AG Mainz – Az.: 86 C 286/18 – Urteil vom 26.02.2021
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Unterlassung der Herstellung von Bild- und Videoaufnahmen durch die Beklagte.
Die Kläger bewohnen als Familie das in der befindliche Anwesen. Die Beklagte bewohnt das unmittelbar angrenzende Anwesen.
Am 06.07.2018 zündeten die Kläger im Garten ihres Grundstücks ein Lagerfeuer. Die Beklagte meldete das Lagerfeuer dem Ordnungsamt und fertigte eine Bildaufnahme an. Der genaue Gegenstand der Abbildung und die ob Frage, ob die Beklagte an diesem Abend weitere Bild- oder Videoaufnahmen fertigte, ist zwischen den Parteien umstritten.
In der Nacht vom 21.07.2018 auf den 22.07.2018 hielten sich Gäste der Klägerin zu 1) und des Klägers zu 2) auf dem Grundstück der selbst nicht anwesenden Kläger auf und zündeten ein Lagerfeuer. Der Ehemann der Beklagten informierte hierüber das Ordnungsamt.
Mit Schreiben vom 23.07.2018 forderten die Kläger die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 06.08.2018 zur Abgabe einer Unterlassungserklärung, zur Löschung angefertigter Bild- und Videoaufnahmen und der Zahlung von Rechtsanwaltskosten auf (bezüglich der Einzelheiten wird auf Anlage K 1 und K2 der Klageschrift vom 22.10.2018 Bl. 5-7 d.A. Bezug genommen).
Das Handy, mit welchen die Beklagte am 06.07.2018 eine Bildaufnahme anfertigte, ist nicht mehr im Besitz der Beklagten.
Die Kläger behaupten, die Beklagte habe am 06.07.2018 von der Klägerin zu 1, der Klägerin zu 3) und der Klägerin zu 4) mehrere Bild- und Videoaufnahmen angefertigt. Die Klägerin zu 1) habe ein helles Licht bzw. mehrere Lichtblitze bemerkt. Dieses Licht haben zudem die schlafenden Klägerinnen zu 3) und 4) geweckt.
In der Nacht vom 21.07.2018 auf den 22.07.2018 seien zudem Bild- und Videoaufnahmen von den sich am Lagerfeuer aufhaltenden Feriengästen der Klägerin zu 1) und des Klägers zu 2) angefertigt worden. Der Klägerin zu 1) und dem Kläger zu 2) sei im Jahr 2017 eine Genehmigung zur Vermietung von Ferienwohnungen erteilt worden. Die Ferienwohnungen seien von den Klägern zu 1) und 2) über Internetportale angeboten worden. Zu einer negativen Bewertung der Ferienwohnungen der Klägerin zu 1) und des Klägers zu 2) auf den genutzten Internetportalen kam es bisher unstreitig nicht.
Mit Schriftsatz vom 11.03.2019 haben die Kläger die Klage auf die Kinder der Klägerin zu 1) und des Klägers zu 2) erweitert (vgl. Schriftsatz vom 11.03.2019 Bl. 23 -24 d.A.). Des Weiteren ist der mit der Klageschrift vom 22.2.2018 gestellte Antrag zu 1) verändert worden.
Die Kläger beantragen mit Schriftsatz vom 11.03.2019 zuletzt,
1a. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, von den Klägern zu 1., 3. und 4. in welcher technischen Form auch immer Bildaufnahmen im privaten oder öffentlichen Umfeld zu fertigen, ohne hierfür eine ausdrückliche Erlaubnis zu besitzen.
1b. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, von Personen, die sich auf dem Grundstück der Kläger zu 1. und 2. befinden, insbesondere darauf anwesenden Gästen der auf dem Grundstück befindlichen Ferienwohnung Bildaufnahmen zu fertigen, ohne hierfür eine ausdrückliche Erlaubnis zu besitzen.
Die Beklagte wird verurteilt, die von ihr am 06.07.2018 und in der Nacht vom 21. auf den 22.07.2018 gefertigten Aufnahmen vollständig zu löschen und diese weder privat noch öffentlich zu verwenden.
Der Beklagten wird für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in gesetzlich zulässiger Höhe von bis zu EUR 25.000,00 je Einzelfall angedroht.
Die Beklagte wird verurteilt, zur Freistellung der Kläger EUR 600, 71 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.08.2018 an die
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, sie habe weder die Klägerin zu 1), die Klägerin zu 3), die Klägerin zu 4) noch Feriengäste der Kläger zu 1) und 2) fotografiert oder gefilmt. Sie habe am 06.07.2018 ein Lichtbild nur vom Lagerfeuer gemacht. Personen seien nicht fotografiert worden. Das Lichtbild sei zum Zweck der Beweissicherung zur Vorlage bei einer Behörde gemacht worden.
Die Beklagte wisse nicht, ob die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2) einen genehmigten Gewerbebetrieb betrieben haben.
Das Gericht hat die Klägerin zu 1), den Kläger zu 2) und die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 08.08.2019 persönlich angehört. Bezüglich des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung verwiesen (vgl. Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 08.08.2019 Bl. 73 ff. d.A.). Mit Verfügung vom 26.09.2019 hat das Gericht die Parteien darauf hingewiesen, dass ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb hinsichtlich einer etwaigen durch die Beklagte angefertigten Bildaufnahme von den Gästen nach dem Vortrag der klagenden Partei nicht anzunehmen sein dürfte (vgl. bezüglich der Einzelheiten die Verfügung vom 26.09.2019 Bl. 82 d.A.).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig aber unbegründet.
I.
Das Amtsgericht Mainz ist gemäß § 23 Nr. 1 GVG iVm. § 1 ZPO sachlich und gemäß §§ 12, 13 ZPO örtlich zuständig.
Die mit Schriftsatz vom 11.03.2019 (vgl. Bl. 23 d.A) erklärte Erweiterung der Klage auf und ist als gewillkürte Parteierweiterung gemäß § 263 ZPO sachdienlich, da der bisherige Prozessstoff als Entscheidungsgrundlage verwertbar bleibt und ein weitere Prozess hinsichtlich der etwaigen Anfertigung von Bild- und Videoaufnahmen durch die Beklagte vermieden wird. Die Parteierweiterung ist damit gemäß § 263 ZPO ohne Zustimmung der Beklagten zulässig (vgl. Thomas/Putzo/ Hüßtege Vorb § 50 Rn. 25.).
Die geänderte Formulierung des Antrags zu 1) aus der Klageschrift vom 22.10.2018 im Schriftsatz vom 11.03.2019 (vgl. Bl. 24 d.A.) stellt lediglich eine Präzisierung des ursprünglichen Antrags dar. Es wurde weder das mit dem Antrag verfolgte Begehren noch der dem Antrag zugrundeliegende Lebenssachverhalt verändert, sodass durch die Neuformulierung keine Klageänderung im Sinne des § 263 ZPO gegeben ist (vgl. OLG Köln, Urteil vom 20.02.2002 – 17 U 123/99).
II.
Die Kläger haben gegen die Beklagte keinen Unterlassungsanspruch gemäß §§ 1004 I 2, 823 I BGB.
1.
Dies gilt zunächst hinsichtlich des Klageantrags zu 1a) ohne Erlaubnis keine Bild- und Videoaufnahmen von den Klägerinnen zu 1), zu 3) und zu 4) anzufertigen. Der Unterlassungsanspruch gemäß §§ 1004 I 2, 823 BGB scheitert an der fehlenden Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerinnen durch die Beklagte.
In den Geltungsbereich des § 1004 BGB fallen bei entsprechender Anwendung alle absolut geschützten Rechtsgüter und damit auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht (vgl. Palandt/Herrler § 1004 Rn. 4). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gibt dem Inhaber das Recht, im privaten Bereich in Ruhe gelassen zu werden und diesen Bereich von Einblicken Dritter freizuhalten (vgl. Palandt/ Sprau § 823 Rn. 113). Angesichts des hohen Stellenwertes des in Art. 2 I iVm. Art. 1 I GG verfassungsrechtlich verankerten allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist hinsichtlich der Frage des Eingriffs in dieses eine die Umstände des Einzelfalles berücksichtigende Abwägung vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 25.04.1995 – VI ZR 272/94).
Nach § 1004 I 2 BGB steht bei rechtswidriger Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dem jeweiligen Verletzten zur Unterbindung künftiger Verletzungen ein Anspruch auf Unterlassung gegen den Störer zu. Voraussetzung für einen Unterlassungsanspruch ist grundsätzlich das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr, für deren Vorliegen nach vorangegangener rechtswidrige Beeinträchtigung eine tatsächliche Vermutung greift (vgl. Palandt/ Herrler § 1004 Rn. 32). Für das Vorliegen einer rechtswidrigen Beeinträchtigung ist der Anspruchsteller beweisbelastet. Die Beweisführung einer rechtswidrigen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin zu 1), zu 3) und zu 4) durch die Beklagte ist den Klägerinnen jedoch nicht gelungen.
Zwar stellt das ungefragte Fotografieren einer Person nach ständiger Rechtsprechung einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 02-04-1987 – 4 U 296/86). Vorliegend ist jedoch nicht bewiesen, dass die Beklagte Bildaufnahmen angefertigt hat, auf denen die Klägerinnen in Person abgebildet sind. Die unstreitig von der Beklagten am Abend des 06.07.2018 angefertigten Bildaufnahme zeigt in der dem Gericht vorgelegten Version (vgl. Bl. 81 d.A.) weder die Klägerin zu 1), zu 3) noch zu 4). Zu sehen ist lediglich das Lagerfeuer. Dass die vorgelegte Fotografie bearbeitet wurde oder weitere Bild- und Videoaufnahmen durch die Beklagte angefertigt wurden, auf welchen die Klägerinnen zu 1), 3) und 4) abgelichtet sind, steht mangels Beweises nicht zur Überzeugung des Gerichts fest. Vielmehr geht das Gericht davon aus, dass die Beklagte keine Bildaufnahme von den Klägerinnen, sondern allein von dem Lagerfeuer machen wollte. Dies ergibt sich so auch aus den Angaben der Beklagten, welche im Rahmen der Dokumentation des Einsatzes des Ordnungsamts am Abend des 06.07.2018 festgehalten wurde. Hiernach hat … eine Geruchsbelästigung durch das Lagerfeuer gemeldet und angegeben das Feuer mit dem Handy aufgenommen zu haben (vgl. Anlage B1 zum Schriftsatz vom 11.03.2019 Bl. 27 d.A.).
Die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerinnen ergibt sich vorliegend auch nicht aus dem am Abend des 06.07.2018 entstandenen Eindrucks der Klägerinnen, dass die Beklagte beabsichtigt habe die Klägerinnen zu fotografieren oder zu filmen. Zwar kann die Annahme fotografiert oder gefilmt zu werden einen sog. Überwachungsdruck erzeugen und zu einem Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht führen (vgl. BGH, Urteil vom 16. 3. 2010 – VI ZR 176/09). Für die Annahme eines solchen Überwachungsdruckes reicht der von den Klägerinnen einmalig am Abend des 06.07.2018 erlebte Vorfall jedoch nicht aus. Hieraus dürfte für die Klägerinnen noch nicht ein die Entfaltungsfreiheit beeinträchtigender Eindruck der Androhung ständiger Überwachung entstanden sein. Auch ist die bloße Möglichkeit, dass die Beklagte die Klägerinnen zu 1), 3) und 4) bei der Ablichtung des Lagerfeuers mit ablichtet nicht ausreichend, um einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht anzunehmen. Angesichts dessen war es auch nicht erforderlich die Klägerin zu 3) als Zeugin hinsichtlich des Umstandes, ob sie nach ihrer Wahrnehmung von der Beklagten fotografiert oder gefilmt worden sei, zu vernehmen. Denn der Eindruck, Personen fotografiert zu haben, reicht zur Annahme eines Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerinnen vorliegend nicht aus (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 31.07.2018 – 4 U 381/18).
Den Klägerinnen steht auch kein vorbeugender Unterlassungsanspruch gemäß §§ 1004 I 2, 823 I BGB zu. Nach § 1004 I 2 BGB besteht ein Unterlassungsanspruch auch dann, wenn ernsthafte und greifbare tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass sich der Anspruchsgegner in naher Zukunft rechtswidrig verhalten werde (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 31.07.2018 – 4 U 381/18). Die Besorgnis der künftigen Beeinträchtigung muss hierbei auf Tatsachen und nicht bloß auf subjektiven Befürchtungen beruhen (vgl. MüKoBGB/Raff § 1004 Rn. 305). Die Beweislast für das Vorliegen einer drohenden Beeinträchtigung liegt beim Anspruchsteller (vgl. Palandt/ Herrler § 1004 Rn. 52). Den Klägerinnen ist auch hier die Beweisführung nicht gelungen. Es bestehen keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte sich in naher Zukunft rechtswidrig verhalten wird. Dies ist nach Auffassung des Gerichts schon deswegen nicht der Fall, weil die Beklagte nicht mehr in Besitz eines Handys ist. Dass aus anderen Umständen konkrete Verletzungshandlungen seitens der Beklagten drohen, ist von den Klägern nicht dargelegt und bewiesen worden.
2.
Auch hinsichtlich des Antrags zu 1b) ohne Erlaubnis keine Bildaufnahmen von Personen anzufertigen, die sich auf dem Grundstück der Kläger zu 1) und 2) befinden, steht den Klägern kein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 I 2 iVm. § 823 I BGB hinsichtlich einer Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu.
Unabhängig von der umstrittenen Frage, ob die Kläger zu 1) und 2) ein genehmigtes Gewerbe ausüben, liegt zumindest schon kein betriebsbezogener Eingriff vor. Ein Eingriff ist betriebsbezogen, wenn er sich nach objektiven Maßstab spezifisch gegen den Betrieb und seine Organisation oder gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richtet und dabei über bloße Belästigungen oder sozial übliche Behinderungen hinausgeht (vgl. Palandt/ Sprau § 823 Rn. 139). Hierzu haben die Kläger zu 1) und 2) nicht dargelegt, inwieweit sich eine etwaige von der Beklagten angefertigte Bildaufnahme der Gäste spezifisch und unmittelbar gegen den Betrieb und seine Organisation richtet. Vielmehr hat der Kläger zu 2) vorgetragen, dass es auf den genutzten Internetportalen zum Anbieten der Ferienwohnungen noch zu keiner negativen Bewertung gekommen ist (vgl. Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 08.08.2019 Bl. 74 d.A.).
Mangels Vorliegen der anspruchsbegründenden Voraussetzungen des Unterlassungsanspruch aus §§ 1004 I 2, 823 BGB, steht den Klägern auf Rechtsfolgenseite auch kein Anspruch auf Löschung im Sinne des Antrags zu 2) zu.
In Ermangelung des Hauptanspruches steht den Klägern kein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu.
Zudem haben die Kläger mangels Hauptanspruch keinen Anspruch darauf, der Beklagten für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld anzudrohen.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I, 100 I, 708 Nr. 11 Alt. 2, 711 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 48 II GKG. Bei nicht vermögensrechtlichen Streitigkeiten ist der Streitwert nach Ermessen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, zu bestimmen. Bei mangelnden Anhaltspunkten kann auf den Maßstab des § 23 III RVG (5.000 €) zurückgegriffen werden.