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Geltungsdauer eines Impfzertifikats – Unwirksamkeit der Verweisung auf Paul-Ehrlich-Institut

VG Darmstadt – Az.: 4 L 210/22.DA – Beschluss vom 23.02.2022

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Der sinngemäß gestellte Antrag, einstweilig anzuordnen, dass das dem Antragsteller ausgestellte digitale COVID-Zertifikat des Robert Koch-Instituts vom 7. September 2021 mit der Zertifikatkennung … unbeschadet aller gegenwärtigen und zukünftigen Veröffentlichungen des Paul-Ehrlich-Instituts gemäß § 2 Nr. 3 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 frühestens mit Ablauf des 7. Septembers 2022 – hilfsweise: mit Ablauf des 7. Juni 2022 – seine Wirkung verlieren wird, ist zulässig, aber unbegründet.

Die örtliche Zuständigkeit des Gerichts steht bereits wegen der Unanfechtbarkeit (vgl. § 83 S. 2 VwGO) der Verweisung des Verfahrens durch das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main fest.

Richtige Antragsgegnerin ist die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Gesundheit. Dass das Bundesministerium für Gesundheit, dem das Paul-Ehrlich-Institut untersteht, die Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im vorliegenden Eilverfahren an sich gezogen hat, ist nicht zu beanstanden.

Geltungsdauer eines Impfzertifikats - Unwirksamkeit der Verweisung auf Paul-Ehrlich-Institut
(Symbolfoto: nitpicker/Shutterstock.com)

Statthaft ist nach § 123 Abs. 1, 5 VwGO in Verbindung mit §§ 80, 80a VwGO der Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO, da der Antragsteller in der Hauptsache insoweit jedenfalls kein Anfechtungsbegehren verfolgt.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht auf Antrag auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. In beiden Fällen sind die tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs und der Grund für die notwendige vorläufige Regelung glaubhaft zu machen (§ 920 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 123 Abs. 3 VwGO).

Da der einstweilige Rechtsschutz gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO nur der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses dient und einem Antragsteller regelmäßig nicht bereits das gewährt werden soll, was er nur in einem Hauptsachverfahren erreichen kann, kann einem Eilantrag nach § 123 VwGO im Falle einer Vorwegnahme der Hauptsache nur stattgegeben werden, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG schlechterdings unabweisbar ist. Die vom Antragsteller begehrte Anordnung, dass das ihm ausgestellte Impfzertifikat unbeschadet aller gegenwärtigen und zukünftigen Veröffentlichungen des Paul-Ehrlich-Instituts frühestens mit Ablauf des 7. Septembers 2022 – hilfsweise: mit Ablauf des 7. Juni 2022 – seine Wirkung verlieren wird, würde zu einer ebensolchen Vorwegnahme der Hauptsache führen. Denn in einem Hauptsacheverfahren könnte dem Antragsteller nicht mehr zugesprochen werden als das, was ihm im Falle des Erfolges in diesem Eilverfahren zugesprochen würde. Einschränkend gilt daher, dass für die Stattgabe des Eilantrags der Rechtsbehelf des Antragstellers in der Hauptsache mit weit überwiegender Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein muss und schwere unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile im Falle des Abwartens bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache drohen.

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Zwar ist nach verständiger Würdigung der Antragsbegründung zunächst von einer Glaubhaftmachung des erforderlichen Anordnungsgrundes auszugehen. Der Antragsteller wurde am 7. September 2021 mit dem Impfarzneimittel COVID-19 Vaccine Janssen der Firma Janssen-Cilag International geimpft. Er erhielt infolgedessen vom Robert Koch-Institut ein entsprechendes digitales COVID-Impfzertifikat ausgestellt. Bis zur Veröffentlichung auf der Webseite des Paul-Ehrlich-Instituts (www.pei.de/impfstoffe/covid-19) vom 15. Januar 2022 war unter den dort dargestellten „Anforderungen für den vollständigen Impfschutz mit einem Impfstoff“ für das „COVID-19 Vaccine Janssen Zul.-Nr. EU/1/20/1525“ der Firma Janssen-Cilag International NV die „Anzahl Impfdosen für die vollständige Impfung“ mit „1“ ausgewiesen. Ab dem 15. Januar wird für den entsprechenden Impfstoff die „Anzahl Impfdosen für die vollständige Impfung“ mit „2“ angegeben. Der bislang einfach mit dem Impfarzneimittel COVID-19 Vaccine Janssen geimpfte Antragsteller verlor damit durch die neuerlichen Vorgaben des Paul-Ehrlich-Instituts vom 15. Januar 2022 am selben Tage seinen Impfnachweis im Sinne des § 2 Nr. 3 der Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung [im Folgenden mit SchAusnahmV abgekürzt]). Nach derzeit geltender Rechtslage in den Bundesländern ist der Impfnachweis (neben dem Genesenennachweis) aber Voraussetzung für die Teilnahme am gesellschaftlichen und sozialen Leben in vielen Bereichen. Der Antragsteller würde dadurch, dass er über keinen gültigen Impfnachweis verfügt und die in den jeweiligen Corona-Schutz-Verordnungen der Bundesländer geregelten Ausnahmen infolgedessen nicht für ihn gelten, zahlreichen Grundrechtsbeschränkungen etwa in Bezug auf die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG, die körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 GG oder die Berufsausübungsfreiheit aus Art.12 Abs. 1 GG unterworfen sein und dadurch Nachteile erleiden, die zu einem späteren Zeitpunkt einer möglichen Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr zu beseitigen wären (vgl. VG Ansbach, Beschl. v. 11.2.2022 – AN 18 S 22.00234 -, BeckRS 2022, 1734; VG Hamburg, Beschl. v. 14.2.2022 – 14 E 414/22 -, BeckRS 2022, 1854).

Der Antragsteller hat jedoch nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung des Sachverhalts einen Anordnungsanspruch mit dem für eine Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen Maß an Wahrscheinlichkeit nicht glaubhaft gemacht. Ein im Sinne des Antrags erforderlicher Anspruch darauf, dass das dem Antragsteller ausgestellte Impfzertifikat unbeschadet aller gegenwärtigen und zukünftigen Veröffentlichungen des Paul-Ehrlich-Instituts frühestens mit Ablauf des 7. Septembers 2022 – hilfsweise: mit Ablauf des 7. Juni 2022 – seine Wirkung verlieren wird, besteht nicht.

Das Gericht ist zunächst im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens der Auffassung, dass § 2 Nr. 3 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 voraussichtlich unwirksam ist, da die darin enthaltene dynamische Verweisung (so auch BVerfG, Beschl. v. 10.02.2022 – 1 BvR 2649/21 – Rn. 14, BeckRS 2022, 1612) an das Paul-Ehrlich-Institut – im Benehmen mit dem Robert Koch-Institut – hinsichtlich der Bestimmung, wann ein Impfnachweis im Sinne der SchAusnahmV vorliegt, die gesetzgeberische Ermächtigung der Bundesregierung zum Verordnungserlass aus § 28c Satz 1 IfSG überschreitet und damit gegen das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip verstößt.

Hinsichtlich der Unwirksamkeit des § 2 Nr. 3 SchAusnahmV wegen Überschreitens der gesetzlichen Ermächtigung aus § 28c Satz 1 IfSG teilt das erkennende Gericht die Auffassung des Verwaltungsgerichts Hamburg, Beschl. v. 14.2.2022 – 14 E 414/22 -, BeckRS 2022, 1854, zur Unwirksamkeit des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV – mit Ausnahme der Annahme, es handele sich bei der Verweisung an das Robert Koch-Institut, respektive hier an das Paul-Ehrlich-Institut rechtstechnisch um eine Subdelegation. Zwar regelt § 2 Nr. 3 SchAusnahmV den Impfnachweis und nicht, wie im Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg verfahrensgegenständlich, den Genesenennachweis gemäß § 2 Nr. 5 SchAusnahmV. Jedoch sind die Normen im Hinblick auf die in § 2 Nr. 3 SchAusnahmV getroffene dynamische Verweisung an das Paul-Ehrlich-Institut und der in § 2 Nr. 5 SchAusnahmV enthaltenen dynamischen Verweisung an das Robert Koch-Institut regelungstechnisch vergleichbar und damit, weil ebenjene Regelungstechnik der Anknüpfungspunkt für das Unwirksamkeitsverdikt ist, rechtlich gleich zu beurteilen. Das Verwaltungsgericht Hamburg führt in seinem Beschluss wie folgt aus:

„Der Verweis in § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 auf die Homepage des Robert Koch-Instituts verstößt auch gegen das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip, weil die in der dynamischen Verweisung enthaltene Subdelegation an das Robert Koch-Institut die gesetzgeberische Ermächtigung aus § 28c IfSG überschreitet.

Eine Rechtsverordnung genügt den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG nur, wenn sie sich in den Grenzen der wirksamen (gesetzlichen) Ermächtigung hält; anderenfalls würde Art. 80 Abs. 1 GG unterlaufen (BVerfG, Urt. v. 19.9.2018, 2 BvF 1/15, juris Rn. 209 m.w.N.). Nach Art. 80 Abs. 1 GG können durch Gesetz die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen, wobei Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden müssen. Mit dieser Vorschrift verwehrt das Grundgesetz dem Parlament sich seiner Verantwortung als gesetzgebende Körperschaft zu entäußern und setzt voraus, dass das Parlament im Falle einer Ermächtigung zum Verordnungserlass die Grenzen der Kompetenzen bedenkt sowie diese nach Tendenz und Programm so genau umreißt, dass schon aus der Ermächtigung selbst erkennbar und vorhersehbar ist, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll (BVerfG, Urt. v. 19.9.2018, a.a.O. Rn. 199 m.w.N.). Folglich darf sich das Parlament nicht mit einer Blankoermächtigung an die Exekutive seiner Verantwortung für die Gesetzgebung entledigen und damit selbst entmachten, sondern muss stets Herr der Gesetzgebung bleiben (BVerfG, Urt. v. 19.9.2018, a.a.O. Rn. 199 m.w.N.). Nach Art. 80 Abs. 1 GG Satz 4 GG bedarf es sodann zur weiteren Übertragung der Ermächtigung selbst einer Rechtsverordnung. Eine Subdelegation in diesem Sinne liegt jedoch nur dann vor, wenn auch die Befugnis zum Erlass einer Rechtsverordnung übertragen wird, was nicht der Fall ist, wenn der Verordnungsgeber lediglich ein Tätigwerden Dritter, zum Beispiel auch Privater, ermöglicht oder deren konsultative Einbindung in ein behördliches Verfahren vorsieht (BVerfG, Urt. v. 19.9.2018, a.a.O. Rn. 208).

Diesen Maßstäben wird § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 nicht gerecht. Der Verordnungsgeber der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung, die Bundesregierung, überschreitet die Grenzen seiner Ermächtigung durch den Bundesgesetzgeber, indem er seine Normsetzungsbefugnis durch eine partielle Blankoermächtigung auf das Robert Koch-Institut überträgt. Nach § 28c IfSG wird die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung für Personen, bei denen von einer Immunisierung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 auszugehen ist, Erleichterungen oder Ausnahmen von Geboten und Verboten nach dem fünften Abschnitt dieses Gesetzes oder aufgrund von Vorschriften im fünften Abschnitt dieses Gesetzes erlassenen Geboten und Verboten zu regeln. Wenn die Bundesregierung von dieser Ermächtigung Gebrauch macht, kann sie zugleich die Landesregierungen ermächtigen, ganz oder teilweise in Bezug auf von den Ländern nach dem fünften Abschnitt dieses Gesetzes erlassene Gebote und Verbote für die in Satz 1 genannten Personen Erleichterungen und Ausnahmen zu regeln. Die Landesregierungen wiederum können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung an andere Stellen übertragen.

Die Regelung in § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 überschreitet diese Ermächtigungsbefugnis aus § 28c IfSG. Nach § 2 Nr. 5 SchAusnahmV ist ein Genesenennachweis ein Nachweis in verkörperter und digitaler Form, wenn er den vom Robert Koch-Institut im Internet unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft veröffentlichten Vorgaben hinsichtlich der Art der Testung und der Zeit, die nach der Testung zum Nachweis der Infektion vergangen sein muss und der Zeit, die die Testung zum Nachweis der vorherigen Impfung höchstens zurückliegen darf, entspricht.

Die in dieser Regelung enthaltene Subdelegation an das Robert Koch-Institut überschreitet die zitierte Ermächtigungsbefugnis aus § 28c IfSG. Anders als die Landesregierung ist die Bundesregierung, die die Schutzmaßnahmenausnahmeverordnung erlassen hat, schon nach § 28c IfSG nicht ermächtigt, ihrerseits andere Stellen zu ermächtigen. Dem ausdrücklichen Wortlaut von § 28c IfSG zufolge darf die Bundesregierung ausschließlich die Landesregierungen ermächtigen, weitere Ge- und Verbote zu erlassen. Eine Ermächtigung des Robert Koch-Instituts überschreitet bereits aus diesem Grund die Ermächtigung der Bundesregierung zur Subdelegation (vgl. hierzu auch VG Osnabrück, Beschluss vom 4.2.2022, 3 B 4/22, juris Rn. 19). Denn das Robert Koch-Institut kann nach dieser Vorschrift die entscheidenden Kriterien insbesondere in Bezug auf die Geltungsdauer des Genesenennachweises eigenständig und lediglich unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft bestimmen. Zudem dienen die auf dieser Grundlage veröffentlichten Vorgaben des Robert Koch-Instituts auch ausschließlich dazu, den Regelungen des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV nachzukommen. Dafür spricht der Wortlaut der Veröffentlichung auf der Internetseite des Robert Koch-Instituts: ‚Gemäß Verordnung zur Änderung der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung und der Coronavirus-Einreiseverordnung vom 14. Januar 2022 weist das RKI aus, welche fachlichen Vorgaben ein Genesenennachweis erfüllen muss‘ (vgl. hierzu Wissenschaftliche Dienste/Deutscher Bundestag, S. 10). Dadurch verfügt das Robert Koch-Institut über eine selbständige Entscheidungsmacht über die Anforderungen an einen Genesenennachweis gerade bezüglich der grundrechtsrelevanten Frage der Geltungsdauer. Eine lediglich konsultative Einbindung des Robert Koch-Instituts in ein behördliches Verfahren ist vor diesem Hintergrund nicht anzunehmen, da das Institut nicht beratend in einen Entscheidungsprozess eingebunden ist, sondern eine eigene, verbindliche Entscheidung – veröffentlicht auf seine Homepage – trifft.“

Auch in § 2 Nr. 3 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 bestimmt allein das Paul-Ehrlich-Institut – im Benehmen mit dem Robert Koch-Institut – unter Berücksichtigung des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft einzeln aufgeführte Kriterien, die für einen Impfnachweis erfüllt sein müssen. Es ist somit nicht die Bundesregierung, die durch § 28c Satz 1 IfSG allein ermächtigt wird, Erleichterungen oder Ausnahmen von Geboten und Verboten nach dem fünften Abschnitt des IfSG oder von aufgrund der Vorschriften im fünften Abschnitt des IfSG erlassenen Geboten und Verboten zu regeln, sondern das Paul-Ehrlich-Institut – im Benehmen mit dem Robert Koch-Institut –, das allein bestimmt, welchen Anforderungen ein Impfnachweis unterliegt.

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Darüber hinaus – ohne dass es hierauf entscheidend ankäme – teilt das erkennende Gericht die Bedenken des Verwaltungsgerichts Hamburg und des Verwaltungsgerichts Ansbach (VG Ansbach, Beschl. v. 11.2.2022 – AN 18 S 22.234 -, BeckRS 2022, 1734) gegen die Wirksamkeit des § 2 Nr. 3 SchAusnahmV wegen Verstoßes gegen das aus dem Rechtsstaatsgebot (Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleitete verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot sowie die Bedenken des Verwaltungsgerichts Hamburg gegen das rechtsstaatliche Publizitätserfordernis.

Nach alledem erweist sich § 2 Nr. 3 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 als unwirksam. Damit sind zugleich die Vorgaben des Paul-Ehrlich-Instituts vom 15. Januar 2022 hinsichtlich des Erfordernisses einer zweiten Impfung mit dem verfahrensgegenständlichen Impfstoff für einen Impfnachweis im Sinne der SchAusnahmV unwirksam.

Aus den gleichen Gründen, die zur Unwirksamkeit des § 2 Nr. 3 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 führen, ist jedoch ebenso § 2 Nr. 3 SchAusnahmV in der Fassung vom 8. Mai 2021 unwirksam, sodass der Antragsteller sein Begehren auch hierauf nicht mit Erfolg stützen kann. Die Vorschrift in der Fassung vom 8. Mai 2021 ist im Hinblick auf die in ihr ebenfalls enthaltene dynamische Verweisung an das Paul-Ehrlich-Institut regelungstechnisch mit § 2 Nr. 3 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 vergleichbar. Weil sie aus den oben genannten Gründen damit ebenfalls unwirksam ist, „lebt“ die Fassung vom 8. Mai 2021 – in Verbindung mit den bis zum 14. Januar 2022 getroffenen Vorgaben des Paul-Ehrlich-Instituts, wonach eine Impfdosis des verfahrensgegenständlichen Impfstoffs für den Nachweis genügte – nicht gleichsam „wieder auf“.

Wenngleich die Wortlaute der beiden Fassungen des § 2 Nr. 3 SchAusnahmV voneinander abweichen, verweisen beide Fassungen hinsichtlich der Bestimmung, unter welchen Voraussetzungen von einem Impfnachweis im Sinne der SchAusnahmV auszugehen ist, letztlich auf das Paul-Ehrlich-Institut und die von ihm auf seiner Internetseite veröffentlichen Vorgaben. § 2 Nr. 3 SchAusnahmV enthielt daher schon in der Fassung vom 8. Mai 2021 eine mit der Ermächtigung des § 28c Satz 1 IfSG nicht in Einklang stehende Übertragung des Rechts, die in Frage kommenden Impfstoffe und die Anzahl der Impfstoffdosen, die für eine vollständige Schutzimpfung erforderlich sind, zu bestimmen, auf das Paul-Ehrlich-Institut.

Das erkennende Gericht teilt nicht die Auffassung des Verwaltungsgerichts Berlin, Beschl. v. 18.2.2022 – 14 L 15/22 -, juris, wonach § 2 Nr. 3 SchAusnahmV in der Fassung vom 8. Mai 2021 dem Paul-Ehrlich-Institut keinen eigenen Entscheidungsspielraum über die notwendige Anzahl von Einzelimpfungen eingeräumt, sondern dieses lediglich dazu ermächtigt habe, die aktuell von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) zugelassenen Impfstoffe und die nach Maßgabe der erteilten Zulassung erforderliche Anzahl von Einzelimpfungen bzw. Möglichkeiten von Kreuzimpfungen zu veröffentlichen. Schon die vom Verwaltungsgericht Berlin zur Stütze seiner Normgenese lediglich in Bezug genommenen ersten beiden Sätze der viel ausführlicheren Begründung der Bundesregierung zu § 2 Nr. 3 SchAusnahmV in der Fassung vom 8. Mai 2021 (BR-Drs. 347/21, S.13) tragen eine solch restriktive Normauslegung nicht. Der vom Verwaltungsgericht Berlin zitierte Ausschnitt der Verordnungsbegründung lautet dahingehend: „Auf der unter Nummer 3 Buchstabe a genannten Internetseite sind Angaben darüber aufzunehmen, für welchen der in der Europäischen Union zugelassenen Impfstoffe welche Anzahl von Einzelimpfungen für das Erreichen eines vollständigen Impfschutzes erforderlich sind. Außerdem ist anzugeben, welche Impfstoffe im Rahmen von Kreuzimpfungen verwendet werden können“. Anders als das Verwaltungsgericht Berlin meint, ergibt sich bereits aus diesem begrenzten Teil der Verordnungsbegründung, dass das Paul-Ehrlich-Institut selbst über die erforderliche Anzahl von Einzelimpfungen für das Erreichen eines vollständigen Impfschutzes bestimmen können und nicht etwa nur als „Sprachrohr“ für die inhaltlichen Vorgaben der EMA fungieren sollte. Eine Rückanknüpfung der Vorgaben für einen vollständigen Impfschutz allein an die Vorgaben der EMA sah die Verordnungsbegründung gerade nicht vor, sondern bezog sich lediglich darauf, dass die von der EMA zugelassenen Impfstoffe vom Paul-Ehrlich-Institut auf seiner Internetseite anzugeben seien; damit war vom Verordnungsgeber ersichtlich nicht eine bloße Bindung des Paul-Ehrlich-Instituts an etwaige Vorgaben der EMA für die erforderliche Anzahl von Einzelimpfungen gewollt.

Darüber hinaus ergibt sich aus dem übrigen, vom Verwaltungsgericht Berlin unerwähnt gelassenen Teil der Begründung zu § 2 Nr. 3 SchAusnahmV vom 8. Mai 2021, dass der Verordnungsgeber das Paul-Ehrlich-Institut gerade dazu ermächtigen wollte, über die inhaltlichen Vorgaben für einen Impfnachweis nach eigener Sachkunde zu bestimmen. Das verdeutlichen insbesondere die nachfolgend wiedergegebenen Bezugnahmen der Verordnungsbegründung auf die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut, wann bei bestimmten Impfarzneien von einem vollständigen Impfschutz auszugehen sei und dass entsprechende Empfehlungen künftig für bestimmte Impfstoffe noch abzugeben seien.

„Die Ständige Impfkommission beim Robert Koch-Institut (STIKO) hat am 1. April 2021 ihre COVID-19-Impfempfehlung aktualisiert. Sie empfiehlt Personen unter 60 Jahren, die bereits eine erste Impfstoffdosis mit der COVID-19 Vaccine AstraZeneca (Vaxzevria) erhalten haben, anstelle der zweiten AstraZeneca-Impfstoffdosis eine Dosis eines mRNA-Impfstoffs zu verabreichen (heterologes Impfschema). Entsprechend gilt dieser Personenkreis ebenfalls als vollständig geimpft im Sinne dieser Verordnung. Es ist nicht auszuschließen, dass ein ähnliches Vorgehen auch bei anderen Impfstoffen künftig noch zum Tragen kommen könnte. Hier wird auf die entsprechenden Empfehlungen der STIKO verwiesen. Im Fall einer Impfung von Genesenen wird von der STIKO eine Impfstoffdosis als ausreichend angesehen, da sich dadurch bereits hohe Antikörpertiter erzielen lassen, die durch eine zweite Impfstoffdosis nicht weiter gesteigert werden (www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2021/Ausgaben/12_21.pdf?__blob=publicationFile). Die Empfehlung der einmaligen Impfung nach durchgemachter SARS-CoV-2 Infektion bezieht sich aktuell auf alle Altersgruppen und unabhängig vom Zeitpunkt der natürlichen Infektion.“

(BR-Drs. 347/21, S.13; identisch BT-Drs. 19/29257, S. 15)

Nach alledem beinhaltete daher auch schon § 2 Nr. 3 SchAusnahmV in der Fassung vom 8. Mai 2021 eine dem § 2 Nr. 3 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 vergleichbare Ermächtigung des Paul-Ehrlich-Instituts, die Voraussetzungen für den Impfnachweis selbständig und immer wieder verändert zu bestimmen. Folglich ist auch § 2 Nr. 3 SchAusnahmV in der Fassung vom 8. Mai 2021 aus den zu § 2 Nr. 3 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 ausgeführten Gründen unwirksam. Damit sind zugleich die Vorgaben des Paul-Ehrlich-Instituts unwirksam, die bis zum 15. Januar 2022 galten und nach denen bereits eine einzige Impfdosis des verfahrensgegenständlichen Impfstoffs für den Impfnachweis im Sinne der SchAusnahmV genügte.

Infolge der Unwirksamkeit des § 2 Nr. 3 SchAusnahmV sowohl in der Fassung vom 14. Januar 2022 als auch in der Fassung vom 8. Mai 2021, fehlt es an einer gesetzlichen oder verordnungsrechtlichen Bestimmung darüber, wann im Sinne des § 28c Satz 1 IfSG bei einer Person infolge einer Impfung „von einer Immunisierung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 auszugehen ist“. Denn § 28c IfSG selbst trifft dazu, ebenso wie die übrigen Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes, keine inhaltlichen Vorgaben, sondern überträgt deren Ausgestaltung vielmehr der Bundesregierung als Verordnungsgeberin. Der Antragsteller kann seinen Anordnungsanspruch auch nicht auf eine sonstige gesetzliche oder verordnungsrechtliche Rechtsgrundlage stützen. Eine solche ist nicht ersichtlich.

Ist eine wirksame Rechtsgrundlage nicht vorhanden, ist es dem Gericht aus Gründen der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 3 GG) verwehrt, die begehrte einstweilige Anordnung zu erlassen. Nach § 28c Satz 1 IfSG hat der Gesetzgeber die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung für Personen, bei denen von einer Immunisierung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 auszugehen ist oder die ein negatives Ergebnis eines Tests auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vorlegen können, Erleichterungen oder Ausnahmen von Geboten und Verboten nach dem fünften Abschnitt des IfSG oder von aufgrund der Vorschriften im fünften Abschnitt des IfSG erlassenen Geboten und Verboten zu regeln. Erweisen sich die verordnungsrechtlichen Bestimmungen – wie hier – als unwirksam, kann das Gericht diese nicht einfach ersetzen. Das Gericht ist dahingehend nach Art. 20 Abs. 3 GG schlicht nicht befugt, eigene Kriterien für die Bestimmung eines Impfnachweises, wie etwa die erforderliche Anzahl von Impfdosen für eine Immunisierung eines bestimmten Grades oder die Gültigkeitsdauer eines Impfnachweises, aufzustellen. Es würde sich dadurch in mit Art. 20 Abs. 3 GG unvereinbarer Weise an die Position des aufgrund gesetzlicher Grundlage ermächtigten Verordnungsgebers setzen. Ganz ungeachtet dessen, würde es dem Gericht an der erforderlichen Sachkunde fehlen, die erforderlichen Kriterien für einen Impfnachweis zu bestimmen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil er unterlegen ist (§ 154 Abs. 1 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG. In Ermangelung anderer Anhaltspunkte für die Bedeutung der Sache für den Antragsteller legt die Kammer den Auffangstreitwert des § 52 Abs. 2 GKG in Höhe von 5.000,– EUR zugrunde. Da mit einer Entscheidung in der Hauptsache darüber, ob der Impfnachweis des Antragstellers erst mit Ablauf des 7. Septembers 2022 – hilfsweise: mit Ablauf des 7. Juni 2022 – seine Geltung verliert, bis September 2022 nicht zu rechnen ist, somit mit einem Erfolg des Eilantrags die Hauptsache vorweggenommen wäre, ist der Streitwert nicht wegen des Vorliegens eines Eilverfahrens zu reduzieren.

 

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