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Ermittlungspflicht eines Richters bei ausländischem Recht

Richter muss ausländisches Recht selbständig ermitteln, auch ohne Parteivortrag

In der Rechtsprechung stellt sich häufig die Frage nach der Ermittlungspflicht eines Richters, wenn ausländisches Recht Anwendung findet. Diese Problematik rückt insbesondere in den Fokus, wenn Gerichte über Fälle mit internationalem Bezug entscheiden müssen. Hierbei geht es um die Herausforderung, wie ein nationales Gericht mit der Anwendung und Interpretation von Rechtsnormen aus anderen Rechtsordnungen umgeht. Dies umfasst die Klärung, inwieweit der Richter verpflichtet ist, sich Kenntnisse über das relevante ausländische Recht anzueignen und wie diese Kenntnisse in die Urteilsfindung einfließen.

Besonders bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, wie zum Beispiel internationalen Verkehrsunfällen oder Schadensersatzansprüchen, wird diese Ermittlungspflicht bedeutend. Sie beeinflusst nicht nur die Entscheidung über die Zuständigkeit und das anwendbare Recht, sondern auch die Bewertung von Sachverhalten und Beweisen. In solchen Konstellationen müssen Gerichte auch die Frage der Kostenübernahme bei Berufungsverfahren und die daraus resultierenden Rechtsfolgen berücksichtigen, was die Komplexität des Falles weiter erhöht.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 12 U 122/22  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Oberlandesgericht Brandenburg bestätigte die Verantwortung der Beklagten für einen Verkehrsunfall und die daraus resultierenden Schadensersatzansprüche, indem es ihre Berufung gegen ein vorheriges Urteil zurückwies und sie zur Übernahme der Kosten des Berufungsverfahrens verpflichtete. Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der Ermittlungspflicht des Richters bei Anwendung ausländischen Rechts.

Liste der zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Bestätigung der internationalen Zuständigkeit: Das Gericht bestätigte die internationale Zuständigkeit des Landgerichts gemäß der EUGVVO, die Direktansprüche gegen Versicherer ermöglicht.
  2. Begründung der Klage: Der Kläger hatte einen gültigen Schadensersatzanspruch nach tschechischem Recht aufgrund eines Verkehrsunfalls in Tschechien.
  3. Anwendung ausländischen Rechts: Das Gericht wandte tschechisches Recht an, da sich der Unfall dort ereignet hatte und keine Rechtswahlvereinbarung vorlag.
  4. Haftung der Beklagten: Die Beklagte wurde zur vollen Haftung verpflichtet, da sie keinen Unabwendbarkeitsnachweis erbrachte und der Unfallhergang nicht bestritten wurde.
  5. Nichtberücksichtigung neuer Tatsachen: Das Gericht berücksichtigte keine neuen Tatsachen, die die Beklagte in der Berufung vorbrachte, da sie diese nicht fristgerecht einbrachte.
  6. Geständnis der Beklagten: Die Beklagte gab ein Geständnis ab, indem sie in der ersten Instanz keine Einwände gegen die Haftung erhob.
  7. Erstattungsfähigkeit der Sachverständigenkosten: Das Gericht erkannte die Sachverständigenkosten als erstattungsfähig an, da die Einschaltung eines deutschen Sachverständigen als notwendig erachtet wurde.
  8. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten: Der Kläger hatte Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß tschechischem Recht, da die Versicherung die Leistung unrechtmäßig verweigerte.

Der Fall des Oberlandesgerichts Brandenburg: Ermittlungspflicht bei ausländischem Recht

Das Oberlandesgericht Brandenburg hatte kürzlich in einem bemerkenswerten Fall zu entscheiden. Im Zentrum stand dabei die Ermittlungspflicht eines Richters bei Anwendung ausländischen Rechts. Der Fall, unter dem Aktenzeichen 12 U 122/22 geführt, drehte sich um eine Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder). Die Beklagte, die in diesem Fall gegen das Urteil Berufung eingelegt hatte, wurde dazu verpflichtet, die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Das Oberlandesgericht wies die Berufung der Beklagten zurück, wobei das Urteil sowie das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar erklärt wurden. Eine Revision wurde nicht zugelassen.

Hintergrund des Rechtsstreits: Schadensersatzansprüche und internationale Zuständigkeit

Im Kern ging es in diesem Fall um Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall in Tschechien. Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts ergab sich aus Art. 3 Abs. 2 i.V.m. Art. 11 Abs. 1 b EUGVVO. Der Kläger konnte seine Klage direkt gegen den Versicherer an dem für seinen Wohnsitz zuständigen Gericht erheben, da ein Direktanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer sowohl nach polnischem als auch nach tschechischem Recht bestand. Diese Regelung ist eine Folge der Umsetzung der 4. Kraftfahrzeughaftpflichtrichtlinie in den EU-Staaten.

Feststellung der Haftung: Anwendung tschechischen Rechts

Die Klage des Geschädigten war begründet. Ihm stand ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.604,32 € nach § 2927 Abs. 1 des tschechischen Bürgerlichen Gesetzbuches zu. Der zugrundeliegende Sachverhalt wurde nach Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO unter Anwendung tschechischen Rechts beurteilt. Der Unfall ereignete sich in Tschechien, und es gab weder eine Rechtswahlvereinbarung noch die Voraussetzungen eines gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts oder der Ausweichklausel nach Rom II-VO. Die Beklagte hatte keinen Unabwendbarkeitsnachweis geführt und war somit in voller Höhe haftbar.

Urteilsbegründung und Ansprüche des Klägers

Das Gericht stellte fest, dass die Beklagte in der ersten Instanz den Unfallhergang nicht bestritten hatte und damit ein Geständnis im Sinne des § 288 ZPO abgab, welches nicht wirksam widerrufen wurde. Der Kläger hatte Anspruch auf Ersatz der beschädigten Motorradkleidung sowie der Sachverständigen- und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Die Kosten für das Sachverständigengutachten waren ebenfalls erstattungsfähig, da das Landgericht seine Ermittlungspflicht hinsichtlich des ausländischen Rechts ordnungsgemäß erfüllt hatte. Der Zinsanspruch des Klägers folgte aus den §§ 1812 ff. SB 89/2012, da die Beklagte mit der Zahlung des Schadensersatzes nach Fälligkeit in Verzug geraten war.

Zusammenfassung und Bedeutung des Urteils

Dieses Urteil unterstreicht die Bedeutung der Ermittlungspflicht des Richters bei Anwendung ausländischen Rechts und zeigt auf, wie in Fällen mit internationalem Bezug Rechtsansprüche durchgesetzt werden können. Es verdeutlicht zudem, wie wichtig es ist, dass sich die Parteien in einem Rechtsstreit bewusst sind, welche Aussagen und Handlungen im gerichtlichen Verfahren als Geständnisse gewertet werden können. Das Urteil stellt somit einen wichtigen Präzedenzfall für ähnliche Fälle dar und dient als Orientierungshilfe für die richterliche Ermittlungspflicht im Kontext des internationalen Privatrechts.

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 12 U 122/22 – Urteil vom 13.07.2023

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Wie ist die Haftung bei einem Verkehrsunfall nach tschechischem Recht geregelt und welche Voraussetzungen müssen für eine Haftung erfüllt sein?

Die Haftung bei einem Verkehrsunfall nach tschechischem Recht kann in zwei Hauptkategorien unterteilt werden: Verschuldenshaftung und Gefährdungshaftung.

Die Verschuldenshaftung im Rahmen von Schadensersatzansprüchen aus Verkehrsunfällen richtet sich nach den §§ 2909-2914 des tschechischen Zivilgesetzbuchs (ZGB). Hierbei ist entscheidend, ob der Verursacher des Unfalls ein Verschulden trifft. Das kann Fahrlässigkeit oder Vorsatz sein. Wenn der Verursacher den Unfall verschuldet hat, ist er zum Schadensersatz verpflichtet.

Die Gefährdungshaftung hingegen ist eine verschuldensunabhängige Haftung, die nach den §§ 2917 ff ZGB geregelt ist. Bei dieser Art der Haftung spielt es keine Rolle, ob der Verursacher den Unfall verschuldet hat oder nicht. Es geht vielmehr darum, dass eine Gefahr von seinem Fahrzeug ausgeht, die zu einem Schaden führt. In diesem Fall ist der Halter des Fahrzeugs zum Schadensersatz verpflichtet, unabhängig davon, ob er ein Verschulden trifft oder nicht.

Es ist auch zu erwähnen, dass das Haager Übereinkommen von 1971 vorsieht, dass das innerstaatliche Recht des Staates, in dessen Hoheitsgebiet sich der Unfall ereignet hat, anzuwenden ist. Das bedeutet, dass bei einem Verkehrsunfall in Tschechien das tschechische Recht zur Anwendung kommt.

Die Voraussetzungen für eine Haftung sind in beiden Fällen, dass ein Schaden entstanden ist und dass dieser Schaden durch den Unfall verursacht wurde. Bei der Verschuldenshaftung kommt noch hinzu, dass ein Verschulden des Verursachers vorliegen muss. Bei der Gefährdungshaftung ist zusätzlich erforderlich, dass eine Gefahr von dem Fahrzeug ausgegangen ist, die zu dem Schaden geführt hat.


Das vorliegende Urteil

Die Berufung der Beklagten gegen das am 17.06.2022 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer – Einzelrichter – des Landgerichts Frankfurt (Oder), Az. 12 O 70/21, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gem. den §§ 517 ff. ZPO eingelegte Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1.

Die Klage ist zulässig. Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts ergibt sich aus Art. 3 Abs. 2 i.V.m. Art. 11 Abs. 1 b EUGVVO in der ab dem 10.01.2015 gültigen Fassung. Danach kann eine Klage des Geschädigten unmittelbar gegen den Versicherer an dem für den Wohnsitz des Klägers zuständigen Gericht erhoben werden, sofern ein Direktanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer gegeben ist. Ein solcher Direktanspruch ist aufgrund der Umsetzung der 4. Kraftfahrzeughaftpflichtrichtlinie in den EU-Staaten sowohl nach polnischem, als auch nach tschechischem Recht i.V.m. Art. 18 Rom II-VO gegeben.

2.

Die Klage ist auch begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch in der zuletzt noch geltend gemachten und vom Landgericht ausgeurteilten Höhe von 1.604,32 € nach § 2927 Abs. 1 des tschechischen Bürgerlichen Gesetzbuches (SB 89/2012) zu.

a) Auf den zugrundeliegenden Sachverhalt findet nach Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO tschechisches Recht Anwendung, da sich der streitgegenständliche Verkehrsunfall in Tschechien ereignet hat. Die Parteien haben weder eine Rechtswahlvereinbarung nach Art. 14 Rom II-VO getroffen, noch liegen die Voraussetzungen eines gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltes nach Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO oder der Ausweichklausel nach Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO vor.

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b) Nach § 2927 Abs. 1 des tschechischen Bürgerlichen Gesetzbuches (SB 89/2012) ist der Betreiber eines Verkehrsmittels verpflichtet, den durch die Sondernatur des Betriebs ausgelösten Schaden zu ersetzen. Einen Unabwendbarkeitsnachweis nach § 2927 Abs. 2 SB 89/2012 hat die Beklagte nicht geführt. Nach § 2932 SB 89/2012 richtet sich beim Aufeinandertreffen mehrerer Betreiber die Haftung nach der Teilnahme an der Verursachung des entstandenen Schadens. Im Streitfall ist der Schaden allein durch den Versicherungsnehmer der Beklagten verursacht worden, so dass die Beklagte in voller Höhe haftet.

Die Beklagte ist erstinstanzlich dem vom Kläger behaupteten Unfallhergang, wonach der Fahrer des bei der Beklagten versicherten Motorrades bei Kilometer 5.836 auf der Straße L… Nr. … in H… .. J… bei Durchfahrung einer aus seiner Sicht Rechtskurve die Mittelmarkierung der Fahrbahn überschritt, in den Gegenverkehr geriet und auf dem Richtungsfahrstreifen des Klägers mit dem Kläger und dessen Krad kollidierte, nicht entgegengetreten, sondern hat ausdrücklich erklärt, gegen die Haftung dem Grunde nach keine Einwendungen zu erheben. Soweit sie in zweiter Instanz nunmehr neue Tatsachen vorträgt, die ihre vollständige Haftung in Frage stellen sollen, ist dieser neue und vom Kläger bestrittene Tatsachenvortrag nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht mehr zu berücksichtigen. Die Beklagte hat auch mit dem auf den Hinweis des Senats in der Terminsverfügung erfolgten Schriftsatz vom 18.03.2023 nicht dargelegt, dass es ihr ohne Nachlässigkeit nicht möglich war, den nunmehr geschilderten abweichenden Unfallverlauf in erster Instanz vorzutragen.

Soweit die Beklagte sich darauf beruft, dass ihr die Tatsachen erst nach Erlass des landgerichtlichen Urteils zur Kenntnis gebracht worden seien, genügt dies nicht. Die Beklagte hat nicht hinreichend dargelegt, weshalb es ihr nicht möglich war, entsprechende Erkundigungen bei ihrem Versicherungsnehmer nach Geltendmachung der Ansprüche durch den Kläger einzuziehen oder welche Bemühungen sie selbst zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen hat. Dies gilt insbesondere, als die Beklagte durch die E-Mail ihrer Schadensregulierungsbeauftragten vom 04.02.2021 hat mitteilen lassen, dass sie das Verschulden am Zustandekommen des Unfalls beim Kläger sehe, so dass ihr zum damaligen Zeitpunkt entsprechende Kenntnisse bereits vorgelegen haben müssen. Ihre Argumentation, sie habe aufgrund der Unfallschilderung des Klägers und der amtlichen Ermittlungsakte der tschechischen Polizei von ihrer Eintrittspflicht ausgehen müssen, überzeugt nicht, da in diesem Fall die Beklagte den Schaden des Klägers bereits vorgerichtlich hätte regulieren können. Der Kläger hat zudem unwidersprochen vorgetragen, dass der Ermittlungsbericht der tschechischen Polizei Hinweise auf die nunmehr von Beklagtenseite benannten Zeugen enthielt. Aus dem Schriftsatz vom 18.03.2023 folgt darüber hinaus, dass der Beklagten bereits am 28.10.2020 der Hinweis vorlag, dass der Versicherungsnehmer Zeugen benennen könne, und ihr am 04.02.2021 die polizeiliche Ermittlungsakte vorgelegen hat. Weshalb sie zwischen dem 04.02.2021 und dem behaupteten Gespräch mit dem Versicherungsnehmer am 13.04.2022 nichts weiter unternommen hat, um den Sachverhalt aufzuklären, erschließt sich nicht.

Darüber hinaus hat die Beklagte mit ihrer Erklärung in der Klageerwiderung, das gegen eine Haftung dem Grunde nach keine Einwendungen erhoben werden, ein Geständnis im Sinne des § 288 ZPO hinsichtlich des vom Kläger behaupteten Unfallhergangs abgegeben, das sie nicht wirksam gem. § 290 ZPO widerrufen hat.

Erstinstanzlich hat die Beklagten den von dem Kläger behaupteten Unfallhergang gerade nicht mit Nichtwissen bestritten (§ 138 Abs. 4 ZPO), was ihr ohne Weiteres möglich gewesen wäre, da sie nach ihren eigenen Angaben keine Kenntnis von dem tatsächlichen Unfallhergang gehabt haben will, sondern diesen ausdrücklich zugestanden, indem sie erklärt hat, dass gegen die Haftung dem Grunde nach keine Einwendungen erhoben werden. Darin kommt der Wille der Beklagten zum Ausdruck, dem gegnerischen Tatsachenvortrag zum Unfallhergang, der eine 100%-ige Haftung der Beklagten impliziert, bewusst nicht entgegentreten zu wollen (vgl. BGH NJW 1991, 1683). An dieses Geständnis, das durch die Bezugnahme gem. § 137 ZPO Gegenstand der mündlichen Verhandlung geworden ist und in der Berufungsinstanz fortwirkt, ist die Beklagte weiterhin gebunden. Ein wirksamer Widerruf gem. § 290 ZPO liegt nicht vor. Der Vortrag der Beklagten ist nicht geeignet, einen Irrtum i.S.d. § 290 S. 1 ZPO zu begründen. Die Beklagte hatte nach eigenen Angaben keine genaue Kenntnis von dem Unfallhergang, wusste aber, dass ihr Versicherungsnehmer sich für unschuldig hielt und Zeugen für den von ihm behaupteten Unfallhergang benennen könne. Sie nahm damit die Ungewissheit bewusst in Kauf und handelte auf eigenes Risiko. Ein zum Widerruf des Geständnisses berechtigender Irrtum ist in einem solchen Fall ausgeschlossen (vgl. BGH NJW 2011, 2794, juris Rn. 16; OLG Köln, Beschluss v. 20.11.2017 – 16 U 85/17, juris Rn. 17; Zöller/Greger ZPO 34. Aufl. § 290 Rn. 2).

c) Der Kläger hat somit Anspruch auf Ersatz sowohl der beschädigten Motorradkleidung als auch der Sachverständigen- und der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

aa) Das Landgericht hat den Zeitwert der beschädigten Motorradkleidung des Klägers gem. § 287 ZPO auf 181,66 € geschätzt. Dies wird mit der Berufungsbegründung nicht angegriffen.

bb) Die Kosten für das Sachverständigengutachten sind ebenfalls erstattungsfähig.

Ohne Erfolg rügt die Beklagte in diesem Zusammenhang einen Verstoß des Landgerichts gegen § 293 ZPO. Danach hat der Richter das ausländische Recht von Amts wegen zu ermitteln. Wie er sich diese Kenntnis verschafft, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls. An die Ermittlungspflicht werden umso höhere Anforderungen zu stellen sein, je komplexer oder je fremder im Vergleich zum eigenen das anzuwendende Recht ist. Tragen die Parteien eine bestimmte ausländische Rechtspraxis detailliert und kontrovers vor, wird der Richter regelmäßig umfassende Ausführungen zur Rechtssache zu machen und ggf. sämtliche ihm zugänglichen Erkenntnismittel zu erschöpfen haben, als wenn der Vortrag der Parteien zu dem Inhalt des ausländischen Rechts übereinstimmt oder sie zu dem Inhalt des Rechts nicht Stellung nehmen, obwohl sie dessen Anwendbarkeit kennen oder mit ihr rechnen (vgl. BGH NJW-RR 2020, 802, Rn. 23 f.). Bei Anwendung einer dem deutschen Recht verwandten Rechtsordnung und klaren Rechtsnormen sind die Anforderungen an die Ermittlungspflicht geringer (vgl. BGH NJW 2006, 762, 764, juris Rn. 33).

Nach diesen Maßstäben ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht keine weitere Sachaufklärung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens betrieben hat. Denn die Erstattungsfähigkeit der Sachverständigenkosten lässt sich auch unter Zugrundelegung der von der Beklagten zitierten Fundstelle bejahen. Dass die Einschaltung eines deutschen Sachverständigen erforderlich war, hat der Kläger in der Replik in erster Instanz umfangreich vorgetragen, ohne dass die Beklagte dem auch in der Berufungsinstanz entgegengetreten ist. Da es sich unstreitig um einen Totalschaden handelt, ist auch die Ermittlung des Zeitwertes erforderlich gewesen. Zwar hat die Beklagte der Beauftragung eines deutschen Sachverständigen nicht ausdrücklich zugestimmt. Andererseits hat sie inhaltliche Einwendungen gegen das Gutachten nicht erhoben, sondern den von dem Sachverständigen ermittelten Wiederbeschaffungsaufwand reguliert. Insoweit lässt sich ohne Weiteres an eine konkludente Zustimmung zur Beauftragung des Sachverständigen denken.

cc) Schließlich hat der Kläger auch Anspruch auf Erstattung der ihm entstanden vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus § 6 Abs. 2 d des tschechischen Pflichtversicherungsgesetzes (Gesetz Nr. 168/1999 über die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung). Danach hat das Versicherungsunternehmen dem Geschädigten die Kosten, die im Zusammenhang mit der Rechtsvertretung bei der Durchsetzung der Erstattungsansprüche tatsächlich entstanden sind, zu ersetzen, wenn das Versicherungsunternehmen die Versicherungsleistung zu Unrecht verweigert oder gekürzt hat. Diese Voraussetzung ist vorliegend gegeben, nachdem die Beklagte durch ihren Schadensregulierungsbeauftragten mit der E-Mail vom 04.02.2021 eine Haftung abgelehnt hat.

Der Anspruch besteht auch in der geltend gemachten Höhe. Die abgerechnete 2,0 Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV ist letztlich nicht zu beanstanden, nachdem der Kläger auf den entsprechenden Hinweis des Senats zur Schwierigkeit der Angelegenheit ergänzend vorgetragen hat. Dem ist die Beklagte letztlich nicht mehr konkret entgegengetreten. Nachdem die Rechtsschutzversicherung des Klägers die Kosten beglichen hat und den auf sie gem. § 86 Abs. 1 S. 1 VVG übergegangenen Anspruch an den Kläger rückabgetreten hat, ist der Kläger zur gerichtlichen Geltendmachung aktivlegitimiert.

d) Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 1812 ff. SB 89/2012. Die Beklagte befindet sich mit der Zahlung des Schadensersatzes nach Fälligkeit, die spätestens mit Ablauf der im Schreiben vom 03.11.2020 gesetzten Frist eingetreten ist, in Verzug.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10 S. 2, 713 ZPO.

Eine weitere Stellungnahmefrist auf die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung war der Beklagten nicht zu gewähren. Die wesentlichen Gesichtspunkte waren bereits Gegenstand des Hinweises des Senats vom 27.01.2023, zu dem die Beklagte Stellung genommen hat. Die Erörterung in der mündlichen Verhandlung beinhaltete keine neuen Gesichtspunkte, zu der die Beklagte noch keine Gelegenheit zur Stellungnahme hatte.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gem. § 3 ZPO i.V.m. § 47 Abs. 1 S. 1 GKG auf 1.604,32 € festgesetzt.

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