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Kfz-Vollkaskoversicherung – Leistungskürzung auf Null bei absoluter Fahruntüchtigkeit

LG Saarbrücken, Az: 14 O 108/14

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits fallen dem Kläger zur Last.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

4. Streitwert: 10.765,- Euro (§§ 3, 4 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG).

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer Kraftfahrtversicherung.

Kfz-Vollkaskoversicherung - Leistungskürzung auf Null bei absoluter Fahruntüchtigkeit
Symbolfoto: vladacanon / Bigstock

Der Kläger unterhielt bei der Beklagten für das auf ihn zugelassene, seinem Sohn, dem Zeugen …, zur dauerhaften Benutzung überlassene Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … eine Kraftfahrtversicherung, bestehend aus einer Haftpflichtversicherung und einer Fahrzeug-Vollkaskoversicherung, Versicherungsschein Nr. … (Anlagenkonvolut „Vertragsunterlagen“, gelber Hefter). Bestandteil des Vertrages waren die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung, Stand: 1. Januar 2011 (AKB).

Am 24. Januar 2013 verunfallte der Sohn des Klägers gegen 3h00 Uhr nachts im Bereich der Einmündung …/ …-Straße in …. Aus Umständen, die zwischen den Parteien streitig sind, kam er mit dem versicherten Fahrzeug in einer Rechtskurve vor der Einmündung, an welcher er Vorfahrt zu gewähren hatte, von der Fahrbahn ab, wobei er drei Betonpoller umriss und das Fahrzeug sich überschlug. Der Zeuge war zum Unfallzeitpunkt alkoholisiert. Nach einem Gutachten des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf belief sich die Blutalkoholkonzentration des Zeugen im Entnahmezeitpunkt um 5h05 Uhr im Mittelwert auf 1,12 Promille (Bl. 10 GA = 14 EA). Das versicherte Fahrzeug wurde bei dem Unfall schwer beschädigt. Ausweislich eines Gutachtens der … vom 28. Januar 2013 (Bl. 7 GA) belaufen sich die notwendigen Reparaturkosten auf 22.373,77 Euro (netto), der Wiederbeschaffungswert auf 14.731,71 Euro (netto), der Restwert auf 3.666,- Euro. Die Beklagte entzog dem Sohn des Klägers den Versicherungsschutz in der Haftpflichtversicherung bis zu einem Betrag von 5.000,- Euro (Bl. 9 GA). Leistungen aus der Fahrzeug-Kaskoversicherung lehnte sie ab.

Der Kläger behauptet, sein Sohn, der in einem Sternelokal in … im Service arbeite und hierbei vielmals Gelegenheit habe, beim Verkosten auszuschenkender Weine einen „Probeschluck“ zu nehmen, habe sich selbst zum Unfallzeitpunkt „absolut fahrtüchtig gefühlt“. Der bei ihm gemessene Alkoholwert von mehr als 1,1 Promille sei ihm weder bekannt noch bewusst gewesen. Ausweislich der Ermittlungsakten habe er gegenüber der Polizei nach dem Unfall keine Ausfallerscheinungen gezeigt. Der Unfall sei nicht Folge seiner starken Alkoholisierung, sondern der zu diesem Zeitpunkt „extrem glatten“ Straße geschuldet gewesen.

Der Kläger beantragt (Bl. 1 GA):

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.765,71 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit dem 31. März 2014 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 958,19 Euro zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit Zustellung.

Die Beklagte beantragt (Bl. 48 GA), die Klage abzuweisen.

Sie hält sich für leistungsfrei, da der Sohn des Klägers den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt habe, während ein sorgfältiger, aufmerksamer und nüchterner Fahrer den Unfall ohne weiteres hätte vermeiden können. Die besonderen Umstände des vorliegenden Falles, namentlich die erhebliche Alkoholisierung des Zeugen, berechtigten zu einer Kürzung der Versicherungsleistung auf Null.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen …. Wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift (Bl. 63ff. GA) Bezug genommen. Die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Hamburg – 2102 Js 259/13 V – waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist nicht begründet.

Soweit der Kläger als Versicherungsnehmer wegen des streitgegenständlichen Versicherungsfalles Ansprüche aus der Fahrzeug-Vollkaskoversicherung geltend macht, bestehen diese Ansprüche jedenfalls deshalb nicht, weil die Beklagte unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles berechtigt war, die Versicherungsleistung wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles auf Null zu kürzen (Ziff. A.2.18.1 AKB, § 81 Abs. 2 VVG).

1.

Gemäß Ziff. A.2.18.1 der dem Vertrag zugrunde liegenden AKB (Seite 9/36 des in der mündlichen Verhandlung überreichten Anlagenkonvoluts) besteht in der Fahrzeug-Kaskoversicherung kein Versicherungsschutz für Schäden, die der Versicherungsnehmer vorsätzlich herbeiführt. Auf den Einwand der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles wird grundsätzlich verzichtet; dieser Verzicht gilt jedoch insbesondere dann nicht, wenn der Fahrer infolge Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen; in diesem Fall ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Die Bestimmung beinhaltet einen „subjektiven Risikoausschluss“ (Knappmann, in: Prölss/Martin, VVG 28. Aufl., A 2.16 AKB 2008 Rn. 2), der den Versicherer bei Vorliegen der – von ihm nachzuweisenden – tatbestandlichen Voraussetzungen zur Kürzung der Versicherungsleistungen berechtigt, unter Einschluss der Möglichkeit, in Fällen besonders schweren Verschuldens, insbesondere bei absoluter Fahruntüchtigkeit des Versicherungsnehmers, eine Kürzung der Versicherungsleistung auf Null vorzunehmen (BGH, Urteil vom 22. Juni 2011 – IV ZR 225/10, BGHZ 190, 120). Dabei muss sich der Versicherungsnehmer – hier: der Kläger – das grob fahrlässige Verhalten seines Sohnes zurechnen lassen, wenn die Versicherung in dessen Interesse genommen war (§ 47 VVG) oder der Sohn des Klägers bei Herbeiführung des Versicherungsfalles als sein Repräsentant anzusehen ist (vgl. OLG Karlsruhe, VersR 2013, 1123; Maier in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 18. Aufl., AHB 2008 F, Rn. 13 und 18).

2.

Der Zeuge …, der das versicherte Fahrzeug im Schadenszeitpunkt führte, hat den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt.

a)

Der Zeuge … hat das versicherte Fahrzeug im Schadenszeitpunkt in absolut fahruntüchtigem Zustand, nämlich mit einer Blutalkoholkonzentration von mehr als 1,1 Promille geführt, was ein grob fahrlässiges Verhalten dieses Zeugen begründet:

aa)

Grobe Fahrlässigkeit setzt objektiv voraus, dass der Versicherungsnehmer oder eine andere Person, deren Verhalten dem Versicherungsnehmer zuzurechnen ist, die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in einem ungewöhnlich großen Maße verletzt und nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 1953 – IV ZR 170/52, BGHZ 10, 14; Urteil vom 29. Januar 2003 – IV ZR 173/01, VersR 2003, 364). Im Straßenverkehr ist dies insbesondere bei schwerwiegenden Verstößen gegen Vorschriften der StVO, etwa Rotlichtverstößen, zu bejahen, ebenso beim Führen des Fahrzeugs in stark alkoholisiertem Zustand (Heß/Höke, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 2. Aufl., § 30 Rn. 42ff.). Grobe Fahrlässigkeit liegt insbesondere dann nahe, wenn der Versicherungsnehmer wusste oder durch einfachste und naheliegende Überlegungen hätte erkennen können, dass sein Verhalten geeignet war, den Eintritt des Versicherungsfalls zu fördern; darüber hinaus muss der Sorgfaltsverstoß auch in subjektiver Hinsicht unentschuldbar erscheinen (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 2003 – IV ZR 173/01, VersR 2003, 364; Saarl. OLG, Urteil vom 25. Mai 1994 – 5 U 1053/93 – 70, VersR 1996, 580; Urteil vom 30. Oktober 2014 – 4 U 165/13, NJW-Spezial 2015, 41).

bb)

Im vorliegenden Fall begründet der Umstand, dass der Zeuge … das versicherte Fahrzeug nach Alkoholgenuss führte, wobei er im Zeitpunkt des Schadensereignisses eine Blutalkoholkonzentration von mehr als 1,1 Promille aufwies, in objektiver und subjektiver Hinsicht den Vorwurf des grob fahrlässigen Verhaltens.

(1)

Auch im Versicherungsvertragsrecht gilt, dass ein Kraftfahrer mit einem Blutalkoholgehalt von 1,1 Promille und höher absolut fahruntüchtig ist (BGH, Urteil vom 9. Oktober 1991 – IV ZR 264/90, VersR 1991, 1367; Urteil vom 22. Juni 2011 – IV ZR 225/10, BGHZ 190, 120). Soweit der Kläger dies unter Hinweis auf die subjektiven Befindlichkeiten seines Sohnes und Anerbieten von Sachverständigenbeweis in Abrede stellt (Bl. 5 GA) folgt daraus nichts anderes, denn die Annahme absoluter Fahruntüchtigkeit wird bereits durch die rechtsmedizinisch festgestellte Alkoholkonzentration von mehr als 1,1 Promille (Bl. 28 EA), deren Höhe im Übrigen auch unstreitig ist, begründet; die Fahruntüchtigkeit folgt hier zwingend aus dem Blutalkoholgehalt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 2011 – IV ZR 225/10, BGHZ 190, 120; OLG Köln, RuS 2002, 277; Knappmann, in: Prölss/Martin, a.a.O., A.2.16 AKB 2008 Rn. 43; Heß/Höke, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, a.a.O., § 30 Rn. 49).

(2)

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, von der abzuweichen kein Anlass besteht, ist das Führen eines Kraftfahrzeugs in alkoholbedingt absolut fahruntüchtigem Zustand grundsätzlich objektiv und subjektiv als grob fahrlässig anzusehen (BGH, a.a.O.; Urt. vom 22. Februar 1989 – IVa ZR 274/87, VersR 1989, 469). Denn das Führen eines Kfz in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand stellt einen groben Verstoß gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt dar, so dass daraus in der Regel auch das gesteigerte Verschulden folgt (OLG Hamm, VersR 2011, 206). Die objektive Schwere des Verstoßes folgt nicht zuletzt daraus, dass ein solcher Vorgang in besonderem Maße geeignet ist, unbeteiligte Personen oder Rechtsgüter zu gefährden. Deshalb werden Verstöße von Verkehrsteilnehmern auch verkehrs- und strafrechtlich scharf sanktioniert. Diese Risiken sind allgemein bekannt; sie mussten sich auch dem Sohn des Klägers aufdrängen, zumal dieser selbst vorgibt, trotz vorangegangenen Alkoholgenusses noch von seiner Fahrtüchtigkeit ausgegangen zu sein, was zeigt, dass er sich der potentiellen Gefährlichkeit seines Verhaltens durchaus bewusst war. Auch in subjektiver Hinsicht ist dem Sohn des Klägers sein pflichtwidriges Verhalten in besonderem Maße vorzuwerfen. Umstände, die geeignet wären, den subjektiven Schuldvorwurf zu entschärfen, weil sie das Verhalten des Fahrers als „kurzfristiges Versagen“ erkennen und in einem milderen Licht erscheinen ließen, sind weder dargetan noch ersichtlich. Der Sohn des Klägers hat das Fahrzeug zur nächtlichen Heimfahrt gebraucht, obwohl er über den gesamten Abend, zunächst im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit und sodann auch noch „nach Feierabend“, größere Mengen Alkohol zu sich genommen hatte. Ganz besondere, nachvollziehbare Umstände, die ihn zu diesem Verhalten verleitet haben könnten (vgl. OLG Düsseldorf, VersR 1988, 369), sind hierfür nicht erkennbar. Tragende Erwägung dafür, ein Verhalten als „Augenblicksversagen“ in einem milderen Licht erscheinen zu lassen, ist die Erfahrungstatsache, dass es Umstände geben kann, aufgrund derer selbst ein mit dem versicherten Risiko sorgsam umgehender Versicherungsnehmer das zum Schaden führende Verhalten nicht vermieden hätte (Saarl. OLG, Urteil vom 14. Januar 2004 – 5 U 396/03 – 39, MDR 2004, 874). Diese Erwägung greift mit Blick auf den Sohn des Klägers nicht ein. Denn obschon für ihn zweifelsfrei die Möglichkeit bestanden hätte, auf andere Weise nach Hause zu kommen, sei es zu Fuß oder mit dem Taxi, hat er nach eigenen Angaben die nächtliche Heimfahrt im eigenen Fahrzeug angetreten, weil er sich selbst in Kenntnis seines vorherigen Alkoholkonsums – zumindest mehrere „Probierschlucke“ Wein sowie zuletzt noch ½ Liter Bier, vgl. Bl. 9 EA – noch für fahrtüchtig hielt (Bl. 65 GA). Dabei hat er eine Fahrweise an den Tag gelegt, die weder mit den Örtlichkeiten, insbesondere der Notwendigkeit, unmittelbar nach der Unfallstelle Vorfahrt zu gewähren, noch mit den Witterungsverhältnissen zu vereinbaren war. In verantwortungsloser Überschätzung seiner Fahrtüchtigkeit hat der Zeuge so die Augen vor den mit einer Alkoholfahrt verbundenen Risiken bewusst verschlossen und damit die Gefährdung sich und Anderer in Kauf genommen. Ein solches Verhalten begründet kein „Augenblicksversagen“, welches das Verhalten des Versicherten ausnahmsweise in einem milderen Licht erscheinen und dadurch den Vorwurf eines auch subjektiv grob schuldhaften Verhaltens entfallen ließe (vgl. OLG Stuttgart, NJW-RR 2011, 185).

b)

Das grob fahrlässige Verhalten des Sohnes des Klägers hat vorliegend auch dazu geführt, dass in Folge dessen der Versicherungsfall eingetreten ist; das steht fest nach den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheins, welcher vorliegend zur Anwendung gelangt und vom Kläger nicht erschüttert werden konnte.

aa)

Wie aus § 81 Abs. 2 VVG folgt, muss der Versicherungsfall gerade in Folge des Versicherungsfalles eingetreten sein („herbeiführt“; vgl. allgemein Prölss, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 81 Rn. 22); das Gesetz verlangt insoweit das Vorliegen eines Ursachenzusammenhangs zwischen dem grob fahrlässigen Verhalten und dem Eintritt des Versicherungsfalles. Nach der Rechtsprechung spricht in Fällen absoluter Fahruntüchtigkeit – und damit auch im vorliegenden Fall – aber schon der Beweis des ersten Anscheins für den Kausalzusammenhang zwischen absoluter Fahruntüchtigkeit und Unfall (BGH, Urteil vom 09. Oktober 1991 – IV ZR 264/90, VersR 1991, 1367). Dieser Anscheinsbeweis ist erst dann entkräftet, wenn der Versicherungsnehmer Umstände darlegt und ggf. beweist, aus denen sich die ernsthafte und nicht nur theoretische Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs ergibt (BGH, a.a.O.; OLG Hamm, VersR 2011, 206). Dazu genügt nicht die allgemeine Möglichkeit, dass auch einem Nüchternen der Unfall hätte unterlaufen können (BGH, Urteil vom 24. Februar 1976 – VI ZR 61/75, VersR 1976, 729; OLG Naumburg, VersR 2005, 1233; Knappmann, in: Prölss/Martin, a.a.O., A.2.16 AKB Rn. 43). Solche Fahrfehler gibt es nämlich nicht (Heß/Höke, a.a.O., § 30 Rn. 50). Vielmehr muss gerade im konkreten Fall die ernsthafte und nicht bloß theoretische Möglichkeit bestehen, dass der Unfall durch eine andere Ursache herbeigeführt worden ist, die auch ein nüchterner Fahrer nicht hätte vermeiden können, die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit mithin nicht ursächlich für das konkrete Unfallereignis war (OLG Naumburg, a.a.O.; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2001, 101; Knappmann, in: Prölss/Martin, a.a.O., A.2.16 AKB Rn. 43).

bb)

Eine solche ernsthafte – und nicht bloß theoretische – Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs, die geeignet wäre, den Anscheinsbeweis zu erschüttern, hat der Kläger vorliegend nicht dargelegt und bewiesen.

(1)

Sie folgt zunächst nicht schon aus der vom Kläger in der Klageschrift geäußerten Auffassung, der nächtliche Unfall hätte auch „jedem nüchternen Fahrer passieren können“. Gerade das genügt nämlich nach dem oben Gesagten nicht, weil es sich insoweit lediglich um allgemeine Erwägungen handelt, die eine Kausalität im konkreten Fall nicht ausschließen. Dass diese Erwägungen nicht tragen, zeigt sich im Übrigen auch darin, dass – so auch die Aussage des Zeugen … – andere Fahrzeuge an der fraglichen Stelle nicht verunfall sind, er vielmehr „der einzige“ war (Bl. 65 GA).

(2)

Nichts anderes gilt auch, wenn man die in der fraglichen Nacht herrschenden Straßenverhältnisse hinzunimmt, auf die sich der Kläger beruft.

(a)

Der Kläger hat hierzu – zunächst – vorgetragen, der Unfall sei an einer Stelle geschehen, an der „unter der leichten Schneedecke auch noch feuchtes Kopfsteinpflaster vorhanden war“ (Bl. 4 GA). Aus den Lichtbildern in der beigezogenen Ermittlungsakte (Bl. 31 GA), die unmittelbar nach dem Unfall gefertigt wurden, ist ersichtlich, dass in der fraglichen Nacht frischer Neuschnee gefallen war, der Straßenverlauf vor der Einmündung – eine leichte Rechtskurve – jedoch in den Fahrspuren bereits frei von Schnee war, und dass der darunter befindliche Straßenbelag aus – wetterbedingt feuchtem – Kopfsteinpflaster bestand. Soweit der Kläger – allerdings erst später, in der Replik, Bl. 49 GA – weitergehend behauptet hat, an der Unfallstelle habe „extreme Straßenglätte“ geherrscht, kann dies im Nachhinein nicht mehr festgestellt werden. Allein der Zeuge … hat – als Unfallbetroffener und wirtschaftlich am Ausgang des Rechtsstreits Interessierter – in seiner Vernehmung bekundet, er sei an der fraglichen Unfallstelle nur deshalb von der Fahrbahn abgekommen, weil es dort „vereist“ gewesen sei, was er auch erst beim Bremsen gemerkt habe (Bl. 65 GA). Diese Aussage ist jedoch nicht glaubhaft, nachdem der Zeuge, von seiner unmittelbaren Betroffenheit abgesehen, auch im Übrigen Angaben insbesondere zum Umfang seines Alkoholkonsums getätigt hat (zwölf bis 13 Schluck Wein und ein „Feierabendbierchen“), die mit der rechtsmedizinisch festgestellten, unstreitigen Blutalkoholkonzentration von mehr als 1,12 Promille nicht in Einklang zu bringen sind. Seiner Aussage stehen aber auch die weiteren Umstände des Falles entgegen. Aus den Lichtbildern in der Ermittlungsakte (Bl. 11ff. EA) ist eine „vereiste“ Fahrbahn an der Unfallstelle nicht zu erkennen; vielmehr stellt sich der Straßenzustand so dar, wie auch vom Kläger selbst ursprünglich in der Klageschrift beschrieben und weiter oben wiedergegeben; besondere Glätte ist aus diesen sehr zahlreichen Lichtbildern nicht zu erkennen. Letztlich hat auch der ermittelnde Polizeibeamte, der ausweislich seines Vermerks (Bl. 3 EA) sofort nach dem Unfall vor Ort war, kein Glatteis oder andere Straßenglätte festgestellt, obschon dies bei entsprechenden Straßenverhältnissen ohne weiteres nahe gelegen hätte. Weitergehende Feststellungen durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, wie es der Kläger zuletzt noch angeboten hat (Bl. 49 GA), sind mangels hinreichender Anknüpfungstatsachen – der Straßenzustand an der Unfallstelle ist zwischenzeitlich wetterbedingt ein anderer – kein geeignetes Mittel, Erkenntnisse über die behauptete Glatteisbildung an der Unfallstelle und, daraus resultierend, Rückschlüsse auf die Ursächlichkeit für das spätere Unfallereignis zu gewinnen.

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(b)

Kann jedoch nicht von „extremer Straßenglätte“ an der Unfallstelle ausgegangen werden, sondern stellen sich die örtlichen Gegebenheiten lediglich so dar, wie aus der Ermittlungsakte ersichtlich, so sind dies keine Umstände, unter denen auch ein nüchterner Fahrer den Unfall nicht hätte vermeiden können. Vielmehr hätte der Zeuge eine solche Verkehrssituation, wie sie zur Winterzeit auch in der Stadt regelmäßig vorkommt, ohne weiteres beherrschen müssen, wäre er nicht absolut fahruntüchtig gewesen. Dies gilt zumal ihm der Straßenverlauf an der Unfallstelle, die er nach eigener Aussage jeden Abend befuhr (Bl. 65 GA), bekannt war und er insbesondere auch um die Notwendigkeit wusste, vor der Rechtskurve abzubremsen, um dann ggf. Vorfahrt zu gewähren. Dementsprechend ist nach den Umständen davon auszugehen, dass der Zeuge ohne seinen vorherigen Alkoholgenuss allgemein vorsichtiger gefahren wäre und den Unfall dann vermieden hätte (vgl. OLG Naumburg, VersR 2005, 1233; Knappmann, in: Prölss/Martin, a.a.O., A.2.16 AKB 2008 Rn. 43). Dabei ist der genaue Unfallhergang, der zwischen den Parteien streitig ist, letztlich ohne Belang. Selbst wenn es so gewesen sein sollte, wie der Kläger behauptet, dass das Fahrzeug beim Bremsen ins Schleudern geraten wäre (Bl. 49 GA), so hätte sich darin doch nur das spezifische Risiko einer alkoholbedingt unangepassten Fahrweise verwirklicht. Denn der Sohn des Klägers ist nach eigener Aussage unmittelbar vor dem Unfall mit 50 km/h gefahren, eine Fahrweise, die unter den gegebenen Umständen mit Blick auf die Straßenführung und das Erfordernis, vor der Einmündung anzuhalten (s. Skizze und Lichtbilder Bl. 29ff. EA), unangepasst war. Dabei hatte der Zeuge zu diesem Zeitpunkt nach seiner Aussage bereits drei bis vier Kilometer mit seinem Fahrzeug zurückgelegt und nach eigenem Bekunden von den wetterbedingten Straßenverhältnissen Kenntnis, es sei vorher lediglich „nicht so glatt“ gewesen (Bl. 65 GA). Dass er seine Fahrweise nicht an diese Verhältnisse angepasst hat, sondern statt dessen so fuhr, wie es nach eigenem Bekunden „jeden Abend“ tat und wie es „bisher immer funktioniert“ hatte, verdeutlicht, dass er sein Fahrzeug im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit enthemmt bewegt hat, ohne sich über die daraus resultierenden Risiken Gedanken zu machen, ohne dass ernsthaft in Betracht kommt, dies stehe mit dem Alkoholgenuss nicht in Zusammenhang (OLG Naumburg, VersR 2005, 1233; vgl. auch OLG Düsseldorf, NJW-RR 2001, 101). Aus den vom Kläger zitierten Entscheidungen (Bl. 71 GA) folgt nichts anderes; diese betrafen Sonderfälle, in denen der Anscheinsbeweis ausnahmsweise auf Grund konkreter Tatsachen erschüttert werden konnte, die jedoch mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar sind.

(3)

Soweit der Kläger schließlich behauptet, sein Sohn habe sich selbst für „vollkommen fahrtüchtig“ gehalten und gegenüber der Polizei keine Ausfallerscheinungen gezeigt, führt dies ebenfalls nicht zu einer Entkräftung des gegen ihn sprechenden ersten Anscheins einer alkoholbedingten Herbeiführung des Versicherungsfalles, sondern zeigte allenfalls, mit welcher Gleichgültigkeit sich der Zeuge trotz seines vorherigen Alkoholkonsums ans Steuer gesetzt hat. Aus der rechtsmedizinischen Alkoholbestimmung (Bl. 11 EA) folgte für den Sohn des Klägers im Zeitpunkt der Entnahme um 5h05 ein Mittelwert von 1,12 Promille BAK, was zur Annahme absoluter Fahruntüchtigkeit führt. Soweit der Zeuge den aus Anlass dieser Entnahme durchgeführten „psychophysischen Bewegungs- und Konzentrationstest“ weitgehend „normal“ absolviert haben mag, lassen sich in Anbetracht der unstreitigen BAK daraus keine Rückschlüsse auf eine fehlende alkoholbedingte Ursächlichkeit des Verkehrsunfalles ziehen. Dass der Zeuge im Rahmen dieses Tests, zwei Stunden nach dem Schadensereignis, in der Lage war, trotz seiner nach wie vor vorhandenen Alkoholisierung die von ihm geforderten körperlichen Verhaltensweisen nachzustellen, zeigt allein, dass sein Körper offenbar bereits daran gewöhnt ist, in alltäglichen Situationen mit erheblichen Alkoholmengen umzugehen, der Zeuge mit anderen Worten in der Lage ist, gegenüber anderen Personen seine erhebliche Alkoholisierung zu beherrschen und zu überspielen. Die im Straßenverkehr an einen Autofahrer gestellten Anforderungen unterscheiden sich davon in erheblichem Maße, sie erfordern ständige Wachsamkeit und spontanes Reaktionsvermögen auch auf schwierige oder überraschende Verkehrssituationen, was sich nicht zuletzt darin zeigt, dass bezüglich Autofahrern andere Grenzwerte für die Annahme von absoluter Fahruntüchtigkeit gelten, wie für Fußgänger oder – derzeit noch – Radfahrer. Rückschlüsse, wie sie der Kläger hier anstellen will, können deshalb ebenfalls nicht zu einer Erschütterung der Annahme führen, der Versicherungsfall sei durch die erhebliche Alkoholisierung herbeigeführt worden.

(4)

Nachdem andere Ursachen als die alkoholbedingte absolute Fahruntüchtigkeit hier vernünftigerweise nicht in Betracht kommen, vielmehr ganz im Gegenteil davon ausgegangen werden muss, dass dieser Unfall bei Fahrtüchtigkeit des Zeugen aufgrund einer dann angepassten und vorsichtigeren Fahrweise vermieden worden wäre, ist der Beweis des ersten Anscheins, wonach der Sohn des Klägers vorliegend den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt hat, hier nicht erschüttert und von einer entsprechenden Ursächlichkeit auszugehen.

3.

Der Kläger – als Versicherungsnehmer – muss sich das grob fahrlässige Verhalten seines Sohnes – als Fahrer des Fahrzeugs – zurechnen lassen, weil dieser – unbeschadet der Eigentumsverhältnisse an dem versicherten Fahrzeug – im Zeitpunkt der Herbeiführung des Versicherungsfalles als dessen Repräsentant anzusehen war.

a)

Vertragliche Risikoausschlüsse, insbesondere der Ausschluss wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles (§ 81 VVG), können auch gegenüber anderen Personen als dem Versicherungsnehmer anzuwenden sein (Maier in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 18. Aufl., AKB 2008 F.1, Rn. 6). In der Kaskoversicherung hat sich der Versicherungsnehmer, soweit es sich nicht um eine Versicherung im Interesse des Mitversicherten (§§ 43ff. VVG) handelt, das Fehlverhalten Dritter (Obliegenheitsverletzungen, subjektive Risikoausschlüsse) nur zurechnen zu lassen, soweit es sich bei diesen Personen um seine Repräsentanten handelt (Prölss/Klimke in Prölss/Martin, a.a.O., § 47 Rn. 11 und 12; Maier in Stiefel Maier, a.a.O., AKB 2008 F Rn. 57). Repräsentant ist, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, aufgrund eines Vertretungs- oder sonstigen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist (BGH, Urteil vom 10. Juli 1996 – IV ZR 287/95, VersR 1996, 1229). Die bloße Überlassung der Obhut über die versicherte Sache allein reicht hierfür grundsätzlich nicht aus; vielmehr kann Repräsentant nur sein, wer befugt ist, selbständig in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang für den Versicherungsnehmer zu handeln (Risikoverwaltung). Dazu ist nicht erforderlich, dass der Dritte auch Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag wahrzunehmen hat. Übt der Dritte aber aufgrund eines Vertrags- oder ähnlichen Verhältnisses die Verwaltung des Versicherungsvertrages eigenverantwortlich aus, kann dies unabhängig von einer Übergabe der versicherten Sache für seine Repräsentantenstellung sprechen (BGH, a.a.O.; Prölss in Prölss/Martin, a.a.O., § 28 Rn. 65).

b)

Gemessen an diesen Voraussetzungen ist der Sohn des Klägers, der das Fahrzeug im Unfallzeitpunkt führte, im vorliegenden Fall als Repräsentant des Klägers anzusehen. Der Kraftfahrzeugführer ist jedenfalls dann Repräsentant des Versicherungsnehmers, wenn ihm das Fahrzeug zur eigenverantwortlichen Nutzung anvertraut worden ist und er auch für die Unterhaltung und Verkehrssicherheit des Kraftfahrzeugs zu sorgen hat (BGH, Urteil vom 10. Juli 1996 – IV ZR 287/95, VersR 1996, 1229; Saarl. OLG, Urteil vom 15. Januar 2003 – 5 U 261/02-25, RuS 2003, 147). Das war hier der Fall. Nach eigenen Angaben des Klägers im Termin (Bl. 64 GA) war das von ihm bei der Beklagten versicherte Fahrzeug seinem seit mehreren Jahren in … lebenden Sohn zur dauerhaften Benutzung überlassen; dieser trug schon aufgrund der räumlichen Entfernung die Verantwortung für die Obhut über das versicherte Fahrzeug. Im Übrigen hat der Kläger selbst zu keinem Zeitpunkt in Abrede gestellt, dass sein Sohn die von der Beklagten in ihrer Klageerwiderung dargelegten tatsächlichen Voraussetzungen der Repräsentantenstellung erfüllt.

4.

Infolge der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den Sohn des Klägers war die Beklagte angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falles dazu berechtigt, die Versicherungsleistung auf Null zu kürzen.

a)

Hat ein Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt, so darf der Versicherer seine Leistung nach dem Maß der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers kürzen. Bei der Bemessung des Umfanges der Kürzung ist – schon nach dem Wortlaut des Gesetzes – nicht von einem „festen“ oder „regelmäßigen Einstiegswert“ auszugehen, sondern es ist auf Grund einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls das konkrete Kürzungsmaß zu ermitteln (Saarl. OLG, Urteil vom 15. Dezember 2010 – 5 U 147/10 – 29, RuS 2012, 392). Bei der Bemessung der Leistungskürzung ist danach zu fragen, wie nahe die grobe Fahrlässigkeit beim bedingten Vorsatz oder aber bei der einfachen Fahrlässigkeit lag (Saarl. OLG, a.a.O.; vgl. BT-Drucks. 16/3945, S. 80). Die genaue Bestimmung fußt für jeden Einzelfall auf einer Bewertung der konkreten, auf die Schwere des Verschuldens bezogenen Gesamtumstände. Bemessungskriterien sind vor allem die objektive Bedeutung der Obliegenheit für die Vermeidung des Risikos, das Gewicht, die Dauer und die Offenkundigkeit des Verstoßes gegen die Pflicht und die Vorhersehbarkeit seiner Folgen, außerdem der konkret erforderliche Aufwand für ihre Erfüllung einerseits und die Höhe des drohenden Schadens andererseits (Saarl. OLG, a.a.O.). Die zulässige Kürzung bewegt sich in einem Bereich von 0 bis 100 Prozent. Eine vollständige Kürzung auf Null kommt auch bei grober Fahrlässigkeit im Einzelfall insbesondere dann in Betracht, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall dadurch grob fahrlässig herbeiführt, dass er sein Fahrzeug trotz absoluter Fahruntüchtigkeit im Verkehr geführt hat (BGH, Urt. v. 22.06.2011 – IV ZR 225/10, BGHZ 190, 120; s. auch Saarl. OLG, Urteil vom 30. Oktober 2014 – 4 U 165/13, NJW-Spezial 2015, 41).

b)

Im vorliegenden Fall rechtfertigen die Umstände eine Kürzung der Versicherungsleistung auf „Null“.

aa)

Dafür spricht zunächst schon die objektive Bedeutung der Rechtspflicht, gegen die der Zeuge hier verstoßen hat, und, damit einhergehend, die Schwere seines Verstoßes. Das Führen eines Kraftfahrzeugs in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand gehört nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu den schwersten Verkehrsverstößen überhaupt (BGH, Urteil vom 22. Juni 2011 – IV ZR 225/10, BGHZ 190, 120). Die daraus resultierende potentielle Gefährdung nicht nur der eigenen Person, sondern auch der anderen Verkehrsteilnehmer, die mit dem Fahren im alkoholbedingten Zustand einhergeht, ist erheblich. Dasselbe gilt in Ansehung des eigenen Fahrzeugs, welches im Rahmen der Kaskoversicherung das versicherte Interesse bildet. Die enthemmende Wirkung des Alkohols veranlasst zu einer „sportlichen“, den Umständen regelmäßig nicht angepassten Fahrweise, was sich gerade auch im vorliegenden Fall sehr anschaulich in dem stattgehabten Unfallhergang niedergeschlagen hat. Das gilt insbesondere, wenn die Blutalkoholkonzentration im Zeitpunkt des Versicherungsfalles jenseits der Grenze der absoluten Fahruntüchtigkeit liegt oder diese gar – wie hier – deutlich übersteigt; hierin liegt ein besonders gravierender objektiver Sorgfaltsverstoß, der eine Kürzung der Versicherungsleistung auf Null rechtfertigen kann (BGH, Urteil vom 22. Juni 2011 – IV ZR 225/10, BGHZ 190, 120; OLG Stuttgart, NJW-RR 2011, 185; vgl., in Abgrenzung dazu, Saarl. OLG, Urteil vom 30. Oktober 2014 – 4 U 165/13, NJW-Spezial 2015, 41 und OLG Karlsruhe, VersR 2014, 1369, die bei relativer Fahruntüchtigkeit knapp unterhalb des Grenzwertes eine Kürzung um 75 Prozent vornehmen).

bb)

Auch in subjektiver Hinsicht ist das Verschulden des klägerischen Sohnes als besonders schwer anzusehen. Der durch den Zustand der absoluten Fahruntüchtigkeit bedingte Verkehrsverstoß war für ihn als Fahrer offenkundig. Die grobe Fahrlässigkeit beim Führen eines Kraftfahrzeugs im Bereich der absoluten Fahruntüchtigkeit grenzt in Bezug auf den dadurch verursachten Unfall an bedingten Vorsatz (OLG Dresden, VersR 2011, 205). Das Verbot, in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand Auto zu fahren, ist allgemein bekannt. Bei den meisten Kraftfahrern pflegen die Einsichtsfähigkeit und die Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln, in Bezug auf die Trunkenheitsfahrt auch bei einem hohen Grad der Alkoholisierung noch vorhanden zu sein (BGH, Urteil vom 22. Juni 2011 – IV ZR 225/10, BGHZ 190, 120). Das gilt auch für den Sohn des Klägers, der nach eigenem Bekunden Kenntnis von der Menge des von ihm konsumierten Alkohols hatte, wenngleich er diese in seiner Anhörung verniedlichend dargestellt hat, und der sich allenfalls selbst – wider besseren Wissens – eingeredet haben mag, gleichwohl noch fahrtüchtig zu sein. Dadurch hat er die Gefährdung sich und anderer, wie auch des versicherten Fahrzeugs, zumindest bewusst in Kauf genommen. Letztlich hat das Verhalten des Zeugen im konkreten Fall auch zu einem erheblichen Schaden geführt. Seine unangepasste Fahrweise hat – ausweislich der Ermittlungsakte – einen Totalschaden des Fahrzeugs verursacht, der schon seinem äußeren Erscheinungsbild nach nur mit einem erheblichen Fahrfehler zu erklären ist, was – gerade innerorts – keineswegs gewöhnlich ist. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände erscheint es gerechtfertigt, der Beklagten im vorliegenden Fall der Herbeiführung des Versicherungsfalles durch absolute Fahruntüchtigkeit ein Recht zur Kürzung der Versicherungsleistung auf Null zuzubilligen (so auch OLG Stuttgart, NJW-RR 2011, 185; OLG Dresden, VersR 2011, 205; Langheid, in: Römer/Langheid 4. Aufl., § 81 Rn. 82; weitere Nachweise aus der Instanzrechtsprechung bei BGH, Urteil vom 22. Juni 2011 – IV ZR 225/10, BGHZ 190, 120).

5.

War die Beklagte mithin befugt, ihre vertragliche Leistung wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den zumindest als Repräsentant des Versicherungsnehmers handelnden Sohn des Klägers ausnahmsweise auf Null zu kürzen, so stehen dem Kläger wegen des streitgegenständlichen Unfallereignisses keine Ansprüche aus dem Kaskoversicherungsvertrag zu. Da mangels Hauptforderung auch kein Anspruch des Klägers auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten (§§ 280 Abs. 2, 286 BGB) besteht, war seine Klage insgesamt abzuweisen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

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