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Internet-Verzeichnis von Gewerbetreibenden – wirksames Vertragsangebot per Telefax?

LG Bad Kreuznach, Aktenzeichen: 3 O 208/15, Urteil vom 27.01.2016

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.185,24 EUR (in Worten: eintausendeinhundertfünfundachtzig 24/100 Euro) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozent über Basiszinssatz seit dem 10.09.2015 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte keine Zahlungsansprüche gegen den Kläger aus dem am 10.02.2015 unterschriebenen und am 13.02.2015 um 9.35 Uhr gefaxten Formular zustehen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, die bei ihr vorhandenen Daten des Klägers zu löschen und aus dem Internetverzeichnis ….org zu entfernen.

4. Die Beklagte wird daneben verurteilt, den Kläger gegenüber seinem Prozessbevollmächtigten von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 612,80 EUR freizustellen.

5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

6. Der Beklagten werden die Kosten des Verfahrens auferlegt.

7. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen vermeintlichen Vertragsabschluss über Veröffentlichungen im Internet. Die Beklagte betreibt unter der Internetseite „www…..org“ ein Verzeichnis von Gewerbetreibenden.

Der Kläger erhielt am 13.02.2015 ein Formular per Post übersandt, in dem im oberen Bereich unter der Überschrift „Auftraggeber“ seine Anschrift eingetragen ist. Unter der Überschrift „Eintrag“ befindet sich eine Abbildung und ein aus der Anlage K 1 nicht deutlich sichtbares Schriftbild.

Darunter befinden sich verschiedene Preise und der Ort D. Am rechten Rand des Formulars befindet sich ein Text, der wie folgt beginnt:

„Der Auftraggeber beauftragt den Verlag mit der Veröffentlichung gemäß untenstehender Spezifikation.“ Auf Blatt 10 der Akten wird Bezug genommen.

Eine Mitarbeiterin des Klägers unterschrieb das Formular und faxte es an die angegebene Faxnummer zurück.

Die Beklagte veröffentlichte die Werbeanzeige des Klägers am 4.3.2015 auf der Internetseite www…..org unter dem Eintrag der Stadt D.

Die Beklagte versandte unter dem 19.02.2015 eine Rechnung über 1.085,24 EUR für die „Veröffentlichung im Internet unter ….org“ an den Kläger. Der Kläger zahlte den geforderten Betrag am 24.02.2015. Am 01.09.2015 versandte die Beklagte eine zweite Jahresrechnung an den Kläger.

Unter dem 07.09.2015 focht der Kläger den Vertrag an und begehrte die Rückzahlung der bereits gezahlten 1.185,24 EUR zuzüglich der Erstattung der Anwaltskosten. Weiterhin wurde die Beklagte aufgefordert, die Berühmung der Forderung aufzugeben und die Eintragung auf der Internetseite zu löschen.

Der Kläger trägt vor, dass, wie in vielen anderen Fällen auch, seine Mitarbeiterin angerufen worden sei, wobei ihr gesagt worden sei, es gehe um die Kündigung eines bestehenden Vertrages. Der Angerufenen werde sodann ein Fax oder ein Brief übermittelt, der die Kündigung enthalten solle. So habe auch seine Mitarbeiterin aufgrund des vorangegangenen Telefonats gedacht, bei dem Schreiben vom 13.02.2015 handele es sich um die Bestätigung eines bestehenden Vertrages mit seinem lokalen Verlag. Es sei indes kein Vertrag mit der Beklagten oder mit einem anderen Verlag zustande gekommen, hilfsweise sei diese Erklärung wegen Irrtums oder wegen arglistiger Täuschung angefochten. Auch habe er einen Anspruch auf Löschung der Daten.

Internet-Verzeichnis von Gewerbetreibenden - wirksames Vertragsangebot per Telefax?
Symbolfoto: Pra Chid/Bigstock

Der Kläger beantragt,

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.185,24 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent über Basiszinssatz per anno seit dem 24.02.2015 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagten keine Zahlungsansprüche gegen den Kläger aus dem am 10.02.2015 unterschriebenen und am 13.02.2015 um 9.35 Uhr gefaxten Formular zustehen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, die bei ihr vorhandenen Daten des Klägers zu löschen und aus dem Internetverzeichnis ….org zu entfernen.

4. Die Beklagte wird daneben verurteilt, den Kläger gegenüber seinem Prozessbevollmächtigten von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 612,80 EUR freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, dass die mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers erklärte Anfechtung zurückzuweisen sei, weil es an einem ordnungsgemäßen Nachweis der Vollmacht fehle. Ihr, der Beklagten, sei die Forderung – unstreitig – abgetreten worden, denn die Vertragsgestaltung sei durch die Firma N. M., P. C. in B./T., erfolgt. Dieser Vertrag sei ihr, der Beklagten, zum Kauf angeboten worden. Bevor sie, die Beklagte, jedoch über den Ankauf eines Vertrages entscheide, sei die Fa. R. G. GmbH beauftragt worden, um die Werthaltigkeit des Vertrages abzuschätzen, mit dem möglichen Vertragspartner Kontakt aufzunehmen und sich dort nach dem ordnungsgemäßen Zustandekommens des Vertrages zu erkundigen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten und zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Schriftsätze und Schriftstücke Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und auch ganz überwiegend begründet. Dies ergibt sich aus folgendem:

Der Feststellungsantrag zu 2) ist gemäß § 256 ZPO zulässig, da die Beklagte weitere Rechnungen an den Kläger gestellt hat.

1. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Rückgewähr der geleisteten 1.185,24 EUR gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative BGB aufgrund einer Leistungskondiktion zu. Die Beklagte hat nämlich 1.185,24 EUR durch Leistung erhalten und zwar ohne Rechtsgrund. Ansprüche aus dem am 13.02.2015 gefaxten Formular standen der Beklagten nicht zu. Denn das hin und her Faxen dieses Formulars war nicht geeignet, einen Vertrag zwischen den Parteien entstehen zu lassen. Für ein wirksames Vertragsangebot an die Klägerin fehlten wesentliche Mindestangaben für einen Vertrag.

Das Formular lässt schon die Identität des Vertragspartners nicht erkennen. Ein Briefkopf mit der Kennzeichnung des Absenders fehlt. Das Formular enthält zum einen am Rand klein gedruckt die Angabe N. M. V. P. C. , B., ohne dass deutlich wird, wer damit bezeichnet werden soll. Die Rechtsform der N. M. V. und ihre gesetzlichen Vertreter werden nicht benannt. Eine Stadt in B. gibt es in Deutschland nicht. Eine Auslandsbezeichnung fehlt.

Außerdem ist dem Formular die angebotene Leistung nicht zu entnehmen. Dazu reicht es nicht aus, einen Eintrag zwecks Werbung auf irgendeiner Internetplattform in den Raum zu stellen. Ebensowenig ist dem Formular die vom Auftraggeber zu zahlende Gegenleistung hinreichend zu entnehmen. Es werden drei Kostenpositionen aufgelistet ohne Angabe, was der Auftraggeber letztlich zu zahlen hat. Die graphische Gestaltung und die Einstellung des Antrags auf der Website sind ein einmaliger Aufwand zu Beginn der Leistung, so dass zu erwarten wäre, dass es sich dabei um Einmalkosten handelt, während der „Grundpreis“ das Entgelt für das laufende Vorhalten des Eintrags im Internet ist. Nur dann macht die Aufteilung in Kostenposition 10 Sinn (vgl. zum Ganzen auch LG Berlin vom 11.08.2015 – 15 O 104/15 -). Andernfalls könnte gleich ein Gesamtpreis genannt werden. Zwar steht im Fließtext auf der rechten Seite des Formulars, dass der Rechnungsbetrag sich aus den „aufgeführten Einzelkosten und der gesetzlichen Mehrwertsteuer zusammensetzt“. Der Rechnungsbetrag entsteht zweimal jährlich. Allerdings werden irgendwelche Einzelkosten nicht genannt. Aus dem Fließtext ergibt sich weiter, dass dieser – nicht klar feststellbare – Rechnungsbetrag zweimal jährlich entsteht und dass der Vertrag unkündbar über mindestens 3 Jahre läuft, der Rechnungsbetrag also mindestens 6mal zu zahlen sein soll. Tatsächlich will die Beklagte in jedem halben Jahr alle drei genannten Kostenpositionen erneut abrechnen, obwohl der Interneteintrag nur weiter bestehen bleibt. Gerade dies ergibt sich aber nicht, wenn bei den Kostenpositionen zwischen einem Grundpreis und Aufwandsposten unterschieden wird, anstatt deutlich zu machen, dass damit tatsächlich eine stets erneut zu zahlende Summe gemeint ist. Allerdings kann diese Überlegung zum Vertragsschluss dahingestellt bleiben, da, ein Vertragsschluss unterstellt, der Kläger den Vertrag jedenfalls aus den dargelegten Gründen wirksam wegen Irrtums bzw. wegen arglistiger Täuschung gemäß §§ 119 Abs. 1, 123 BGB angefochten hat. Es liegt auch eine Anfechtungsmöglichkeit wegen arglistiger Täuschung vor, da sich aus dem Telefaxschreiben, wie dargetan, nicht ergibt, wie sich der Preis zusammensetzt und wer Vertragspartner im Einzelnen sein soll, der Kläger vielmehr gezielt darüber im Unklaren gelassen werden soll. Diese Einwendung kann der Kläger auch gegenüber der Beklagten geltend machen gemäß § 404 BGB.

Der Einwand der Beklagten, dass keine Originalvollmacht für die Anfechtung vom 07.09.2015 vorgelegen habe, geht im Hinblick auf die Pflicht, unverzüglich zu rügen (§ 174 Satz 1 BGB), ins Leere. Denn im Schreiben der Beklagten vom 10.09.2015 wird die entsprechende Rüge nicht erhoben.

Die Anfechtung erfolgte auch unverzüglich, nachdem der Kläger die Umstände des „Vertragsschlusses“ bemerkt hatte. Dass der Kläger die Umstände des Vertragsschlusses schon früher bemerkt hätte, ist von Seiten der Beklagten nicht dargetan.

Im Übrigen ergibt sich aus § 280, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V. m. § 2 der Verordnung über Informationspflichten für Dienstleistungserbringer (DL-InfoV), dass der Kläger im Wege des Schadensersatzes die Aufhebung eines möglicherweise geschlossenen Vertrages verlangen kann (vgl. Landgericht Bad Kreuznach – 3 O 23/15 -). Eine Pflichtverletzung liegt vor. Nach § 2 DL-InfoV hat ein Dienstleistungserbringer noch vor Abschluss eines schriftlichen Vertrages oder vor Erbringung der Dienstleistung die in § 2 Nr. 1 bis 10 DL-InfoV aufgelisteten Informationen zur Verfügung zu stellen. Dem haben weder die Beklagte noch die Firma N. M. V., die nach dem bestrittenen Vortrag der Beklagten Urheberin des Schreibens vom 13.02.2015 war, genügt, wie bereits dargelegt.

2. Der Feststellungsantrag ist auch begründet, da der Beklagten, wie dargelegt, keine Ansprüche aus dem Telefaxschreiben vom 13.02.2015 zustehen.

3. Der Kläger hat auch einen Anspruch gegen die Beklagte, die bei ihr vorhandenen Daten des Klägers zu löschen und aus dem Internetverzeichnis ….org zu entfernen gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 1 BDSG, § 1004, 823 BGB analog. Denn insoweit handelt es sich bei den vorhandenen Daten des Klägers um unzulässig gespeicherte und bei der Einstellung dieser Daten im Internetverzeichnis ….org um einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers als sonstiges Recht im Sinne des § 823 BGB in Verbindung mit Art. 2 GG. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob darüber hinaus in der Einstellung dieser Daten im Internetverzeichnis ….org ein betriebsbezogener Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers vorliegt.

4. Der Freistellungsanspruch in Höhe von 612,80 EUR ergibt sich aus § 280, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V. m. § 2 der Verordnung über Informationspflichten für Dienstleistungserbringer. Diese Schadensersatzforderung kann der Kläger auch der Beklagten gemäß § 404 BGB entgegenhalten.

Zu dem dem Kläger zu ersetzenden Schaden gehören nach allgemeinen Grundsätzen auch die Kosten der Rechtsverfolgung und damit auch die durch Einschaltung eines Rechtsanwalts entstehenden außergerichtlichen Kosten, sofern der Kläger die Einschaltung eines Rechtsanwalts für zweckmäßig und erforderlich halten durfte. Das ist hier schon deswegen der Fall, weil sich die Beklagte weiterer Forderungen berühmte. Da die Höhe der Nebenforderungen nicht bestritten ist, ist von einem Freistellungsanspruch in Höhe von 612,80 EUR auszugehen.

5. Die Zinsentscheidung ergibt sich aus § 288, 286 BGB, da die Beklagte seit dem 10.09.2015 in Verzug mit der Rückzahlung des Betrages in Höhe von 1.185,24 EUR ist. Denn insoweit wurde die Beklagte mit Fristsetzung zur Rückzahlung aufgefordert. Einen vorhergehenden Verzugstermin hat der Kläger nicht dargetan.

6. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO.

Beschluss: Der Streitwert wird auf 7.911,44 € festgesetzt.

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