LG Nürnberg-Fürth – Az.: 10 O 4681/16 – Urteil vom 19.12.2016
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf EUR 14.132,12 festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin macht Ansprüche gegen die Beklagte wegen Verletzung von Beratungspflichten im Zusammenhang mit der Zeichnung einer Beteiligung an der DS-Rendite-Fonds Nr. 119 DS R. G. C. im Nennwert von USD 20.000,00 geltend.
Am 22.06.2006 kam es zu einem Beratungsgespräch zwischen der Klägerin und der Beklagten. Für die Beklagte nahm Herr L… an dem Gespräch teil und stellte der Klägerin eine Beteiligung an der DS-Rendite-Fonds Nr. 119 DS R. G. C. KG vor.
Die Klägerin erhielt vor Zeichnung den Emissionsprospekt.
Die Klägerin zeichnete eine Beteiligung an dem vorstehend bezeichneten Fonds durch Ausfüllung und Unterschrift der Beitrittserklärung unter dem 25.06.2006 in P…. Am selben Tag überließ die Klägerin die Zeichnungserklärung der Beklagten zur Weiterleitung an die Fondsgesellschaft. Die Erklärung wurde unter dem 04.07.2006 von der D. in D. angenommen.
Die Klägerin behauptet, dass ihr von der Beklagten vereinnahmte Rückvergütungen weder nach Existenz noch nach Umfang offen gelegt wurden.
Sie ist der Auffassung, sie habe darüber aufgeklärt werden müssen, dass der Ersteigentümer des Schiffes im Jahre 2001 lediglich einen Kaufpreis von USD 66 Mio. aufzuwenden hatte, während die Fondsgesellschaft im Jahre 2006 dieses Schiff zu einem Kaufpreis von USD 80 Mio. erwarb.
Sie ist der Auffassung, dem Prospekt sei nicht hinreichend deutlich zu entnehmen, dass tatsächlich eine Eigenkapitalvermittlungsprovision oberhalb 15 % anfiel.
Die Klägerin beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 13.635,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligung der Klägerin an der DS-Rendite-Fonds Nr. 119 D. C. im Nennwert von USD 20.000,00 gemäß Beitrittserklärung vom 25.06.2006 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Angebots auf Übertragung der Beteiligung gemäß Klageantrag zu 1) in Verzug befindet.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von möglichen Rückforderungen bereits empfangener Ausschüttungen bis zur Höhe von € 3.107,00 freizuhalten.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, es der Klägerin sei im Gespräch am 22.06.2006 mitgeteilt worden, dass die Beklagte für ihre Vertriebstätigkeit und ihre Beratungsleistungen seitens der Fondsgesellschaft eine Provision erhalten würde.
Die Beklagte ist der Auffassung, der Kaufpreis des Schiffes sei zum Zeitpunkt des Erwerbs marktkonform gewesen, was im Prospekt plausibel dargelegt sei.
Der Prospekt stelle die anfallende Eigenkapitalvermittlungsprovision verständlich dar.
Sie erhebt die Verjährungseinrede. Etwaige Ansprüche seien sowohl kenntnisunabhängig als auch kenntnisabhängig verjährt.
Die Klägerin hat am 30.06.2016 Klage bei Gericht eingereicht.
Wegen der Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Etwaige Ansprüche sind wegen Ablaufs der 10-jährigen Höchstverjährungsfrist verjährt, §§ 214, 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB.
Etwaige Ansprüche der Klägerin aus Beratungsvertrag oder aus Auskunftsvertrag gegen die Beklagte wegen der Beteiligung an der Klägerin dem geschlossenen Schiffsfonds D. D. R. C. im Nennwert von USD 20.000,00 sind am 25.06.2006 entstanden, so dass die Klageerhebung nach Klageeinreichung vom 30.06.2016 – mehr als 10 Jahre danach – den Ablauf der Verjährungsfrist nicht mehr hemmen konnte.
Die Verjährung nach § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB beginnt tagegenau im Zeitpunkt der Entstehung des Schadensersatzanspruchs.
Bei der gebotenen wertenden Betrachtung ist der Anleger ab Abgabe des Angebots auf Erwerb einer Kapitalanlage – vorliegend erfolgt am 25.06.2008 – an nicht lediglich dem Risiko eines Vermögensnachteils ausgesetzt, sondern bereits geschädigt. Die Annahme dieses Erwerbsangebots – vorliegend erfolgt am 04.07.2006 – ist bei dem Erwerb einer Fondsbeteiligung im Rahmen eines Vertragsschlusses unter Abwesenden für den Verjährungsbeginn nicht erforderlich. Dies folgt aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
„Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Anleger, der aufgrund einer fehlerhaften Empfehlung eine für ihn nachteilige Kapitalanlage erworben hat, in der Regel bereits durch deren Erwerb geschädigt (BGH, Urteile vom 7. Mai 1991 – IX ZR 188/90, WM 1991, 1303, 1305 und vom 27. Januar 1994 – IX ZR 195/93, WM 1994, 504, 506). Wer durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluß eines Vertrages verleitet wird, den er ohne dieses Verhalten nicht geschlossen hätte, kann sogar bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung einen Vermögensschaden dadurch erleiden, daß die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist“ (BGH, Urteil vom 08. März 2005 – XI ZR 170/04 -, Rn. 17, juris).
Diese Rechtsprechung ist nach wie vor aktuell (z.B. BGH, Urteil vom 24. März 2015, XI ZR 278/14). In diesem Urteil stellt der Bundesgerichtshof nochmals klar, dass die Verjährung bereits mit schuldrechtlichem Vertragsschluss und nicht erst mit Abschluss des dinglichen Erwerbsgeschäfts läuft (BGH, a.a.O., Rn. 19, juris). Damit ist gesagt, dass ab (schuldrechtlichem) Vertragsschluss die Verjährungsfrist läuft. Damit ist indes nicht gesagt, dass die Verjährungsfrist nicht im Einzelfall bereits früher zu laufen beginnen kann. Ein solcher Fall liegt insbesondere dann vor, wenn Angebot und Annahme zeitlich auseinander fallen. Diese Konstellation hatte der Bundesgerichtshof durch Urteil vom 24. März 2015, XI ZR 278/14, nicht zu entscheiden, weil dort Angebot und Annahme zeitlich zusammen fielen (vgl. BGH a.a.O., Rn. 22, juris).
Auch für diese Konstellation eines Vertragsschlusses unter Abwesenden sind indes der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die maßgeblichen Gesichtspunkte zu entnehmen: „Vielmehr wirft die Klägerin dem Beklagten vor, ihr eine nachteilige Vermögensanlage empfohlen beziehungsweise sie vor einer offen zutage liegenden Fehlentscheidung nicht gewarnt zu haben. Infolgedessen verlangt sie Ersatz der ihr daraus entstandenen vermögensrechtlichen Nachteile. Dieser Schaden kann dem Grunde nach bereits mit dem Zeitpunkt der rechtlichen Bindung an das Beteiligungsobjekt eingetreten sein. Danach kommt hier als frühester Verjährungsbeginn die Unterzeichnung des ersten Vertrages zum I. Bauherrenmodell am 28. November 1980 in Betracht.“ (BGH, Urteil vom 07. Mai 1991 – IX ZR 188/90 -, Rn. 25, juris)
Frühster Verjährungsbeginn ist damit der Zeitpunkt der rechtlichen Bindung an die Kapitalanlage, was mit Unterzeichnung des Vertrages durch den Anleger eintritt. Ein wirksamer Vertragsschluss durch bereits erklärte Annahme bzw. Unterschrift der anderen Partei ist nicht erforderlich. Diese rechtliche Bindung tritt nämlich bereits mit Angebot auf Vertragsschluss ein, § 145 BGB. Hier hatte das Erwerbsangebot der Klägerin vom 25.06.2006 Bindungswirkung.
Durch ein Angebot mit Bindungswirkung erlangt die andere Partei eine vorteilhafte Rechtsposition, die es ihr ermöglicht, einseitig durch Annahmeerklärung den Vertrag zustande zu bringen. Die Rechtsposition des Angebotsempfängers, kann durch Anfechtung vernichtet werden kann, kann durch Kündigung nach § 314 BGB analog beendet werden, und kann Gegenstand eines Schadensersatzanspruchs gerichtet auf Befreiung sein.
Durch Abgabe des Angebots auf Erwerb einer Kapitalanlage ist ein Anleger bei der gebotenen wertenden Betrachtung auch bereits geschädigt. Ein aufklärungspflichtwidriges Verhalten, das zum Abschluss eines Vertrages verleitet, hat bereits in dem Zeitpunkt Schädigungserfolg, in dem sich der Anlageentschluss des Anlegers durch Abgabe eines Erwerbsangebots manifestiert. Denn den konkreten Vermögensinteressen des Anlegers nicht angemessen ist bereits seine durch verbindliches Erwerbsangebot manifestierte Anlageentscheidung.
Dies ergibt sich aus einer Analyse der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Zum einen: Der Bundesgerichtshof sieht bereits in der Zeichnung einer Fondsbeteiligung den Schaden, „weil der ohne die erforderliche Aufklärung gefasste Anlageentschluss von den Mängeln der fehlerhaften Aufklärung beeinflusst ist“ (BGH, Urteil vom 26. Februar 2013 – XI ZR 498/11 -, Rn. 25, juris; BGH, Urteil vom 08. April 2014 – XI ZR 341/12 -, Rn. 25, juris). Zum anderen: Einige Zeit hat der III. Senat des Bundesgerichtshofs vertreten, ein Schaden würde erst mit „unwiderruflichen und vollzogenen“ Erwerb der Kapitalanlage entstehen (BGH, Urteil vom 08. Juli 2010 – III ZR 249/09 – Rn. 24, juris; BGH, Urteil vom 24. März 2011 – III ZR 81/10 -, Rn. 9, juris). Dies wörtlich genommen wäre die Folge, dass ein Schaden erst mit Ablauf einer etwaigen Frist zur Ausübung eines Verbraucherwiderrufsrechts einträte. Dass dies nicht so gemeint gewesen sei, hat der III. Senat mit Urteil vom 30. Oktober 2014 – III ZR 493/13 – Rn. 30, juris, offenbar klargestellt (so BGH, Urteil vom 24. März 2015, XI ZR 278/14, Rn. 21, juris). Damit steht fest, dass ein Widerrufsrecht nicht den Schadenseintritt – und damit auch nicht den Verjährungsbeginn – herausschieben kann. Dies gilt auch für eine (etwaige) Widerrufsmöglichkeit nach § 130 Abs. 1 S. 2 BGB.
Vorstehendes wird auch gestützt durch die Rechtsprechung des OLG Frankfurt: „Für die Entstehung des Schadens bzw. des schadensstiftenden Geschäfts ist im Sinne der Rechtsprechung des BGH (NJW 2005, 1579) ausschließlich der Zeitpunkt von rechtlicher Bedeutung, in dem der Anlageinteressent seine verbindliche Erklärung zum Erwerb der Anlage abgegeben hat. Da die Kläger keine Einflussmöglichkeit auf das Zustandekommen des Vertrages im Falle der Emission der Anlage hatte, begaben sie sich bereits mit Zeichnungsorder in eine ihr Anlagevermögen schädigende Position“ (OLG Frankfurt, Urteil vom 04. März 2011 – 19 U 210/10 -, Rn. 13, juris).
II.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 S. 1 u. 2 ZPO.
III.
Den Klageantrag zu 3) bemisst das Gericht mit einem Wert von EUR 487,12. Zwar hat die Klägerin nach ihrem Vortrag Ausschüttungen i.H.v. EUR 3.107,00 erhalten. Allerdings war die Höhe der Kommanditistenhaftung auf 20 % der Pflichteinlage begrenzt, so dass die Haftung nur bis zu dieser Höhe nach § 172 Abs. 4 HGB wiederaufleben konnte. Da das Gericht keine Kenntnis davon hat, ob und in welcher Höhe die Kommanditistenhaftung der Klägerin tatsächlich wiederaufgelebt ist, hat das Gericht für die Streitwertbemessung 20 % der nach klägerischem Vortrag erhaltenen Auszahlungen zugrunde gelegt und wegen des Feststellungsantrags abermals einen Abzug von 20 % vorgenommen.