Zusammenfassung:
Wie muss ein Gehweg nach Abschluss von Bauarbeiten beschaffen sein? Muss ein Jogger mit Unebenheiten auf einem Gehweg rechnen? Besteht ein Schadensersatzanspruch des Joggers wegen einer Verkehrssicherungspflichtverletzung der Baufirma, wenn diese nach Abschluss der Bauarbeiten vergisst, eine Kante von über zwei Zentimetern auszugleichen? Ist dem Jogger ein Mitverschulden anzulasten oder durfte er auf einen ausgeglichenen Untergrund auf dem Gehweg vertrauen?
Oberlandesgericht Saarbrücken
Az: 1 U 31/15
Urteil vom 05.08.2015
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 11. Februar 2015 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken, 15 O 200/14, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin macht Ansprüche aus einer behaupteten Verkehrssicherungspflichtverletzung geltend.
Die Beklagte hatte im Auftrag von Firma eine zuvor bereits schon einmal geöffnete, nachasphaltierte Fläche in einer Größe von 68 x 135 cm auf dem Bürgersteig in pp. geöffnet. Die vorbeschriebene Fläche wurde anschließend mit Splitt aufgefüllt. Über eine Breite von 36 cm von der Bordsteinkante aus und über die gesamte Länge von 135 cm ist der Splitt fast eben mit dem geteerten Bordstein. Die weiteren 32 cm zum Anwesen Nr. … steigen keilförmig von 0,00 bis 1,5 – 2 bzw. 2,5 cm an. Aufgrund firmeninterner Probleme wurde beklagtenseits vergessen, den Gehweg wieder ordnungsgemäß mit einer Asphaltdecke zu verschließen.
Die Klägerin joggte am 7. November 2013 kurz nach 18.00 Uhr mit ihrem Ehemann auf dem Gehweg. In Höhe des Anwesens Nr. … trat die Klägerin in die Vertiefung. Sie erlitt eine Außenbandruptur eine Zerrung des Ligamentum fibulo talare posterius, einen Anriss des Ligamentum tibio talare anterius und einen Gelenkerguss.
Die Klägerin hält einen Schmerzensgeldbetrag von 3.500 Euro für angemessen und hat behauptet, die pp. sei im Bereich des Schadensortes nicht derart gut ausgeleuchtet, dass die Vertiefung von weitem gut erkennbar gewesen sei. Der Klägerin sei der gefährdende Zustand des Bürgersteigs nicht bekannt gewesen. Sie ist der Ansicht, die Beklagte hafte aufgrund einer Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht, da sie mitten im Gehweg einen Absatz von 2,5 cm geschaffen habe. Die anderen bearbeiteten Stellen des Bürgersteigs in räumlicher Nähe zum Schadensort wiesen keine Unebenheiten auf. Da es zudem – unstreitig – an Warnschildern oder Markierungen gefehlt habe, sei die Beklagte ihren Sorgfaltspflichten nicht nachgekommen.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, ihr ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2014 zu zahlen;
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden mit einer Quote von 100% zu ersetzen, welche ihr aus dem Unfallereignis vom 07.11.2013, ca. 18.05 Uhr, in Höhe des Anwesens Nr. … in pp. resultieren, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind;
3. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von der Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 492,54 Euro freizustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet, die Öffnung der Stelle sei am 2. November 2012 erfolgt, was die Klägerin mit Nichtwissen bestreit. Es sei eine Unebenheit in einer Höhe zwischen 1,5 und 2,5 cm verblieben. Die Klägerin habe die Örtlichkeit gekannt, da sie sich nicht einmal einen Kilometer von ihrem Wohnhaus entfernt befinde. Die pp. sei im Bereich des Schadensortes gut ausgeleuchtet. Da für den gesamten Bereich des Bürgersteiges im Schadensbereich, d.h. auch einige Stellen vorher und nachher erkennbar gewesen sei, dass dort intensiv gearbeitet und der Bürgersteig geöffnet worden sei, scheide eine Haftung der Beklagten im Ergebnis aus.
Mit am 11. Februar 2015 verkündetem Urteil (Bl. 58 ff. d.A.), auf dessen tatsächliche und rechtliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht Saarbrücken die Klage abgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt.
Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und ist der Ansicht, das Gericht habe sich aufgrund unterlassener Beweiserhebung kein Bild von der Ausleuchtung der Örtlichkeit und der Gehwegbeschaffenheit machen können. Zwar gebe es unterschiedliche Beläge auf dem Gehweg, jedoch entgegen der Feststellung des Landgerichts Saarbrücken, mit Ausnahme der streitgegenständlichen Stelle, keine Höhenunterschiede.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 11.02.2015, Az. 15 O 200/15, zu verurteilen, ihr ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2014 zu zahlen;
2. unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 11.02.2015, Az. 15 O 200/14, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden mit einer Quote von 100% zu ersetzen, welche aus dem Unfallereignis vom 07.11.2013, ca. 18.05 Uhr, auf der pp. in Höhe des Anwesens Nr. … in pp. resultieren, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind;
3. die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 11.02.2015, Az. 15 O 200/14, zu verurteilen, die Klägerin von der Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 492,54 Euro freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und ist der Ansicht, die Unebenheit zwischen 1,5 und 2,5 cm sei der Klägerin bekannt und bei gebotener Sorgfalt auch konkret erkennbar gewesen. Angesichts des „Flickenteppichs“ aufgrund der unterschiedlichen Beläge, müsse auch mit Unebenheiten gerechnet werden. Daher sei die Klägerin verpflichtet gewesen, eine gesteigerte Sorgfaltspflicht zu beachten.
Die Akten der Staatsanwaltschaft Saarbrücken, 4 Js 688/14, waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Hinsichtlich des Sachverhalts und des Parteivortrags im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschrift des Landgerichts Saarbrücken vom 4. Februar 2015 (Bl. 55 d.A.), des Senats vom 22. Juli 2015 (Bl. 120 ff. d.A.) sowie das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 11. Februar 2015 (Bl. 58 d.A.) Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO noch rechtfertigen die von dem Senat nach § 529 ZPO zu Grunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 ZPO. Der Klägerin steht kein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB gegen die Beklagte zu. Diese hat ihre Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt (1.). Selbst wenn man dies anders bewerten wollte, ist von einem anspruchsausschließenden Mitverschulden der Klägerin, § 254 Abs. 1 BGB, auszugehen (2.).
1. Der Beklagten kann vorliegend keine Verletzung ihrer aus der vormaligen Bautätigkeit resultierenden Verkehrssicherungspflicht zur Last gelegt werden.
a. Zwar war die Beklagte, die den Gehweg öffnete und anschließend mit Splitt in der oben beschriebenen Weise verschloss, gehalten, hiervon ausgehende Gefahren auszuschließen bzw. zu minimieren. Jedoch gilt es vorliegend zu beachten, dass sich der Schadensfall auf einem innerörtlichen Gehweg ereignete. Im Fall von Straßen und Gehwegen wird der Umfang der Verkehrssicherungspflicht von der Art und der Häufigkeit der Benutzung des Verkehrsweges und seiner Bedeutung maßgebend bestimmt. Sie umfasst die notwendigen Maßnahmen zur Herbeiführung und Erhaltung eines für den Straßenbenutzer hinreichend sicheren Straßenzustandes. Grundsätzlich muss sich der Straßenbenutzer allerdings den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen und die Straße so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet. Der Verkehrssicherungspflichtige muss in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen und erforderlichenfalls vor ihnen warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1980 – III ZR 58/79 -, Rn. 17, juris).
Das bedeutet allerdings nicht, dass eine Straße oder ein Gehweg schlechthin gefahrlos und frei von allen Mängeln sein muss. Eine vollständige Gefahrlosigkeit der Straße und ihrer Benutzung kann mit zumutbaren Mitteln nicht erreicht und vom Verkehrsteilnehmer nicht erwartet werden. Auch der Fußgänger muss bei Benutzung des Bürgersteigs mit gewissen Unebenheiten rechnen und sich darauf einstellen. So muss etwa der Bürgersteig auch einer verkehrsreichen Hauptstraße nicht völlig frei von Mängeln sein und verlangt die Einhaltung der Verkehrssicherungspflicht nicht, dass dieser keine Unebenheiten aufweise, da so weitgehende Anforderungen dem Verkehrssicherungspflichtigen nicht zumutbar sind (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 1966 – III ZR 132/65 -, Rn. 18, juris).
Daher sind geringe Niveauunterschiede im Allgemeinen hinzunehmen. Jedoch kann ein für sich allein unerheblicher Höhenunterschied im Straßenbelag durch das Zusammenwirken mit anderen Umständen von Bedeutung werden und damit eine vom Verkehrssicherungspflichtigen zu beseitigende Gefahr für die Verkehrsteilnehmer auslösen. Bei geringen Höhenunterschieden darf mithin nicht allein auf die absolute Höhe des Unterschieds abgestellt werden; vielmehr ist die durch den Höhenunterschied bedingte Gefährdung im Zusammenhang mit den besonderen Umständen der einzelnen Örtlichkeit zu sehen und im Hinblick auf die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 1966 – III ZR 132/65 -, Rn. 19, juris). Neben der Höhendifferenz sind daher ferner andere Umstände maßgebend, wie etwa die Art und Beschaffenheit der Vertiefung oder Erhöhung und die Lage in einer Hauptgeschäftsstraße, in der erfahrungsgemäß die Aufmerksamkeit der Fußgänger infolge der Verkehrsdichte und der Schaufensterauslagen abgelenkt wird (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 1966 – III ZR 132/65 -, Rn. 23, juris; OLG Hamm, Urteil vom 27. März 1992 – 9 U 204/01 -, NJW-RR 1992, S. 1442; OLG Oldenburg, Urteil vom 20. Dezember 1985 – 6 U 72/85 -, NJW-RR 1986, S. 903; Hager, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2009, § 823 E Rn. 160).
b. Hiernach kann der Beklagten vorliegend keine Verletzung ihrer, durch die Bauarbeiten an der betreffenden Stelle begründeten Verkehrssicherungspflicht vorgeworfen werden.
aa. Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass die Feststellung des Landgerichts Saarbrücken, wonach die „gesamte Fläche“ Unebenheiten aufweise (UA Seite 5, Bl. 62 d.A.), in verfahrensfehlerhafter Weise getroffen wurde. Das Landgericht Saarbrücken stellt zutreffend auf die aus den Lichtbildern ersichtlichen unterschiedlichen Beläge auf dem Bürgersteig ab. Hieraus auf Unebenheiten auf der gesamten Fläche zu schließen ist jedoch mit dem erstinstanzlichen Sachvortrag nicht in Übereinstimmung zu bringen.
Die Klägerin hatte erstinstanzlich vorgetragen, dass die anderen bearbeiteten Stellen des Bürgersteigs keine Unebenheiten aufweisen (Bl. 46 d.A.). Diesbezüglich hatte die Beklagte ausgeführt, dass für den gesamten Bürgersteig im Schadensbereich erkennbar sei, dass dort intensiv gearbeitet und der Bürgersteig geöffnet worden sei (Bl. 32 d.A.). Selbst wenn man dies als hinreichendes Bestreiten des klägerischen Vortrags ansieht und damit die Tatsachenfrage, ob der Bürgersteig Unebenheiten aufweist und wenn ja, welche, als streitig annimmt, hätte hierzu Beweis erhoben werden müssen. Die erstinstanzliche Feststellung, dass die gesamte Fläche Unebenheiten aufweise gründet sich damit auf eine unzureichende Tatsachenfeststellung.
bb. Hierauf beruht das Urteil jedoch nicht. Vielmehr kann ausgeschlossen werden, dass das Urteil im Falle zutreffender Tatsachenfeststellung anders ausgefallen wäre.
Zwar gilt es vorliegend zu beachten, dass die Verkehrssicherungspflicht der Beklagten nicht aus ihrer Eigentümerstellung über den Weg bzw. aus einer generellen hoheitlichen Verantwortung hierfür, wie etwa bei einer Gemeinde, herrührt. Sie hat vielmehr durch ihre konkrete Bautätigkeit und das unzureichende Verschließen der Baugrube eine Gefahrenquelle geschaffen. Damit ist das Maß der zumutbaren Maßnahmen zur Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht ein anderes, wie etwa bei einem Straßenbaulastträger, wo sich etwa die Frage von Kontrollintervallen stellt. Jedoch kann die Frage, ob die Beklagte im konkreten Fall ihre Pflichten verletzt hat nicht ohne Berücksichtigung der oben genannten, generellen Anforderungen bei Wegen beurteilt werden, da die Sicherungserwartungen der Benutzer auch Rückschlüsse auf den Pflichtenkatalog zulassen. Es ist daher im Ergebnis sowohl auf die Möglichkeiten des Pflichtigen, als auch auf die Anforderungen an die Benutzer abzustellen.
Aus den seitens der Klägerin vorgelegten Lichtbildern (Bl. 16-19 d.A.) – die folgenden Lichtbilder betreffen nach dem klarstellenden Hinweis des klägerischen Prozessbevollmächtigten im Termin vor dem Senat eine andere Örtlichkeit – sowie aus den Lichtbildern Bl. 9 f. der beigezogenen Akte der Staatsanwaltschaft Saarbrücken ergibt sich, dass sich der geöffnete und unzureichend verfüllte Teil des Bürgersteigs vom Rest farblich unterscheidet. Zudem besteht er in Form von Splitt aus einem anderen Material als der asphaltierte Bürgersteig im Übrigen. Damit war aber erkennbar, dass der Bürgersteig an dieser Stelle Besonderheiten aufwies. Dies spielt für die Frage der Verkehrssicherungspflicht der Beklagten eine entscheidende Rolle, da die Sicherungserwartungen, die ein Fußgänger an die Beschaffenheit eines Bürgersteiges redlicherweise stellen darf, in erster Linie an die örtlichen Verhältnisse anknüpfen. Diese örtlichen Verhältnisse sind durch den Gebietscharakter im allgemeinen, durch die nähere Umgebung im besonderen und schließlich durch den optischen Eindruck des Bürgersteiges als solchen charakterisiert; denn von dem so umschriebenen Gesamteindruck hängt es ab, zu welchem Maß an eigener Sorgfalt sich der Benutzer eines Bürgersteiges aufgerufen fühlen wird (vgl. OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 30. September 1993 – 1 U 248/90 -, NJW-RR 1994, S. 348).
Dieser optische Eindruck des Bürgersteigs musste einen, zu entsprechender Sorgfalt verpflichteten Fußgänger, aber dazu veranlassen, diese Stelle mit erhöhter Achtsamkeit zu passieren. Dabei spielt es keine entscheidende Rolle, dass sich das Unfallereignis vorliegend im Dunkeln vollzog.
Zum einen verpflichtet ein Joggen im Dunkeln auf dem Bürgersteig die Klägerin schon per se zu einer erhöhten Sorgfaltspflicht, da Hindernisse, Unebenheiten etc. schlechter wahrgenommen werden können. Zum anderen kommt es vorliegend nicht auf eine genaue Ausleuchtung des Unfallbereichs an. Zwar streiten sich die Parteien um die Art der Ausleuchtung. Unstreitig ist aber, dass der Bereich durch eine innerorts übliche Beleuchtung versehen ist. Die vorliegend allein maßgebende Hell-Dunkel-Differenz zwischen den verschiedenen Oberflächenbelägen ist jedoch auch in diesem Zustand zu erkennen. Soweit die Klägerin darauf abstellt, der Bereich sei nicht derart gut ausgeleuchtet, dass die Vertiefung von weitem gut erkennbar wäre, kommt es hierauf nicht entscheidend an. Es ist weniger maßgebend, ob die Klägerin die eigentliche Vertiefung erkennen konnte, sondern vielmehr, ob sie erkennen konnte, dass dieser Teil des Bürgersteiges optisch (Farbe, Material) vom übrigen Teil abweicht. Dass dies der Fall war, ergibt sich aus den vorgelegten Lichtbildern.
Zutreffend verweist das Landgericht Saarbrücken darauf, dass der Gehweg im streitgegenständlichen Bereich ausweislich der vorgelegten Lichtbilder verschiedene Beläge aufweist. So ist aus dem Lichtbild Bl. 9 der beigezogenen Akte ersichtlich, dass unmittelbar vor der Unfallstelle ein anderer Belag aufgebracht war. Ferner ist ersichtlich, dass hinter der Unfallstelle zu den Häusern offensichtlich schon Öffnungen vorgenommen wurden und der Bürgersteig mit einem anderen Belag verschlossen wurde. Schließlich befindet sich im weiteren Verlauf ein Stück mit Kopfsteinpflasterbelag.
Damit musste sich die Klägerin der Stelle mit erhöhter Sorgfalt nähern. Insbesondere hätte sie nicht im Bereich des Übergangs der beiden Bürgersteigbeläge laufen dürfen, da aufgrund des Umstands, dass insoweit Unterschiede wahrnehmbar waren, mit Höhendifferenzen hätte gerechnet werden müssen.
cc. Zudem handelt es sich bei der von der Beklagten geöffneten Fläche um eine solche, die ein derartiges Ausmaß aufweist, dass sie wahrnehmbar ist. Es liegt keine singuläre Vertiefung in einem ansonsten gleichmäßigen Belag vor.
dd. Zwar ist zu Lasten der Beklagten zu berücksichtigen, dass die Gefahrenstelle nicht etwa durch Naturereignisse oder Eingriffe Dritter entstanden, sondern von ihr selbst geschaffen worden ist. Maßgebend ist daher, anders als etwa bei der Beurteilung der Verkehrssicherungspflicht eines für den Gehweg latent Unterhaltungspflichtigen, nicht die Frage der Kontrollmöglichkeiten. Vielmehr wurde vorliegend eine konkrete Gefahrenstelle durch eigene Arbeiten geschaffen. Bei derartigen Hindernissen ist ein strengerer Sicherheitsmaßstab als bei den zuerst genannten Gefahrenquellen anzulegen, da der Sicherungspflichtige hier vor der Errichtung genügend Zeit und Möglichkeiten hatte, die Gefährlichkeit zu prüfen und erforderliche Schutzvorkehrungen in die Planung einzubeziehen (so OLG Hamm, Urteil vom 19. Juli 1996 – 9 U 108/96 -, MDR 1996, S. 1131, 1132).
Dies ändert jedoch im Ergebnis nichts daran, dass die Gefahrenstelle für die Klägerin im eingangs genannten Sinne erkennbar war und sie sich darauf einrichten konnte. Damit entfällt aber im Ergebnis eine Verkehrssicherungspflicht der Beklagten.
2. Selbst wenn man entgegen der vorstehend vertretenen Ansicht eine Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten, gerade mit Blick auf ihren eigenen konkreten Verursachungsbeitrag, annehmen wollte, überwiegt das Eigenverschulden der Klägerin und der von ihr gesetzte Ursachenbeitrag nach den konkreten Umständen des Falles derart, dass eine Haftung der Beklagten dahinter zurücktritt, § 254 Abs. 1 BGB.
Das Joggen in Dunkelheit, auf einem Gehweg, der keine einheitliche Oberflächenbeschaffenheit aufweist, ist zwar ein weit verbreitetes und legitimes Vorgehen, erfordert aber eine gesteigerte Sorgfaltspflicht. Aufgrund der schnellen Fortbewegung ist das Sturzrisiko erhöht und die Wahrnehmungs- sowie Reaktionsgeschwindigkeit eingeschränkt. Vorliegend kommt hinzu, dass die Klägerin und ihr Ehemann auf dem ohnehin schmalen Gehweg nach dessen polizeilichen Angaben in der beigezogenen Ermittlungsakte (dort Bl. 14) neben- und nicht mit ausreichendem Sicherheitsabstand hintereinander gelaufen sind. Hierdurch wurde die Klägerin, die den Teil des Gehwegs benutzte, der den Häusern zugewandt war und auf dem sich nach den Lichtbildern mehrere als Hindernisse in den Gehweg hineinragende Treppenzugänge befinden, in ihren Reaktions- und Ausweichmöglichkeiten bei möglichen Gefahrenstellen stark eingeschränkt, denn sie konnte weder nach links – dort befand sich ihr Ehemann , noch nach rechts – dort standen die Häuser – ausweichen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. § 713 ZPO ist anwendbar, da die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, für jede der Parteien unzweifelhaft nicht gegeben sind. Dies folgt daraus, dass die Revision nicht zugelassen ist und gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO die Nichtzulassungsbeschwerde für jede der Parteien unzulässig ist, da die Beschwer nicht mehr als 20.000 € beträgt.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.