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Internationaler Warenkauf – Schadenersatzanspruch aufgrund Störfall

Gerichtsurteil: Mangelhafte Sicherheitsvorkehrungen kosten Millionen bei Störfall

Im Kern handelt es sich um ein Urteil des Thüringer Oberlandesgerichts zum internationalen Warenkauf, bei dem aufgrund eines technischen Störfalls an einer Mischeranlage Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch zur Haftung herangezogen, wobei differenziert zwischen vertraglichen und deliktsrechtlichen Ansprüchen entschieden und die Pflichtverletzungen sowie die Frage der Verjährung eingehend geprüft werden.

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✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Die Beklagten sind dem Grunde nach gesamtschuldnerisch verpflichtet, den Klägerinnen Schadenersatz für die durch den Störfall entstandenen Schäden zu leisten.
  • Eine deliktsrechtliche Haftung beider Beklagter wird angenommen, während vertragliche Schadenersatzansprüche aufgrund Verjährung teils ausgeschlossen sind.
  • Die Anbringung des CE-Kennzeichens durch die Beklagte zu 2 ohne die notwendige Sicherheitstechnik und die fehlerhafte Installation der SPS-Steuerung durch die Beklagte zu 1 werden als wesentliche Ursachen für den Störfall identifiziert.
  • Ein Mitverschulden der Klägerinnen wird verneint, insbesondere da keine besonderen Sicherheitsvorkehrungen von den Beklagten gefordert wurden.
  • Die Gesamtschuldnerschaft der Beklagten basiert auf dem Gleichstufigkeitsprinzip der verursachten Schadensbeiträge.
  • Die Beklagten können sich nicht auf Verjährung berufen, da entweder die Verjährung gehemmt war oder die Kenntnis der Schadensumstände für den Lauf der Verjährungsfrist maßgeblich war.
  • Die Verjährung vertraglicher Ansprüche gegen die Beklagte zu 2 wird bejaht, basierend auf der Anwendung deutschen Rechts trotz internationalen Bezugs.
  • Der deliktsrechtliche Anspruch gegen die Beklagte zu 1 aufgrund des Fernwartungsauftrags am Schadenstag wird zusätzlich bestätigt.

Haftungsrisiken beim grenzüberschreitenden Handel

Im globalen Wirtschaftsraum sind grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen alltäglich. Die internationale Lieferkette birgt jedoch vielfältige Haftungsrisiken. Bei Verkäufen über Ländergrenzen hinweg ist die Zuständigkeit für Produktmängel oder Störfälle oft unklar. Komplexe Rechtsfragen bei vertraglichen Schadenersatzansprüchen und deliktischer Haftung zwischen Lieferanten, Herstellern und Abnehmern erschweren die rechtliche Bewertung.

Eine präzise Risikoanalyse ist essenziell – angefangen bei der Produkthaftung, über mangelhafte Leistungen, bis hin zu Sorgfaltspflichten in der Betriebsabwicklung. Für Unternehmen sind daher fundierte Kenntnisse der internationalen Haftungsregeln unerlässlich, um Rechtssicherheit zu schaffen und finanzielle Risiken abzufedern.

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➜ Der Fall im Detail


Der Fall des Internationalen Warenkaufs und die Verantwortung für den Störfall

Im Mittelpunkt dieses Falles steht ein Schadenersatzanspruch aufgrund eines Störfalls an einer Mischeranlage, der sich am 11.07.2005 ereignete.

internationalen Warenkauf
Verjährung droht? Schadenersatz nach Störfall im internationalen Warenkauf (Symbolfoto: William Potter /Shutterstock.com)

Die Klägerinnen, eine Produktionsfirma für Fensterprofile aus Kunststoff und deren Holdinggesellschaft, fordern Schadenersatz von zwei beklagten Unternehmen, die für die Lieferung und die Steuerung der Mischanlage verantwortlich waren. Der Fall zieht eine juristische Auseinandersetzung nach sich, die sich über verschiedene rechtliche Fragestellungen erstreckt, darunter die Vertragsbeziehungen zwischen den Parteien, die Anwendung deutschen oder ausländischen Rechts sowie die Feststellung der Schadensursache und der Verantwortlichkeiten.

Die rechtlichen Herausforderungen und das Zustandekommen der Auseinandersetzung

Zentraler Gegenstand der Kontroverse ist der Vorwurf, dass die Beklagten für die Schäden verantwortlich seien, die durch einen Störfall an der Mischeranlage entstanden sind. Der Störfall führte zur Freisetzung von Chlorwasserstoffgas und anschließender Salzsäurebildung, welche erhebliche Schäden an der Produktionsanlage, am Gebäude und an der Elektronik verursachte. Die Klägerinnen argumentieren, dass mangelhafte Steuerungseinheiten und fehlende Sicherheitsvorkehrungen der beklagten Unternehmen zu dem Schaden geführt hätten.

Die Entscheidung des Thüringer Oberlandesgerichts

Das Thüringer Oberlandesgericht urteilte, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch für den entstandenen Schaden haftbar sind. Es stellte fest, dass sowohl eine fehlerhafte Steuerung der Mischanlage durch das eine Beklagtenunternehmen als auch mangelhafte Sicherheitsvorkehrungen und Überwachung durch das andere Beklagtenunternehmen zu dem Schaden geführt haben. Das Gericht legte dar, dass die Haftung auf einer positiven Vertragsverletzung beruht und wies darauf hin, dass deutsches Recht Anwendung findet.

Die Bedeutung der Sicherheitsstandards und technischen Mängel

Die Analyse des Gerichts unterstreicht die Bedeutung technischer Sicherheitsstandards und die Verantwortung der Unternehmen, diese einzuhalten. Insbesondere wurde kritisiert, dass kein adäquater Überhitzungsschutz in die Mischanlage integriert war und dass die Warnung „Übertemperatur“ nicht korrekt ausgewertet wurde. Diese Mängel, gepaart mit dem Versäumnis, während der Fernwartung adäquate Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen, führten zu dem Urteil, dass beide Beklagten eine schuldhafte Pflichtverletzung begangen haben.

Verjährung und Schadensersatz

Interessant ist auch die Erörterung der Verjährungsfragen durch das Gericht. Es wurde festgestellt, dass die Ansprüche nicht verjährt sind, da sie innerhalb der relevanten Fristen geltend gemacht wurden. Hinsichtlich der Schadenshöhe folgte das Gericht den Feststellungen des Sachverständigen und erkannte den Klägerinnen umfassenden Schadensersatz zu, einschließlich der Kosten für Gutachten und die Beseitigung der durch den Störfall verursachten Schäden.

Fazit

Der Fall verdeutlicht die komplexen rechtlichen und technischen Fragestellungen, die bei Schadenersatzansprüchen im Kontext des internationalen Warenkaufs auftreten können. Die Entscheidung des Thüringer Oberlandesgerichts hebt hervor, wie wichtig die Einhaltung von Sicherheitsstandards und die sorgfältige Überwachung und Wartung industrieller Anlagen sind, um Schadensfälle zu vermeiden und die rechtliche Verantwortlichkeit zu klären.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Welche rechtlichen Grundlagen gelten beim internationalen Warenkauf?

Beim internationalen Warenkauf sind verschiedene rechtliche Grundlagen relevant, die die Komplexität dieses Rechtsgebiets verdeutlichen. Zentral sind dabei das UN-Kaufrecht (CISG) und die jeweiligen nationalen Kaufrechte der beteiligten Länder.

UN-Kaufrecht (CISG)

Das UN-Kaufrecht, auch Wiener Kaufrecht genannt, ist ein internationaler Vertrag, der die rechtlichen Rahmenbedingungen für grenzüberschreitende Kaufverträge über Waren festlegt. Es zielt darauf ab, einheitliche Bestimmungen zu schaffen, die die verschiedenen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und rechtlichen Systeme berücksichtigen, um rechtliche Hindernisse im internationalen Handel zu beseitigen und dessen Entwicklung zu fördern. Das CISG ist seit dem 1. Januar 1991 in Deutschland in Kraft und wird automatisch angewendet, wenn die Vertragsparteien ihre Niederlassungen in verschiedenen Vertragsstaaten haben, es sei denn, es wird ausdrücklich ausgeschlossen.

Nationales Kaufrecht und Rom I-Verordnung

Neben dem UN-Kaufrecht spielt das nationale Kaufrecht der beteiligten Länder eine wichtige Rolle. Welches nationale Recht anwendbar ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. In der Regel haben die Vertragsparteien die Möglichkeit, eine Rechtswahl zu treffen. Haben sie keine Wahl getroffen, findet die Rom I-Verordnung Anwendung, die für Verträge, die nach dem 17. Dezember 2009 geschlossen wurden, maßgeblich ist. Gemäß dieser Verordnung ist grundsätzlich das Recht des Staates anwendbar, in dem der Verkäufer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Unterschiede zwischen UN-Kaufrecht und nationalem Kaufrecht

Das UN-Kaufrecht und das nationale Kaufrecht, wie beispielsweise das deutsche BGB, unterscheiden sich in mehreren Aspekten. Einige der wichtigsten Unterschiede betreffen das Zustandekommen von Verträgen, die Rügepflicht bei Mängeln und die Gewährleistungsrechte. Das UN-Kaufrecht sieht beispielsweise strengere Anforderungen an die Rügepflicht vor und hat andere Fristen für Gewährleistungsansprüche als das deutsche Recht.

Praktische Bedeutung

Das UN-Kaufrecht hat eine große praktische Bedeutung im internationalen Handel, da es in über 80 Vertragsstaaten Anwendung findet und somit einen Großteil der internationalen Kaufverträge abdeckt. Es bietet eine einheitliche Rechtsgrundlage, die insbesondere für grenzüberschreitende Transaktionen Vorteile bietet. Allerdings können sich aus dem CISG auch Nachteile ergeben, je nachdem, ob man als Käufer oder Verkäufer auftritt. Daher ist es wichtig, sich mit den Inhalten des CISG auseinanderzusetzen und gegebenenfalls eine bewusste Entscheidung für oder gegen seine Anwendung zu treffen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass beim internationalen Warenkauf sowohl das UN-Kaufrecht als auch nationale Kaufrechte und die Rom I-Verordnung relevante rechtliche Grundlagen darstellen. Die Wahl des anwendbaren Rechts und das Verständnis der Unterschiede zwischen den Rechtssystemen sind entscheidend für die Gestaltung und Abwicklung grenzüberschreitender Kaufverträge.

Wie wird die Verantwortung bei einem Schadensfall im internationalen Warenkauf bestimmt?

Die Verantwortung bei einem Schadensfall im internationalen Warenkauf wird hauptsächlich durch das UN-Kaufrecht (CISG) und das jeweilige nationale Recht der beteiligten Länder bestimmt. Die Kriterien für die Haftungszuschreibung bei Schäden umfassen Vertragsverletzungen und Fahrlässigkeit.

Wesentliche Vertragsverletzung und Haftung nach CISG

Das CISG legt fest, dass eine Vertragsverletzung dann als wesentlich gilt, wenn sie der anderen Partei einen solchen Nachteil zufügt, dass ihr im Wesentlichen entgeht, was sie nach dem Vertrag hätte erwarten dürfen. Eine Vertragsverletzung kann beispielsweise in der Lieferung mangelhafter Ware oder in der Nichteinhaltung vereinbarter Lieferfristen bestehen. Artikel 74 CISG regelt, dass der Verkäufer für alle durch eine Vertragsverletzung entstandenen Schäden haftet.

Nationales Recht und Fahrlässigkeit

Neben dem CISG spielen auch nationale Gesetze eine Rolle bei der Bestimmung der Verantwortung im Schadensfall. Im deutschen Recht beispielsweise kann die Haftung aus positiver Vertragsverletzung (pVV) resultieren, die bei jeder Art von Pflichtverletzung innerhalb eines Schuldverhältnisses greifen kann. Fahrlässigkeit wird definiert als das Außerachtlassen der erforderlichen Sorgfalt und kann ebenfalls zu Schadensersatzansprüchen führen.

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Force Majeure

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Konzept der „höheren Gewalt“ (force majeure), das sowohl im CISG als auch in nationalen Rechtsordnungen anerkannt wird. Wenn ein Schadensfall aufgrund von Umständen eintritt, die außerhalb der Kontrolle der Parteien liegen und die bei Vertragsschluss nicht vorhersehbar waren, kann dies die betroffene Partei von der Haftung befreien.

Praktische Anwendung

In der Praxis bedeutet dies, dass bei einem Schadensfall im internationalen Warenkauf zunächst geprüft wird, ob eine Vertragsverletzung oder Fahrlässigkeit vorliegt. Anschließend wird untersucht, ob die Voraussetzungen für eine Haftung nach dem CISG oder dem anwendbaren nationalen Recht erfüllt sind. Dabei spielen auch spezifische Regelungen, wie die zu „höherer Gewalt“, eine Rolle. In einigen Fällen kann die Haftung auch durch vertragliche Vereinbarungen, wie Haftungsausschlüsse oder -begrenzungen, modifiziert werden. Zusammenfassend hängt die Verantwortung bei einem Schadensfall im internationalen Warenkauf von einer Vielzahl von Faktoren ab, einschließlich der Art der Vertragsverletzung, dem Vorliegen von Fahrlässigkeit, den Bestimmungen des CISG, den anwendbaren nationalen Gesetzen und den spezifischen vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien.

Welche Sicherheitsstandards müssen bei international verkauften Waren eingehalten werden?

Bei international verkauften Waren müssen verschiedene Sicherheitsstandards eingehalten werden, die sich aus dem UN-Kaufrecht (CISG), nationalen Sicherheitsvorschriften sowie Einfuhr- und Ausfuhrbestimmungen ergeben.

CISG und Produktkonformität im internationalen Warenkauf

Das CISG regelt zwar den internationalen Warenkauf, enthält jedoch keine spezifischen Sicherheitsstandards für Produkte. Es legt die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien fest und behandelt Aspekte wie die Konformität der Ware, also ob die gelieferte Ware den vertraglichen Vereinbarungen entspricht. Sollte eine Ware nicht den vertraglichen Anforderungen oder den impliziten Sicherheitserwartungen entsprechen, können sich daraus Ansprüche auf Schadensersatz ergeben.

Nationale Sicherheitsvorschriften und Produkthaftung

Nationale Sicherheitsvorschriften und Produkthaftungsgesetze legen fest, dass Produkte sicher sein müssen und keine Gefahr für Verbraucher darstellen dürfen. In der EU beispielsweise müssen Produkte den Sicherheitserwartungen der Verbraucher entsprechen und dürfen keine Gesundheits- oder Sicherheitsrisiken bergen. Hersteller und Händler sind verpflichtet, nur sichere Produkte auf den Markt zu bringen und können bei Verstößen haftbar gemacht werden.

Einfuhr- und Ausfuhrbestimmungen

Beim Export und Import von Waren müssen Unternehmen die Zollvorschriften und Sicherheitsbestimmungen der jeweiligen Länder beachten. Diese können spezifische Anforderungen an die Sicherheit und Zulassung von Produkten stellen. Beispielsweise müssen in den USA importierte Produkte die Standards und Verordnungen der Consumer Product Safety Commission (CPSC) erfüllen und durch eine Konformitätserklärung nachgewiesen werden.

Praktische Umsetzung

Für Unternehmen ist es wichtig, sich mit den relevanten Sicherheitsstandards und Vorschriften vertraut zu machen und diese einzuhalten, um Haftungsrisiken zu vermeiden. Dies kann die Einhaltung von internationalen Normen, die Durchführung von Produkttests und Zertifizierungen sowie die Bereitstellung von Sicherheitsinformationen und Warnhinweisen umfassen. Bei der Vertragsgestaltung sollten die Parteien klären, welche Sicherheitsstandards gelten und wer für deren Einhaltung verantwortlich ist. Zusammenfassend müssen bei international verkauften Waren die Sicherheitsstandards des UN-Kaufrechts, die nationalen Sicherheitsvorschriften und Produkthaftungsgesetze sowie die Einfuhr- und Ausfuhrbestimmungen der beteiligten Länder eingehalten werden.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 823 Abs. 1 BGB (Deliktsrechtliche Haftung): Dieser Paragraph regelt die Haftung für die Verletzung von Rechtsgütern wie Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum oder sonstige Rechte. Im vorliegenden Fall bildet er die Grundlage für die Haftung beider Beklagten gegenüber den Klägerinnen aufgrund der Schäden, die durch den Störfall an der Mischeranlage entstanden sind.
  • CISG (UN-Kaufrecht): Das UN-Kaufrecht findet Anwendung auf Verträge über den internationalen Warenkauf und regelt insbesondere die Rechte und Pflichten von Käufer und Verkäufer. Im gegebenen Fall war relevant, ob der Vertrag zwischen den Parteien dem CISG unterliegt, was wiederum Einfluss auf die Beurteilung von Schadensersatzansprüchen hat.
  • Art. 27 EGBGB (Internationales Privatrecht): Bestimmt das anwendbare Recht bei grenzüberschreitenden Sachverhalten. Im vorliegenden Fall war dies für die Frage der Rechtswahl und damit für die Anwendbarkeit deutschen oder ausländischen Rechts auf den Vertrag zwischen den Parteien entscheidend.
  • § 280 Abs. 1 BGB (Schadensersatz wegen Pflichtverletzung): Regelt Ansprüche auf Schadensersatz aufgrund der Verletzung vertraglicher Pflichten. Dies war im Zusammenhang mit dem Fernwartungsauftrag und der fehlerhaften Installation bzw. dem Betrieb der SPS-Steuerung relevant.
  • § 254 BGB (Mitverschulden): Bestimmt, dass sich ein Schadensersatzanspruch mindern kann, wenn der Geschädigte den Schaden mitverursacht hat. Die Beurteilung eines möglichen Mitverschuldens der Klägerinnen war im Zusammenhang mit den Schadensersatzansprüchen von Bedeutung.
  • § 432 BGB (Mitgläubigerschaft): Ist relevant für die Feststellung, ob und wie Ansprüche, die mehreren Gläubigern zustehen, geltend gemacht werden können. Im Kontext des Urteils wurde die Mitgläubigerschaft der Klägerinnen diskutiert, insbesondere im Hinblick auf die gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten.


Das vorliegende Urteil

Thüringer Oberlandesgericht – Az.: 2 U 179/14 – Urteil vom 29.04.2015

1. Soweit es die Hauptforderung betrifft, sind die Beklagten als Gesamtschuldner den Klägerinnen als Mitgläubiger dem Grunde nach verpflichtet, der Klägerin zu 2 die Schäden zu ersetzen, die durch den Störfall an der Mischeranlage am 11.07.2005 entstanden sind.

2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin zu 2 produziert Fensterprofile aus Kunststoff. Sie gehört der Klägerin zu 1 an, einer Firmen-Holding. Im Jahre 1997 bestellte die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 bei der Beklagten zu 2 zwei Kunststoffmischer. Die Beklagte zu 2, die ihren Firmensitz in I hat, lieferte die beiden Mischer und wirkte bei der Inbetriebnahme in T mit. Die Steuerung für die beiden Mischer wurde von der Beklagten zu 1 aufgrund eines Vertrages, den sie mit der Firma M-GmbH geschlossen hatte, geliefert. Hintergrund war, dass sich die Firma M-GmbH gegenüber der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 verpflichtet hatte, eine Aufbereitungsanlage für Fenstermischungen zu liefern, die auch die sog. SPS-Steuerung umfasste.

Mit der Anlage ist es möglich, zeitgleich zwei Produktionslinien mit jeweils einem Mischer zu fahren. Bei der Produktion wird aufgrund der Bewegungen des Mischers im Mischer das darin befindliche Material erhitzt. Wird eine bestimmte Temperatur erreicht, endet der Mischprozess und das Material wird einer weiteren Verarbeitungsprozedur zugeführt. Die SPS-Steuerung regelt diesen Ablauf. Es gab nur eine gemeinsame SPS-Steuerung für beide Produktionslinien.

Am 11.07.2005 kam es zu Störungen an der SPS-Steuerung. Die Klägerin zu 2 beauftragte die Beklagte zu 1, die Störungen im Wege der Fernwartung zu beseitigen. Während der Arbeiten der Beklagten zu 1 blieb eine der Produktionslinien in Betrieb, die andere stand still. Es kam gegen 14.30 Uhr zu einem Störfall bei der Steuerung. Der sich gerade im Betrieb befindliche Mischer schaltete sich nicht ab und lief weiter, auch dann noch, als die für den Produktionsprozess erforderliche Temperatur bereits überschritten war. Dadurch wurde das Material immer weiter erhitzt. Infolgedessen geriet der Produktionsprozess im Mischer außer Kontrolle. Aufgrund des Drucks im Mischerbehälter wurde der Mischerdeckel nach oben gedrückt. Dadurch entwich gasförmiger Chlorwasserstoff. Dieser bildete durch die Verbindung mit Luftfeuchtigkeit Salzsäure, die sich auf sämtlichen Geräten, auf Kabeln und Rohrleitungen sowie im gesamten Gebäude verteilte und auch nach außen trat.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Landgerichts Gera Bezug genommen.

Da sowohl die Beklagte zu 1 als auch die Beklagte zu 2 wie auch die Streithelferin der Beklagten zu 2 die Zuständigkeit des Landgerichts Gera in Abrede stellten, hat das Landgericht Gera zunächst mit Zwischenurteil vom 02.05.2013 über seine Zuständigkeit entschieden und diese bejaht. Nach Zeugenvernehmung und unter Bezugnahme auf die Ergebnisse des selbstständigen Beweisverfahrens 2 OH 8/06 des Landgerichts Gera hat die Kammer mit Urteil vom 13.02.2014 der Klage der beiden Klägerinnen ganz überwiegend stattgegeben.

Aus Sicht der Kammer haftet die Beklagte zu 2 aus positiver Forderungsverletzung des im Jahre 1997 mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 geschlossenen Vertrages, wobei die Kammer offen gelassen hat, ob es sich hierbei um einen reinen Kaufvertrag oder um einen Vertrag mit werkvertraglichem Einschlag handelt. Es komme deutsches Zivilrecht zur Anwendung und nicht, wie die Beklagte zu 2 und deren Streithelferin meinten, italienisches Recht. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 und die Beklagte zu 2 hätten zumindest konkludent im Wege der freien Rechtswahl verabredet, dass auf den Vertrag deutsches Recht Anwendung finde. Die Beklagte zu 2 habe eine schuldhafte Pflichtverletzung begangen. Aus dem Gutachten des Sachverständigen F im Beweissicherungsverfahren gehe hervor, dass die Hauptursache für den Eintritt des Schadens im Verantwortungsbereich der Beklagten zu 2 liege. So habe die Beklagte zu 2 eine Maschine mit Konformitätserklärung und CE-Zeichen in den Markt gebracht, obwohl nicht deutlich und klar erkennbar gewesen sei, dass kein Übertemperaturschutz in die Maschinensteuerung integriert sei. Schwerwiegend sei aber vor allem, dass die Meldung „Übertemperatur“ nicht im Schaltschrank selbst ausgewertet werde, wie es dem Stand der Technik entspreche. So hätte eine stromunabhängige Sicherungsvorkehrung eingebaut werden müssen, die gewährleistet, dass der Mischprozess im Falle einer Überhitzung auch dann gestoppt wird, wenn kein elektrisches Stopsignal gesendet wird.

Die Haftung der Beklagten zu 1 sieht die Kammer ebenfalls aufgrund einer positiven Vertragsverletzung als gegeben. So habe es die Beklagte zu 1 pflichtwidrig unterlassen, im Rahmen der Fernwartung besondere Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen. Den Mitarbeitern der Beklagten zu 1 sei überhaupt nicht bewusst gewesen, welche Gefahr darin bestanden habe, dass es zu Problemen mit der Linie 2 kommen könne, wenn der Prozessor (CPU) auf Stopp stehe. Aufgrund dieses fehlenden Problembewusstseins hätten die Mitarbeiter der Beklagten zu 1 bei den vor Ort tätigen Mitarbeitern keine besonderen Schutzvorkehrungen angefordert. Dies sei durch die Zeugenaussagen belegt.

Der klägerische Schadensersatzanspruch sei auch nicht nach § 254 Abs. 1 BGB zu kürzen. Aus Sicht der Klägerin zu 2 hätten am 11.07.2005 keine Anhaltspunkte für besondere Sicherheitsvorkehrungen bestanden. Es begründe auch keine Mithaftung, dass der Zeuge L ausweislich der Aussagen den Zeugen M und W in einem bestimmten Zeitraum nicht telefonisch erreichbar gewesen sei. Den Klägerinnen könne auch nicht mit Erfolg vorgeworfen werden, es sei im Jahre 1997 keine ordnungsgemäße Risiko- und Gefahrenanalyse durchgeführt worden, durch die das Fehlen eines Überhitzungsschutzes entdeckt worden wäre. Ebensowenig könne ihr anspruchsmindernd vorgehalten werden, sie hätte erkennen können, dass das CE-Zeichen am Mischerbehälter zu Unrecht angebracht gewesen sei. Ein etwaiger Mitverschuldensanteil der Klägerin zu 2 trete hier hinter das überwiegende Verschulden der Beklagten zu 2, die es versäumt habe, einen Überhitzungsschutz zu installieren, vollständig zurück.

Die Beklagten haften nach Ansicht der Kammer als Gesamtschuldner. Die erforderliche Gleichstufigkeit sei gegeben.

Verjährung sei nicht eingetreten, da Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung unter Anwendung des BGB vor Inkrafttreten der Schuldrechtsreform erst in 30 Jahren verjährten.

Hinsichtlich der Höhe der erforderlichen Aufwendungen zur Schadensbeseitigung ist das Landgericht den Feststellungen des Sachverständigen F aus dem selbständigen Beweisverfahren gefolgt. Den Klägerinnen seien auch die Kosten für das Gutachten der Universität We und für die Analyse der Firma K-GmbH zu erstatten. So seien die Kosten der Schadensfeststellung regelmäßig zu ersetzen. Ein Ausnahmefall sei nicht ersichtlich.

Ebenso seien die Kosten für die Auswechslung des Hallenkranseils zu ersetzen. Dies gelte vor allem aufgrund des Sicherheitsaspekts, der die Auswechslung rechtfertige.

Hinsichtlich der geltend gemachten Zinsen hat die Kammer in Satz 1 des Tenors Nr. 1 Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.08.2009 zuerkannt.

Zur Begründung hat das Landgericht auf S. 17 des Urteils ausgeführt, Verzugszinsen stünden der Klägerin zu 2 nur ab dem 06.08.2009 zu, und zwar nach § 288 Abs. 2 BGB. Zuvor hat das Landgericht dargelegt, soweit die Klägerin zu 2 Zinsen beanspruche, die über den gesetzlichen Zinssatz in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz hinausgingen, fehle es – da die Beklagten das Zinsbegehren bestritten hätten – an einem ausreichenden schlüssigen Vortrag.

Das Landgericht hat im Übrigen offen gelassen, ob auf Klägerseite eine Gesamtgläubigerschaft bestand. So stelle „sich die Rechtsposition der Klägerin zu 1“ nach Umstellung des Klageantrags auf Zahlung an die Klägerin zu 2 „im Sinne einer Prozessstandschaft dar“.

Gegen das Urteil haben die Klägerinnen und die Beklagten Berufung eingelegt.

Mit ihrer Berufung machen die Klägerinnen geltend, der Klägerin zu 2 stünden neben den ausgeurteilten Zinsen weitere Zinsen zu, die sie auf S. 4 bis 6 ihrer Berufungsbegründung (Bl. 468-470) tabellarisch auflistet. Sie räumen ein, dass „nicht der Schadenstag, sondern die jeweilige Verpflichtung zur Zahlung der Rechnung zur Schadensbeseitigung“ maßgeblich für den Beginn des Zinsanspruchs sei. Sie sehen davon ab, die Schäden in Form der Zahlung von Kontokorrentzinsen im Einzelnen darzulegen. Vielmehr berufen sie sich zur Begründung ihrer tabellarischen Aufstellung auf § 353 HGB. Dazu vertreten sie die Ansicht, vertragliche Schadensersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung unterfielen den Handelsgeschäften im Sinne der §§ 343, 353 HGB.

Die Klägerinnen beantragen die Beklagte zu 1 und die Beklagte zu 2 gesamtschuldnerisch zu verurteilen, 112.241,74 € an die Klägerinnen zu bezahlen.

Die Beklagte zu 1 beantragt, die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Landgerichts Gera vom 13.02.2014, soweit sie sich gegen die Beklagte Ziff. 1 richtet, kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie verweist zunächst auf den ihrer Ansicht nach fehlenden Hauptanspruch. Ferner vertritt sie die Meinung, die Voraussetzungen für einen Verzugszins in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz lägen nicht vor, da diese Zinshöhe nur bei Entgeltforderungen in Betracht komme (§ 288 Abs. 2 BGB), es vorliegend aber um Schadensersatz gehe. Ferner beruft sich die Beklagte zu 1 darauf, sie sei aufgrund des Schreibens vom 27.07.2009 (Anlage K 9, Bl. 72 ff.) allenfalls in Höhe eines Hauptsachebetrages von 137.276,66 € in Verzug gesetzt worden.

Im Hinblick auf Schäden wegen gezahlter Kontokorrentzinsen bestreitet die Beklagte zu 1, dass in dem behaupteten Umfang solche Zinsen gezahlt worden seien und moniert, dass die Klägerseite noch nicht einmal vorgetragen habe, welche der beiden Klägerinnen diese Zinsen entrichtet haben will. Des Weiteren vertritt die Beklagte zu 1 die Ansicht, für die Zinsforderung komme es weder auf den Schadenstag noch auf die jeweilige Verpflichtung zur Bezahlung einer Rechnung an. Vielmehr könne allenfalls der Zeitpunkt der tatsächlichen Bezahlung der fälligen jeweiligen Rechnung maßgeblich sein. Insbes. fehle klägerseits Vortrag dazu, wie hoch der konkrete Zinssatz des Betriebsmittelkredits gewesen sei, der zur Bezahlung der Rechnungen jeweils angefallen sei. Sie stellt außerdem in Abrede, dass im vorliegenden Fall § 353 HGB zum Tragen komme. Ebenso bestreitet sie, dass zu den von der Klägerseite in ihrer Berufungsbegründung genannten Zeitpunkten die dort aufgeführten Rechnungen bezahlt worden sind. Ebenso sei nicht einmal vorgetragen, welche der Klägerinnen welche Rechnung bezahlt haben will. Im Übrigen sei der neue Vortrag in der Berufungsbegründung verspätet. Des Weiteren erhebt die Beklagte zu 1 erneut die Einrede der Verjährung.

Die Beklagte zu 2 beantragt, die Berufung der Klägerinnen zurückzuweisen.

Sie hat ihren Zurückweisungsantrag nicht begründet.

Mit ihrer Berufung macht die Beklagte zu 1 Folgendes geltend:

Das Landgericht sei zu Unrecht von einer Sonderrechtsverbindung zwischen den Streitparteien ausgegangen. Zur Klägerin zu 1 habe die Beklagte zu 1 zu keinem Zeitpunkt eine Vertragsbeziehung unterhalten. Vielmehr habe die Beklagte zu 1 seinerzeit als Subunternehmerin der Firma M-GmbH die streitgegenständliche SPS-Steuerung geliefert. Die Firma M-GmbH ihrerseits sei der Klägerin zu 1 gegenüber vertraglich verpflichtet gewesen, eine Aufbereitungsanlage für Fenstermischungen einschließlich einer entsprechenden Steuerung zu liefern. Von daher stünden der Klägerin zu 1 mangels vertraglicher Beziehung von vornherein keine Ansprüche gegen die Beklagte zu 1 im Zusammenhang mit der im Jahre 1997 erfolgten Errichtung und dem Aufbau der Mischeranlagen zu.

Es habe auch kein Dauerschuldverhältnis zwischen der Beklagten zu 1 und der Klägerin zu 2 existiert. Vielmehr sei die Beklagte zu 1 jeweils anlassbezogen von der Klägerin zu 2 beauftragt worden, bei aufgetretenen Problemen im Wege eines Fernzugriffs die Fehlerursache zu finden und möglichst zu beseitigen. So sei es auch im Juli 2005 gewesen.

Zu Unrecht sei das Landgericht davon ausgegangen, dass die Beklagte zu 1 ihre Pflichten aus dem entsprechenden Auftrag vom Juli 2005 schuldhaft verletzt habe. Sie behauptet, die Störung in der SPS-Steuerung könne nur auf einem Eingriff des Betreibers im Bereich der Linie 1 zurückzuführen sein. Anders als vom Gutachter angenommen, könne auch keine Rede davon sein, dass der Betrieb der Linie 1 „in Abstimmung“ mit der Beklagten zu 1 wieder aufgenommen worden sei. Vielmehr habe der Zeuge L von der Klägerin zu 2 den Zeugen W von der Beklagten zu 1 angewiesen, die Fehleranalyse auf die Folgewoche zu verschieben und den Betrieb der Linie 1 wieder aufzunehmen. Dem sei der Zeuge W nachgekommen, obwohl er angeboten hatte, vor einer Wiederaufnahme des Betriebs erst einmal die Ursachen für die aufgetretenen Probleme zu ergründen.

Die Klägerin zu 2 sei auch deshalb verantwortlich für den Schadensfall, weil der Zeuge L, anders als von ihm zugesagt, nicht die ganze Zeit telefonisch erreichbar war, so dass die Mitarbeiter der Beklagten zu 1 nicht in der Lage waren, der Klägerin zu 2 rechtzeitig vor dem Schadensereignis die notwendigen Informationen zu übermitteln. Zudem hätten die Mitarbeiter der Klägerin zu 2 die am Schaltschrank „stattfindende Übertemperatur-Meldung“ wahrnehmen können und daraufhin den Mischer der Linie 2 durch Betätigung eines Schalters am Schaltschrank abschalten können. Die Mitarbeiter der Klägerin zu 2 hätten die Anlage gerade angesichts einer Fernwartung besonders aufmerksam betreuen und beobachten müssen. Gegen diese Obliegenheit hätten sie verstoßen.

Des Weiteren habe die Beklagte zu 1 auch darauf vertrauen können, dass in dem Schaltschrank hardwaremäßig eine autarke Sicherheitsschaltung eingebaut war. Die Verantwortung für diesen Einbau trage die Beklagte zu 2. Auch das von der Beklagten zu 2 angebrachte CE-Zeichen habe einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Zudem sei auch aus den Unterlagen nicht ersichtlich gewesen, dass von der Beklagten zu 2 kein Übertemperaturschutz in die Maschinensteuerung eingebaut worden sei. Wäre der Beklagten zu 1 das Fehlen einer solchen Sicherheitsabschaltung bekannt gewesen, hätte sie bei in Betrieb befindlicher Anlage keine Fernwartung durchgeführt.

Die Beklagte zu 1 weist ferner darauf hin, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Fernzugriff und dem Stopp-Zustand der SPS-Steuerung nicht bewiesen sei. Vielmehr gebe es noch zahlreiche andere mögliche Ursachen.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts trage die Anlagenbetreiberin auch deshalb eine Mitverantwortung an dem eingetretenen Schaden, da im Jahre 1997 mit der Errichtung der Gesamtanlage zwei Unternehmen beauftragt worden seien. Damit habe es dem Besteller oblegen, die von den beiden beauftragten Unternehmen zu erbringenden Leistungen zu koordinieren, abzunehmen und zudem eine Risikoanalyse vorzunehmen.

Die Beklagte zu 1 sei im Jahre 1997 auch nicht verpflichtet gewesen, mit der Beklagten zu 2 spätestens bei Inbetriebnahme Gespräche über die problematische Stopp-Funktion im Mischer zu führen. So habe es weder vertragliche Beziehungen zur Beklagten zu 2 noch zu den Klägerinnen bzw. deren Rechtsvorgängerin gegeben. Die Beklagte zu 1 sei in keiner Weise dafür verantwortlich, wie die Beklagte zu 2 die Schaltung ausgeführt hat. So sei schon die Auftraggeberin der Beklagten zu 1, die Firma M, nicht verpflichtet gewesen, zu prüfen, ob und ggf. wie die den anerkannten Regeln der Technik entsprechende und zwingend notwendige Sicherheitsabschaltung im Schaltschrank und damit im Leistungsbereich der Beklagten zu 2 umgesetzt worden ist. Die Beklagte zu 2 habe selbst über fachkundige Mitarbeiter verfügt und ihre Kompetenz auch durch die Anbringung des CE-Zeichens dokumentiert. Der Fehler habe bei der Beklagten zu 2 gelegen. So sei es nicht nachvollziehbar, weshalb die Meldung „Übertemperatur“ nicht in dem von der Beklagten zu 2 errichteten Schaltschrank ausgewertet worden sei, was dem Stand der Technik entsprochen hätte und zwingend notwendig gewesen wäre, wie der Sachverständige festgestellt habe. Die Beklagte zu 2 habe es auch pflichtwidrig unterlassen, vor Vergabe des CE-Zeichens eine Risikoanalyse durchzuführen. Wäre sie erfolgt, wäre das Problem entdeckt worden.

Ergänzend trägt die Beklagte zu 1 zur Mitverantwortlichkeit der Klägerin zu 2 vor, diese sei ihrer Obliegenheit nicht nachgekommen, regelmäßig die Sicherheitseinrichtungen der Anlage zu überprüfen. Hätte sie das getan, wären die Sicherheitsmängel zu Tage getreten. Zudem hätte sie die örtliche Feuerwehr über das Thema „Mischerbrand“ umfassen unterrichten müssen. Dann wäre bei dem Feuerwehreinsatz am 11.07.2005 mit weniger Wasser gelöscht und damit vermieden worden, dass eine große Menge Salzsäure freigesetzt wird. Auch aufgrund der Arbeitssicherheitsvorschriften wäre die Klägerin zu 2 verpflichtet gewesen, die ortsfesten elektrischen Anlagen regelmäßig zu überprüfen. Dabei wäre die unzureichende Sicherung aufgefallen.

Angesichts des schwerwiegenden Fehlverhaltens sowohl der Beklagten zu 2 als auch der Klägerin zu 2 tritt aus Sicht der Beklagten zu 1 ein etwaiges Verschulden ihrerseits vollständig zurück. Dies habe das Landgericht außer Acht gelassen.

Ferner habe die Kammer zu Unrecht ein Gesamtschuldverhältnis zwischen den Beklagten angenommen. Außerdem fehle es an der Aktivlegitimation der Klägerin zu 1. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin zu 1 ihre Klage zurücknehmen wollte. Die Beklagten hätten hierfür aber keine Einwilligung erteilt. Ferner habe die Kammer unberücksichtigt gelassen, dass die Beklagte zu 1 bestritten habe, dass die Klägerin zu 2 die Reparaturen bezahlt habe und deshalb aufgrund des Innenverhältnisses zwischen den Klägerinnen die wirtschaftlich Betroffene sei.

Wie in erster Instanz vertritt die Beklagte zu 1 die Ansicht, dass hinsichtlich der Kosten für das Gutachten der Universität We und die Analyse der Firma K-GmbH kein Ersatzanspruch bestehe, da es sich hierbei um Maßnahmen gehandelt habe, die die Klägerseite an sich schon lange vor dem Schadensereignis hätte durchführen müssen im Rahmen der ausstehenden Sicherheitsprüfung. Auch die Kosten für das Auswechseln des Hallenkran-Seils seien nicht erstattungsfähig, denn der Sachverständige Prof. F habe gerade nicht bestätigt, dass diese Auswechslung unter Sicherheitsgesichtpunkten geboten sei.

Die Zuerkennung von Zinsen in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz sei fehlerhaft. Verzugszinsen in dieser Höhe könnten nur bei Entgeltforderungen beansprucht werden. Vorliegend gehe es aber um Schadensersatzansprüche. Außerdem sie die Beklagte zu 1 – wie schon oben ausgeführt – allenfalls hinsichtlich eines Betrages in Höhe von 137.276,66 € in Verzug gesetzt worden. Das habe die Kammer übersehen.

Ferner rügt die Beklagte zu 1, dass Landgericht habe verkannt, dass auch ein Anspruch aus positiver Forderungsverletzung, der vor Inkrafttreten der Schuldrechtsreform entstanden sei, nicht der vollen dreißigjährigen Verjährung unterliege. Vielmehr seit aufgrund des Inkrafttretens der Schuldrechtsmodernisierung die Verjährung deutlich verkürzt, wie Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB belege. Im Übrigen hält die Beklagte zu 1 wegen aus ihrer Sicht bestehender Mängel des Gutachtens von Prof. F eine neue Begutachtung für erforderlich.

Die Beklagte zu 1 beantragt, das am 13.02.2014 verkündete und am 21.02.2014 zugestellte Urteil des Landgerichts Gera – 2 O 103/12 – abzuändern und die Klage, soweit sie sich gegen die Beklagte Ziff. 1 richtet, insgesamt abzuweisen.

Hilfsweise beantragt sie, das angegriffene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Gera zurückzuverweisen.

Die Klägerinnen beantragen, die Berufung der Beklagten zu 1 zurückzuweisen.

Die Klägerinnen verteidigen unter Bezugnahme auf die Feststellungen des Sachverständigen Prof. F die Ausführungen des Landgerichts, soweit die Kammer von einer positiven Vertragsverletzung der Beklagten zu 1 hinsichtlich des Auftrags vom 11.07.2005 ausgeht. Den Mitarbeitern der Beklagten zu 1 sei zum einen vorzuwerfen, dass sie vor dem Fernzugriff nicht hinreichende Sicherheitsvorkehrungen getroffen hatten. Zum anderen hätten sie nicht angemessen auf den Ausfall der SPS-Steuerung reagiert, insbes. rechtzeitig die Klägerin zu 2 informiert. Der Klägerin zu 1 könne auch kein Mitverschulden vorgeworfen werden. Deren Mitarbeiter L habe nicht gewusst, dass im Rahmen der Fernwartung die CPU ausgeschaltet worden sei. Da er sich nicht unmittelbar vor der SPS-Steuerung aufgehalten habe, habe er dies auch nicht selbst feststellen können.

Auch im Hinblick auf die Installation der Anlage im Jahre 1997 treffe die Klägerseite kein Mitverschulden. Es habe keine Verpflichtung gegeben, einen Generalunternehmer einzuschalten oder ein Ingenieurbüro zur Überwachung der Einbauten.

Die vom Landgericht bestätigte Gesamtschuldnerschaft begründen die Klägerinnen damit, dass die Beklagte zu 2 mit der fehlerhaften Erstellung im Jahre 1997 bereits die maßgeblichen Voraussetzungen des späteren Schadenseintritts gelegt habe, der dann durch die Arbeiten der Beklagten zu 1 am 11.07.2005 verursacht worden sei. Von daher liege eine gleichstufige Verantwortlichkeit der Beklagten vor.

Hinsichtlich der von der Beklagten zu 1 gerügten Aktivlegitimation der Klägerin zu 1 tragen die Klägerinnen vor, in ihrem Innenverhältnis sei die Klägerin zu 2 verpflichtet, die durch den Schadensfall entstandenen Kosten zu tragen. Die Klägerin zu 1 sei deshalb berechtigt, statt auf Leistung an sich auch auf Leistung an die Klägerin zu 2 als die eigentlich wirtschaftlich Geschädigte zu klagen.

Hinsichtlich der Schadenshöhe vertreten die Klägerinnen die Auffassung, die Schadenshöhe sei unstreitig, da die Beklagten im selbständigen Beweisverfahren keine Einwendungen gegen die Feststellungen des Sachverständigen F erhoben hätten.

Das Landgericht habe auch zu Recht einen Verzugszins in Höhe von 8 %-Punkten über dem Basiszinssatz ausgeurteilt. Denn der Anspruch aus positiver Vertragsverletzung sei ein vertraglicher Anspruch, so dass § 288 Abs. 2 BGB zum Tragen komme.

Die Beklagte zu 1 könne sich auch nicht mit Erfolg auf Verjährung beruhen. Sie verkenne dass die Verjährung erst mit Kenntniserlangung von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners beginne.

Mit ihrer Berufung rügt die Beklagte zu 2 Folgendes: Entgegen der Ansicht der Kammer sei nicht deutsches, sondern italienisches Zivilrecht auf die Vertragsbeziehung zwischen der Klägerin zu 1 und der Beklagten zu 2 anzuwenden. Das Landgericht habe jedoch nicht geprüft, ob ein Schadensersatzanspruch nach italienischem Recht gegeben wäre. Das italienische Recht kenne keine Rechtsfigur, die der positiven Vertragsverletzung entspreche. Im Übrigen sei der Schadensersatzanspruch nach italienischem Recht verjährt.

Wie in erster Instanz beruft sich die Beklagte zu 2 zudem darauf, dass sie keine betriebsfertige, einsatzbereite Maschine zu liefern gehabt habe. Vielmehr habe sie lediglich eine Komponente geschuldet, die in andere Anlagenteile einzubauen gewesen sei. Für diesen Einbau sei die Beklagte zu 2 nicht verantwortlich gewesen. Dies habe vielmehr der Firma M-GmbH oblegen. Diese habe dementsprechend auch eine Risikoanalyse durchführen und die Gesamtanlage erproben und abnehmen müssen. Die Beklagte zu 2 sei auch nicht damit beauftragt worden, eine automatische Abschaltung der Anlage durch eine entsprechende Hardware vorzusehen. Dies sei nicht im Leistungskatalog enthalten und auch nicht im Preis einkalkuliert gewesen.

Hinsichtlich der fehlerhaften CE-Kennzeichnung vertritt die Beklagte zu 2 die Auffassung, es sei klar erkennbar gewesen, dass sich die dem CE-Zeichen zugedachte Erklärung nicht auf Teile habe beziehen können, die nicht im Auftragsumfang der Beklagten zu 2 enthalten gewesen seien, namentlich die streitgegenständliche Steuerung. Zudem richte sich das CE-Zeichen grundsätzlich nicht an den Käufer. Der Irrtum über die Bedeutung des CE-Kennzeichens gehe zu Lasten der Klägerinnen, die für die Frage der Sicherheit des Betriebs der erst „noch zu bildenden Endmaschine selbst verantwortlich [gewesen seien] bzw. Steuerungs- und Wartungsaufgaben an Dritte übertragen“ hätten.

Die Verantwortung für den Schaden trage die Klägerseite, weil sie das Projekt falsch geplant habe. Zudem sei der Schaden auch infolge des schlechten Zusammenwirkens der Klägerin zu 2 mit der Beklagten zu 1 im Juli 2005 verursacht worden. Mit alledem habe die Beklagte zu 2 nichts zu tun, weshalb sie für das Schadensereignis nicht haftbar sei.

Ferner kritisiert die Beklagte zu 2, dass die Kammer die Feststellungen des Sachverständigen zur Schadenshöhe ohne eigene Begründung übernommen habe. Die Ausführungen des Sachverständigen zur Schadenshöhe seien aber ohne Substanz. Die Beklagte zu 2 bestreite den Anfall und die Angemessenheit der Kosten sowie die Kausalität zwischen dem Schadensereignis und den behaupteten Kosten.

Die Beklagte zu 2 beantragt, das Endurteil des Landgerichts Gera vom 13.02.14 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Hilfsweise beantragt sie, das angegriffene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Gera zurückzuverweisen.

Die Klägerinnen beantragen, die Berufung der Beklagten zu 2 zurückzuweisen.

Sie verteidigen die Ansicht des Landgerichts, dass deutsches Privatrecht Anwendung finde. Sie verweisen darauf, dass die Beklagte zu 2 nie ausdrücklich in Abrede gestellt habe, die klägerischen AGB erhalten zu haben. Auch aus den weiteren Umständen ergebe sich, dass deutsches Recht vereinbart worden sei. Zutreffend sei das Landgericht zudem davon ausgegangen, dass kein reiner Kaufvertrag vorliege, sondern vielmehr ein Werkvertrag, so dass UN-Kaufrecht nicht zum Tragen komme.

Ebenso teilen die Klägerinnen die Ansicht der Kammer, dass die Beklagte zu 2 für die Schadensentstehung verantwortlich war, da sie ihrer Pflicht, für eine hinreichend sichere Funktion der von ihr gelieferten Maschinen zu sorgen, nicht nachgekommen sei. Sie heben hierbei die fälschlicherweise erfolgte Anbringung des CE-Kennzeichens hervor.

Hinsichtlich der bestrittenen Kostenhöhe verweisen die Klägerinnen auf § 493 ZPO mit der Begründung, die Schäden seien im selbständigen Beweisverfahren festgestellt worden. In diesem Verfahren hätten die Parteien und ihre Parteivertreter einstimmig erklärt, dass es weder zur Schadenshöhe noch zu den festgestellten Schäden Einwendungen gebe. Zudem rügen die Klägerinnen ein nicht hinreichend konkretisiertes Bestreiten.

Die Streithelferin der Beklagten zu 2 schließt sich sowohl den Anträgen der Beklagten zu 2 als auch deren Ausführungen in der Berufungsbegründung an.

II.

1. Zur Berufung der Beklagten zu 2:

Die Berufung der Beklagten zu 2 ist zulässig. In der Sache hat sie – zumindest soweit es den Haftungsgrund betrifft – keinen Erfolg. Die Beklagte zu 2 haftet beiden Klägerinnen als Mitgläubiger nach § 823 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz für die eingetretenen Schäden an der Anlage und den Fabrikräumlichkeiten.

a) Die Klägerin zu 1 hat gegenüber der Beklagten zu 2 keinen vertraglichen Schadensersatzanspruch. Zwar sind die Voraussetzungen des Art. 45 Abs. 1 CISG erfüllt, jedoch ist der darauf beruhende Schadensersatzanspruch verjährt.

aa) Der vertragliche Schadensersatzanspruch aus Art. 45 Abs. 1 CISG folgt aus der Vereinbarung, den die Beklagte zu 2 im April 1997 mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1, der Firma A & Söhne GmbH & Co. geschlossen hat (Anlagen Klägerin zu 2 – Bestellung vom 03.04.97, Bl. 20 f. – und K 3 – „Auftragsbestätigung“ vom 04.04.97, Bl. 22 – 24). Aus dem Bestätigungsschreiben wird deutlich, dass es mit der reinen Lieferung der Mischanlage nicht sein Bewenden haben sollte. Vielmehr war – wie es dann auch umgesetzt wurde – zusätzlich ein „Ingangsetzen“ geschuldet, für das eine Zeit von einer Woche vorgesehen war, wobei „bei Ankunft des Technikers […] die installierte Anlage schon bereit und mit allen Hauptanschlüssen versehen sein [sollte], so dass umgehend zu dem Ingangsetzen übergegangen werden kann“. Dies zeigt, dass es sich um keinen reinen Kaufvertrag handelt, sondern auch ein Erfolg, nämlich das Ingangsetzen bzw. der Betrieb des Mischers, geschuldet war.

bb) Auf den Vertrag ist das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG) anzuwenden, da sowohl I als auch Deutschland Vertragspartner sind (Art. 1 Abs. 1 CISG; vgl. Thorn, in: Palandt, BGB, 73. Aufl., Rom I 3 Rn. 5). Voraussetzung dafür ist, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Vertrag um einen Kaufvertrag über Waren handelt. Dem sachlichen Anwendungsbereich des CISG unterfallen hingegen solche Verträge nicht, die die Lieferung herzustellender Waren zum Gegenstand haben (Münch, in: jurisPK-BGB, 7. Aufl., Art. 1 CISG Rn. 38). Dies folgt letztlich auch aus Art. 3 Abs. 2 CISG. Bei gemischten Verträgen ist das Abkommen dann nicht anwendbar, wenn die Dienstleistungsanteile überwiegen (Westermann, in: MüKo-BGB, 6. Aufl., Art. 1 CISG Rn. 7 und Art. 3 CISG Rn. 5 f.). Der Werklieferungsvertrag wird regelmäßig unter das CISG fallen, nicht jedoch der Liefervertrag mit Montageverpflichtung als Nebenpflicht, gewöhnlich auch nicht der Anlageerrichtungsvertrag (Westermann, a.a.O. Art. 3 CISG Rn. 7). Die Beweislast trägt derjenige, der sich auf die Unabwendbarkeit des CISG beruft (Westermann, a.a.O., Art. 3 CISG Rn. 8).

Die Beklagte zu 2 hat nicht belegt, dass Art. 3 Abs. 2 CISG eingreift. Die lange Dauer der vorgesehenen Ingangsetzung (eine Woche) führt nicht dazu, dass die Dienstleistungskomponente überwiegt. So war die Beklagte zu 2 zunächst nur verpflichtet, den Mischer nach Deutschland zu versenden. Das Ingangsetzen sollte erst erfolgen, nachdem die Anlage schon „installiert“, „bereit und mit allen Hauptanschlüssen versehen“ war.

cc) Die Beklagte zu 2 haftet der Klägerin aus Art. 45 Abs. 1 lit. b CISG auf Schadensersatz. Hierbei genügt die objektive Pflichtverletzung (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 24.02.2011 – 6 U 555/07 –, Rn. 52 f. und 91, juris). Dem Landgericht ist darin beizupflichten, dass ausweislich der Feststellungen des Gerichtssachverständigen Prof. F (S. 10, 26 und 40 f. des Hauptgutachtens, S. 3 f., 5, 7 ff. des Ergänzungsgutachtens und S. 4-11 des Protokolls vom 25.03.2011, Bl. 525-532 der Akte 2 OH 8/06) die Beklagte zu 2 ihren Vertragspflichten nicht nachgekommen ist. Sie hat für den Mischer keine stromunabhängige Notabschaltung vorgesehen, obwohl dies technisch notwendig gewesen wäre, da sie durch die unberechtigterweise erfolgte Anbringung des CE-Kennzeichens auf dem Mischer (siehe das Foto auf S. 11 des Ergänzungsgutachtens) nach außen suggeriert hat, die Maschine entspreche den einschlägigen Sicherheitsstandards.

dd) Soweit sich die Beklagte zu 2 darauf beruft, die Rechtsvorgängerin der Klägerin sei ihren Überwachungspflichten nicht nachgekommen, und auch die Fa. M-GmbH hätte eine Risikoanalyse durchführen müssen, zudem sei der Schaden im Grunde nur eingetreten, weil beim Zusammenwirken der Klägerin zu 2 und der Beklagten zu 1 erhebliche Pannen passiert seien, für die diese beiden Beteiligten verantwortlich seien, ändert dies nichts an der Ursächlichkeit des Fehlverhaltens der Beklagte zu 2 für das Schadensereignis. Zwar trifft es zu, dass der Schaden nicht eingetreten wäre, wenn die Beklagte zu 1 ihrerseits die Schaltung so installiert hätte, dass der Mischerbetrieb im Falle eines Ausfalls der Schaltung automatisch stoppt und es auch nicht zu dem streitgegenständlichen Unfall gekommen wäre, wenn sich die Beklagte zu 1 am 11.07.2005 anders verhalten hätte. Doch beides hat nicht zu einer Unterbrechung des Kausalverlaufs geführt. Vielmehr ist das Verhalten der Beklagte zu 2 mitursächlich für den späteren Schadensfall. Zwar trat der Schaden nur deshalb ein, weil sowohl die Beklagte zu 1 als auch die Beklagte zu 2 im Jahre 1997 Fehler machten und hätte das Unfallereignis vermieden werden können, wenn die Beklagte zu 1 im Jahre 2005 anders gehandelt hätte, jedoch führt eine solche Gesamtkausalität nicht zur Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs (BGH, Urteil vom 10.05.1990 – IX ZR 113/89 -, NJW 1990, 2882, zit. nach juris, Rn. 22; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 73. Aufl., Vor § 249 Rn. 34).

ee) Der Schadensersatzanspruch ist nicht nach Art. 39 CISG ausgeschlossen. Zwar verliert der Käufer spätestens nach Ablauf von zwei Jahren, nachdem ihm die Ware tatsächlich übergeben worden ist, seinen Anspruch, sofern er dem Verkäufer nicht innerhalb dieser Frist die Vertragswidrigkeit der Ware angezeigt hat, jedoch gilt dies nicht, wenn die Vertragswidrigkeit auf Tatsachen beruht, die der Verkäufer kannte oder über die er nicht in Unkenntnis sein konnte und die er dem Käufer nicht offenbart hat. Diese Vorraussetzung ist vorliegend gegeben.

Die Beklagte zu 2 hat zumindest grob fahrlässig das CE-Kennzeichen auf den streitgegenständlichen Mischer angebracht und die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 nicht über diesen Fehler unterrichtet. Eine grob fahrlässige Unkenntnis liegt vor, wenn der Verkäufer, zumal wenn er zugleich Hersteller ist, augenfällige und gravierende Mängel seiner Ware übersehen hat, die schon bei Anwendung einfachster Sorgfalt zu erkennen waren (Magnus, in: Staudinger (2013), Art. 40 CISG Rn. 5). So ist es vorliegend. Als Hersteller der Mischer musste die Beklagte zu 2 um die Bedeutung des CE-Kennzeichens wissen. Wenn sie eine Maschine, die für den Alleinbetrieb geeignet ist, mit dem CE-Kennzeichen versieht, obwohl sie nicht mit einer automatischen Notabschaltung versehen ist, und der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 liefert und auch in der Gebrauchsanweisung auf die Sicherheit ihres Produkts hinweist, hat sie grob fahrlässig gehandelt.

ff) Der Schadensersatzanspruch ist auch nicht wegen Mitverschuldens der Klägerinnen zu kürzen. Die Voraussetzungen des Art. 77 CISG, der auch eingreift, wenn der Käufer seiner Obliegenheit nicht nachkommt, die Entstehung des Schadens zu vermeiden (Magnus, in: Staudinger (2013), Art. 77 CISG Rn. 8), sind nicht gegeben.

(1) Die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 war im Jahre 1997 nicht gehalten, zu überprüfen, ob der streitgegenständliche Mischer das CE-Zeichen zu Recht trägt. Sie hatte die Fa. M-GmbH zwischengeschaltet, deren Aufgabe es war, sich um die Koordination der Anlagenerrichtung zu kümmern.

Die Beklagten haben dies vor dem Senat am 18.03.15 in Abrede gestellt und behauptet, die Fa. M-GmbH sei eine der drei Firmen gewesen, die Teile geliefert hätten. Die Projektkoordinierung habe aber bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 selbst gelegen (vgl. auch das Hauptgutachten von Prof. F, in dem davon die Rede ist, dass die Projektleitung bei dem Mitarbeiter RJ lag, der zur Zeit der Gutachtenerstellung Mitarbeiter der Klägerin zu 1 war, während für die Gesamtanlage die Fa. M verantwortlich zeichnet (S. 34 HG). Aus dem Vertrag zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 und der Fa. M-GmbH (Anlage AS 4 des selbständigen Beweisverfahrens) geht jedoch hervor, dass die Auftragnehmerin für die „Planung, Lieferung, Montage und Inbetriebnahme einer Aufbereitungsanlage für Fenstermischungen für 2 Mischanlagen“ verantwortlich war. Zum Leistungs- und Verantwortungsbereich der Fa. M gehörten lediglich nicht die „zentralen Anschlüsse für Strom und Wasser“, der Stahlbau, die „Hebezeuge für Big-Bags“ sowie Fundamente und Fundamentarbeiten. In der von der Fa. M stammenden sog. Spezifikation wird unter Nr. 16.2 auf die SPS-Steuerung eingegangen und unter Nr. 16.6 auf die Einbindung der Mischersteuerung. Damit wird deutlich, dass es Aufgabe der Fa. M war, sich hierum zu kümmern. Von daher oblag es nicht der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1, Risikoanalysen vorzunehmen. Vielmehr konnte sie darauf vertrauen, dass die von ihr beauftragte Firma M das Erforderliche veranlasst.

(2) Die Klägerin zu 1 muss sich unter Mitverschuldensgesichtspunkten auch nicht entgegenhalten lassen, dass sowohl die Fa. M-GmbH als auch die Beklagte zu 1 im Jahre 1997 im Hinblick auf die Betriebssicherheit des streitgegenständlichen Mischers Fehler gemacht haben. Art. 77 CISG regelt selbst nicht, ob und wann sich der Geschädigte das Verhalten Dritter anspruchsmindernd zurechnen lassen muss. Vielmehr ist insoweit auf das anwendbare nationale Recht zurückzugreifen (Magnus, a.a.O., Rn. 9). Da im vorliegenden Fall deutsches Recht zur Anwendung kommt, ist § 254 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 278 BGB der Maßstab. Weder die Fa. M-GmbH noch die Beklagte zu 1 waren jedoch Erfüllungsgehilfen der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1, soweit es deren Obliegenheiten im Hinblick auf den Schadensersatzanspruch betrifft.

So verfolgt ein Generalunternehmer seine eigenen, gegenüber seinem Auftraggeber ggf. auch widerläufigen Interessen und sitzt deshalb mit diesem nicht „in einem Boot“ (vgl. Ebert in: Erman, BGB, Vorbemerkung zu §§ 249–253, Rn. 63; siehe auch BGH, Urteil vom 10. 12.1976 – V ZR 235/75 –, Rn. 10, juris –, bezogen auf die Zurechnung des Wissens des Bauunternehmers nach § 166 BGB zu Lasten des Bauherrn).

(3) Aus dem gleichen Grund muss sich die Klägerin zu 1 auch nicht das Fehlverhalten der Beklagten zu 2 bei der Durchführung des Fernwartungsauftrags vom 11.07.2005 zurechnen lassen, abgesehen davon, dass nicht die Klägerin zu 1, sondern die Klägerin zu 2 den Auftrag erteilt hatte.

(4) Entsprechend kommt auch eine Zurechnung des Verhaltens der Klägerin zu 2 am 11.07.2005 nicht in Betracht. Zudem hat sich – wie noch unten auszuführen ist – die Klägerin zu 2 am 11.07.2005 nicht fehlerhaft verhalten.

gg) Der Schadensersatzanspruch aus Art. 45 Abs. 1 CISG ist allerdings nicht durchsetzbar. Die Beklagte zu 2 beruft sich mit Erfolg auf Verjährung. Dies folgt jedoch – anders als die Beklagte zu 2 meint – nicht aus italienischem Verjährungsrecht. Richtig ist dabei zunächst der Ansatz, dass sich die Verjährung nach nationalem Recht richtet, da das CISG insoweit keine eigenen Verjährungsregelungen kennt (BGH, Versäumnisurteil vom 23.10.2013 – VIII ZR 423/12 -, juris Rn. 22; Magnus, in: Staudinger (2013), Art. 74 CISG Rn. 58), da weder Deutschland noch I dem UN-Übereinkommen vom 14.06.1974 über die Verjährung beim internationalen Warenkauf beigetreten sind (vgl. die Aufstellung von UNCITRAL über den „Status Convention on die Limitation Period in the International Sale of Goods“).

Die Frage, welches Verjährungsrecht auf diesen Vertrag anzuwenden ist, richtet sich nach Art. 27 und 28 EGBGB a.F. Denn das Abkommen Rom I kommt nicht zum Tragen, da der Vertrag vor dessen Inkrafttreten abgeschlossen worden ist (vgl. die Argumentation der Beklagten zu 2, Bl. 99).

Das Landgericht ist von einer freien Rechtswahl im Sinne des Art. 27 Abs. 1 EGBGB a.F. ausgegangen, ohne diese Norm freilich zu nennen (S. 8 des Urteils). Das Landgericht hat dabei offen gelassen, ob die AGB der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 vereinbart worden sind, die deutsches Recht vorsehen (Anlage K 10, Bl. 162, dort Nr. 6, letzter Absatz: „Es gilt ausschließlich das Recht der Bundesrepublik Deutschland.“). Als Kriterien hat das Landgericht folgende Punkte genannt: Vertragsverhandlungen in deutscher Sprache, Auftragsbestätigung in Deutsch gefasst, Lieferung nach Deutschland und Pflicht, die Anlage dort in Gang zu setzen. Allerdings stellt die Sprache, in der der Vertrag gefasst ist, kein solches Indiz dar. Ihr kommt allenfalls eine unterstützende Funktion zu (Thorn, in: Palandt, BGB, 73. Aufl., Rom I 3 Rn. 7). Indiz kann hingegen ein gemeinsamer Erfüllungsort sein, besonders wenn er vom tatsächlichen Leistungsort abweicht. Dies ist der entscheidende Gesichtspunkt, der für die Ansicht des Landgerichts spricht. Die Beklagte zu 2 genügte ihrer Hauptleistungspflicht nicht schon dadurch, dass sie den Mischer zum Versand gebracht hat. Vielmehr war das Ingangsetzen, für das eine volle Woche veranschlagt war, ebenfalls von wesentlicher Bedeutung. Dies sollte am Standort in T geschehen. Hierdurch wurde eine konkludente Rechtswahl des deutschen Rechts getroffen.

Nach deutschem Recht ist der Anspruch nach § 477 Abs. 1 BGB a.F. verjährt. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 477 Abs. 1 BGB a.F. unterfallen Schadensersatzansprüche wegen positiver Vertragsverletzung hinsichtlich solcher Schäden, einschließlich der sogenannten Mangelfolgeschäden, die aus einem Sachmangel des Kaufgegenstandes hergeleitet werden und zu diesem in unmittelbarem, untrennbarem Zusammenhang stehen, der kurzen sechsmonatigen Verjährungsfrist des § 477 Abs. 1 BGB a.F. (BGH, Urteil vom 29.11.1972 – VIII ZR 233/71 -, BGHZ 60, 9 (12); Urteil vom 26.04.1989 – VIII ZR 312/87 -, BGHZ 107, 249 (252); Hefermehl, in: Erman, BGB, 10. Aufl., § 195 Rn. 7; Heinrichs, in: Palandt, BGB, 61. Aufl., § 195 Rn. 9; Putzo, in: Palandt, BGB, 61. Aufl., § 477 Rn. 6 f.). Diese Bestimmung kommt im vorliegenden Fall zu Gunsten der Beklagten zu 2 nach Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB zum Tragen, da die Verjährung bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttreten der Schuldrechtsreform eingetreten war. Denn nach § 477 Abs. 1 BGB a.F. begann die Verjährung bei beweglichen Sachen in sechs Monaten von der Ablieferung, sofern der Verkäufer den Mangel nicht arglistig verschwiegen hat. Ein arglistiges Verhalten ist aber weder klägerseits vorgetragen noch ersichtlich.

b) Der Klägerin zu 1 steht jedoch gegen die Beklagte zu 2 nach § 823 Abs. 1 BGB ein deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch zu.

aa) Die Bestimmung des § 823 Abs. 1 BGB ist anwendbar. Da sich der Schadensfall im Jahre 2005 ereignet hat, kommt die Verordnung (EG) Nr. 864/2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II) nicht zum Tragen (Art. 31 Rom II). Vielmehr richtet sich die Frage nach dem anzuwendenden Recht nach Art. 40 Abs. 1 EGBGB. Es kann offen bleiben, ob bereits nach dessen Satz 1 deutsches Deliktsrecht zur Anwendung kommen könnte, denn die Klägerin zu 1 hat sich schon in ihrer Klagebegründung auf deutsches Recht gestützt hat, so dass jedenfalls die Voraussetzungen des Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB erfüllt sind.

bb) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB sind gegeben. Durch die nicht gerechtfertigte Anbringung des CE-Zeichens hat die Beklagte zu 2 nach außen deklariert, dass der von ihr gelieferte Mischer den Sicherheitsstandards entspricht, wozu nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. F auch eine automatische Notabschaltung gehört hätte. Diese Deklarierung war zumindest mitursächlich dafür, dass im Rahmen der Projektüberwachung die Thematik der Notabschaltung nicht in den Blickpunkt genommen und auch am 11.07.2005 notwendige Schutzmaßnahmen nicht getroffen wurden. Das Fehlverhalten der Beklagten zu 2 war nicht nur adäquat kausal, vielmehr muss sie sich den Schadensfall auch zurechnen lassen. Das CE-Kennzeichen hat gerade die Aufgabe, dass sich Dritte darauf verlassen können, dass die Anlage, die mit dieser Kennzeichnung versehen ist, die entsprechenden Sicherheitsstandards erfüllt. Die Beklagte zu 2 hat auch schuldhaft gehandelt und ist daher verpflichtet, der Klägerin zu 1 den ihr infolge des Störfalls entstandenen Schaden zu ersetzen.

cc) Aufgrund dieses Fehlverhaltens haftet die Beklagte zu 2 der Klägerin zu 1 gegenüber dem Grunde nach auf Ersatz der durch den Störfall an der Anlage und den Fabrikräumlichkeiten entstandenen Schäden. Dies gilt auch für die Schäden an dem explodierten Mischer selbst. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte zu 2 der Klägerin zu 1 an sich auch aus Vertragsrecht nach Art. 45 Abs. 1 lit. b CISG Schadensersatz zu leisten hätte, wenn dieser Anspruch nicht verjährt wäre. Dabei kann dahinstehen, ob die Grundsätze des Bundesgerichtshofs zur „Stoffgleichheit“ und zum „weiterfressenden Mangel“ (vgl. etwa BGH, Urteil vom 12.12.2000 – VI ZR 242/99 -, juris Rn. 10 ff.) auch nach der Schuldrechtsreform noch nur Anwendung kommen und sich ohne weiteres auf Ansprüche aus Art. 45 Abs. 1 lit. b CISG übertragen lassen, das gerade nicht zwischen den verschiedenen Arten von Leistungsstörungen unterscheidet (Geiben, in: jurisPK-BGB, 7. Aufl., Art. 45 CISG Rn. 7). Denn im vorliegenden Fall ist der von der Beklagten zu 2 an die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 gelieferte Mischer als solcher fehlerfrei gewesen. Die Haftung der Beklagten zu 2 gründet nicht darin, dass sie eine fehlerhafte Sache geliefert hat, sondern dass sie das Produkt mit dem CE-Kennzeichen versehen hat und damit nach außen etwas deklariert hat, was sie weder vertraglich schuldete noch zu dem sie aufgrund der Ausstattung des Mischers berechtigt war. Von daher liegt kein Fall vor, in dem sich der geltend gemachte Schaden mit einem der Sache von Anfang an anhaftenden Mangelunwert deckt, so dass eine Eigentumsverletzung nicht in Betracht kommt, weil die deliktischen Verkehrspflichten grundsätzlich nicht darauf gerichtet sind, das Äquivalenzinteresse des Erwerbers zu schützen (BGH, a.a.O., Rn. 12).

dd) Die deliktsrechtliche Haftung der Beklagten zu 2 ist nicht wegen Mitverschuldens (§ 254 Abs. 1 BGB) der Klägerin zu 1 ausgeschlossen oder gemindert. Wie bereits oben aufgezeigt, hat sich die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 im Jahre 1997 darauf verlassen können, dass sich die für die Errichtung der Gesamtanlage zuständige Fa. M um die Risikoanalyse kümmert. Das Fehlverhalten dieses Unternehmens sowie der Beklagten zu 1, das jeweils mitursächlich für das Schadensereignis vom 11.07.2005 war, ist der Klägerin zu 1 nicht zuzurechnen.

ee) Der deliktsrechtliche Schadensersatzanspruch ist auch nicht verjährt. Der Anspruch ist am 11.07.2005 entstanden. Die Verjährung des Anspruchs gegen die Beklagte zu 2 begann damit nach § 199 Abs. 1 BGB am 01.01.2006. Durch die Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens gegen die Beklagte zu 2 (31.03.2006, vgl. Bl. 33a im Verfahren 2 OH 8/06 vor dem Landgericht Gera) wurde die Verjährung gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB). Das Beweissicherungsverfahren und die Hemmung der Verjährung (§ 204 Abs. 2 BGB) endeten erst im Jahre 2011. Durch die Klageerhebung gegen die Beklagte zu 2 am 23.02.2012 (Bl. 80 a) wurde die Verjährung erneut gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB).

c) Die Beklagte zu 2 haftet auch der Klägerin zu 2 nach § 823 Abs. 1 BGB deliktsrechtlich auf Schadensersatz. Durch die unerlaubte Handlung hat die Beklagte zu 2 das Besitzrecht der Klägerin zu 2, das ihr aufgrund des zwischen ihr und der Klägerin zu 1 bestehenden Pachtvertrages zusteht, widerrechtlich und schuldhaft verletzt. Auch wenn die Klägerin zu 2 nicht Eigentümerin der Anlagen und des Fabrikgeländes ist und unter diesem Gesichtspunkt keinen Substanzschaden geltend machen kann, und auch nicht Ersatz des Nutzungsschadens begehrt, so kann sie doch den Haftungsschaden geltend machen, den sie erlitten hat, weil sie der Klägerin zu 1 gegenüber aufgrund des Pachtvertrages verpflichtet ist, die Pachtsachen instand zu halten.

d) Sowohl der Klägerin zu 1 als auch der Klägerin zu 2 steht gegen die Beklagte zu 2 ein Schadensersatzanspruch zu. Die Beklagte zu 2 hat den durch ihr Fehlverhalten entstandenen Substanzschaden aber nur einmal zu ersetzen. In Gesamtanalogie zu §§ 432, 1281 BGB besteht zwischen den Klägerinnen Mitgläubigerschaft (Looschelders, in: Staudinger, BGB (2012), § 432 Rn. 46; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 73. Aufl., § 432 Rn. 7). Danach kann an sich jeder Gläubiger nur die Leistung an alle fordern. Dementsprechend befreit eine Leistung an den einzelnen Gläubiger den Schuldner grundsätzlich nicht (Grüneberg, a.a.O., Rn. 8). Vorliegend haben die Klägerinnen aber durch ihren Klageantrag deutlich gemacht, dass durch die Zahlung an die Klägerin zu 2 das Leistungsinteresse aller Gläubiger befriedigt wird, zumal die Klägerin zu 2 im Innenverhältnis zur Klägerin zu 1 aufgrund von § 3 Nr. 2 Satz 1 des Pachtvertrages instandsetzungspflichtig ist.

2. Zur Berufung der Beklagten zu 1:

Die Berufung der Beklagten zu 1 ist zulässig. Auf den Haftungsgrund bezogen, hat sie in der Sache keinen Erfolg. Auch die Beklagte zu 1 haftet beiden Klägerinnen als Mitgläubiger nach § 823 Abs. 1 BGB dem Grunde nach auf Schadensersatz.

a) Eine vertragliche Haftung der Beklagten zu 1 gegenüber der Klägerin zu 1 im Hinblick auf die im Jahre 1997 installierte SPS-Steuerung kommt nicht in Betracht. Zum einen bestand zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 und der Beklagten zu 1 keine vertragliche Beziehung. Vielmehr hatte die Beklagte zu 1 im Jahre 1997 mit der Firma M-GmbH einen Vertrag geschlossen. Die Beklagte zu 1 war Subunternehmerin. Unmittelbare vertragliche Beziehungen zur Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 gab es nicht. Weder entfaltete der Vertrag zwischen der Firma M-GmbH und der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 zu deren Gunsten Schutzwirkungen noch ist eine Abtretung von Ansprüchen vorgetragen. Zum anderen wäre ein Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung auch verjährt. Denn auch im Verhältnis zur Beklagten zu 1 kommt § 477 Abs. 1 BGB a.F. zum Tragen.

b) Der Klägerin zu 1 steht gegen die Beklagte zu 1 wegen der fehlerhaften Installation der SPS-Steuerung im Jahre 1997 jedoch ein deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB zu.

aa) Durch den Überdruck im Mischer und das Austreten des Chlorwasserstoffs am 11.07.2005 wurde das Eigentum der Klägerin zu 1 an den Anlagen, Gebäuden und am Betriebsgelände verletzt.

bb) Dieser Unfall wurde mitverursacht durch die Fehlinstallation der SPS-Steuerung im Jahre 1997, für die die Beklagte zu 1 verantwortlich war. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte zu 1 nicht der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1, sondern der Firma M gegenüber vertraglich verpflichtet war, die streitgegenständliche Steuerung zu liefern und zu installieren. Denn die Beklagte zu 1 hat durch den im Jahre 1997 erfolgten Einbau einer Steuerung, die keine Gewähr dafür bot, dass der Mischerbetrieb automatisch endet, wenn die Steuerung ausfällt, einen wesentlichen Ursachenbeitrag zu dem Schadensfall vom 11.07.2005 geleistet. Der Sachverständige Prof. F hat in seinem Hauptgutachten auf S. 38 f. und 42 festgestellt, dass die Beklagte zu 1 als Fachfirma anhand der Schnittstellenpläne hätte erkennen müssen, dass der Ausbefehl als Öffner realisiert ist und es deshalb Probleme mit dem Abstellen der Mischer geben könnte, wenn die Steuerung wegen Stromausfalls oder aus sonstigen Gründen in den Stopp-Modus geht und deshalb das Relais, das den Aus-Befehl für den Mischer steuert, nicht funktioniert. Dieses Problem wäre durch Umsetzen des Schaltverhaltens des Relais für den Ausbefehl ohne messbaren Aufwand möglich gewesen. Auch wenn die Beklagte zu 1 nur als Subunternehmerin tätig war und sie nur für einen Teilbereich der Anlage verantwortlich war, war sie gleichwohl aufgrund der Kenntnis der Schnittstellenpläne gehalten, sich mit der Firma M-GmbH sowie der Beklagten zu 2 kurzzuschließen, um sicherzustellen, dass in jedem Fall die Mischer angehalten werden, wenn die Steuerung einmal ausfällt, sei es wegen eines Stromausfalls oder aus anderem Grunde. Deshalb hat auch die Beklagte zu 1 zu dem Schadenseintritt beigetragen. Dazu hat der Sachverständige ausgeführt, zwar gehe aus den Schnittstellenplänen nicht hervor, dass der mit dem CE-Kennzeichen versehene Mischer keinen internen Übertemperaturschutz habe. Es entspreche aber nicht dem Stand der Technik, bei einem Ausfall der Steuerung den Mischer einfach solange weiterlaufen zu lassen, bis ein interner Überhitzungsschutz im Mischer anspringe. Vielmehr sei es erforderlich, die Mischer bei einem Ausfall der Steuerung in einen sicheren Betrieb zu bringen. Steuerungen könnten immer wieder einmal ausfallen. Das kenne jeder bei einem PC-Absturz, wenn sich ein Prozessor aufhänge. Im vorliegenden Fall sei die Stopp-Funktion im Mischer mit einem Öffner-Kontakt realisiert worden und das sei technisch nicht sauber, weil bei vielen Störungen das Aussignal nicht mehr durchkomme und somit der Ausfall der Steuerung nicht zur Abschaltung des Mischers führe. Der Sachverständige hat überzeugend dargelegt, dass eine Fachfirma, die eine Steuerung einbauen soll, aus technischer Sicht nicht „einfach nur die Schnittstelle abliefern und sich dann nicht um das Zusammenspiel mit den weiteren Komponenten kümmern“ muss. Dies zugrunde gelegt, ist eine Haftung der Beklagten zu 1 aus Delikt gegenüber der Klägerin zu 1 als Eigentümerin der Maschinen und des Geländes gegeben, weil sie ihre Schaltung fehlerhaft konzipiert und damit zum Schadenseintritt beigetragen hat.

cc) Die Beklagte zu 1 kann sich aus den oben genannten Gründen auch nicht mit Erfolg auf § 254 Abs. 1 BGB berufen. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 war nicht gehalten, selbst eine Risikoanalyse vorzunehmen. Das Verhalten der Firma M sowie der Beklagten zu 2, die Ursachenbeiträge zu dem Schadensfall geleistet haben, muss sie sich nicht zurechnen lassen.

dd) Der deliktsrechtliche Schadensersatzanspruch ist nicht verjährt.

(1) Unabhängig davon, dass zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 und der Beklagten zu 1 keine vertraglichen Beziehungen bestanden, hätte die Verjährung eines vertraglichen Schadensersatzanspruchs auch keinen Einfluss auf die deliktsrechtliche Verjährung. Der Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB verjährt eigenständig (BGH, Urteil vom 04.03.1971 – VII ZR 40/70 –, juris Rn. 15 ff.).

(2) Das fehlerhafte Verhalten der Beklagten zu 1 fand bereits im Jahre 1997 statt. Dies führt gleichwohl nicht zum Eintritt der Verjährung. Der Schadensfall und damit die Eigentumsverletzung traten erst im Jahre 2005 ein. Die Verjährungsfrist des § 195 BGB begann aber auch noch nicht nach § 199 Abs. 1 BGB am 01.01.2006 zu laufen. Denn die Klägerin zu 1 erhielt erst im Verlaufe des selbständigen Beweissicherungsverfahrens Kenntnis davon, dass die Beklagte zu 1 im Jahre 1997 bei der Installation der Steuerung einen Fehler gemacht hatte. Von daher kommt es – anders als die Beklagte zu 1 meint – auch nicht darauf an, dass das selbständige Beweisverfahren nicht wegen dieses Fehlers eingeleitet wurde und dementsprechend hinsichtlich der Ansprüche, die auf ein Fehlverhalten der Beklagten zu 1 im Jahre 1997 fußen, keine Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB eintreten konnte. So erfuhren die Klägerinnen erst im Verlaufe des selbständigen Beweissicherungsverfahrens durch das Hauptgutachten von Prof. F vom 31.05.2009, dass die Schaltung fehlerhaft war. Mithin begann nach § 199 Abs. 1 BGB die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB für den deliktsrechtlichen Anspruch erst am 01.01.2010 und war demnach am 23.02.2012 – an diesem Tage wurde die Klage der Beklagten zu 1 zugestellt (Bl. 80 b) – noch nicht abgelaufen.

c) Die Beklagte zu 1 haftet auch der Klägerin zu 2 dem Grunde nach aus § 823 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz. Auch die Beklagte zu 1 hat das Besitzrecht der Klägerin zu 2 rechtswidrig und schuldhaft verletzt. Die obigen Ausführungen zur Haftung der Beklagten zu 2 gelten auch hier entsprechend.

d) Die Beklagte zu 1 ist der Klägerin zu 2 aber auch aufgrund des mündlich am 11.07.2005 erteilten Fernwartungsauftrags dem Grunde nach einstandspflichtig.

aa) Die Haftung folgt aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB. Die Beklagte zu 1 hat es pflichtwidrig vor der Auftragsübernahme unterlassen, abzuklären, ob die Mischer bei einem Ausfall der Steuerung automatisch ihren Betrieb einstellen. Ohne diese Abklärung hätte sie den Fernwartungsauftrag nicht übernehmen dürfen. Zumindest aber hätte sie die Klägerin zu 2 über die Risiken aufklären müssen, die bestehen, wenn während einer Fernwartung die Steuerung ausfällt und die Mischer nicht automatisch in den Stopp-Zustand gehen können. Sie hätte sich zudem vergewissern müssen, dass die Mitarbeiter der Klägerin zu 2 sicher in der Lage sind, im Störfall umgehend manuell die Mischer auszustellen. Außerdem hätte sie die Klägerin zu 2 auffordern müssen, für den Zeitraum der Fernwartung den Produktionsprozess und die Temperaturentwicklung ständig zu beobachten und Personal in laufender Bereitschaft zu halten, um im Störfall sofort den Mischerbetrieb händisch unterbrechen zu können. Indem sie den Fernwartungsauftrag übernommen und ausgeführt hat, ohne die genannten Schutzvorkehrungen zu treffen, hat die Beklagte zu 1 unabhängig davon, wie man die Zeugenvernehmung – Protokoll vom 12.12.2013 – würdigt, einen weiteren Beitrag zur Entstehung des Schadensfalls geleistet. Dies entspricht auch den Feststellungen des Sachverständigen F, der insoweit den Verantwortungsanteil auf 5 % geschätzt hat (S. 41 des Hauptgutachtens).

Dabei kommt es auch nicht entscheidend darauf an, weshalb die SPS-Steuerung in den Stopp-Modus gegangen ist. Der Sachverständige hat nicht festgestellt, dass die Steuerung infolge der Fernwartung, also von ihr verursacht, in diesen Modus gegangen ist. Vielmehr hat er auf S. 31 ausgeführt, es sei „im Rahmen der Fernwartung bzw. im Rahmen der Arbeiten zur Fehlerbehebung in der SPS zu einem Ausfall der SPS gekommen“. Die SPS-Steuerung hätte jedoch das erforderliche Ausschaltsignal geben müssen, um den Mischerbetrieb abzuschalten. Dabei handelt es sich um ein Aktiv-Signal. So hätte der entsprechende Ausgang der SPS-Steuerung auf „High“ schalten müssen. Im Stopp-Modus ist das aber nicht möglich (S. 32 des Hauptgutachtens). Entgegen der Ansicht der Beklagten zu 1 entfällt ihre haftungsrechtliche Verantwortung nicht dadurch, dass offen bleibt, ob die Steuerung infolge der Fernwartung ausgefallen ist oder aus einem anderen, nicht bekannten Grund während der Fernwartung. Denn auch wenn die Steuerung nicht infolge der Fernwartung ausgefallen ist, oblag es der Beklagten zu 1 – wie dargelegt – entweder vorab abzuklären, ob eine automatische Abschaltung der Mischer vorgesehen ist und andernfalls den Fernwartungsvertrag abzulehnen, oder aber die Klägerin zu 2 über die Risiken aufzuklären und von ihr Schutzmaßnahmen zu fordern, andernfalls der Auftrag nicht übernommen werde.

bb) Die Klägerin zu 2 trifft auch kein Mitverschulden an der Schadensentstehung. An der Installation der Mischanlage im Jahre 1997 war sie nicht beteiligt, so dass sie für die Verursachungsanteile, die seinerzeit gelegt wurden, nicht verantwortlich ist.

Aber auch im Hinblick auf das Verhalten der Mitarbeiter der Klägerin zu 2 am Schadenstag kommt § 254 Abs. 1 BGB nicht zum Tragen. Die Ausführungen des Gutachters Prof. F zur Frage, welche Maßnahmen die Klägerin zu 2 am 11.07.2005 nach Beauftragung der Fernwartung hätte ergreifen müssen, überzeugen nur dann, wenn man unterstellt, dass sich die Mitarbeiter des besonderen Gefahrenpotentials bewusst sein mussten, das der Ausfall der SPS-Steuerung bei Weiterbetrieb der Produktionslinie 2 mit sich bringen konnte. Denn wenn die Klägerin zu 2 schon wegen der CE-Kennzeichnung darauf vertrauen konnte, dass es nicht infolge einer Überhitzung zu einem Überdruck und damit zu einem Platzen kommen konnte, gab es für sie an sich keinen Anlass, ständig an den Mischern Mitarbeiter zu postieren, um den Erhitzungsprozess dauernd im Blick zu haben. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn eine Fernwartung besonders riskant ist. Dies hat der Gerichtssachverständige jedoch nicht bekundet. Vielmehr hat er ausgeführt, dass die Fernwartung ein durchaus übliches Vorgehen darstellt (S. 39 des Hauptgutachtens). Da die Beklagte zu 1 auch schon zu früheren Zeitpunkten für die Klägerin zu 2 Fernwartungen durchgeführt hatte, ohne dass es dabei zu gefährlichen Situationen gekommen ist, war die Klägerin zu 2 – anders als es der Gutachter auf S. 39 seines Hauptgutachtens meint – nicht gehalten, ständig einen Mitarbeiter vor Ort erreichbar zu halten. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die Mitarbeiter der Beklagten zu 1 dies ausdrücklich gefordert und damit auch zum Ausdruck gebracht hätten, dass hier eine besondere Gefahrenquelle besteht. Der Zeuge L, Mitarbeiter der Klägerin, hat jedoch mehrfach bei seiner Vernehmung am 12.12.2013 bekundet, ihnen sei bei Beginn der Wartungsarbeiten per Modemeinwahl nicht seitens der Beklagten zu 1 erklärt worden, welche Maßnahmen zu ergreifen wären. Derartige Arbeiten seien öfters gemacht worden, und bis dahin sei immer alles gut gegangen (Bl. 353). Die Mitarbeiter der Beklagten zu 1 hätten keine Sicherheitsvorkehrungen verlangt (Bl. 354). Außerdem hat der Zeuge L bekundet, er sei die ganze Zeit über sein Handy telefonisch erreichbar gewesen. Er habe seitens der Beklagten zu 1 einen Rückruf erwartet, der aber nicht gekommen sei. Als er gemerkt habe, dass etwas nicht stimme, habe er gegen 14:30 h die Beklagte zu 1 angerufen, doch da sei die Linie 2 schon außer Kontrolle gewesen. Als er das gesehen habe, habe er noch alle Not-Aus-Knöpfe betätigt und alle Mitarbeiter aus der Halle herausgeschickt (Bl. 352).

Der Zeuge M, ein Mitarbeiter der Beklagten zu 1, hat hingegen bekundet, er habe – nachdem er von dem Zeugen W damit beauftragt worden sei, sich um die stillstehende Steuerung zu kümmern – es geschafft, die SPS wieder zu starten. Er habe dann vergeblich versucht, den Zeugen L hiervon telefonisch zu unterrichten. Da er ihn nicht erreicht habe, habe er die Leitwarte der Klägerin zu 2 angerufen. 10 Minuten später habe dann Herr L zurückgerufen und ihm mitgeteilt, der Mischer brenne.

Die beiden Aussagen stehen miteinander im Widerspruch. Aber auch der Aussage des Zeugen M lässt sich nicht entnehmen, dass die Beklagte zu 1 die Klägerin zu 2 zu besonderer Umsicht aufgefordert hat. Offenbar war es auch für den Zeugen M üblich und ganz normal, dass während einer Fernwartung, bei der „eine Linie nicht läuft oder keine Aufträge annimmt“, die zweite Linie, da separat, weiterläuft, auch wenn die beiden Linien von einer Steuerung abhängen (vgl. S. 8 des Protokolls vom 12.12.13, Bl. 357). Und auch dem Umstand, dass der Zeuge W dem Zeugen M gesagt haben soll, er habe vergeblich versucht, den Zeugen L zu erreichen, belegt nicht, dass die Beklagte zu 1 die Klägerin bei Beginn der Reparaturarbeiten aufgefordert hat, ständig die Mischprozesse zu überwachen, da wegen der Fernreparatur ein erhöhtes Gefahrenpotential bestehe.

Die Angaben des Zeugen M passen auch nur teilweise zu den Aussagen des Zeugen W. Schon zeitlich gibt es eine erhebliche Abweichung, denn laut dem Zeugen M war die Steuerung nur etwa 15 Minuten außer Funktion. Der Zeuge W hat jedoch bekundet, schon zwischen 13.00 und 13.30 h habe die SPS im Stopp gestanden. Außerdem hat der Zeuge W bekundet, er habe dem Zeugen M den Auftrag gegeben, sich um das Problem zu kümmern, nachdem er vergeblich versucht hatte, den Zeugen L telefonisch zu erreichen. Nach Darstellung des Zeugen M war es genau umgekehrt. Auch ist in der Aussage des Zeugen W von mehreren vergeblichen Versuchen die Rede, den Zeugen L telefonisch zu erreichen. Der Zeuge M hat nur von einem Versuch gesprochen. Unabhängig von diesen Widersprüchen ergibt sich auch aus der Aussage des Zeugen W nicht, dass er den Zeugen L über das Risikopotential aufgeklärt und ihn gebeten hat, die Anlage ständig zu überwachen. Dies alles spricht für die Auffassung des Landgerichts, dass der Klägerin zu 2 hinsichtlich ihres Verhaltens am 11.07.2005 kein Fehlverhalten vorzuwerfen ist, das als Mitverschulden zu qualifizieren wäre.

cc) Zwar ist die Klägerin zu 2 nicht Eigentümerin der durch die Salzsäure beschädigten Anlagen, Gegenstände und Räumlichkeiten, jedoch ist sie – wie bereits dargelegt – aufgrund des zwischen ihr und der Klägerin zu 1 bestehenden Pachtvertrages verpflichtet, die Pachtsachen instand zu halten. Von daher hat sie einen Haftungsschaden erlitten.

dd) Der Schadensersatzanspruch ist auch nicht verjährt. Durch die Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens, das sich auch auf ein Fehlverhalten der Beklagten zu 1 am Schadenstag bezog, wurde die Verjährung gehemmt. Nach Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens wurde in noch unverjährter Zeit die Klage gegen die Beklagte zu 1 erhoben.

e) Auch im Verhältnis zur Beklagten zu 1 besteht aus den oben zur Berufung der Beklagten zu 2 unter lit. d) dargelegten Gründen, die insoweit entsprechend gelten, eine Mitgläubigerschaft zwischen der Klägerin zu 1 und der Klägerin zu 2.

3. Hinsichtlich der Hauptforderung hat das Landgericht die Beklagten dem Grunde nach zu Recht als Gesamtschuldner verurteilt hat. Soweit die Beklagten deliktsrechtlich haften, folgt dies schon aus § 840 Abs. 1 BGB. Dabei ist es unschädlich, dass die Beklagten Nebentäter sind (vgl. Larenz, Schuldrecht AT, 14. Aufl., S. 636 f.; Vieweg, in: Staudinger (2007), § 840 Rn. 3 und 19). Diese Erwägungen gelten auch außerhalb des Deliktsrechts (vgl. etwa BGH, Urteil vom 10.05.1990 – IX ZR 113/89 -, juris Rn. 22 ff., für das Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Notar).

Die Gesamtschuldnerschaft würde nur dann scheitern, wenn keine Gleichstufigkeit vorhanden, mithin eine der beiden Beklagten letztverantwortlich wäre (vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 73. Aufl., § 255 Rn. 2; ders., § 421 Rn. 7 ff.). Eine solche Konstellation ist jedoch vorliegend nicht gegeben.

Soweit es die Hauptforderung betrifft, steht die gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten dem Grunde nach fest. In welchem Umfang jeweils im Innenverhältnis zueinander die beiden Beklagten haften, ist nicht im vorliegenden Verfahren zu klären. Da die konkrete Anspruchshöhe noch klärungsbedürftig ist, hat der Senat nach § 304 Abs. 1 ZPO durch Grundurteil entschieden.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht erfüllt sind. Die vorliegende Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, denn sie betrifft einen Einzelfall auf der Grundlage anerkannter Rechtsgrundsätze, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 597.611,63 € festgesetzt.

G r ü n d e:

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 3 ZPO. Die Hauptforderung beträgt 597.611,63 €. Das Landgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, diesen Betrag an die Klägerin zu 2 zu zahlen. Da die Beklagten mit ihrer Berufung ihre Haftung in Abrede stellen, sind die 597.611,63 € für die Streitwertfestsetzung maßgebend. Die 112.241,74 €, die die Klägerinnen mit ihrer Berufung zusätzlich verlangen, sind nicht streitwerterhöhend. Denn sie betreffen nur eine Nebenforderung.

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