Landgericht Lübeck
Az.: 17 O 338/98
Verkündet am: 14. April 1999
LANDGERICHT LÜBECK
URTEIL
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit hat die 17. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck auf die mündliche Verhandlung vom 24. März 1999 für R e c h t erkannt:
1.
Die Beklagte wird verurteilt, bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft, im Zusammenhang mit Werkverträgen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen folgende oder inhaltsgleiche Klauseln, ausgenommen gegenüber einem Kaufmann im Rahmen seines Handelsgeschäftes, zu unterlassen,
a. „Nach der Aufnahme des Mitgliedes in die Firma wird für das Mitglied ein Clubausweis erstellt. Sollte der Clubausweis einmal verloren gehen und/oder beschädigt sein, oder sollte er nicht mehr kartenlesbar sein, stellt die Firma dem Mitglied einen neuen Clubausweis zur Verfügung. Die Kosten für diesen neuen Clubausweis sind sehr hoch und betragen 25,00 DM. Es wird hiermit vereinbart, daß die Kosten für den neuen Clubausweis von dem Mitglied zu tragen sind.“
b. „Bei Verlust des Schrankschlüssels muß das gesamte Schloß ausgetauscht werden. Es wird hiermit vereinbart, daß die Kosten hierfür von dem Mitglied getragen werden.“
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.500,00 DM abwenden, wenn nicht der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Der klagende Verein nimmt gemäß seiner Satzung die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung wahr. Zu seinen Mitgliedern gehören die in diesem Bereich tätigen Verbände, insbesondere die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände, die Verbraucherzentralen der Bundesländer und die Stiftung Warentest.
Die Beklagte betreibt Fitneßstudios und schließt zu diesem Zweck mit Interessenten Verträge, die die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten enthalten. Diese Geschäftsbedingungen enthalten u.a. die Ziff. 2 und 14 betreffend Kostenersatz durch den Kunden bei Verlust eines „Clubausweises“ und bezüglich Kostenersatzes im Falle des Verlustes des Schrankschlüssels.
Wegen des Inhalts der Geschäftsbedingungen der Beklagten wird verwiesen auf die Anl. K 1 zur Klageschrift vom 10.11.1998. Der wörtliche Inhalt der beanstandeten Klauseln ergibt sich aus dem nachfolgenden Antrag. Der klagende Verein hat von der Beklagten Unterlassung der Verwendung dieser Klauseln verlangt. Die Beklagte ist dieser Aufforderung nicht nachgekommen.
Der klagende Verein beantragt, die Beklagte zu verurteilen, bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft, im Zusammenhang mit Werkverträgen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen folgende oder inhaltsgleiche Klauseln, ausgenommen gegenüber einem Kaufmann im Rahmen seines Handelsgeschäftes, zu unterlassen,
1. „Nach der Aufnahme des Mitgliedes in die Firma wird für das Mitglied ein Clubausweis erstellt. Sollte der Clubausweis einmal verloren gehen und/oder beschädigt sein, oder sollte er nicht mehr kartenlesbar sein, stellt die Firma dem Mitglied einen neuen Clubausweis zur Verfügung. Die Kosten für diesen neuen Clubausweis sind sehr hoch und betragen 25,00 DM. Es wird hiermit vereinbart, daß die Kosten für den neuen Clubausweis von dem Mitglied zu tragen sind.“
2. „Bei Verlust des Schrankschlüssels muß das gesamte Schloß ausgetauscht werden. Es wird hiermit vereinbart, daß die Kosten hierfür von dem Mitglied getragen werden.“
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Parteien streiten darüber, ob die von dem Kläger beanstandeten Klauseln dem AGB-Gesetz entsprechen.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird verwiesen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze einschließlich der Anlagen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klagebefugnis des klagenden Vereins folgt aus § 13 Abs. 1, 2 Nr. 1 AGB-Gesetz.
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch folgt aus § 13 Abs. 1 AGB-Gesetz. Die beiden von dem klagenden Verein gerügten Geschäftsbedingungen der Beklagten sind gemäß § 9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 AGB-Gesetz unwirksam. § 9 des AGB-Gesetzes ist anwendbar, weil diese beiden Bestimmungen von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzende Regelungen enthalten, § 8 AGB-Gesetz.
1.
Die Ziff. 2 der Geschäftsbedingungen der Beklagten betreffend den „Clubausweis“ sieht vor, daß der Kunde bei Verlust, Beschädigung oder nicht mehr gegebener Kartenlesbarkeit einen neuen „Clubausweis“ erhält und hierfür 25,00 DM zu zahlen hat. Mit diesem Clubausweis überprüft die Beklagte die Zugangsberechtigung des Mitgliedes zu ihren Räumlichkeiten und damit zu der Nutzung der vertraglich versprochenen Leistung gemäß Ziff. 1 der Geschäftsbedingungen. Die Vorlage des „Clubausweises“ ist also Voraussetzung dafür, daß der Kunde überhaupt die vertraglich geschuldeten Leistungen der Beklagten in Anspruch nehmen kann. Die Inanspruchnahme der Leistungen der Beklagten ist abgegolten durch einen monatlich zu entrichtenden Betrag. Insofern sieht die beanstandete Klausel vor, daß das Mitglied bei Verlust, Beschädigung oder fehlender Kartenlesbarkeit des „Clubausweises“ eine nochmalige Leistung von 25,00 DM zu erbringen hat, damit die Leistungen der Beklagten in Anspruch genommen werden können. Das Mitglied muß also, um die vertragliche Hauptleistung der Beklagten in Anspruch nehmen zu können, über die vertraglich vereinbarte monatliche Zahlung hinaus noch ein zusätzliches Entgelt entrichten, um im Fälle von Verlust/Beschädigung/fehlender Maschinenlesbarkeit des „Clubausweises“ die Leistungen überhaupt in Anspruch nehmen zu können. Damit liegt eine Regelung i.S. von § 8 AGB-Gesetz vor, die von Rechtsvorschriften abweicht oder diese ergänzt.
Die Regelung benachteiligt den Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Die Ausstellung des Clubausweises erfolgt ausschließlich im Interesse der Beklagten, der es darum geht, mit diesem Clubausweis die Berechtigung zur Nutzung ihrer Einrichtungen zu kontrollieren und zu vereinfachen. Es wäre genauso gut möglich, daß der Kunde, der die Einrichtungen benutzen will, statt eines „Clubausweises“ seinen Personalausweis vorlegt und durch einen Mitarbeiter der Beklagten die Berechtigung anhand einer Mitgliederliste festgestellt wird. Dieses Verfahren wäre für die Beklagte sicherlich komplizierter als das von ihr gewählte Verfahren mit dem „Clubausweis“, der maschinenlesbar ist. Das zeigt aber andererseits, daß die Regelung in Ziff. 2 nicht dem Interesse des Kunden, sondern dem Interesse des Fitneßstudiobetreibers dient. Wenn die Beklagte bei Verlust pp. eines derartigen „Clubausweises“ einen neuen ausstellt, so tut sie damit nichts anderes, als daß sie dem Kunden es ermöglicht, seine vertraglichen Rechte in Anspruch zu nehmen. Hierzu ist die Beklagte nach dem mit dem Kunden geschlossenen Vertrag ohne weiteres verpflichtet. Der Kunde erbringt dafür seine Gegenleistung in Form des monatlichen Mitgliedsbeitrages. Die beanstandete Klausel erweckt den Eindruck, daß in jedem Fall der Kunde bei Verlust/Beschädigung/fehlender Kartenlesbarkeit die 25,00 DM zu zahlen hat. Das gilt nach der Klausel unabhängig davon, worauf Verlust/Beschädigung oder fehlender Kartenlesbarkeit beruhen. Jedenfalls dann, wenn der Kunde die genannten Umstände nicht zu vertreten hat, wäre es unbillig, ihn für die Inanspruchnahme der Leistungen, auf die er einen Anspruch hat, sozusagen noch einmal eine Zusatzgebühr zahlen zu lassen.
Eine Sonderleistung der BGH-Rechtsprechung (vgl. NJW-RR 1998, S. 1661 ff.) kann daher in der Zurverfügungstellung eines neuen Clubausweises nicht gesehen werden. Die von der Beklagten angeführte BGH-Entscheidung betrifft eine von einer Sparkasse verlangte Zusatzgebühr dafür, dass sie einem Kunden ein neues Sparbuch erstellt, ohne daß dieses zuvor für kraftlos erklärt worden wäre. Durch eine derartige Handhabung kommt die Sparkasse dem Kunden entgegen, weil sie ihm ein neues Sparkassenbuch erteilt, obwohl sie dieses ohne vorangegangene Kraftloserklärung nicht müßte.
2.
Auch die Klausel bezüglich des Schrankschlüssels stellt eine Abweichung von der gesetzlichen Regelung dar (§ 8 AGB-Gesetz) und benachteiligt den Kunden unangemessen. Die gesetzliche Regelung würde dem Betreiber des Fitneßstudios nur unter den Voraussetzungen des § 280 BGB bei Verlust des Schlüssels Schadensersatzansprüche gewähren. Nach dieser Vorschrift besteht ein Schadensersatzanspruch nur dann, wenn die Rückgabe des Schlüssels aus vom Schuldner (hier dem Kunden) zu vertretenden Umständen unmöglich wird. Das Gesetz enthält in § 282 BGB hierzu eine Beweisregel, daß den Schuldner die Beweislast dafür trifft, daß die Unmöglichkeit der Leistung die Folge eines von ihm nicht zu vertretenden Umstandes ist. Danach hat der Schuldner immerhin die Möglichkeit, darzulegen und zu beweisen, daß ihn am Verlust des Schlüssels kein Verschulden trifft. Es wäre etwa zu denken an Fälle des Diebstahls oder gar des Raubes des Schlüssels. Kann der Kunde derartiges nachweisen, so wäre der Verlust des Schrankschlüssels von ihm nicht zu vertreten und er wäre damit auch nicht schadensersatzpflichtig. Im Gegensatz dazu soll nach der Bestimmung der Ziff. 14 der AGB der Kunde in jedem Fall des Verlustes haften. Dem Kunden wird die Entlastungsmöglichkeit hinsichtlich des fehlenden Verschuldens genommen. Er wird daher im Verhältnis zur Rechtslage nach BGB unangemessen benachteiligt.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.