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Gutgläubiger Erwerb einen unterschlagenen Fahrzeugs –  Nachforschungspflicht des Käufers

OLG Braunschweig – Az.: 8 U 170/10 – Urteil vom 01.09.2011

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 8. Oktober 2010 – 1 O 1609/09 (207) – unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger den Original – Kraftfahrzeugbrief (Zulassungsbescheinigung Teil II) zum Fahrzeug Pkw Audi A4 mit der Fahrzeug-Identifikationsnummer …herauszugeben.

Die weitergehende Klage und die Widerklage werden abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch den Kläger gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages von 46.000,00 € abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 46.000,00 € leistet.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf die Wertstufe bis 25.000,00 € festgesetzt.

Gründe

A.

Die Parteien streiten um das Eigentum an dem im Tenor genannten Kraftfahrzeug, das sich derzeit im Besitz des Sequesters befindet. Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Herausgabe der Original – Zulassungsbescheinigung Teil II zu diesem Fahrzeug, die Beklagte begehrt im Wege der Widerklage die Zustimmung des Klägers zu einer Freigabe dieses Fahrzeugs zu ihren Gunsten.

Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die dort gestellten Anträge (Seite 2 – 5, Bl. 170 – 173 d.A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und den Kläger auf die Widerklage verurteilt, gegenüber dem Sequester die Zustimmung zur Herausgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs zugunsten der Beklagten zu erteilen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Kläger könne nicht die Herausgabe des Original-Kfz-Briefes des Fahrzeuges verlangen, da er nicht das Eigentum an dem Fahrzeug erworben habe. Der Verkäufer “ “ sei nicht Eigentümer des Fahrzeugs gewesen. Ein Erwerb nach §§ 929 S. 1, 932 BGB scheitere an der fehlenden Gutgläubigkeit des Klägers hinsichtlich der Eigentümerstellung des Veräußerers. Dem Kläger sei insoweit grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Zwar habe sich der Kläger jedenfalls den – gefälschten – Kfz-Brief vorlegen lassen. Die Fälschung sei auch nicht offensichtlich gewesen. Die in dem Duplikat enthaltenen Mängel seien nicht unüblich oder nicht ohne Weiteres erkennbar gewesen. Die Tatsache, dass in dem vorgelegten gefälschten Kfz-Brief die Angabe des Vornamens des Halters gefehlt habe, hätte den Kläger aber angesichts der weiteren Umstände zu Nachforschungen veranlassen müssen, auch wenn dies nach Auskunft des Kraftfahrt-Bundesamtes im Fall beruflich selbständiger Personen nicht unüblich sei. Da der Veräußerer von einem Notverkauf wegen einer anstehenden Scheidung gesprochen habe, habe der Kläger nicht sicher sein können, ob nicht die Ehefrau des Veräußerers Halterin des Fahrzeuges sei. Darüber hinaus sei der Kläger aufgrund weiterer verdächtiger Umstände zu Nachforschungen in Bezug auf das Eigentum des Veräußerers verpflichtet gewesen. Ein derartiges Verdachtsmoment habe in der konkreten Veräußerungssituation bestanden. Es sei ungewöhnlich, dass das Fahrzeug nicht direkt vor der Meldeadresse des Veräußerers begutachtet wurde, sondern auf einem Tankstellengelände, wo auch der schriftliche Kaufvertrag aufgesetzt worden sei. Hinzu komme, dass das streitgegenständliche Fahrzeug bereits auf der Fahrspur gestanden habe und nicht auf einem Parkplatz in der Nähe des Wohnhauses, so dass die angebliche Wohnung des Veräußerers nicht in Augenschein habe genommen werden können.

Auch der ungewöhnlich niedrige Kaufpreis habe eine weitergehende Nachforschungspflicht des Klägers begründet. Nach dem eingeholten Sachverständigengutachten sei im Zeitpunkt der Veräußerung des PKW Audi A4 von einem marktüblichen Verkaufspreis zwischen zwei Privatleuten in Höhe von mindestens 22.100,00 € brutto auszugehen. Der Listenpreis für das Neufahrzeug habe 35.580,00 € betragen. Damit habe der tatsächliche Verkaufspreis in Höhe von 17.500,00 € noch 20 % bis 30 % unterhalb des üblichen Verkaufspreises gelegen. Der Umstand des äußerst günstigen Kaufpreises sei dem Kläger auch bekannt gewesen. Indiz hierfür sei, dass der Kläger die weite Anreise von A. nach D. auf sich genommen habe.

Die Widerklage sei unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung begründet, da die Beklagte nach wie vor Eigentümerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs sei.

Gegen dieses dem Kläger am 12. Oktober 2010 zugestellte Urteil richtet sich die am 2. November 2010 bei Gericht eingegangene Berufung des Klägers, die er mit dem am 13. Dezember 2010, einem Montag, bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Der Kläger greift das Urteil des Landgerichts in vollem Umfange an. Entgegen der Auffassung des Landgerichts habe er das Fahrzeug gutgläubig erworben.

Die Mindestanforderungen an einen gutgläubigen Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs habe er erfüllt. Er habe sich nicht nur den Kraftfahrzeugbrief vorlegen lassen, bei dem es sich nicht um eine offenkundige Fälschung gehandelt habe, sondern auch noch den Personalausweis des Veräußerers, der die inhaltliche Aussage des Dokumentes bestätigt habe.

Weitere Nachforschungsobliegenheiten seien auch aufgrund einer Gesamtschau der weiteren Umstände der Veräußerung nicht begründet worden. Die Veräußerungssituation sei nicht ungewöhnlich gewesen. So habe angesichts der mangelhaften Parkplatzsituation der Verhandlungsort auf den Bereich der nahegelegenen Tankstelle verlegt werde müssen. Das Parken des streitgegenständlichen Fahrzeugs „in zweiter Reihe“ auf der Fahrbahn könne die für einen Erwerber plausible Ursache gehabt haben, dass der Wagen von einem weiter entfernten Parkplatz geholt worden sei bzw. unmittelbar zuvor eine Fahrt mit dem Fahrzeug stattgefunden habe.

Ein Verkaufsgespräch in einer Wohnung mit der damit verbundenen Inaugenscheinnahme der Wohnung hätte zudem keine weiteren Rückschlüsse auf die Eigentümerstellung des Veräußerers zugelassen. Auch sei es nicht unüblich, dass der eigentliche Vertragsabschluss direkt im Anschluss an die Begutachtung des Kaufgegenstandes sowie der Vertragsverhandlungen erfolge, die vorliegend beide aus den genannten Gründen an einem „neutralen Ort“ erfolgt seien. Der Verkauf zwischen Privatpersonen sei notwendigerweise immer ein Straßenverkauf. Die Wohnanschrift – schräg gegenüber der Tankstelle – sei zudem durch den vorgelegten Fahrzeugbrief des professionell auftretenden Veräußerers bestätigt worden, so dass der Kläger keine Zweifel an dessen Identität habe hegen müssen. Im Übrigen habe sich der Kläger in Anbetracht der stattfindenden Videoaufzeichnung auf dem Tankstellengelände in einem besonders sicheren Bereich gesehen.

Der niedrige Verkaufspreis in Höhe von 20 % bis 30 % unterhalb des marktüblichen Verkaufspreises habe ebenfalls nicht zu einer weitergehenden Nachforschungsobliegenheit geführt. Das Landgericht habe nicht alle Faktoren, welche für den geringen Kaufpreis verantwortlich gewesen seien, berücksichtigt. So habe der Veräußerer den Verkaufspreis sukzessive auf der Internetplattform sowie noch einmal nach den Verhandlungen mit dem Kläger herabgesetzt. Zu beachten sei auch die familiäre Drucksituation des Veräußerers, von der der Kläger bei Vertragsabschluss ausgegangen sei. Die Fahrt von Aschaffenburg nach Duisburg habe der Kläger vor dem Hintergrund einer gefestigten Kaufabsicht zu dem von ihm heruntergehandelten Kaufpreis vorgenommen. Zudem sei ihm als Privatmann selbst überlassen, wo er ein Fahrzeug erwerbe.

Aus der Fehlerhaftigkeit des Kfz-Briefs würden sich keine weitergehenden Nachforschungspflichten des Klägers ergeben. Die fehlende Eintragung des Vornamens des Fahrzeughalters sei in der Praxis nicht unüblich. Der Kläger habe auch angesichts der Behauptung des Veräußerers, in Scheidung zu leben, nicht auf eine mögliche Eigentümerstellung der Ehefrau und die Notwendigkeit einer Zustimmung ihrerseits zu dem Eigentumserwerb schließen müssen. Zum einen sei der Pkw nur ausnahmsweise unter besonderen Umständen als Hausrat einzuordnen. Die fehlende Nachforschung sei zum anderen jedenfalls nicht kausal für seine Unkenntnis in Bezug auf das Eigentum des Veräußerers gewesen. Nach dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck des § 932 Abs. 2 BGB müsse die Verletzung der Nachforschungsobliegenheit für die fehlende Kenntnis von der tatsächlichen Eigentumslage kausal gewesen sein. Die entgegenstehende Rechtsprechung entbehre jeglicher Begründung.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

1.

an den Kläger den Original – Fahrzeugbrief zum Fahrzeug mit der Fahrzeugidentifikationsnummer… herauszugeben,

2.

den Kläger von Rechtsanwaltsgebühren der Kanzlei … in Höhe von 718,40 € freizustellen sowie

3.

die Widerklage abzuweisen.

 

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Das Landgericht habe zu Recht einen gutgläubigen Erwerb des Klägers angesichts dessen grob fahrlässiger Unkenntnis von der mangelnden Eigentümerstellung des Verkäufers verneint. Dabei habe es zudem weitere Aspekte für eine noch weitergehende Nachforschungspflicht des Erwerbers nicht berücksichtigt.

Der Kaufvertrag sei in einer ungewöhnlichen Vertragssituation zustande gekommen. Es sei unüblich, sich zunächst an der Wohnanschrift des Veräußerers zu verabreden, um dann die Verhandlungen an einem neutralen Ort fortzusetzen. Dem Erwerber werde die Möglichkeit genommen zu überprüfen, ob der Verkäufer auch tatsächlich unter der angegebenen Adresse seinen Wohnsitz habe. Die vorgebliche Parkplatznot sei nicht glaubhaft. Auch sei es dem Kläger zuzumuten gewesen, das Auto etwas entfernt zu parken. Durch das Parken in zweiter Reihe habe der Veräußerer bewusst eine hektische Situation herbeigeführt und dem Kläger die Möglichkeit genommen, das Fahrzeug und die vorgelegten Papiere ungestört zu überprüfen. Gleiches gelte für den vom Veräußerer ausgewählten Ort für den Vertragsabschluss in der Tankstelle, an dem reger Publikumsverkehr und damit eine große Unruhe herrsche. Dieses alles hätte den Argwohn des Klägers hinsichtlich der Seriosität des Geschäftes erwecken müssen.

Das Landgericht habe auch zu Recht den äußerst niedrigen Kaufpreis in die Gesamtwürdigung eingestellt. Die Tatsache, dass der Veräußerer selbständig und ohne zähe Vertragsverhandlungen den Kaufpreis sukzessive gemindert habe, hätte den Kläger misstrauisch machen müssen. Dies gelte umso mehr, da der Kläger davon ausgegangen sei, dass der Veräußerer auf den Erlös wegen der vorgeblichen Scheidung angewiesen sei.

Aus dem Sachverständigengutachten des Kraftfahrt-Bundesamtes ergebe sich nicht, dass die fehlende Eintragung des Vornamens des Halters nicht unüblich sei, sondern lediglich, dass dies im Einzelfall vorkomme. Der Kläger hätte sich daher auch den Kaufvertrag, der dem Erwerb des Veräußerers zugrunde gelegen habe, vorzeigen lassen müssen, insbesondere angesichts des geringen Alters des Fahrzeugs von 2 1/2 Monaten sowie der dafür hohen Laufleistung von etwa 8.000 km.

Weitere Nachforschungspflichten des Klägers ergäben sich auch aus der Tatsache, dass das Geschäft bar abgewickelt worden sei. Der Kläger hätte sich vergewissern müssen, dass das Fahrzeug nicht finanziert worden sei.

Die weiteren Fehler des gefälschten Fahrzeugbriefes, nämlich unzutreffende Datumsangaben, fehlende Unterschrift des Herstellers, fehlender Barcode, Schreibfehler, Dienstsiegel, seien vom Landgericht zu Unrecht nicht in die Gesamtwürdigung hinsichtlich weitergehender Nachforschungspflichten eingestellt worden. Es könne nicht nach allgemeiner Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, dass Schreibfehler in Urkunden nicht selten seien. Jedenfalls dürfe in einer vom Fahrzeughersteller ausgefüllten Erstzulassungsbescheinigung die Unterschrift des Verantwortlichen nicht fehlen.

Schließlich erfordere § 6 Abs. 4 Nr. 3 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV), die am 1. März 2007 in Kraft getreten sei, die Speicherung der Angaben zur Person des Verfügungsberechtigten im Fahrzeugregister. Der potentielle redliche Erwerber habe dementsprechend nunmehr, insbesondere beim Veräußerungsgeschäft zwischen Privatpersonen, eine entsprechende Auskunft aus dem Fahrzeugregister einzuholen. Der Gesetzgeber habe diese Regelung zum Schutz des wahren Eigentümers geschaffen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die bis zum 4. August 2011 gewechselten Schriftsätze der Parteien, nach deren Maßgabe mündlich verhandelt worden ist, Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung des Klägers hat im Wesentlichen – mit Ausnahme der vorgerichtlichen Anwaltskosten – Erfolg.

I. Klage

1.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II (Kraftfahrzeugbrief) gemäß § 985 BGB zu. Als Eigentümer des streitgegenständlichen Kraftfahrzeuges ist er auch Eigentümer der Zulassungsbescheinigung Teil II. Nach § 952 Abs. 2 BGB analog bemisst sich das Eigentum am Fahrzeugbrief danach, wer Eigentümer des jeweils zugehörigen Fahrzeugs ist (BGH, NJW 2007, 2844).

Zwar scheitert ein Eigentumserwerb des Pkw Audi A4 nach § 929 S. 1 BGB daran, dass der Veräußerer „…“ Nichtberechtigter war, da er das Fahrzeug lediglich von der Beklagten geleast hatte.

Der Kläger hat aber das Eigentum an dem Fahrzeug gemäß §§ 929 S. 1, 932 BGB gutgläubig erworben.

Gemäß § 932 Abs. 1 S. 1 BGB wird der Erwerber auch dann Eigentümer, wenn das Fahrzeug dem Veräußerer nicht gehört, es sei denn, dass er im Zeitpunkt der Übergabe nicht in gutem Glauben gewesen ist. Nach § 932 Abs. 2 BGB schließen nur positive Kenntnis und grob fahrlässige Unkenntnis hinsichtlich der fehlenden Eigentümerstellung des Veräußerers die Redlichkeit des Erwerbers aus. Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat nicht nachzuweisen vermocht, dass dem Kläger bei dem Erwerb grobe Fahrlässigkeit in Bezug auf die Eigentümerstellung des Veräußerers zur Last zu legen ist. Unter grober Fahrlässigkeit ist ein Handeln zu verstehen, bei dem die erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt worden und bei dem dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (ständige Rechtsprechung, BGH, NJW 2005, 1365). Beim Erwerb eines gebrauchten Kraftfahrzeugs besteht keine allgemeine Nachforschungspflicht. Die Übergabe und Prüfung des Kfz-Briefes bzw. der Zulassungsbescheinigung Teil II sind aber die Mindestanforderungen für einen gutgläubigen Erwerb von Kraftfahrzeugen (BGH NJW 2006, 3488; NJW 1996, 2226; NJW 1975, 735). Vorliegend hat sich der Kläger unstreitig den – gefälschten – Kraftfahrzeugbrief vorlegen lassen, in dem der Veräußerer als Halter eingetragen war. Bei dem hier vorliegenden Direktgeschäft zwischen Privatleuten ist ein Privatkäufer, der die dargestellten Mindestanforderungen an den guten Glauben erfüllt hat, in der Regel als redlich anzusehen (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10. Aufl., Rz. 2264).

Grobe Fahrlässigkeit ist beim Erwerb vom Nichtberechtigten nur dann anzunehmen, wenn der Erwerber trotz Vorliegens von Verdachtsgründen, die Zweifel an der Berechtigung des Veräußerers wecken müssen, sachdienliche Nachforschungen nicht unternimmt. Wann eine solche Nachforschungspflicht, die nicht allgemein als Voraussetzung für einen gutgläubigen Eigentumserwerb bejaht werden kann, besteht, ist eine Frage des Einzelfalles. Für den Gebrauchtwagenhandel hat der BGH wegen der dort nicht selten vorkommenden Unregelmäßigkeiten in ständiger Rechtsprechung bei der Bewertung der Umstände, die für den Käufer eines gebrauchten Kraftfahrzeuges eine Nachforschungspflicht hinsichtlich der Verfügungsberechtigung des Veräußerers begründen, einen strengen Maßstab angelegt (BGH, NJW-RR 1987, 1456, 1457).

a)

So besteht nach der Rechtsprechung eine weitere Nachforschungspflicht des Erwerbers bei erkennbarer Fälschung des Fahrzeugbriefes (BGH, DAR 1966, 299; KG, MDR 2003, 1350; OLG Schleswig, NJW 2007, 3007). In den von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen waren die Erwerber jedoch meist Gebrauchtwagenhändler. Deren Händlereigenschaft begründet eine gesteigerte Sorgfaltspflicht, die eine gewissenhafte Prüfung des vorgelegten Kfz-Briefes erfordert. Einem Privatkäufer, also einer im Kraftfahrzeughandel unerfahrenen Person, die nur bei Erwerb eines Fahrzeugs kurzfristig den Kfz-Brief in Händen hält, können nicht dieselben Anforderungen auferlegt werden, um dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit zu entgehen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Fälschung augenscheinlich und auf den ersten Blick erkennbar ist (KG, a.a.O.; OLG Schleswig, a.a.O.).

Dem Kläger kann kein grober Verstoß gegen seine Sorgfaltspflichten angelastet werden, weil er die Fälschung nicht erkannt hat.

Nach den Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts fehlt der Vorname des Halters in dem Kfz-Brief. Ferner zeigt das Dokument Schreibfehler auf und der Dienststempel weist keine umlaufende Schrift aus. Weiterhin fehlt die Unterschrift des Verantwortlichen der Audi AG. Das Datum der EB-Typengenehmigung liegt vor dem Zeitpunkt der Erstzulassung. Aus dem Bericht der PI Aschaffenbug (vgl. Bl. 6 der beigezogenen Ermittlungsakten 174 Js 83/09 STA Duisburg) ergibt sich ferner, dass das Siegel aus einem anderen Dokument ausgeschnitten ist und aufgeklebt wurde und dass die Unterschrift gefälscht wurde.

Diese Umstände deuteten für den Kläger, der nicht den direkten Vergleich zwischen dem Original und dem Falsifikat hatte, nicht ersichtlich auf eine Fälschung hin. Vielmehr durfte er davon ausgehen, dass es sich um den Original – Kraftfahrzeugbrief handelte. Das vorgelegte gefälschte Formular ist entwendet worden und entspricht damit seinem äußeren Erscheinungsbild nach einem Original. So hat der Zeuge bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht ausgesagt, dass er sich den Brief angesehen und ihm das „besondere Papier“ aufgefallen sei.

Zwar ist der Beklagten zuzustimmen, dass beim Vergleich des Originals und der Fälschung die oben genannten Unterschiede auffallen, doch war das für den Kläger als Privatperson nicht offensichtlich. Das aufgeklebte Siegel ist nur dann erkennbar, wenn man mit dem Finger darüber streicht. Da es sich gegen Mitte des Dokumentes befindet, ist dieses beim einfachen Halten des Dokumentes in den Händen nicht erkennbar.

Das unter Ziffer 6 des Briefes vermerkte Datum ist für den Laien nicht ohne Weiteres zuzuordnen. Dass die Unterschrift des Verantwortlichen des Herstellers und der Barcode fehlen, ist für den Laien genauso wenig auffällig wie die Tatsache, dass ein Schreibfehler in dem Dokument, nämlich „ZStraßenverkehrsamt“ enthalten ist. Schreibfehler und Auslassungen werden von der Rechtsprechung ausdrücklich als nicht unüblich angesehen (OLG Schleswig, a.a.O.).

Auch dem fehlenden Vornamen in dem Dokument kommt nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erster Instanz keine derartige Bedeutung zu, dass der Kläger die Fälschung ohne Weiteres hätte erkennen können. Nach dem Gutachten des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 4. November 2009 (Bl. 112 ff. d.A.) kommt es durchaus vor, dass auch bei der offiziellen Registrierung beruflich selbständiger Personen nur der Familienname eingesetzt wird, was das Plausibilitätsprogramm des KBA bei der Eingabe als Firma und damit als juristische Person nicht beanstandet. Zudem hat der Kläger unwidersprochen vorgetragen, dass der Verkäufer ihm nicht nur seinen Ausweis, sondern auch ein Schreiben der Stadt Duisburg gezeigt hat, woraus sich die Anerkennung der Selbständigkeit des Verkäufers ergab.

Die Beklagte kann auch nicht damit gehört werden, die Nummer des Kraftfahrzeugbriefes habe nicht zu der des Fahrzeugscheins gepasst, was dem Kläger hätte auffallen müssen. Das entspricht zwar den Feststellungen der Zulassungsstelle des Landratsamtes Aschaffenburg, kann dem Kläger aber nicht als grobe Fahrlässigkeit angelastet werden. Die Nummer der Zulassungsbescheinigung II ist im Feld 16 der Zulassungsbescheinigung Teil I (Fahrzeugschein) vermerkt; in den übrigen Rubriken sind umfangreiche Zahlen und Buchstaben eingetragen, die vorliegend völlig mit den Daten der Zulassungsbescheinigung Teil II übereinstimmten. Dass sich in dem Feld  16 des Fahrzeugscheines die Nummer der Zulassungsbescheinigung Teil II befindet, ergibt sich für den Laien erst anhand der auf der Umseite des Fahrzeugscheines angegebenen Definition der Felder. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in erster Instanz die im Fahrzeugbrief eingetragene Fahrzeug-Identifikationsnummer sogar selbst am Fahrzeug überprüft hat und sich nicht nur den Fahrzeugbrief, sondern auch den Ausweis des Verkäufers hat vorlegen lassen und sich die Ausweisnummer notiert hat. Diese zusätzlichen Prüfungen begründen angesichts der nicht offensichtlichen Fehler des Kraftfahrzeugbriefes nicht den Vorwurf einer groben Sorgfaltspflichtverletzung.

b)

Ein besonderes Verdachtsmoment aus Sicht eines Käufers stellt auch nicht der Umstand dar, dass das Geschäft nicht in der privaten Wohnung des Verkäufers, sondern auf einem nahegelegenen Tankstellengelände abgewickelt wurde. Ein Verkauf auf offener Straße muss dem Käufer gegebenenfalls Anlass zu einer Nachforschung nach der Verfügungsbefugnis des Verkäufers geben, da beim Verkauf von Gebrauchtwagen, vor allem wenn er auf der Straße vorgenommen wird, mit unlauteren Machenschaften gerechnet werden muss (BGH, NJW 1975, 735). Allerdings gilt dies hauptsächlich für Fälle, in denen der gewerbliche Veräußerer, bei dem üblicherweise ein Geschäftslokal erwartet wird, nicht als Halter des Fahrzeugs eingetragen ist.

Vorliegend hatte sich der Verkäufer nicht als gewerblicher Kraftfahrzeughändler ausgewiesen. Dem Kläger waren Name und Anschrift des Verkäufers benannt worden, die auch in dem Kfz-Brief eingetragen waren. Auf der Straße vor der benannten Wohnung war nach der Aussage des Zeugen kein Parkplatz mehr frei, das angebotene Fahrzeug stand in zweiter Reihe. Der Kläger konnte angesichts dieser auffälliger Umstand gewertet werden, dass der Verkäufer angesichts der nunmehr drei Fahrzeuge (Audi A4, Fahrzeuge des Klägers und der Begleitpersonen des Verkäufers) vorschlug, zu einer circa 50 Meter entfernten Tankstelle zu fahren, um die Kaufgespräche und die Fahrzeugbesichtigung durchzuführen. Eine Tankstelle eignet sich für die Begutachtung eines Fahrzeugs besonders gut. Es bedarf hierfür einer ebenen Fläche, bei dem das Fahrzeug von allen Seiten betrachtet werden kann. Zudem wurde für die anschließenden Verhandlungen ein Stehtisch von neutraler Seite zur Verfügung gestellt. Auf diese Weise war es dem Kläger durchaus möglich, die überreichten Papiere zu sichten. Zudem gab es auf diese Weise neutrale Zeugen und eine Videoaufnahme von den Verkaufsverhandlungen.

Entgegen der Darstellung der Beklagten handelte es sich auch nicht um eine hektische Verkaufssituation. Vielmehr fanden längere Kauf- und Kaufpreisverhandlungen statt, und es wurde eine Probefahrt durchgeführt.

c)

Entgegen der von der Beklagten vorgebrachten Ansicht ist es im Übrigen nicht unüblich, dass der Fahrzeugkauf zwischen Privaten als Bargeschäft abgewickelt wird. Das dürfte vielmehr die Regel sein.

d)

Auch der niedrige Verkaufspreis von letztlich 17.500,00 Euro hatte keine weiteren Nachforschungspflichten für den Kläger zur Folge. Grundsätzlich wird zwar die Preisgestaltung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung als beachtenswertes Verdachtsmoment angesehen (vgl. BGH, NJW 1996, 314; NJW 1975, 735; NJW – RR 1987, 1456; NJW 1994, 2022). Allerdings muss das Missverhältnis für den Kläger als Erwerber eklatant sein. Das vermag der Senat nicht ohne Weiteres zu bejahen. Dabei ist wiederum zu beachten, dass es sich bei dem Kläger nicht um einen Kfz-Händler wie in den genannten Entscheidungen, sondern um einen Privatmann handelt. Dieser ist als eher unerfahren anzusehen, auch wenn er nach eigenem Vorbringen in den letzten 22 Jahren bereits mehrere Fahrzeuge erworben hat.

Nach dem Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. … vom 21. Mai 2010 in Verbindung mit seiner mündlichen Anhörung vor der Kammer liegt der vom Kläger gezahlte Kaufpreis von 17.500,00 Euro deutlich, nämlich circa 20 – 30 %, unter den marktüblichen Preisen für ein vergleichbares Fahrzeug. Nach den Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung am 27. August 2010 (Bl. 157 d. A.) beträgt der marktübliche Preis mindestens 22.100,00 Euro. Hierbei hat der Sachverständige seine Marktrecherche, aber auch die Tatsache zu Grunde gelegt, dass es sich um einen Privatverkauf handelte. Außerdem ist in dem Preis der Unfallschaden mit berücksichtigt worden. Ob allein die Preisdifferenz von gut 20 % bei dem Kläger Misstrauen in Bezug auf die Verkaufsberechtigung des Veräußerers erwecken musste, kann vorliegend dahingestellt bleiben. Auf Grund der sonstigen Umstände war der Kläger jedenfalls nicht verpflichtet, weitere Nachforschungen in Bezug auf die Eigentümerstellung des Verkäufers anzustellen. Insoweit kann nicht außer Betracht bleiben, dass der Kläger nach seinem unbestrittenem Vortrag (Seite 2 der Klageschrift sowie Bl. 81 d. A.) Mitte November 2008 erstmalig das Verkaufsangebot für dieses Fahrzeug im Internet für einen Preis von 22.900,00 Euro gesehen hat. Erst später wurde der Angebotspreis im Internet auf 17.900,00 Euro reduziert. Ausweislich der Internetanzeige (Bl. 16 der Beiakten) ist das Fahrzeug als absoluter Notverkauf wegen bevorstehender Scheidung ausgewiesen worden. Eine entsprechende Begründung ist auch dem Kläger bei den Verkaufsgesprächen genannt worden. Der Kläger durfte auf Grund dieser Angaben davon ausgehen, dass der Verkäufer dringend Geld benötigte. Die Einigung auf letztlich 17.500,00 Euro konnte der Kläger seinem Verhandlungsgeschick zuschreiben, indem er auf den nicht gänzlich beseitigten Unfallschaden hinwies. Bei dieser Sachlage ist es nach Auffassung des Senates nicht zwingend, dass sich für den Erwerber ein deutliches Missverhältnis zwischen dem Wert des Fahrzeugs und dem Kaufpreis ergeben müsste. Das gilt insbesondere angesichts der Tatsache, dass das Fahrzeug ursprünglich zu einem Preis angeboten worden war, den der Sachverständige noch als marktüblichen Preis bewertet hat.

Auch die Tatsache, dass der Kläger die rund 300 km von A. nach D. auf sich genommen hat, lässt nicht darauf schließen, dass er wusste, dass das Fahrzeug möglicherweise weit unterhalb des marktüblichen Preises verkauft wurde. Es zeigt lediglich, dass er den geforderten Preis für angemessen hielt und bereit war, diesen zu zahlen. Es ist zudem nicht unüblich, für einen im Internet angebotenen Gebrauchtwagen auch weite Strecken zu fahren, um auf dem Gebrauchtwagenmarkt ein dem Geschmack und Bedürfnis des Käufers entsprechendes Fahrzeug zu kaufen. Das gilt insbesondere dann, wenn es sich – wie hier –  um ein fast neues Fahrzeug handelte.

e)

Die Auffassung der Beklagten, der Kläger hätte sich angesichts des neuwertigen Fahrzeugs zumindest den Kaufvertrag zeigen lassen müssen, den der Veräußerer bei seinem Erwerb abgeschlossen hat, vermag der Senat nicht zu teilen. Eine derartige Obliegenheit würde die Pflichten des durchschnittlichen privaten Gebrauchtwagenkäufers in unangemessener Weise ausweiten. Die Forderung nach der Vorlage des vorherigen Kaufvertrages ist zumindest unüblich. Sie besteht jedenfalls dann nicht, wenn ein Original-Fahrzeugbrief vorgelegt wird, der als Fälschung nicht ohne weiteres zu erkennen ist.

f)

Die von der Beklagten aus § 6 Abs. 4 Nr. 3 FZV hergeleitete Pflicht zur Einholung einer Registerauskunft im Rechtsverkehr mit beweglichen Gegenständen findet sich weder in der Rechtsprechung noch in der Kommentierung wieder. Zudem widerspricht eine derartige Pflicht dem Sinn und Zweck der Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs nach § 932 BGB. So dient dieser dem Interesse der Allgemeinheit an der Leichtigkeit des Verkehrs im Umgang mit beweglichen Sachen, welchem Vorrang vor dem Eigentümerinteresse zukommt.

Damit begründete keiner der jeweils dargestellten Umstände für sich genommen, aber auch in ihrer Gesamtheit eine konkrete Verdachtslage. Auf Grund des gutgläubigen Erwerbs des Fahrzeugs nach §§ 929 Satz 1, 932 BGB ist der Kläger analog § 952 Abs. 2 BGB auch Eigentümer des streitgegenständlichen Fahrzeugbriefs geworden.

II. Widerklage

Die Widerklage ist unbegründet. Nach den obigen Ausführungen ist der Kläger Eigentümer des Pkw Audi 4 geworden, so dass die Beklagte nicht mit Erfolg die Zustimmung des Klägers zur Herausgabe dieses Fahrzeuges an sich verlangen kann.

III. Nebenforderungen

Dem Kläger steht jedoch ein Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht zu. Insoweit war die Klage abzuweisen und die Berufung zurückzuweisen.

Ein Schadensersatzanspruch aus Verzug gem. §§ 280 Abs. 2, 3, 286 BGB kommt nicht in Betracht, weil sich die Beklagte bei Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers noch nicht mit der Herausgabe des Fahrzeugbriefes in Verzug befand.

Verzug erfordert grundsätzlich nach § 286 Abs. 1 S. 1 BGB eine Mahnung. Mit der ersten Aufforderung zur Herausgabe des Kfz-Briefes durch die Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 30. Januar 2009 fiel die Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV-RVG an. Spätere erneute Mahnungen lösen nach der Konzeption des RVG keine ersatzfähige Gebühr mehr aus. Erfolgte damit bereits die erste, den Verzug begründende Mahnung durch einen Rechtsanwalt, kann die Zahlung der angefallenen Gebühren aus Verzugsgesichtspunkten nicht verlangt werden.

Ein Schadensersatzanspruch des Klägers aus § 280 Abs. 1 BGB in Höhe der vorgerichtlichen Anwaltskosten besteht schon deshalb nicht, weil es an einer vertraglichen oder vorvertraglichen Beziehung der Parteien fehlt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2, 91a, 269 Abs. 3 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Festsetzung des Streitwertes für das Berufungsverfahren liegt § 3 ZPO zugrunde.

 

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