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Hobbymäßige Tierhaltung als ersatzfähiger Haushaltsführungsschaden

Die Berechnung des Haushaltsführungsschadens: Ein juristischer Stolperstein

In einem komplexen juristischen Fall stellte sich das Problem, wie genau der Haushaltsführungsschaden eines Klägers zu bewerten ist, insbesondere im Hinblick auf die Versorgung von Haustieren und typischen Haushaltsarbeiten. Die Klägerin argumentierte, dass die Schadensberechnung auf verschiedenen Schätzgrundlagen basieren sollte, darunter medizinische Einschränkungen und die Notwendigkeit, eine Reihe von Haushaltstätigkeiten zu erledigen. Der Angeklagte widersprach jedoch einigen dieser Schätzungen, insbesondere hinsichtlich der Versorgung der Haustiere und der Vorbereitung der Mahlzeiten. Diese Auseinandersetzung warf grundlegende Fragen zu den Methoden der Schadensbewertung und den rechtlichen Grundlagen der Schätzung von Haushaltsführungsschäden auf.

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Ein Sachverständiger im Fokus

Im Zentrum der Auseinandersetzung stand ein gerichtlicher Sachverständiger, dessen Fachkenntnisse aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit als Rechtsanwalt für Personenschäden und öffentlich bestellter Sachverständiger für Haushaltsführungsschäden hoch eingeschätzt wurden. Er bezog seine Fachkenntnisse aus seiner langjährigen Praxiserfahrung, einschließlich der Kenntnis der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung. Trotz Kritik wurde seine Bewertung der Klägerin nicht in Frage gestellt, und er lehnte es ab, die Versorgung der Haustiere als Teil des Schadens zu berücksichtigen.

Die Kontroverse um die Schadensbewertung

Ein zentraler Punkt der Diskussion war, wie der Haushaltsführungsschaden konkret berechnet werden sollte. Die Ansicht des Sachverständigen war, dass es bei der Berechnung eines Haushaltsführungsschadens nicht um eine fiktive Vergütung des Geschädigten gehen sollte, sondern um den tatsächlichen Vermögenswert der schadenbedingten Ausfallstunden. Der Beklagte stellte jedoch die Bewertung des Sachverständigen in Frage und argumentierte, dass der wirtschaftliche Schaden des Geschädigten bei einem Ausfallschaden im Rahmen der Haushaltsführung nicht gleichzusetzen sei mit dem Tarifgehalt einer Vollzeitkraft.

Die Entscheidung des Gerichts und ihre Folgen

Trotz der Einwände des Beklagten folgte das Gericht den Ausführungen des Sachverständigen zur Berechnung des Haushaltsführungsschadens. Dieser Fall unterstreicht die Komplexität der Schadensberechnung und die Bedeutung von Fachwissen in diesem Bereich. Es zeigt auch, dass trotz der Unvorhersehbarkeit von zukünftigen Einschränkungen in der Lebensgestaltung des Geschädigten, der materielle Schaden in solchen Fällen nicht ohne Weiteres ersetzt werden kann.


Das vorliegende Urteil

LG Köln – Az.: 3 O 224/16 – Urteil vom 22.12.2020

1.  Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 134.149,21 EUR zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz, aus 18.135,00 EUR seit dem 21.09.2013, aus 34.668,69 EUR seit dem 11.09.2014, aus 18.069,21 EUR seit dem 29.06.2016, aus restlichen 63.276,25 EUR seit dem 21.11.2019, abzüglich am 23.01.2014 gezahlter 10.000,00 EUR, abzüglich am 14.10.2014 gezahlter 10.000,00 EUR sowie abzüglich am 22.06.2016 gezahlter 5.345,00 EUR, verbleiben mithin 108.804,21 EUR.

2.  Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die ihr entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von insgesamt 3.398,64 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.06.2016 zu zahlen.

3.  Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ab dem 01.01.2020 eine quartalsweise zu zahlende Rente in der aus nachfolgender Tabelle ersichtlichen Höhe, jeweils im Voraus zum 01.01., 01.04., 01.07. und 01.10. eines jeden Jahres zu zahlen, Rückstände zu verzinsen mit 5%-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem Folgetag der Fälligkeit:

Zeitraum Zahlung je Quartal

  • 01.01.2020-30.06.2020 2.580,00 EUR
  • 01.07.2020-30.09.2020 2.580,00 EUR
  • 01.10.2020-31.12.2020 2.580,00 EUR
  • 01.01.2021-30.03.2021 2.531,35 EUR
  • 01.04.2021-30.06.2021 2.540,50 EUR
  • 01.07.2021-30.09.2021 2.490,94 EUR
  • 01.10.2021-31.12.2021 2.471,26 EUR
  • 01.01.2022-30.03.2022 2.417,58 EUR
  • 01.04.2022-30.06.2022 2.425,51 EUR
  • 01.07.2022-30.06.2023 2.207,74 EUR
  • 01.07.2023-30.06.2024 1.989,67 EUR
  • 01.07.2024-30.06.2025 1.902,13 EUR
  • 01.07.2025-30.09.2025 1.844,49 EUR
  • 01.10.2025-30.06.2026 1.685,28 EUR
  • 01.07.2026-30.06.2027 1.655,39 EUR
  • 01.07.2027-30.06.2029 1.125,60 EUR
  • 01.07.2029-30.09.2029 1.433,81 EUR
  • 01.10.2029-30.06.2031 1.168,91 EUR
  • 01.07.2031-30.06.2035 1.051,18 EUR
  • 01.07.2036-30.03.2048 1.444,33 EUR
  • 01.04.2048-30.06.2058 1.054,39 EUR
  • 01.07.2058-30.06.2060 1.847,23 EUR
  • 01.07.2060-12.01.2063 1.281,15 EUR
  • 13.01.2063-31.12.2065 1.067,50 EUR
  • 01.01.2065-31.12.2067 838,75 EUR

4.  Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5.  Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

6.  Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Gegenstand der Klage sind Ansprüche auf Ersatz von Haushaltsführungsschäden ab dem 01.07.2010 auf Grundlage einer rechtskräftigen Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten in einem Vorprozess.

Hobby-Tierhaltung: Ersatzfähiger Haushaltsführungsschaden
Ein Arzt wird wegen eines Behandlungsfehlers zu einer hohen Entschädigung und einer lebenslangen Rente für das Opfer verurteilt. (Symbolfoto: hedgehog94/Shutterstock.com)

Die am 00.01.1986 geborene Klägerin ist am 21.07.2008 von dem Beklagten am linken Ellenbogen operiert worden; hierbei kam es zu einer behandlungsfehlerbedingten Läsion des Nervus ulnaris. Infolge der Läsion erlitt die Klägerin Einschränkungen in Form von in ihrem Umfang streitigen Kraft- und Gefühlsminderungen im Bereich der linken Hand; vor der Operation war die Klägerin ausschließliche Linkshänderin.

In einem diesem Verfahren vorangegangenen Prozess hat die Klägerin mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Köln vom 23.07.2013 – 3 O 176/10 einen Feststellungsausspruch erwirkt, nach welchem der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle weiteren vergangenen und künftigen materiellen Schäden zu ersetzen, die ihr infolge der fehlerhaften Behandlung vom 21.07.2008 entstanden sind oder noch entstehen werden. Ferner hat das Landgericht den Beklagten unter Zugrundelegung einer Einschränkung der Klägerin in der Haushaltsführung von 50 % zum Ersatz von Haushaltsführungsschäden für den Zeitraum vom 21.07.2008 bis zum 30.06.2010 in Höhe von 14.627,12 EUR verurteilt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe der Entscheidung des Landgerichts Köln vom 23.07.2013 – 3 O 176/10 Bezug genommen.

Die Klägerin ist Mutter von vier Kindern: C, geb. am 21.10.2005, N, geb. am 16.10.2007, D, geb. am 22.06.2011 und F, geb. am 13.08.2015. Am 01.07.2010 lebte sie mit ihren damals zwei Kindern und deren Vater; nach der Trennung von diesem ab Mitte 2012 mit ihren drei, später vier Kindern und ihrem zweiten Ehemann, geb. am 12.02.1981 und selbstständig berufstätig, sowie zwei – nach der Behandlung durch den Beklagten angeschafften – Hunden in einem Haushalt.

Die Parteien haben vorgerichtlich ausführlich durch ihre Prozessbevollmächtigten über die hier gegenständlichen Ansprüche korrespondiert; im Rahmen der vorgerichtlichen Regulierungsbemühungen zahlte die Beklagte am 23.01.2014 und am 14.10.2014 jeweils einen Betrag von 10.000,00 EUR und am 22.06.2016 einen Betrag von 5.345,00 EUR.

Die Klägerin behauptet, der ihr infolge der fehlerhaften Behandlung des Beklagten am 21.07.2008 entstandene Haushaltsführungsschaden ab dem 01.07.2010 sei durch die vorgerichtlichen Zahlungen nicht abgegolten; die Einschränkungen und der Umfang des Haushalts der Klägerin, welcher sich seit 2010 zu einem Sechspersonenhaushalt mit Haustieren entwickelte, rechtfertigten unter Zugrundelegung der jeweils anwendbaren Entgelttarife vielmehr deutlich höhere Schadenssummen.

Nachdem die Klägerin ihre Ersatzansprüche in Bezug auf die Haushaltsführung zunächst ausschließlich auf der Grundlage des von ihr eingeholten Privatgutachtens beziffert hatte, hat sie die am 29.06.2016 zugestellte Klage mit am 20.11.2019 zugestellten Schriftsatz vom 13.11.2019 erweitert. Sie macht nunmehr – teils auf rechnerischer Grundlage des gerichtlich eingeholten Schätzgutachtens, teils auf Grundlage eines Privatgutachtens – vergangene Schäden für den Zeitraum vom 01.07.2010 bis zum 31.12.2019 sowie eine laufende Geldrente ab dem 01.01.2020 geltend.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

1.  den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 134.149,21 EUR zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz, aus 18.135,00 EUR seit dem 21.09.2013, aus 34.668,69 EUR seit dem 11.09.2014, aus 18.069,21 EUR seit Rechtshängigkeit der Klageschrift vom 22.06.2016, aus restlichen 63.276,25 EUR seit Rechtshängigkeit der Klageerweiterung vom 13.11.2019, abzüglich am 23.01.2014 gezahlter 10.000,00 EUR, abzüglich am 14.10.2014 gezahlter 10.000,00 EUR sowie abzüglich am 22.06.2016 gezahlter 5.345,00 EUR, verbleiben mithin 108.804,21 EUR;

2.  den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin die ihr entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von insgesamt 3.398,64 EUR zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz;

3.  den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin ab dem 01.01.2020 eine vierteljährlich im Voraus zu zahlende monatliche Rente in Höhe von 860,00 EUR, pro Quartal mithin 2.580,00 EUR, jeweils im Voraus zum 01.01., 01.04., 01.07. und 01.10. eines jeden Jahres lebenslang zu zahlen, Rückstände zu verzinsen mit 5%-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit.

Der Beklagte beantragt,   die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bestreitet den Umfang der behaupteten Einschränkungen und hält die errechneten Summen für unzutreffend. Er rügt die Schadensberechnung der Klägerin, insbesondere die medizinischen und weiteren Schätzgrundlagen des gerichtlichen Sachverständigen G , die sie sich zu eigen macht, umfassend. Insbesondere verweist er darauf, dass der Sachverständige nicht nur von einer falschen, da undifferenziert aus dem medizinischen Gutachten entnommenen, prozentualen Einschränkung in der Haushaltsführung ausgehe; die Grundlagen seiner Schätzung seien zudem auch dahingehend unzutreffend, dass die Versorgung der nach dem Schadensereignis angeschafften Hunde im Rahmen der Schadensberechnung nicht zu berücksichtigen und der für die Zubereitung von Mahlzeiten, dem wöchentlichen Einkaufen und der Kinderbetreuung jeweils angesetzte Zeitaufwand überhöht seien. Schließlich habe der Sachverständige neben einigen Rechenfehlern auch die Entgelthöhe falsch berechnet, zumal er hierzu nicht beauftragt gewesen sei.

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Die Kammer hat Beweis erhoben gemäß der Beweisbeschlüsse vom 07.02.2017 und vom 11.01.2018 durch Einholung von schriftlichen Gutachten der gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof. Dr. T vom 12.08.2017 und Herrn G vom 07.10.2019, welches dieser nebst einer schriftlichen Handreichung vom 03.08.2020 in der mündlichen Verhandlung am 04.08.2020 mündlich erläutert und ergänzt hat. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Gutachten ebenso wie auf die Sitzungsniederschrift vom 04.08.2020 Bezug genommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitig zur Akte gereichten Schriftsätze und die weitere Sitzungsniederschrift vom 07.02.2017 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat überwiegend Erfolg.

Die ausgeurteilten Ansprüche stehen der Klägerin nach §§ 280 Abs. 1, 630a, 253 BGB zu; die Haftung des Beklagten ist dem Grunde nach durch das Urteil des Landgerichts Köln vom 23.07.2013 – 3 O 170/10 zwischen den Parteien rechtskräftig festgestellt.

Hinsichtlich der Haftung der Höhe nach ist die Kammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass die Schäden der Klägerin in der Haushaltsführung von dem Beklagten in dem austenorierten Umfang zu ersetzen sind.

1.

Grundlegend für die Schätzung der Haushaltsführungsschäden sind zunächst die medizinischen Feststellungen des neurologischen Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. T , der folgende Feststellungen getroffen hat:

Nachdem bei der Klägerin zunächst eine erhebliche Nervschädigung mit entsprechend umfangreichen funktionellen Einschränkungen zu verzeichnen gewesen sei, zeigten die Verlaufskontrollen eine gute Rückbildungstendenz. So sei ab 2012 in medizinisch nachvollziehbarer Weise nur noch ein geringer Schwund der von dem Nerv versorgten Muskulatur und ein Kraftgrad von 4/5 mit einer Hypästhesie festgestellt worden. Da auch in 2014 noch deutliche Veränderungen im sensiblen Ast des Nervs dokumentiert seien, welche aufgrund des Zeitablaufs als residuell ohne wesentliche Aussicht auf Besserung zu bewerten werden könnten, sei aus medizinischer Sicht davon auszugehen, dass im Februar 2009 eine Einschränkung von 50 % vorgelegen habe. Diese habe hiernach zunächst in ihrer Stärke abgenommen, jedenfalls seit August 2012 seien allerdings keine Veränderungen der Einschränkungen mehr feststellbar. Spätestens ab diesem Zeitpunkt sei daher davon auszugehen, dass bei der Klägerin eine dauerhafte Beeinträchtigung des Greifvorganges der linken Hand in Form in Höhe einer Gliedertaxe von 25 % vorliege; diese sei Folge der am 21.07.2008 von dem Beklagten durchgeführten Operation am linken Ellenbogen.

Der uneingeschränkten Zugrundelegung der vorstehenden gutachterlichen Feststellungen im Rahmen der Schätzung des geltend gemachten Haushaltsführungsschadens steht nach der Überzeugung der Kammer nichts entgegen. Hierbei hat sie berücksichtigt, dass die fachliche Kompetenz des Sachverständigen Prof. Dr. T als Leiter der neurologischen Abteilung des Universitätsklinikums E unter keinem Gesichtspunkt in Zweifel gezogen werden kann und von den Parteien auch nicht angegriffen wird. Der Sachverständige bezieht seine Fachkunde nicht nur aus seiner langjährigen Tätigkeit als Neurologe, er ist zusätzlich als Gerichtsgutachter tätig. Der Sachverständige hat die Grundlagen seiner Erkenntnisse, insbesondere die von ihm eingesehenen vollständigen ärztlichen Behandlungsunterlagen, durchgängig kenntlich gemacht und im Einzelnen verdeutlicht, aus welchem Grund die vorhandenen Anknüpfungstatsachen zu den gefundenen Ergebnissen geführt haben. Mängel der Begutachtung sind hiernach nicht erkennbar, so dass die gutachterlichen Ausführungen der Schadensschätzung in vollem Umfang zugrunde gelegt werden konnten.

2.

Auf Grundlage der medizinischen Feststellungen hat der gerichtlich bestellte Sachverständige G in seinem Schätzgutachten den Haushaltsführungsschaden der Klägerin in dem Zeitraum vom 01.07.2010 bis zum 31.12.2019 wie folgt beziffert:

………

Gesamt 134.149,07 EUR

Zur Begründung hat der Sachverständige wie folgt ausgeführt:

a)

Die Ausfallstunden seien zu ermitteln, indem zunächst der gesamten Zeitaufwand der Klägerin im Rahmen der Haushaltsführung festgestellt und sodann von diesen ausgehend die Ausfallzeiten anhand der behandlungsfehlerbedingten Minderung der Klägerin in der Haushaltsführung in Höhe von 25 % zu berechnen seien.

(1)

Der gesamte klägerische Zeitaufwand ergebe sich unter Zugrundelegung der in dem Gutachten dokumentierten Erkenntnisse aus der Besichtigung des Haushalts der Klägerin durch den Sachverständigen am 15.03.2019 sowie unter Berücksichtigung der Grundsätze der Schadensberechnung aus einschlägiger Literatur und Statistiken wie folgt:

Die Raumpflege des klägerischen Haushalts entspreche hinsichtlich der Wohnfläche der Anspruchsstufe I (geringe Ansprüche), da die Fläche in Relation zu der Anzahl der im Haushalt lebenden Personen nur bei etwa 75 % der durchschnittlichen Wohnfläche liege. Allerdings führe die Beengung zu einer hohen Belegungsdichte mit Oberflächen und sei auch der Schmutzanfall aufgrund der Bewohnung mit vier Kindern und zwei Hunden  vergleichsweise hoch, sodass sich für die Reinigungsbedürftigkeit die Anspruchsstufe IV (hohe Ansprüche) ergebe. Der erzielte Reinigungserfolg sei gut und mit der Stufe III (gehobene Ansprüche) zu bewerten. Unter angemessener Gewichtung der Bestandteile entsprechend ihrer Bedeutung – Wohnfläche einfach, Reinigungserfolg zweifach und Reinigungsbedürftigkeit dreifach – ergebe sich für die Raumpflege im Ergebnis die Anspruchsstufe 3,17.

Das Anspruchsniveau der Küchenarbeit sei mit der Stufe IV zu bewerten; die Zubereitung der Mahlzeiten sei aufwendig gestaltet und die knappen Platzverhältnisse in der Küche erforderten zudem ein erhebliches Maß an Organisationsgeschick.

Die Wäscheversorgung sei mit der Anspruchsstufe II (durchschnittlich) zu bewerten; hier stehe eine rationelle Arbeitsweise im Vordergrund und der Haushaltsraum sei zwar beengt, dies erschwere die Arbeit jedoch nur in geringem Maße.

Darüber hinaus seien Haushaltsführungstätigkeiten im Bereich Gartenarbeit, Einkauf, Wartungs- und Reparaturarbeiten, Fahrzeugpflege sowie Organisation und Verwaltung zu berücksichtigen; insgesamt ergebe sich ein Gesamtaufwand für die einzelnen Zeiträume entsprechend Tabellen 2 bis 7 des Gutachtens; auf Bl. 511 ff. d.A. wird Bezug genommen.

Hinzuzurechnen sei der Betreuungsaufwand für die Kinder; für diesen sei hinsichtlich der einzelnen Zeiträume nach einer Einzelfallbetrachtung unter Berücksichtigung des jeweiligen Alters der Kinder ein zeitlicher Aufwand entsprechend der Tabellen 9 bis 22 des Gutachtens (Bl. 528 ff. d.A.) zu berücksichtigen.

Zur Feststellung des auf die Klägerin entfallenen Haushaltsführungsaufwands sei schließlich zu berücksichtigen, dass diese den Sechspersonenhaushalt zwar hauptsächlich alleine führe; sie sei nicht in einem Erwerbsberuf tätig, was bei einem Haushalt mit vier Kindern ohne Hilfspersonal auch kaum vorstellbar sei. Ihr Ehemann, zwar selbstständig tätig mit entsprechend hoher Arbeitsbelastung, sei jedoch – auch für die drei Kinder, die nicht von ihm stammen – eine Unterstützung der Klägerin im Haushalt, dies insbesondere bei schwereren Tätigkeiten wie der Gartenarbeit oder den Haushaltseinkauf. Unterstützend seien bei abnehmender Versorgungsbedürftigkeit mit zunehmendem Alter zudem auch ihre Kinder zu berücksichtigen.

Unter Berücksichtigung der Entlastung der Klägerin durch ihren Mann und ihre Kinder komme man in den einzelnen Zeiträumen zu einem bereinigten Gesamtzeitaufwand der Klägerin in der Haushaltsführung entsprechend der Tabelle 22 (Bl. 548 f. d.A.).

(2)

Die behandlungsfehlerbedingte Minderung der Klägerin in der Haushaltsführung sei unter Berücksichtigung des medizinischen Gutachtens von Prof. Dr. T im Minimum mit einer Höhe von 25 % zu bewerten; der Schaden äußere sich darin, dass die Klägerin aufgrund ihrer Behinderung einen im Durchschnitt um mindestens 25 % erhöhten Zeitaufwand bei den Haushaltstätigkeiten habe.

Diese 25 % folgten zwar nicht unmittelbar aus der seitens des medizinischen Sachverständigen festgestellten Beeinträchtigung des Greifvorganges der linken Hand der Klägerin in Form einer Invalidität in Höhe einer Gliedertaxe von 25 %. Vielmehr seien die Auswirkungen der festgestellten Einschränkungen im Rahmen der Haushaltsführung unter Berücksichtigung der dortigen Anforderungen zu bewerten; dies mit dem Ergebnis, dass es zwar bei gröberen Arbeiten wie dem Befüllen der Waschmaschine oder dem Einräumen des Kühlschranks sowie Tätigkeiten der Kinderbetreuung wie beispielsweise die Hausaufgabenbetreuung oder das Zu-Bett-Bringen nur leichte Einschränkungen gebe. Indes seien eine ganze Reihe von typischen Haushaltsarbeiten aufgrund ihrer Kleinteiligkeit und dem notwendigen feinmotorischen Geschick sowie dem entscheidenden Zusammenwirken gerade beider Hände in erheblichem Maße betroffen, so insbesondere alle Schneidarbeiten im Rahmen der Küchenarbeit, Näh- und Bügelarbeiten und das Reinigen empfindlicher oder kleindimensionierter Gegenstände. Unter Berücksichtigung der jeweiligen Einschränkungen sei in der Gesamtschau daher jedenfalls von einer (gesundheits-)schadenbedingten Einschränkung der Klägerin in der Fähigkeit zur Haushaltsführung in Höhe von 25 % auszugehen.

Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen sei ein Haushaltsführungsschaden in Gestalt eines Mehraufwands in Höhe der o.g. Ausfallstunden festzustellen; wegen der Berechnung der Ausfallstunden im Einzelnen wird auf Tabelle 23 des Gutachtens (Bl. 552 f. d.A.) Bezug genommen.

b)

Die gestaffelte Entgelthöhe entspreche dem Nettowert, der auf jede tatsächlich geleistete Arbeitsstunde entfalle. Hierbei handele es sich nicht um den Netto-Stundenlohn einer fiktiven Haushaltshilfe, sondern vielmehr um den – im Rahmen einer Schadensschätzung zu bestimmenden – Geldwert einer von dieser fiktiv geleisteten Arbeitsstunde.

Dies ergebe sich aus der Erwägung, dass zwar im Ausgangspunkt auf eine geeignete Schätzgrundlage in Form von durchschnittlichen bzw. tariflichen Entgelten abzustellen sei, diese jedoch in mehrfacher Hinsicht bereinigt werden müsste.

So sei es zunächst unzureichend, bei einem Haushaltsführungsschadens, der einer Vollzeittätigkeit entspricht, auf das Entgelt einer Vollzeitkraft abzustellen. Denn eine Vollzeitkraft arbeite aufgrund von Urlaubsansprüchen und gesetzlicher Feiertage tatsächlich nicht die – beispielsweise tariflich – festgelegte Stundenanzahl, sondern tatsächlich nur etwa 80 % von dieser Zeit. Die Berechnung des Ersatzanspruches bei einem schadenbedingten Ausfall von 39 Stunden pro Woche dürfe sich daher nicht auf den Nettolohn für 39 Wochenarbeitsstunden beschränken, sondern müsse vielmehr durch Berücksichtigung eines entsprechenden Aufschlags den tatsächlichen Geldwert einer Arbeitsstunde abbilden.

Darüber hinaus sei es – sozusagen doppelt – falsch, dem Geschädigten zu seinen Lasten einen Jahresurlaub sowie Wochenend- oder Feiertage im Rahmen der Haushaltsführung zuzubilligen. Zwar möge es zutreffen, dass man auch bei Haushaltstätigkeiten am Wochenende und im Urlaub auch mal entspanne, dies allerdings nicht ohne Mehrbelastung. Dies gelte zum einen für die übrigen Zeiträume unter der Woche bzw. vor und nach dem Urlaub, zum anderen aber auch für die Zeiten selbst, in denen es beispielsweise während der Schulferien solange zu einem nicht unerheblichen Mehraufwand komme, solange noch betreuungsbedürftige Kinder im Haushalt lebten.

Mit Bezug auf den klägerischen Haushalt ergebe sich Folgendes:

Grundlage sei zunächst der Bedarf des konkreten Haushalts, sodass eine sachgerechte Schätzung auch die Tätigkeiten im Einzelnen zu bewerten habe; bei dem klägerischen Haushalt seien die konkreten Tätigkeiten zu 25 % einer Haushaltshilfe, zu weiteren 25 % einer Hauswirtschaftsfachkraft sowie zu 50 % einem Haus- und Familienpfleger zuzuordnen. Anhand der Erhebungen des statistischen Bundesamts für die jeweilige Verdienststruktur im bundesweiten Durchschnitt errechne sich unter Berücksichtigung des Lohnniveaus in Nordrhein-Westfalen sowie der örtlich bedingten Unterschiede zwischen ländlichem und – wie bei der Klägerin – städtischem Raum der im Ausgangspunkt zugrunde zu legende Brutto-Vollzeitlohn; hinsichtlich der Ergebnisse wird auf die Tabellen 24 bis 28 des Gutachtens (Bl. 555 ff. d.A.) verwiesen.

Dieser Bruttolohn sei zunächst – wie oben dargestellt – um einen Aufschlag für die tatsächlich nicht geleisteten Arbeitsstunden einer fiktiven Haushaltshilfe aufgrund von Urlaubs- und Feiertagsansprüchen (Tabelle 29, Bl. 560 d.A.) und sodann um einen Abzug für den auf Steuern und Sozialabgaben entfallenden Teil auf den Nettolohn zu bereinigen, wobei hinsichtlich Letzterem auf den Durchschnitt zwischen günstigster und ungünstigster steuerlicher Situation abgestellt werde (vgl. Bl. 560 f. d.A.).

Schließlich seien zur Bestimmung der nach einzelnen Zeiträumen zu staffelnden Werte die Erhebungen des Statistischen Bundesamts zur Lohnentwicklung heranzuziehen und der nach den obigen Ausführungen hergeleitete Nettowert einer Vollzeitkraft ausgehend von dem – insoweit zufällig ausgewählten – Jahr 2014 entsprechend der Lohnentwicklung anzupassen (vgl. Tabelle 30 des Gutachtens, Bl. 561 f.).

Nach Herunterbrechen der Nettowerte für eine Vollzeitunterstützung auf die Werte einer Arbeitsstunde ergibt sich unter Zugrundelegung der unter 1.a) ermittelten Ausfallstunden ein Schaden entsprechend der eingangs unter 1. dargestellten Tabelle; diese Tabelle entspricht Tabelle 31 des Gutachtens (Bl. 563 d.A.) mit einer geringfügigen Änderung für das Jahr 2015 (Ausfallstunden 927,02 h statt 927,03 h; Übertragungsfehler, vgl. Bl. 552).

c)

Diesen Feststellungen in Form einer überzeugenden, da insbesondere nachvollziehbar und ausgesprochen ausdifferenziert begründeten Schätzung, schließt sich die Kammer im Rahmen ihres eigenen Schätzermessens nach § 287 ZPO vollumfänglich an.

Hierbei hat sie zunächst berücksichtigt, dass die fachliche (Schätz-)Kompetenz des von der IHK München und Oberbayern für Haushaltsführungsschäden öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger unter keinem Gesichtspunkt in Zweifel gezogen werden kann und von den Parteien auch nicht angegriffen wird. Der Sachverständige ist selbst Jurist und bezieht seine Fachkunde nicht nur aus seiner langjährigen Tätigkeit als Rechtsanwalt für Personenschäden, als öffentlich bestellter Sachverständiger verfügt er zudem über besonders fundierte Spezialkenntnisse der tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der Schätzung von Haushaltsführungsschäden, einschließlich einschlägiger Literatur und Rechtsprechung. Der Sachverständige hat seine Feststellungen in der mündlichen Verhandlung am 04.08.2020 überzeugend und nachvollziehbar zu erläutern vermocht und hierbei alle an ihn gerichteten Rückfragen erschöpfend und präzise beantworten können. Die Grundlagen seiner Erkenntnisse, insbesondere die Ergebnisse des medizinischen Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. T , die differenziert nachvollzogene Entwicklung des klägerischen Haushalts und die im Rahmen der Besichtigung des klägerischen Haushalts am 15.03.2019 festgestellten Einzelheiten der Haushaltsführung hat er durchgängig kenntlich gemacht und im Einzelnen verdeutlicht, aus welchem Grund die vorhandenen Anknüpfungstatsachen zu den gefundenen Ergebnissen geführt haben. Mängel der Begutachtung sind hiernach unter keinem Aspekt erkennbar, so dass die Kammer die gutachterlichen Ausführungen im Rahmen ihres Schätzermessens der Entscheidung vollumfänglich zugrunde legen konnte.

Die Kammer sieht auch angesichts der Einwendungen des Beklagten keinen Anlass, im Rahmen des ihr nach § 287 ZPO zustehenden Ermessens eine Schätzung auch nur in einzelnen Punkten abweichend zu den vorstehenden Feststellungen vorzunehmen.

Denn die Schätzgrundlagen der sachverständigen Feststellungen als solche begegnen ebenso wie die aus diesen gezogenen Schlüsse auf den Umfang des hieraus resultierenden Schadens in der Haushaltsführung der Klägerin keinen vernünftigen Zweifeln. Dies gilt insbesondere auch für die Zugrundelegung und die gezogenen Rückschlüsse aus dem neurologischen Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. T vom 12.08.2017, den Erkenntnissen und Schlüssen aus der Besichtigung des klägerischen Haushalts am 15.03.2019 sowie schließlich auch – uneingeschränkt – für die Berechnungsgrundlagen in Form der zugrunde gelegten Entgeltwerte.

(1)

Die Zugrundelegung einer Einschränkung in der Haushaltsführung in Höhe von 25 % ist nach Auffassung der Kammer nicht zu beanstanden; die Ausführungen überzeugen. So ist es zwar zutreffend, dass wie die Beklagte vorbringt, bestimmte Haushaltstätigkeiten durch den behandlungsfehlerbedingten Gesundheitsschaden kaum beeinträchtigt werden. Dies hat der Sachverständige indes berücksichtigt sowie – auch insoweit überzeugend – daneben die über 25 % hinausgehenden Beeinträchtigungen im Rahmen anderer Haushaltstätigkeiten einbezogen. So beispielsweise Schnittarbeiten in der Küche, in deren Rahmen man zwingend mit beiden Händen greifen muss, zum einen das Schnittwerkzeug und zum anderen das Schnittgut. Lässt sich entweder das Schnittwerkzeug nicht sicher führen oder das Schnittgut nicht sicher halten, hat dies zwingend auch Auswirkungen auf die Sicherheit des jeweils anderen Vorgangs, sodass zur Kompensation der Unsicherheiten insgesamt ein Zeitaufwand von mehr als 25 % nötig ist. Es liegt sogar nahe, dass dieser bei besonders feinmotorischen Tätigkeiten wie dem Nähen in der Nähe des Doppelten angesiedelt ist, weil dem Greifvorgang und seiner Präzision entscheidender Bedeutung im Rahmen der Haushaltsarbeit zukommt. Dies verkennt der Beklagte, wenn er einwendet, dass eine Einschränkung des Greifvorgangs in Höhe von 25 % nicht zu einer gleichlaufenden, sondern geringeren Einschränkung in der Haushaltsführung führe; das Gegenteil ist nach Auffassung der Kammer der Fall.

(2)

Auch die Einwände des Beklagten gegen die Erkenntnisse und Schlüsse des Sachverständigen aus der Haushaltsbesichtigung am 15.03.2019 sind nicht begründet.

Den zugrunde gelegten Zeitaufwand für die Zubereitung von Mahlzeiten, das wöchentliche Einkaufen und die Kinderbetreuung hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung am 04.08.2020 unter Berufung auf die in einschlägigen Literaturwerken – insbesondere bei Pardey, Der Haushaltsführungsschaden, 9. Auflage 2018 – vorgeschlagenen Werte überzeugend begründet, indem er darauf verwiesen hat, dass bei der Mahlzeitenzubereitung nicht nur die reine Kochzeit, sondern auch die auf Reinigung von Koch- und Essutensilien entfallene Zeit zu berücksichtigen sei. Ferner sei die nach Beklagtenauffassung schadensmindernd zu berücksichtigende Schulspeisung zum einen nur an der Hälfte der Tage im Jahr vorgesehen und zum anderen auch nur für diejenigen Kinder, die tatsächlich zur Schule gingen, wobei bei den kleineren Kindern darüber hinaus noch weitere (Zwischen-)Mahlzeiten zuzubereiten seien. Schließlich sei die Tatsache der Mithilfe des Ehemanns bei den Einkäufen entgegen der Auffassung des Beklagten tatsächlich berücksichtigt; er sei anhand der Angaben der Eheleute davon ausgegangen, dass der Ehemann einen Großteil der Einkäufe erledigt oder die Klägerin begleitet und habe – was zutrifft – die Stunden nach Hinzukommen des zweiten Ehemanns im Jahr 2012 reduziert.

Die Kammer folgt dem Sachverständigen auch, soweit er unter Nichtberücksichtigung der hobbymäßigen Beschäftigungen wie Spazierengehen oder Schmusen den mit der Hundehaltung einhergehenden Fütterungsaufwand und zusätzlichen Reinigungsaufwand bei der Schadensschätzung berücksichtigt.

Hierbei folgt das Gericht ausdrücklich nicht der Ansicht des OLG Hamm, Urteil vom 15.02.2019 – 11 U 136/16, nach welcher eine nach dem schädigenden Ereignis begonnene hobbymäßige Tierhaltung unter keinem Gesichtspunkt ein ersatzfähiger Haushaltsführungsschaden sei, da diese hobbymäßigen Einschränkungen schon über das Schmerzensgeld berücksichtigt würden. Diese Ansicht ist nach dem Dafürhalten der Kammer allerdings undifferenziert, da sie nicht zwischen Arbeitsaufwand und reinem Hobbyaufwand unterscheidet. Zudem überspannt sie die Anforderungen an die Bemessung des Schmerzensgeldes, denn sie hat zur Konsequenz, dass bei seiner Bemessung nunmehr alle möglichen Einschränkungen Berücksichtigung finden müssen und gerade nicht nur die – wie allgemein anerkannt – zum Bemessungszeitpunkt vorhersehbaren Einschränkungen. Hierdurch würde der Geschädigte wirtschaftlichen Einschränkungen in seiner zum Zeitpunkt der Schmerzensgeldbemessung noch nicht vorhersehbaren Lebensgestaltung unterliegen, kann jedoch den hierauf entfallenden materiellen Schaden trotz des Beruhens auf dem schädigenden Ereignis nicht ersetzt verlangen. Nach Auffassung der Kammer macht es demnach keinen Unterschied, ob die Hunde vor oder nach dem Schadenereignis angeschafft wurden, ihr reiner Haushaltsaufwand ist uneingeschränkt als materieller Schaden ersatzfähig, nicht hingegen die hobbymäßigen Einschränkungen, welche auch nach der hiesigen Auffassung nur über das einheitlich zu bemessende Schmerzensgeld berücksichtigungsfähig sind. Etwas anderes mag zwar ausnahmsweise dann gelten, wenn der Schaden über den Schutzzweck der Norm hinausgeht, beispielsweise wenn das Hobby oder sein Umfang erheblich über das normale Maß hinausgeht, bei der Haltung von zwei Hunden in einem Sechspersonenhaushalt ist dem indes nicht so.

(3)

Ein Abzug für den Jahresurlaub ist nach dem Dafürhalten des Gerichts nicht veranlasst. Den sachverständigen Ausführungen ist auch insoweit zu folgen, denn während des Urlaubs (bzw. umso intensiver unmittelbar zuvor sowie danach) fallen Haushaltstätigkeiten ebenso an bzw. werden diese gegen ein Entgelt an Dritte abgegeben.

Hier kommt letztlich eine grundsätzliche Herangehensweise des Sachverständigen zum Tragen, nämlich dass bei der Berechnung eines Haushaltsführungsschadens richtigerweise nicht auf eine fiktive Vergütung des Geschädigten, sondern auf den tatsächlichen Vermögenswert der  schadenbedingten Ausfallstunden abzustellen ist.

Aus dem vorstehenden Grund sieht die Kammer auch keinen Anlass, den Ausführungen des Sachverständigen zur Berechnung der Nettowerte des Haushaltsführungsschadens nicht zu folgen. Dies gilt sowohl für die Entgelthöhe, die insoweit ein missverständlicher Begriff ist, als auch für deren gestaffelte Entwicklung.

Es ist zunächst anerkannt, dass sich ein Tarifgehalt insbesondere bei – wie hier – Dauerschäden als Schätzgrundlage eignet, da in einem solchen Fall ggf. eine dauerhafte Anstellung einer Haushaltsgehilfin erforderlich wird (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 19.11.2012 – 19 U 125/12, Rn. 6). Das Tarifgehalt einer angestellten Vollzeitkraft ist allerdings entsprechend der zutreffenden Überlegungen des Sachverständigen nicht identisch mit  dem – zu schätzenden – wirtschaftlichen Schaden des Geschädigten bei einem Ausfallschaden im Rahmen der Haushaltsführung in Höhe von 40 bzw. 39 Stunden pro Monat. Vielmehr ist es sachgerecht, bei der Schätzung nach § 287 ZPO auf den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der erlittenen Vermögenseinbuße abzustellen mit der Folge, dass diejenige Diskrepanz zu berücksichtigen ist, die durch Urlaubsansprüche und Feiertage einer fiktiv angestellten Haushaltshilfe bedingt sind. Hierdurch ist der Wert einer Wochenarbeitsstunde mittels eines Aufschlags höher zu schätzen als das monatliche Durchschnitts- bzw. Tarifgehalt einer Haushaltshilfe.

Darüber hinaus sieht das Gericht mit dem Sachverständigen auch die Notwendigkeit, die zugrunde zu legenden fiktiven Entgelte im Rahmen des Schätzermessens nicht statisch, sondern dynamisch zu definieren. Denn die Entwicklung des wirtschaftlichen Werts ist bei Dauerschäden eine sachgerechte Schätzgrundlage und die grundsätzlich legitime und zum Zwecke einer einheitlichen Rechtsprechung wünschenswerte Orientierung der Gerichte untereinander darf nicht dazu führen, dass eigentlich dynamische Größen wie die eines fiktiven Entgeltwerts langfristig stagnieren. Insoweit weist die Kammer auch darauf hin, dass die Rechtsprechung zu der Schätzung von Haushaltsführungsschäden im Sinne einer gefestigten Rechtsprechung hinter der Lohnentwicklung zwingend zurückbleiben muss und ein höherer Entgeltwert wenn überhaupt nur sehr zögerlich zugesprochen wird. So hat beispielsweise das Oberlandesgericht Celle in seiner Entscheidung Beschluss vom 02.11.2015 – 1 W 14/15 zur Begründung eines Stundensatzes von 8,00 EUR ausdrücklich auf seine bisherige Rechtsprechung verwiesen, hierunter sein Urteil vom 18.09.2013, 14 U 167/12, dessen Gegenstand ein Haushaltsführungsschaden beginnend in den 1990ern Jahren war (vgl. dortige Tz. 105, zitiert nach juris). Andererseits gibt es durchaus Tendenzen, die Entgeltwerte dynamisch mit entsprechenden Aufschlägen zu berücksichtigen und eine „Änderung“ der Rechtsprechung in diesem Sinne zuzulassen (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 25.07.2013 – 4 U 244/12 oder OLG Köln, Beschluss vom 19.11.2012 – 19 U 125/12). Letztendlich ist das Schätzermessen des Gerichts im Rahmen von § 287 ZPO weit und einer Überprüfung nicht uneingeschränkt zugänglich. Eine pauschale Anwendung eines bestimmten Stundensatzes unabhängig von den wirtschaftlichen Umständen in dem jeweiligen Zeitraums wird der Schätzung eines relativen wirtschaftlichen Wertes nach Auffassung der Kammer jedoch nicht gerecht, da als weitere Schätzgrundlage auch auf die für den wirtschaftlichen Wert entscheidende Lohnentwicklung abzustellen sein dürfte. Denn wenn schon der Mindestlohn innerhalb von fünf Jahren von 8,50 EUR in 2015 auf 9,35 EUR in 2020 eine – langsam angelaufene – Steigerung von insgesamt 10 % erfahren hat, dürfte auch der wirtschaftliche Wert der Vermögenseinbuße Haushaltsführungsschaden nicht ohne Veränderung geblieben sein.

Auch soweit der Beklagte schließlich einwendet, dass der Gutachter nach der Entgelthöhe  nicht gefragt wurde, greifen diese Bedenken nicht. Denn der Sachverständige wurde mit der wertmäßigen Bestimmung des konkret bei der Klägerin eingetretenen Haushaltsführungsschadens durch Schätzung beauftragt und eine solche geht mit der Festlegung einer bestimmten Entgelthöhe als Schätzwert einher. Die Kammer beabsichtigte auch gerade, dass der Sachverständige die von ihm festgestellten Einbußen wertmäßig beziffert – und selbst wenn der Entgeltwert ein „Zufallsprodukt“ der Begutachtung darstellen würde, wäre die Kammer im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens nicht daran gehindert, diesen ihrer Schätzung zugrunde zu legen.

3.

Hinsichtlich des Wertes der voraussichtlichen Ausfallstunden ab dem 01.01.2020 kommt das Ergänzungsgutachten des gerichtlichen Sachverständigen vom 03.08.2020 unter Zugrundelegung eines Nettowerts von 15,25 EUR zu nachfolgenden Ergebnissen, welche den der Spalte „Korrektur“ zu entnehmenden Veränderungen unterliegen; die ausgewiesenen Schadenshöhen hat die Kammer zur Tenorierung des geltend gemachten Anspruchs auf eine quartalsweise zu zahlende Geldrente unter Berücksichtigung der Korrekturen sowie ihrer Bindung nach § 308 ZPO anhand des Nettowerts von 15,25 EUR berechnet.

………….

Hinsichtlich der Begründung der Korrekturen wird auf die zahlenmäßige Darstellung unter Ziffer 1. und 2. des Beschlusses vom 28.09.2020 (Bl. 748 ff. d.A.) verwiesen; soweit korrigierte Stunden in Klammern stehen, erfolgte die Korrektur in zwei Schritten sowohl nach Ziffer 1. als auch Ziffer 2. des Beschlusses in der natürlichen Reihenfolge. Über die berücksichtigten Einwände hinausgehende Rügen des Beklagten gegen die Schätzung und ihre Grundlagen sind bereits weiter oben erschöpfend behandelt worden.

Soweit der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten zu dem Zeitraum ab dem 78. Lebensjahr der Klägerin keine Stellung bezieht, war für den Zeitraum bis zum Jahr 2067, in welchem die Klägerin nach den gutachterlichen Feststellungen zur Statistik voraussichtlich pflegebedürftig sein wird – weshalb nach diesem Zeitpunkt ein Haushaltsführungsschaden nicht mehr zuzuerkennen war -, eine eigene Schätzung vorzunehmen. Diese geht von dem bis zum 78. Lebensjahr festgestellten Schaden aus und orientiert sich im Folgenden an einer zunehmenden altersbedingten Minderung in der Haushaltsführung, die dem Beklagten mangels Ursächlichkeit seiner Behandlungsfehler nicht zurechenbar ist. Zu dem plötzlichen Anstieg der Ausfallstunden im Jahr 2058 sei ergänzend bemerkt, dass zu diesem Zeitpunkt statistisch mit dem Versterben des Ehemanns zu rechnen ist, sodass seine Unterstützung in der Haushaltsarbeit voraussichtlich wegfällt.

Etwaige Veränderungen im Rahmen dieser voraussichtlichen Entwicklungen seien einem Vorgehen der Parteien nach § 323 ZPO vorbehalten, dies gilt im Übrigen auch für den zukünftigen Entgeltwert. Zwar war die Lohnentwicklung in der Vergangenheit einer stetigen Steigerung unterworfen, dies ist jedoch für die Zukunft allerdings mit Blick auf die seitens der Wirtschaftsexperten als Folge der Coronakrise prophezeite Rezession sowie die Zuwanderung von Arbeitskräften aus dem Ausland mit geringerem Lohnniveau gerade im Bereich von Pflege und Haushaltshilfe nicht mit dem erforderlichen Grad der Vorsehbarkeit feststellbar, sodass auch eine etwa erforderliche Anpassung des Nettowerts aufgrund zukünftiger wirtschaftlicher Entwicklungen einer Abänderungsklage vorbehalten bleiben muss.

4.

Die zugesprochenen Nebenforderungen haben ihre Grundlagen in §§ 280 Abs. 1, 286 BGB sowie §§ 288 Abs. 1, 286 bzw. 291 BGB, wobei die Klägerin die ihr als Teil ihres Schadens zustehenden vorprozessualen Rechtsanwaltsgebühren zutreffend berechnet hat und hinsichtlich der Zinsansprüche von einer sinngemäßen Antragstellung von jeweils 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz auszugehen war.

5.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 und  § 92 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO; hinsichtlich der beanspruchte Geldrente war die Klägerin, die eine Rentenzahlung von 2.580 EUR pro Quartal bis zum Lebensende gefordert hatte, zwar teilweise unterlegen, dies jedoch nur geringfügig und ohne zusätzliche Kosten, zudem unterlag die Höhe der Forderung dem gerichtlichen (Schätz-)Ermessen.

6.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.

Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:

Antrag zu 1): 134.149,21 EUR

Antrag zu 2):  36.120,00 EUR

170.269,21 EUR


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant:

  1. Schadensersatzrecht: Im Mittelpunkt dieses Falles steht das Schadensersatzrecht, speziell der Ersatz von Haushaltsführungsschäden. Nach deutschem Recht können Personen, die aufgrund eines Behandlungsfehlers einen Schaden erlitten haben, Anspruch auf Schadensersatz haben. Im vorliegenden Fall betreffen die Schadensersatzforderungen die durch die Verletzung verursachten Beeinträchtigungen bei der Haushaltsführung und der Pflege der Kinder der Klägerin. Die entsprechende Rechtsnorm findet sich in § 249 BGB, der den Umfang des zu leistenden Schadensersatzes regelt.
  2. Arzthaftungsrecht: Dieser Fall beinhaltet auch Fragen des Arzthaftungsrechts, einem Teilbereich des Medizinrechts. Hierbei geht es um die Frage, inwieweit ein Arzt für einen Behandlungsfehler haften muss. Im vorliegenden Fall wurde der Beklagte, ein Arzt, wegen eines Behandlungsfehlers zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt. Relevante Rechtsnormen sind hier insbesondere § 823 BGB, der die allgemeine Haftung für Schäden regelt, und § 278 BGB, der die Haftung für das Verhalten von Erfüllungsgehilfen festlegt.
  3. Verzugszinsen: Eine weitere relevante Rechtsnorm in diesem Fall ist § 288 BGB, der die Verzugszinsen regelt. Nach diesem Gesetz muss eine Person, die mit einer Zahlung in Verzug ist, Verzugszinsen zahlen. Im vorliegenden Fall wurde der Beklagte zur Zahlung von Verzugszinsen verurteilt.
  4. Rentenrecht: Zuletzt hat auch das Rentenrecht in diesem Fall eine Rolle gespielt. Die Klägerin hat Anspruch auf eine quartalsweise zu zahlende Rente. In Bezug auf den konkreten Betrag und die Anpassungen gelten die allgemeinen Grundsätze des Rentenrechts, insbesondere § 843 BGB, der die Verpflichtung zur Zahlung einer Geldrente bei einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit regelt.

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