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Notwegerecht zur Sicherung der Erreichbarkeit eines Grundstücks mit Kraftfahrzeug

LG Wuppertal – Az.: 9 S 212/17 – Urteil vom 24.05.2018

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Solingen, 12 C 271/16, vom 3.11.2017 teilweise abgeändert und – unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, auf ihrem Grundstück Solingen, Gemarkung T, Flur x, Flurstücke xx und xxx, zu Gunsten des Grundstücks der Klägerin, Solingen, Gemarkung T, Flur x, Flurstück xx (G 10) einen Notweg zu dulden gegen Zahlung einer jährlich im Voraus zu entrichtenden Rente von 150,- EUR, wobei das Notwegerecht nur zum Befahren mit einem mehrspurigen Kraftfahrzeug eingeräumt wird und nur in folgenden Bereichen: Flurstück xx: Dreieck mit vom Scheitelpunkt der Flurstücke #, ## und xx ausgehenden ca. 4m langen Katheten; Flurstücke xx und xxx: Das von der Giebelwand des Gebäudes G 8 und dem Scheitelpunkt der Flurstücke #, xx und xxx gebildete Dreieck in – vom Flurstück # aus gesehen – einer Tiefe eines Rasengittersteines (ca. 50cm). Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites werden gegeneinander aufgehoben.

Dieses und das angefochtene Urteil, soweit es aufrechterhalten worden ist, sind vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Parteien sind Grundstücksnachbarn in einer Hofschaft in R. Sie streiten darüber, ob die Klägerin ein Notwegerecht in Anspruch nehmen darf.

Das mit einem Wohnhaus bebaute und zum Teil als landwirtschaftliche Nutzfläche ausgewiesene Grundstück der Klägerin kann zu Fuß über einen öffentlichen Weg, dagegen mit einem PKW, so die Klägerin, nur über das benachbarte Grundstück der Beklagten erreicht werden. Seitdem die Klägerin ihr Grundstück 2001 erworben hatte, war sie über die auf dem Foto, Bl. 87 der Akten, abgebildete dreieckige Fläche der Beklagten gefahren, um zu ihrem Grundstück zu gelangen. Ende 2015 kündigte die Beklagte an, die Durchfahrt zu sperren und legte in Umsetzung dieser Ankündigung im Herbst 2016 Pflanzsteine auf die genannte dreieckige Fläche.

Das Amtsgericht hat die Beklagte verurteilt, die Benutzung des Dreiecks als Zuwegung durch Begehen und Befahren zum Grundstück der Klägerin zu dulden, jedoch nur und zur Teilklageabweisung führend, Zug um Zug gegen eine jährlich im voraus zu zahlende Rente i.H.v. 150 EUR. Der Anspruch ergebe sich aus § 917 I BGB. Das Grundstück der Klägerin verfüge nicht über eine Anbindung an den öffentlichen Verkehr, der mit einem PKW erreichbar sei. Für eine bedürfnisgerechte Benutzung ihres Grundstücks sei ein unmittelbares Heranfahren an dasselbe hier jedoch ausnahmsweise erforderlich. Der Fußweg sei etwa x-75 m lang. Die Klägerin könne ihren PKW aber auch nicht nur kurzfristig in zumutbarer Nähe des Endes des Fußweges zum Be- oder Entladen abstellen. Es sei ihr nicht zuzumuten, Einkäufe oder sperrige Gegenstände zu Fuß über eine Entfernung von mehr als 1x m zu ihrem Grundstück zu tragen.

Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung und erstrebt in Abänderung des angefochtenen Urteils die vollständige Klageabweisung.

Für eine ordnungsgemäße Nutzung sei es ausreichend, wenn das Kraftfahrzeug derart an das Wohngrundstück herangefahren werden könne, dass der Eingangsbereich von dieser Stelle aus in zumutbarer Weise – auch mit sperrigen Gegenständen – zu erreichen sei. Vorliegend habe die (gemeint:) Klägerin grundsätzlich die Möglichkeit, Einkäufe und ähnliches über eine Entfernung von ca. 1x m zu ihrem Grundstück zu tragen. Die beanspruchte Zuwegung sei zudem nicht geeignet, weil es sich um eine sehr schmale Zufahrt handele, die eine Beschädigung der Hauskante aufgrund der Enge zwischen den Häusern 11 und 8 zwangsläufig mit sich bringe.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache nur im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

1. Hinsichtlich der Zulässigkeit war das Erreichen der erforderlichen Beschwer im Sinne von § 511 II Nr. 1 ZPO problematisch.

Die Beschwer der Beklagten bemisst sich nämlich nach der durch das Notwegerecht bewirkten Wertminderung des Grundstücks (V ZR 234/14). Mangels Darlegung und Glaubhaftmachung durch die Beklagte war diese Wertminderung vom Gericht frei zu schätzen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es hier um ein nicht sonderlich attraktives Grundstück in einer Gemengelage geht. Außerdem deutete der Sachvortrag der Parteien darauf hin, dass die in Anspruch genommene Fläche extrem klein ist. So schrieb die Klägerin davon, dass nur wenige Zentimeter benötigt würden, was die Beklagte dadurch bestätigt hat, dass sie von einem Befahren der Bordsteinkante schrieb. Tatsächlich aber handelte es sich nach dem Tenor der angefochtenen Entscheidung um 2 betroffene Flurstücke, die auch nicht nur im Zentimeterbereich durch das Notwegerecht belastet werden sollten. So hat das Amtsgericht das komplette vor der nordöstlichen Giebelseite des Hauses G8 aus den Flurstücken xx und xxx gebildete Dreieck als zum Begehen und Befahren durch die Klägerin beansprucht war angesehen. Zwar ließ sich das nicht mit den Ausführungen im amtsgerichtlichen Tatbestand (UA 3 oben = Bl. 163 d.A.) In Übereinstimmung bringen. Für einen etwaigen Käufer des Grundstücks der Beklagten wären die Unwägbarkeiten aber in einem relevanten Umfang wertmindernd, weshalb die Beschwer auf bis 3000 EUR geschätzt wird.

2. In der Sache hat die Berufung nur wegen des Ausmaßes, aber nicht wegen der Zubilligung des Notwegerechtes als solchem Erfolg.

a)

Die Voraussetzungen, das begehrte Notwegerecht aus § 917 I BGB zuzusprechen, liegen grundsätzlich vor.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH (V ZR 106/07; V ZR 278/12 und V ZR 24/13; sämtlich bei Juris) ist bei einem Wohngrundstück die Erreichbarkeit (der Grundstücksgrenze) mit einem Kraftfahrzeug in der Regel für eine ordnungsmäßige Grundstücksbenutzung erforderlich, so dass zur Herstellung einer solchen Erreichbarkeit ein Notwegerecht beansprucht werden kann. Die Mittelgerichte (OLG Karlsruhe, 12 U 205/11 und OLG Düsseldorf, 9 U 4/13; sämtlich bei Juris) haben das Einfallstor „in der Regel“ dazu missbraucht, die Regel umzudrehen, indem gesagt wird, ein Fußweg von 50 oder gar 75 m sei zumutbar. Auch die Kammer in anderer Besetzung hat diese Auffassung für einen Fußweg von 35 m Länge vertreten (9 S 66/16, bei Juris). Das ist mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht vereinbar, wenngleich die dahinter stehende Argumentation bedenkenswert ist, weil es diverse, auch moderne Wohnanlagen gibt, wo ein solcher Fußweg der Planung und Ausführung immanent ist. Aus Gründen der Rechtseinheitlichkeit gibt die Kammer ihre bisherige Rechtsprechung jedoch insoweit auf und schließt sich der Auffassung des BGH enger als bisher an.

Etwas anderes hinsichtlich der Zubilligung eines Notwegerechts ergibt sich auch nicht daraus, dass der BGH angesichts der Schwere des Eingriffs, den ein Notweg für das Eigentum des Nachbarn bedeutet, an das Fehlen einer für die ordnungsgemäße Benutzung notwendigen Verbindung strenge Anforderungen stellt, weshalb Gesichtspunkte der Bequemlichkeit und auch Zweckmäßigkeit die Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks nicht rechtfertigen können (V ZR 24/13 und V ZR 138/14, beide bei Juris). Denn daraus folgt zwar, dass Maßstab für die Zubilligung eines Notwegerechts nicht die Ausmaße eines Kraftfahrzeuges nach Wahl des Anspruchstellers sein können. Wenn es beispielsweise einem Grundstücksinhaber gefällt, einen deutlich mehr als 2 m breiten SUV zu fahren und es nur eine knapp unter 2 m breite öffentliche Zufahrt gibt, kann er nicht aus diesem Grund ein Nachbargrundstück im Wege des Notwegerechts beanspruchen. Vielmehr hat der Grundstücksnachbar die Wahl seines Kraftfahrzeuges den gegebenen Bedingungen anzupassen und nicht umgekehrt. So liegt der Fall hier jedoch letztlich nicht. Wie die von der Kammer erneut durchgeführte Ortsbesichtigung ergeben hat, ist der ohne Inanspruchnahme des Grundstücks der Beklagten zur Verfügung stehende Raum derart beengt, dass selbst ein Wagen der Kompaktklasse praktisch die auf dem Grundstück der Beklagten liegende Bordsteinkante befahren muss.

b)

Der amtsgerichtliche Tenor war jedoch hinsichtlich des Umfanges des zuzubilligenden Notwegerechtes abzuändern, da er zu weitgehend ist.

Das betrifft zum einen den Teil des Tenors, durch den die Beklagte antragsgemäß verurteilt worden ist, die Benutzung des streitgegenständlichen Grundstücksteils als Zuwegung durch Begehen zu dulden. Denn insoweit besteht nach dem eigenen Vortrag der Klägerin in doppelter Hinsicht kein Bedarf für ein Notwegerecht. Zum einen gibt es nämlich eine andere fußläufige Verbindung zum Grundstück der Klägerin. Zum anderen wäre es unabhängig davon auch ohnehin nicht notwendig, zum fußläufigen Erreichen des Grundstücks der Klägerin ausgerechnet das streitgegenständliche Grundstücksteilstück zu benutzen, ist doch die Zuwegung ohne Inanspruchnahme des streitgegenständlichen Grundstücksteils auch nach dem Vortrag der Klägerin jedenfalls 1,8 m breit.Zum anderen waren die von dem Notwegerecht betroffenen Grundstücksteile nicht auf das Erforderliche beschränkt konkretisiert worden. Beide betroffenen Grundstücksteile sind nicht vollständig durch ein Notwegerecht belastet, sondern nur insoweit, als es erforderlich ist, der Klägerin die Zufahrtsmöglichkeit mit einem mehrspurigen Kraftfahrzeug, also insbesondere einem PKW, zu ermöglichen. Das ist nicht auf den Zentimeter genau zu begrenzen, aber annäherungsweise anzugeben. Zur Verdeutlichung wird auf die nachfolgende, nicht maßstabsgerechte Skizze verwiesen, wobei das daraus ersichtliche Dreieck möglicherweise nicht auf das Flurstück xx begrenzt ist, sondern eventuell in das Flurstück xxx hineinragt. Maßgeblich ist insoweit aber die Länge der Kathete mit ca. 4 m.

Abbildung……………..

Die Höhe der Notwegerente belastet die Beklagte nicht in dem Sinne, dass sie zu gering wäre.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 97, x8 Nr. 10, 711 und 713 ZPO. Eine Kostenaufhebung ist im Entscheidungsfall auch unter Berücksichtigung des Umstandes angemessen, dass bereits in erster Instanz durch die Zubilligung der Notwegerente eine teilweise Klageabweisung stattfand.

Streitwert für das Berufungsverfahren: bis 3.000 EUR (§§ 43 I, 48 I GKG, 3 ZPO)

Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 I Nr. 1, II ZPO), bestand nicht. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Eine grundsätzliche Bedeutung ist nämlich nur dann zu bejahen, wenn die Entscheidung der Sache von einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage abhängt, die über den konkreten Rechtsstreit hinaus in Rechtsprechung und Rechtslehre oder den beteiligten Verkehrskreisen umstritten ist (BGH, IV ZR 543/15, bei juris).

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