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Fahrverbot: Absehen bei Existenzgefährdung

Amtsgericht Wuppertal

Urteil vom: 08.04.2011

Az: 26 Owi – 623 Js 1901/10 – 267/10


In dem Bußgeldverfahren 26 Owi – 623 Js 1901/10 – 267/10 hat das Amtsgericht Wuppertal aufgrund der Hauptverhandlung vom 08.04.2011, für Recht erkannt:

Der Betroffene wird wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 185,00 EUR verurteilt.

Die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen trägt der Betroffene.

Gründe:

I.

Der am 29.04.1975 geborene Betroffene ist verheiratet und hat drei Kinder im Alter von drei, vier und elf Jahren. Er ist seit dem 01.03.2011 arbeitslos und befindet sich in der Existenzgründung als Elektro- und Veranstaltungsmeister und bezieht derzeit Arbeitslosengeld I in Höhe von 1.199,00 €. Anträge auf Gründungszuschüsse sind gestellt und mündlich durch die Agentur für Arbeit unter der Voraussetzung zugesagt, dass der Betroffene Inhaber eines Führerscheins der Klasse 3 ist. Die Aufnahme der

Tätigkeit ist für Mai 2011 geplant. Der Betroffene erhält von der KfW ein Coaching im Hinblick auf die Existenzgründung durch einen zertifizierten Steuerberater in Solingen. Seine Frau ist nicht berufstätig. Die Familie bezieht Kindergeld in Höhe von 556,00 €. Der Betroffene geht davon aus, in diesem Jahr wegen der Existenzgründung keinen Urlaub machen zu können, allenfalls seine Frau und die Kinder würden gegebenenfalls einen 1 – 2 wöchigen Urlaub bei der Schwiegermutter verbringen können.

Straßenverkehrsrechtlich ist der Betroffene bislang wie folgt in Erscheinung getreten:

Mit Bußgeldbescheid der Bußgeldbehörde der Stadt Solingen vom 26.06.2006 rechtskräftig seit 13.07.2006 wurde gegen ihn eine Geldbuße von EUR 70,00 festgesetzt, weil er als Führer eines Personenkraftwagens die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 24 km/h überschritten hatte. Gegen den Betroffenen wurde ferner mit Bußgeldbescheid der Bußgeldbehörde der Stadt Mülheim an der Ruhr vom 27.08.2008 rechtskräftig seit 16.09.2008 eine Geldbuße in Höhe von EUR 40,00 festgesetzt, weil er als Führer eines Personenkraftwagens die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 24 km/h überschritten hatte. Mit Bußgeldbescheid der Bußgeldbehörde der Stadt Köln vom 25.08.2009 rechtskräftig seit 15.09.2009 wurde gegen den Betroffenen schließlich eine Geldbuße in Höhe von EUR 70,00 festgesetzt, weil er als Führer eines Pkw die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 22 km/h überschritten hatte.

II.

Der Betroffene befuhr am 22.09.2010 um 19:03 Uhr mit einem Pkw der Marke Daimler Chrysler (amtliches Kennzeichen ) die Bundesautobahn A 46 von Wuppertal in Richtung Düsseldorf. Zwischen dem Kreuz Sonnborn und der Anschlussstelle Haan-Ost gilt durch vorheriges Verkehrszeichen 274 eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h. Die vom Betroffenen in diesem Bereich gefahrene Geschwindigkeit betrug abzüglich der fünfprozentigen Toleranz 121 km/h. Die Geschwindigkeit des vom Betroffenen gefahrenen Pkw wurde mittels durch den Zeugen POK Z. vorgenommener Messung mit dem Videomessverfahren ProVida 2000 (Krad) ermittelt. Auf einer geraden Messstrecke von 100 Metern und einer Zeit von 2,8 Sekunden ergab die Messung eine Geschwindigkeit von 128,57 km/h. Die Anlage war gültig geeicht. Die Anlage arbeitete am Tag der Messung fehlerfrei. Der Oberbürgermeister der Stadt Wuppertal hat unter dem 22.10.2010 gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 41 km/h einen Bußgeldbescheid erlassen, gegen den der Betroffene fristgerecht Einspruch hat einlegen lassen.

III.

Die Feststellungen beruhen auf der Einlassung des Betroffenen sowie dem Ergebnis der Beweisaufnahme, deren Umfang sich aus dem Sitzungsprotokoll ergibt. Nach der Beweisaufnahme sieht es das Gericht als erwiesen an, dass der Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf der A46 zwischen dem AK Sonnborn und dem AS Haan Ost überschritten hat. Nach Inaugenscheinnahme des Videos und den Ausführungen des Zeugen …. steht für das Gericht fest, dass der Betroffene unter Abzug der Messtoleranz eine Geschwindigkeit von 121 km/h gefahren ist. Ausweislich der Videoaufzeichnung ist in dem maßgeblichen Teilstück die Geschwindigkeitsbeschränkung durch die Zeichen 274 der StVO deutlich sichtbar angegeben. Gegen die Ordnungsgemäßheit der Messung bestehen keine Bedenken. Die Messung hat wie auf dem in Augenschein genommenen Video, auf das ausdrücklich Bezug genommen wird, zu sehen ist, auf gerader Fahrstrecke stattgefunden. Der Zeuge Z. hat überzeugend und glaubhaft geschildert, dass er auf den Betroffenen bereits auf der A 535 wegen dessen zügiger Fahrweise aufmerksam geworden ist und im hier relevanten Messbereich darauf geachtet hat, dass der Abstand zwischen dem vom Betroffenen geführten Fahrzeug und dem Messfahrzeug während der Messung größer geworden ist, so dass davon ausgegangen werden kann, dass mindestens die gemessene Geschwindigkeit durch den Betroffenen erreicht worden ist. Der Zeuge Zimmermann ist nach seinen glaubhaften Angaben an der Bedienung des Messgeräts geschult, am Tag der Messung arbeitete die Messanlage fehlerfrei.

IV.

Das Verhalten des Betroffenen stellt einen fahrlässigen Verstoß gegen § 41 Abs. 2 iVm. § 49 StVO dar, da der Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 41 km/h überschritten hat, was er bei der gebotenen Aufmerksamkeit hätte erkennen und vermeiden können.

V.

Bei der Bußgeldzumessung war vom Rahmen der Bußgeldkatalogverordnung (BKatV) auszugehen. Diese sieht für den zugrunde liegenden Verstoß grundsätzlich die Verhängung einer Geldbuße von 160,00 € und ein Fahrverbot von einem Monat vor. Da der Betroffene verkehrsrechtlich bereits mehrmals einschlägig in Erscheinung getreten ist, wurde die Regelgeldbuße durch die Bußgeldbehörde bereits angemessen erhöht auf EUR 185,00. Wegen der besonderen Umstände erschien es jedoch nicht angezeigt, ein Fahrverbot zu verhängen. Nach § 4 Abs. 4 BKatV kann von der Verhängung eines Fahrverbotes in solchen Fällen abgesehen werden, in denen der Sachverhalt zugunsten des Betroffenen so erhebliche Abweichungen vom Normalfall aufweist, dass die Annahme eines Ausnahmefalles gerechtfertigt ist und die Verhängung eines Fahrverbotes trotz der groben Pflichtverletzung unangemessen wäre, wobei das Vorliegen erheblicher Härten oder einer Vielzahl für genommen gewöhnlicher und durchschnittlicher Umstände ausreicht. Hierzu zählt zum Beispiel der drohende Verlust des Arbeitsplatzes, bloße berufliche und wirtschaftliche Schwierigkeiten reichen indes nicht aus. Nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Betroffenen, vertreten durch seinen

Verteidiger, ist er aufgrund seiner Existenzgründung auf die Fahrerlaubnis angewiesen. Der Betroffene muss Kundenakquise betreiben und Kunden aufsuchen. Diese Tätigkeit ist unter Inanspruchnahme des öffentlichen Nahverkehrs nicht in zumutbarer Art und Weise darstellbar. Ein mehrwöchiger Urlaub ist für den Betroffenen in absehbarer Zeit ebenfalls nicht möglich und auch nicht finanzierbar. Im Falle der Verhängung eines Fahrverbotes wäre der Betroffene nicht mehr in der

Lage seine berufliche Existenz aufzubauen. Die Unterhaltung seiner fünfköpfigen Familie ist dem Betroffenen allein durch das bislang bezogene Arbeitslosengeld I nicht möglich. Auch die Aufnahme eines kurzfristigen Kredites, um einen Fahrer zu bezahlen zu können, erscheint angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen ersichtlich aussichtslos. Aufgrund der gebotenen Sicherstellung der Betreuung der drei Kinder des Betroffenen besteht auch keine Möglichkeit, dass sich der Betroffene von seiner Ehefrau zu Kundenbesuchen chauffieren lässt. Die von dem Verteidiger dargestellten nachvollziehbaren Umstände begründen damit eine außergewöhnliche und unverhältnismäßige Härte im Falle der Verhängung eines Fahrverbotes, die über bloße Unannehmlichkeiten hinausgehen und den Betroffenen in seiner Existenz gefährden. Von daher erschien es angemessen, in diesem besonderen Einzelfall von der Verhängung eines Fahrverbotes abzusehen.

Unter nochmaliger Berücksichtigung der vom Betroffenen angegebenen finanziellen Verhältnisse erschien eine Geldbuße von 185,00 € tat- und schuldangemessen. Eine weitere Erhöhung der Geldbuße ist nicht angemessen.

VI.

Die Kostenentscheidung folgt aus 946 OwiG.

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