die Entstehung eines Schadens bestritten werde, nicht nachvollzogen werden. Die Berechnung der Anwaltskosten folgt aus der Darstellung im Rahmen der Klageschrift (Seite 5 der Klage, Bl. 6 d. A.).

Beklagte zum Zeitpunkt der Einschaltung des Prozessbevollmächtigten der Kläger nicht in Verzug befand. Denn die sofortige Beauftragung ihres Prozessbevollmächtigten hält das Gericht für angemessen und sachlich gerechtfertigt. Dies erfordert schon die Komplexität des Reisevertragsrechts (vgl. hierzu Landgericht Frankfurt am Main, RRa 2013, 13, 15). Im Übrigen kommt hier noch die Überlegung hinzu, dass die Beklagte das Ansinnen der Kläger, die ursprünglich geplanten Flugzeiten beizubehalten, vor der Reise abgelehnt hat. Da der Kläger zu 1) insoweit angekündigt hat, nach dem Abschluss der Reise die Angelegenheit unverzüglich seinem Rechtsanwalt zu übergeben, ist ein sofortiger Verzugseintritt der Beklagten gerechtfertigt (§ 286 Abs. 2 Ziffer 4 BGB).

Die Kostenentscheidung, die dem Verhältnis des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens beider Parteien entspricht, stützt sich auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Rechtsgrundlage der Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit sind die §§ 708 Ziffern und 711 ZPO.

Im Hinblick auf den Antrag der Beklagten, ein Rechtsmittel gegen dieses Urteil zuzulassen, hat der unterzeichnende Richter hiervon Gebrauch gemacht. Denn eine Klärung der vorliegenden rechtlichen Problematik durch das Landgericht Frankfurt am Main erscheint dem Gericht ohne weiteres sinnvoll und angemessen.

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