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Haltung von Bienenvölkern auf Nachbargrundstück – Unterlassungsanspruch

LG Münster – Az.: 8 O 76/18 – Urteil vom 12.07.2019

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Berechtigung des Klägers zur Haltung von Bienenvölkern auf seinem Grundstück.

Die Parteien sind unmittelbare Nachbarn in der S Straße in W. Die Beklagte und ihr Sohn L sind Miteigentümer zu je 1/2 des Hauses mit der Hausnummer XX, wobei dieses ausschließlich von der Beklagten bewohnt wird. Die Häuser sind nahezu baugleich, stehen ohne Grenzabstand direkt nebeneinander und weisen jeweils eine Richtung Osten ausgerichteten Loggia im 1. Obergeschoss auf. Mit Blick auf die Mansarden befindet sich linksseitig von der klägerischen Loggia ein großer Walnussbaum, die linke Seite der Loggia der Beklagten wird von einer großen Kiwi-Ranke bewachsen. Beide Grundstücke sind auf der Ostseite mit einem Palisadenzaun abgegrenzt. Unmittelbar angrenzend befindet sich der M.

Der Kläger ist seit einigen Jahren Hobbyimker und hält im Jahresverlauf zwischen drei und zehn Völkern in der Mansarde/Loggia seines Hauses. Da sich die Beklagte durch die Bienenhaltung massiv gestört fühlt, erhob sie beim Ordnungsamt/Landkreis C Beschwerde. Eine abschließende Entscheidung nach Anhörung des Klägers steht noch aus.

Der Kläger behauptet, 90 % der Bienen flögen Richtung Osten, zum M ab. Da die Bienenvölker in der Mansarde gehalten würden, hätten sie bereits eine Höhe oberhalb der Stehhöhe der Beklagten und nähmen nach Abflug weiter schnell an Höhe zu. Da der Garten der Beklagten für Bienen nicht attraktiv sei, flögen die Bienen diesen regelmäßig auch nicht zur Nektarsuche an. Er ist daher der Ansicht, dass seine Bienenhaltung, die generell in W ortsüblich sei, zu keiner unmittelbaren wesentlichen Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks führe. Insbesondere habe er den Standort auch mit dem als Zeugen benannten Repräsentanten des örtlichen Imkervereins N abgesprochen, der ihn als optimal bezeichnet habe. Auch der als Zeuge benannte Bienenfachmann und oftmals als Sachverständige bestellte Herr O habe sich die Örtlichkeiten angeschaut und die Bienenhaltung für zulässig erachtet. Dass seine Bienen weder störten noch stächen, könne auch die als Zeugin benannte X bestätigen, die sich trotz Angst vor Bienen im klägerischen Garten aufhalte. Da der Beklagten kein Unterlassungsanspruch zustehe, habe sie die Anzeige gegenüber dem Kreis C zurückzuziehen und die Kosten für das Schlichtungsverfahren zu tragen.

Haltung von Bienenvölkern auf Nachbargrundstück – Unterlassungsanspruch
(Symbolfoto: Von Sushaaa/Shutterstock.com)

Eine am Landgericht Münster rechtshängige Klage zum Az. 010 O 380/16 wurde mangels zuvor durchgeführten Schlichtungsverfahrens nach Hinweis des erkennenden Gerichts zurückgenommen.

Mit der nach erfolgloser Durchführung des Schlichtungsverfahrens (Erfolglosigkeitsbescheinigung, Anlage K 0 zur Klageschrift, Bl. 8 f. d. A.) sodann zunächst am Amtsgericht C erhobenen und der Beklagten am 21.08.2017 zugestellten Klage hat der Kläger beantragt,

1. festzustellen, dass er berechtigt ist, auf seinem Grundstück S Straße XX, 4XXX W (Mansarde des Gebäudes) bis zu 10 Bienenvölker, davon 2 Bienen-Ablegervölker, aufzustellen und zu betreuen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 18,60 EUR nebst 5 % Basiszinsen seit Zustellung der Klage zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, die Anzeige gegenüber dem Kreis C -Y Fachbereich XX – Bauen, Wohnen und Immissionsschutz, DER LANDRAT, C (Az: ###########) wonach ein ordnungsrechtliches Verfahren mit Anhörungsschreiben vom 05.10.2015 eingeleitet wurde, zurückzunehmen.

Mit Schriftsatz vom 26.03.2018 hat er seine Klageanträge abgeändert und beantragt nunmehr,

1. die Beklagte zu verurteilen, ihm die Haltung von bis zu 10 Bienenvölkern, davon mindestens 2 Kleinvölker (Ableger) auf dem Grundstück S Straße XX, 4XXX W (Mansarde) zu gestatten/dulden;

Hilfsweise festzustellen, dass er berechtigt ist, auf seinem Grundstück (in der Mansarde im 1. OG) 10 Wirtschaftsvölker, davon mindestens 2 Kleinvölker (Ableger) aufzustellen und zu bewirtschaften.

2. daneben die Beklagte zu verurteilen, gegenüber dem Kläger das vorübergehende Aufstellen (in den Sommermonaten von Mai – September des Jahres) von bis zu 5 Kleinvölkern (Ableger) auf dem benannten Grundstück zu gestatten/dulden.

Nach antragsgemäßer Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht hat der Kläger seine zuletzt gestellten Anträge ausdrücklich ohne Klagerücknahme im Übrigen konkretisiert und beantragt nunmehr,

die Beklagte zu verurteilen, ihm die Haltung von bis zu 6 Bienenvölkern, davon mindestens 2 Kleinvölker (Anleger) auf dem Grundstück S Straße XX, 4XXX W (Mansarde) zu gestatten/dulden;

Hilfsweise festzustellen, dass er berechtigt ist, auf seinem Grundstück (in der Mansarde im 1. OG) bis zu 8 Wirtschaftsvölker, davon mindestens 2 Kleinvölker (Ableger) aufzustellen und zu bewirtschaften.

Die Beklagte beantragt,  die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet eine nur unwesentliche Beeinträchtigung durch die Bienenhaltung. Vielmehr sei es nicht möglich, den Bienen auszuweichen. Durch die nebeneinander liegenden Mansarden könnten die Bienen ungehindert auf ihr Grundstück fliegen. Sie verzichte bereits auf Blumen und Blüten im Garten, um Bienen nicht anzulocken. Auch könne sie die Fenster und Türen nicht öffnen, ohne dass Insekten eindrängen. Die Nutzung der Loggia, der Terrasse und des Garten sei ihr nicht mehr möglich. Regelmäßig gerieten Bienen – wohl angelockt durch verwendetes Haarspray – in ihre Haare und stächen beim Versuch sie zu entfernen zu. Zudem seien die durch die Reinigung der Beuten und Waben durch Abflammen verursachten Immissionen äußerst unangenehm. Dass der Kläger zu den Bienen auch noch eine – vom Kläger bestrittene – Hundezucht auf dem kleinen Grundstück von – insoweit unstreitig – ca. 200 qm betreibe, stelle eine artgerechte Haltung der Tiere in Frage.

Der Kläger und der Sohn der Beklagten als Terminsvertreter gemäß § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO wurden persönlich angehört. Ferner wurde Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens nebst mündlicher Erläuterung. Wegen des Inhalts der Beweisaufnahme sowie der Parteianhörungen wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr. P vom 29.10.2018 (Bl. 192 ff. d. A.) sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 21.06.2019 (Bl. 265 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A)

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

I.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere wurde vor Klageerhebung das nach dem Ausführungsgesetz zu § 15a EGZPO (§§ 44, 53 Abs. 1 Nr. 1 a) JustG NRW) erforderliche Schlichtungsverfahren erfolglos durchgeführt. Zudem handelt es sich bei der begehrten Feststellung der Duldungspflicht auf Seiten der Beklagten um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO.

II.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Die Beklagte ist nicht zur Duldung der durch die Bienen verursachten Beeinträchtigungen verpflichtet, weil diese weder unwesentlich i.S.d. § 906 Abs. 1 BGB sind (dazu 1.) noch in dieser Form ortsüblich und nicht wirtschaftlich zumutbar behebbar i.S.d. § 906 Abs. 2 BGB (dazu 2.).

1.

Eine Duldungspflicht gemäß § 906 Abs. 1 BGB besteht nicht, da die von dem Grundstück des Klägers ausgehenden Einwirkungen die Benutzung des Grundstücks der Beklagten wesentlich beeinträchtigen.

Gemäß § 906 Abs. 1 BGB kann der Eigentümer eines Grundstücks die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung handelt es sich bei Bienen um eine den in § 906 Abs. 1 BGB aufgezählten ähnliche von einem Grundstück ausgehende Einwirkung (vgl. mit Rspr.-Nachweisen BeckOK, BGB, 50. Edition, Stand: 01.05.2019, § 906, Rn. 32).

Ob eine von einer Grundstücksbenutzung ausgehende Einwirkung auf das Nachbargrundstück wesentlich ist oder nicht, beurteilt sich nach ständiger Rechtsprechung nach dem Empfinden eines verständigen durchschnittlichen Benutzers des beeinträchtigten Grundstücks (vgl. BeckOK, BGB, 50. Edition, Stand: 01.05.2019, § 906 Rn. 38). Ein Indiz für die Wesentlichkeit liegt neben der Art und Häufigkeit der Einwirkung insbesondere dann vor, wenn das Wohnen an Annehmlichkeit verliert und der Grundstückswert dadurch gemindert wird (vgl. Palandt, BGB, 78. Auflage 2019, § 906 Rn. 17).

Der Kläger erklärte im Rahmen seiner persönlichen Anhörung, seine Bienen flögen in einer Höhe von 3 – 4 m und nähmen dann an Höhe an. Wenn sie voll Nektar zurückkämen, machten sie insbesondere keinen Zwischenstopp im Garten der Beklagten. Die Bienen wüssten sehr genau, wo sie hin müssen. Da die Bienen sehr schnell hin und her flögen, sei in einer Höhe von 3 – 4 m stets Bewegung. Zwar seien auch mal Bienen im Garten der Beklagten. Letzterer sei allerdings für Bienen nicht attraktiv. Zudem sei auch nicht feststellbar, ob es sich um seine Bienen oder andere Insekten handele.

Der Sohn der Beklagten erklärte im Rahmen seiner persönlichen Anhörung, dass seine Mutter sich nach Anschaffung der Bienen immer mehr zurückgezogen habe und auch den Balkon nicht mehr nutze, den sie vorher sehr geliebt habe. Gerade auf dem Balkon sei ein einziges Gesumme wahrzunehmen. Zurzeit blühe der an der Loggia hochrankende Kiwi-Strauch, der in etwa um die 100 Blüten habe. Alle Blüten seien mit Bienen besetzt. Aber auch außerhalb der Blütezeit befänden sich ganztägig Bienen auf der Loggia. Die Bienen flögen rein, verweilten dort kurz, setzten sich teilweise hin oder flögen auch teilweise seine Mutter an, bevor sie sich wieder entfernten. Auch könne seine Mutter die Türen zum Garten nicht mehr offen stehen lassen, da dann täglich Bienen in die Räume flögen

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Der Sachverständige Dr. P führt in seinem schriftlichen Gutachten aus, die besondere Lage des Bienenstandes in der Loggia (schattig, lichtarm, baugleiche Loggia auf Nachbargrundstück) sowie die Anordnung der dort aufgestellten Beuten (je 3 Beuten unter den Dachschrägen mit Flugöffnung in Richtung Mitte der Loggia) könnten dazu beitragen, dass sich bei den Bienen Orientierungsstörungen und eine Erhöhung ihrer Nervosität zeige. Hinzu komme, dass sich das sog. Vorspiel der jungen Bienen aufgrund der beengten Verhältnisse in der Loggia, vor diese verlagere, mit der Folge, dass auch die nur wenige Meter entfernte, baugleiche Loggia von einer Vielzahl von Bienen bevölkert werde. So unternähmen Jungbienen während der Saison erste Orientierungsflüge, um sich den Ort ihres Muttervolkes einzuprägen. Da die Königin in der Saison täglich mehr als 1.000 Eier lege, würden in einer Woche über 7.000 Jungbienen herangezogen, die bei sonnig warmen Wetter zur Mittagszeit vorspielten. Sie flögen in immer größer werdenden Kreisen, dem Beuteneingang zugewandt. Da die Loggia der Beklagten auf gleicher Höhe zum Bienenstand liege, ohne dass es eine Abgrenzung oder eine Ablenkung des Bienenfluges gebe, würde diese auch gerade von der Vielzahl der Jungbienen bevölkert. In seiner mündlichen Erläuterung hat er seine Feststellungen weiter konkretisiert und erklärt, dass die Bienendichte auf dem Grundstück der Beklagten durch die besonderen örtlichen Gegebenheiten deutlich erhöht sei und über das erträgliche und zumutbare Maß hinausgehe. Pro Volk rechne man mit etwa 20.000 Sammelbienen, bei 6 Beuten seien es demnach 120.000 Bienen, die täglich mehrmals aus der Mansarde und wieder zurück flögen. Wenn sich von diesen Bienen nur 1 o/oo auf das Grundstück der Beklagten verfliegen würden, stellte dies schon ein erhebliches Problem dar. Darüber hinaus sei allerdings das sog. Vorspiel der Jungbienen ein wesentlicher Faktor. Dieses machten Jungbienen im Alter von ca. 3 Wochen. Da über die gesamte Saison hinweg täglich um die 1.000 Eier gelegt würden, würde dieses Schauspiel auch über die gesamte Saison hin ausgeführt, vielleicht zwar nicht täglich, aber mindestens alle paar Tage. Der Sachverständige stellte auch klar, dass es grundsätzlich nicht zu beanstanden sei, wenn Bienen auf das Grundstück der Beklagten flögen, auch wenn sie sich gelegentlich in den Haaren der Beklagten verfangen oder diese stechen würden. Solche Beeinträchtigungen wären als unwesentliche Beeinträchtigung hinzunehmen. Im vorliegenden Fall führte allerdings die Art der Haltung zu einer übermäßigen, nicht mehr tolerablen Bienendichte auf dem Nachbargrundstück. Den auch für einen Laien ohne Weiteres nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen schließt sich das Gericht in eigener Überzeugungsbildung an. Auf deren Grundlage sieht das erkennende Gericht die Schwelle von einer – in eigener Zuständigkeit zu bewertenden – unwesentlichen zu einer wesentlichen Beeinträchtigung als überschritten an. Die sachverständigen Ausführungen stehen auch im Einklang mit der Schilderung des Sohns der Beklagten zur Situation auf der Loggia, die die Beklagte – nachvollziehbar – dazu bringt, diese nicht mehr zu nutzen und auch die Türen zur Gartenseite geschlossen zu halten. Kann der Außenbereich ihres Grundstücks während der einen Großteil des Jahres andauernden Saison ohne tägliche Konfrontation mit einer bis zu vierstelligen Anzahl von Bienen nicht mehr genutzt werden, mindert dies den Wohnwert nach Überzeugung der Kammer enorm. Das Gericht hat auch keinen Anhaltspunkt an der Fachkompetenz des Sachverständigen zu zweifeln. Darauf ob und inwieweit der Repräsentant des örtlichen Imkerverbands, der Zeuge N oder der ebenfalls als Sachverständige tätige Zeuge O die Bienenhaltung befürwortet oder den Standort als optimal bezeichnet haben, kommt es nach alledem nicht an. Es wurden keine Tatsachen unter Zeugenbeweis gestellt, die – im Falle ihrer Bestätigung – zu einer abweichenden Beurteilung geführt hätten. Die Zeugen N und O wurden letztlich dafür benannt, ihre sachverständige Einschätzung kundzutun. Die sachverständige Beurteilung ist jedoch allein dem gerichtlich bestellten Sachverständigen vorbehalten. Dieser konnte sich im Rahmen eines Ortstermins von den örtlichen Gegebenheiten ein eigenes Bild machen. Der Vermittlung relevanter Tatsachen bedurfte es daher nicht. Auch der Vernehmung der Zeugin X bedurfte es nicht. Die unter Beweis gestellte Behauptung, die Zeugin, die selbst Angst vor Bienen habe, halte sich ohne Probleme im klägerischen Garten auf, ohne dass sie Kontakt mit störenden Bienen habe, kann als wahr unterstellt werden. So beruht die Beeinträchtigung des Grundstücks der Beklagten nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen vorrangig auf der Örtlichkeit des Bienenstandes in der Mansarde und den baulichen Gegebenheiten der unmittelbar angrenzenden Mansarde der Beklagten. Das beeinträchtigende Vorspiel der Jungbienen findet in einer Höhe von ca.  3 – 4 m statt, unmittelbar vor den offenen Loggien. Dass die Zeugin X hiervon auf der Terrasse des klägerischen Gartens, der sich im südlichen Teil des Gartens befindet, nicht beeinträchtigt wird, ist ohne Weiteres nachvollziehbar. Ebenso kommt es auf die unter Beweis gestellte Behauptung, die Beklagte habe sich zu Beginn über die Bienenhaltung gefreut und erklärt, ihren Honig bei dem Kläger kaufen zu wollen, nicht an. Hieraus kann selbst bei Wahrunterstellung keine Zustimmung zu einer die Nutzung ihres Grundstücks wesentlich beeinträchtigenden Bienenhaltung hergeleitet werden.

Soweit der Sachverständige im Rahmen seiner mündlichen Erläuterung des Gutachtens erstmals auch zur Thematik der Reinigung der Beuten und diesbezüglicher Immissionen Stellung bezogen hat, kommt es hierauf nicht mehr an, da bereits die Bienenhaltung als solche zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Nutzung des Grundstücks der Beklagten führt. Dies wurde bereits im schriftlichen Gutachten ausführlich dargelegt und im Rahmen der mündlichen Verhandlung weiter konkretisiert. Eine Stellungnahmefrist zur Beweisaufnahme war den Prozessbevollmächtigten daher auch nicht mehr einzuräumen, da sich aus der Beweisaufnahme keine neuen entscheidungserheblichen Umstände ergeben haben.

2.

Auch eine Duldungspflicht der Beklagten gemäß § 906 Abs. 2 S. 1 BGB ist zu verneinen.

Eine solche besteht dann, wenn eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind.

a)

Durch die von dem klägerischen Grundstück ausschwärmenden Bienen wird die Nutzung des Grundstücks der Beklagten wesentlich beeinträchtigt (s. A. II. 1.)

b)

An der Ortsüblichkeit der Benutzung des klägerischen Grundstücks hat das Gericht bereits erhebliche Zweifel.

Die Ortsüblichkeit ist zu bejahen, wenn im maßgeblichen Vergleichsbezirk mehrere Grundstücke mit nach Art und Umfang annähernd gleich beeinträchtigender Wirkung auf andere Grundstücke dauerhaft oder wiederholt benutzt werden. Maßgeblich ist nicht die abstrakte Nutzungsart der Vergleichsgrundstücke, sondern der jeweilige Beeinträchtigungsgrad, z.B. auch aufgrund unterschiedlicher Lage (vgl. Palandt, BGB, 78. Auflage 2019, § 906 Rn. 23).

Zwar führt der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten aus, die Bienenhaltung sei im Kreis C sowie in der Ortslage W als ortsüblich zu bezeichnen. In seiner mündlichen Erläuterung hat er die Aussage auf Nachfrage jedoch dahingehend konkretisiert, dass die Bienenhaltung grundsätzlich ortsüblich sei, nicht aber in dem konkreten Fall der Haltung in der Mansarde. Eine solche Haltung habe er noch nie in seiner beruflichen Tätigkeit gesehen. Gerade vor dem Hintergrund, dass die wesentliche Beeinträchtigung des Grundstücks der Beklagten daraus resultiert, dass der klägerische Bienenstand in der beengten Mansarde untergebracht ist und die Beuten darüber hinaus jeweils mit Blick zur Mitte der Loggia ausgerichtet sind und so das Vorspiel der Jungbienen vor die Loggia verlagern, hält es das Gericht für sehr zweifelhaft, dass von den Bienenständen der weiteren im Vergleichsbezirk ansässigen Imker vergleichbare Beeinträchtigungen ausgehen.

c)

Jedenfalls kann die wesentliche Beeinträchtigung des Grundstücks der Beklagten durch dem Kläger wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden. Dabei sind unter wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen i.S.d. § 906 Abs. 2 S. 1 BGB alle technischen Einrichtungen sowie betriebswirtschaftlichen Möglichkeiten zu verstehen, die die Beeinträchtigung unter die Schwelle der Wesentlichkeit herabsetzen und zwar aufgrund auch insoweit differenziert-objektiven Maßstabs ohne Rücksicht auf die individuelle Leistungsfähigkeit des Benutzers. Dabei gelten für die zu ergreifenden Maßnahmen die Prinzipien der Eignung, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit (vgl. BeckOK, BGB, 50. Edition, Stand: 01.05.2019, § 906 Rn. 102 f.).

Der Sachverständige P führt in seinem schriftlichen Gutachten aus, dass die – standortbedingte – erhebliche Beeinträchtigung des Grundstücks der Beklagten durch Verlagerung der Bienenbeuten auf die Südseite des Garten beseitigt werden könne. Dort sei bereits ein 2 m hoher Palisadenzaun vorhanden, der den Abflug der Bienen über das Grundstück des Klägers lenke und die Beeinträchtigungen für die Nachbarn minimiere. Insbesondere sei der Zaun auch ein ausreichender Schutz der S Straße, für die dort fahrenden Pkw, Fahrräder und Fußgänger. An diesem Standort könnten 2 bis maximal 4 Völker toleriert werden. Aufgrund der Enge und der geringen Größe des Grundstücks sei die Haltung von mehr als 4 Bienenvölkern nicht zu befürworten. In seiner mündlichen Erläuterung hat er weiter konkretisiert, dass bei diesem Standort auch gelegentlich Radfahrer oder Fußgänger Kontakt zu einer Biene haben könnten, die hieraus resultierenden Beeinträchtigungen seien allerdings hinzunehmen und als unwesentlich einzustufen.

Auf Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen und insbesondere den örtlichen Gegebenheiten beurteilt das erkennende Gericht die von der Bienenhaltung an der südlichen Seite des Grundstücks ausgehenden Einwirkungen für die benachbarten Grundstücke als unwesentlich. Dabei ist zum einen zu beachten, dass das Vorspiel der Jungbienen in diesem Fall auf dem klägerischen Grundstück durchgeführt würde, und durch den Palisadenzaun ein ausreichender Schutz bestände. Darüber hinaus müssten die Bienen zum Ausschwärmen eine Höhe von mindestens 2 m auf dem klägerischen Grundstück aufnehmen, um den Palisadenzaun zu überfliegen, sodass Passanten regelmäßig hiervon nicht tangiert würden. Die Anzahl ermatteter Bienen, die möglicherweise beim Rückflug nicht mehr ausreichend in die Höhe kämen, um den Zaun zu überfliegen, ist im Hinblick auf die reduzierte Anzahl der Bienenvölker als gering einzuschätzen, sodass von diesen keine erhebliche Beeinträchtigung ausgeht.

Zu den wirtschaftlichen Folgen einer Umsiedelung erklärte er, dass diese nicht erheblich seien. So könnten die vorhandenen Beuten problemlos verwendet werden, auch zum Aufstand im Freien. Diesen sollten dann nicht direkt auf dem Boden stehen, sondern etwas erhöht werden, was durch einfache Holzpaletten geschehen könne. Hiermit seien Kosten in Höhe von ca. 100,00 EUR verbunden. Ein anderer möglicher Standort wäre an der Ostgrenze des Grundstücks Richtung M. Allerdings müsste dann der dortige Palisadenzaun vollständig entfernt werden. An diesem Ort wäre die Haltung von bis zu 7 Bienenvölkern denkbar. Um eine Konkurrenz zwischen den Völkern zu vermeiden, sei insbesondere auch aus ökologischen Gesichtspunkten eine darüber hinausgehende Haltung von Bienenvölkern nicht zu befürworten.

Eine Verringerung der Beeinträchtigung des Grundstücks der Beklagten durch vollständige Entfernung des seitlich neben der klägerischen Loggia befindlichen Walnussbaums, sei nicht anzunehmen. Zwar könne hierdurch das „Enge-Problem“ beim Ausschwärmen etwas gelöst werden, nicht jedoch die Situation im Hinblick auf das Vorspiel der Jungbienen, die aus der beengten Aufstellung innerhalb der Loggia resultiere. Auch könne eine erhöhte Mauer oder Wand zwischen den Mansarden das Problem nicht beseitigen, ggf. sogar verstärken, wenn sich Bienen an anderer Stelle auf das Grundstück der Beklagten verirrten und über die erhöhte Wand sodann nicht mehr zurückkämen.

B)

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO.

C)Der Streitwert wird bis zum 25.03.2018 auf 4.518,60 EUR festgesetzt und ab dem 26.03.2018 auf 6.250,00 EUR.

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