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Fernüberwachungsvertrag – 6-jährige Vertragslaufzeit wirksam?

LG Karlsruhe, Az.: 20 S 59/13, Urteil vom 06.08.2015

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Philippsburg vom 14.11.2013, Az. 1 C 187/12, unter Aufhebung der Kostenentscheidung abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Gründe

(abgekürzt gemäß den §§ 540Abs. 2, 313 a ZPO)

I.

Fernüberwachungsvertrag - 6-jährige Vertragslaufzeit wirksam?
Symbolfoto: Von Sean Pavone /Shutterstock.com

Die Parteien waren durch einen schriftlichen Alarmanlagen-Mietvertrag mit Fernüberwachung verbunden, wobei eine Laufzeit von 72 Monaten ab dem 15.03.2006 vereinbart wurde und zuletzt eine monatliche Zahlung von EUR 74,38 brutto vereinbart gewesen ist (Muster des Vertrages als Anlage 1 und Anlage 2 I/As. 25 ff.). Der Kläger hat seine Schmuckwerkstatt, in der die Alarmanlage montiert gewesen ist, zum 31.07.2008 aufgegeben und am 07.07.2008 unter Bezugnahme auf frühere Kündigungen aus dem Jahre 2006 um Entlassung aus dem Gerätemietvertrag gebeten (I/As. 41 – Anlage 6). Die Beklagte hat unter Hinweis auf den befristeten Vertrag einer vorzeitigen Vertragsauflösung widersprochen.

Nunmehr verlangt der Kläger die Rückerstattung der im Zeitraum vom Januar 2009 bis März 2012 abgebuchten Zahlungen in Höhe von insgesamt 2.900,82 EUR sowie den Ersatz der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

Er hat vorgetragen, dass die Vereinbarung der 72-monatigen Laufzeit gegen § 307 BGB in Verbindung mit § 309 Nr. 9 a BGB verstoße, so dass es sich um einen unbefristeten Vertrag handele, den er gemäß den §§ 620Abs. 2, 621 Nr. 3 BGB am 07.07.2008 wirksam habe kündigen können. Die Anlage habe er bereits bei Aufgabe des Geschäftes demontiert und bis zur Rückgabe an die Beklagte im Jahre 2012 nicht mehr weiterbenutzt.

Die Beklagte hat eine wirksame Kündigung des Klägers im Jahre 2007 bestritten und auf die vereinbarte Vertragslaufzeit hingewiesen, so dass Rückforderungsansprüche des Klägers nicht bestünden. Hinzu komme, dass der Kläger die Alarmanlage nicht nur bis ins Jahr 2012 nicht zurückgegeben habe, sondern diese auch nach 2008 weiterbenutzt habe. Zudem sei der Anspruch verwirkt.

Das Amtsgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme über die behauptete Weiternutzung der Anlage durch den Kläger über das Jahr 2008 hinaus der Klage in vollem Umfang stattgegeben und dabei ausgeführt, dass die zwischen den Parteien vereinbarte Laufzeit des Vertrages von 6 Jahren den Kläger unangemessen benachteilige und daher gemäß § 307 Abs. 2 BGB unwirksam sei.

Da es sich bei dem Vertrag um einen Dienstleistungsvertrag handele, habe sich der Kläger mit Schreiben vom 07.07.2008 durch Kündigung wirksam vom Vertrag lösen können und könne daher bereicherungsrechtlich die geltend gemachten Beträge zurückfordern, ohne dass dieser Rückforderungsanspruch verwirkt sei.

Dagegen wendet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Klagabweisungsantrag der ersten Instanz weiterverfolgt. Sie rügt die rechtliche Auffassung des Amtsgerichts, nach der die vereinbarte Laufzeit des Vertrages gegen § 307 Abs. 2 BGB verstoße. Zum einen habe das Amtsgericht verkannt, dass gemäß § 310 BGB die Regelung des § 309 Nr. 9 a BGB auf Verträge zwischen Unternehmern keine Anwendung finde. Hinzu komme, dass es sich bei dem Vertrag schwerpunktmäßig um einen Mietvertrag über die Alarmanlage handele, mithin die letztgenannte Vorschrift nicht anwendbar sei. Hinzu komme, dass der Kläger die Anlage erst im Jahre 2012 zurückgegeben habe.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und weist insbesondere darauf hin, dass die Hauptleistung der Beklagten darin bestanden habe, rund um die Uhr die Überwachung der Räumlichkeiten zu übernehmen; mithin sei von einem Dienstvertrag auszugehen.

Wegen des weitergehenden Parteivortrages in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist im Ergebnis begründet.

Dem Kläger stehen Ansprüche aus § 812 Abs. 1 BGB nicht zu, da der zwischen den Parteien abgeschlossene Vertrag bis zum 15. März 2012 abgeschlossen wurde und rechtliche Bedenken gegen die vereinbarte Vertragslaufzeit von 72 Monaten nicht bestehen.

Gründe, die eine außerordentliche Kündigung des Vertrages durch den Kläger gerechtfertigt hätten, liegen ebenfalls nicht vor.

Unabhängig davon schuldet die Beklagte mangels einer Anspruchsgrundlage nicht den Ersatz der für die Rechtsverfolgung beim Kläger angefallenen außergerichtlichen Kosten.

1.

Der zwischen den Parteien abgeschlossene Vertrag wurde wirksam mit einer 6-jährigen Laufzeit bis zum 15.03.2012 vereinbart, da dieser rechtlich als Mietvertrag mit dienstvertraglichen Elementen zu bewerten ist.

Daher verstößt diese Laufzeitregelung nicht gegen die Bestimmungen der §§ 307Abs. 2, 310 BGB.

a)

Der Anwendung der Vorschriften über die allgemeinen Geschäftsbedingungen steht nicht entgegen, dass der Kläger bei Abschluss des Vertrages gemäß dem vorgelegten Vertragsformular ein Wahlrecht bezüglich mehrerer Laufzeiten gehabt hat (Anlage 1 I/As. 25). Auch bei der Einräumung eines Wahlrechtes bezüglich der Laufzeit des Vertrages handelt es sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung, auf die die Vorschriften der §§ 305 ff. BGB anzuwenden sind (Palandt/Grüneberg BGB 74. Auflage, Rn. 11 zu § 305 BGB). Vortrag hierzu, dass die Vertragslaufzeit zwischen den Parteien individuell ausgehandelt worden sei, ist nicht erfolgt.

Grundsätzlich kann die Vorschrift des § 309 Nr. 9 a) BGB über die zulässige Laufzeit auch in einem hier vorliegenden Vertrag zwischen Unternehmern über § 307 Abs. 2 BGB Anwendung finden, wobei ein Verstoß gegen § 309 BGB ein Indiz für die Unwirksamkeit der Klausel darstellt (BGH in NJW 2007, 3774 sowie Palandt/Grüneberg a. a. O., Rn. 40 zu § 307 BGB).

b)

Im konkreten Fall ist eine Laufzeitvereinbarung gemäß § 309 Nr. 9 a) BGB für länger als 2 Jahre durch allgemeine Geschäftsbedingungen nur dann unwirksam, wenn das Vertragsverhältnis die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen durch den Verwender zum Gegenstand hat.

Davon ist im vorliegenden Fall jedoch entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht auszugehen.

 

Nach den Bestimmungen der vorgelegten Vertragsunterlagen schuldete die Beklagte zunächst die Lieferung, Montage und Überlassung einer Alarmanlage im damaligen Geschäftslokal des Klägers, wobei diese während der Vertragslaufzeit auf die Notruf- und Serviceleitstelle der Beklagten aufgeschaltet wurde. Erst wenn die Notruf- und Serviceleitstelle eine Alarmmeldung erhält, ist die Beklagte zu weiteren Tätigkeiten verpflichtet, nämlich den Mieter oder eine von diesem benannte Person telefonisch zu benachrichtigen und nach einer akustischen Überprüfung der Natur des Vorfalls ggf. eine Benachrichtigung der Polizei oder sonstiger öffentlicher oder privater Dienste vorzunehmen (Anlage 1 I/As. 25 ff. – insbesondere Vertragsbedingungen unter dem Stichwort „Fernüberwachung und Instandsetzung“).

Daraus ergibt sich für die Kammer, dass der Vertrag rechtlich als Mietvertrag mit dienstvertraglichen Elementen zu bewerten ist, wobei die Dienstleistungen nicht regelmäßig, wie es § 309 Nr. 9 a BGB vorsieht, sondern nur im Alarmfall zu erbringen sind. Damit ist die Sachlage ähnlich wie bei der Vermietung einer Telekommunikationsanlage, die auf das Telefonnetz des Vermieters aufgeschaltet wird und auf die die Regelung des §  309 Nr. 9 a BGB bezüglich der Laufzeit nicht anwendbar ist (OLG Karlsruhe in NJW-RR 1994, 953; BGH NJW 1985, 2328 und Palandt/Grüneberg a. a. O., Rn. 119 zu § 307 BGB).

Aus den genannten Gründen folgt die Kammer daher nicht der Auffassung der vom Kläger zitierten Entscheidung des Landgerichts Bochum in NJW-RR 2002, 1713 ff., wonach es sich bei einem Fernüberwachungsvertrag um ein Dienstverhältnis handelt, auf das § 309 Nr. 9 a) BGB (früher: § 11 Nr. 12 a AGB Gesetz) anwendbar sei.

c)

Auch im Übrigen bestehen AGB-rechtlich keine Bedenken gegen die vereinbarte Laufzeit von 72 Monaten. Bei der Vermietung von technischen Anlagen hat die Rechtsprechung bei Verträgen mit mietrechtlichem Charakter Laufzeiten von bis zu 10 Jahren als unproblematisch angesehen (BGH in NJW 1985, 2328 und OLG Karlsruhe, NJW-RR 94, 953 – beide Entscheidungen betreffen Telefonanlagen Vermietungsverträge).

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Hinzuzufügen ist, dass wegen der Nichtanwendbarkeit des § 309 Nr. 9 a) BGB hier auch nicht von einer Indizwirkung, die für die Unwirksamkeit der vereinbarten Laufzeit spricht, ausgegangen werden kann. Ist somit eine Laufzeit des Vertrages bis 15.03.2012 vereinbart, scheidet eine Lösung des Klägers vom Vertrag durch Kündigung gemäß den §§ 620Abs. 2, 621 Nr. 3 BGB aus.

2.

Der Vertrag ist bis zur Beendigung der Laufzeit auch nicht durch eine gemäß § 542 Abs. 2 BGB auch bei einer festen Laufzeit jederzeit möglichen fristlosen Kündigung, insbesondere durch das Schreiben des Klägers vom 07.07.2008, vorzeitig beendet worden.

Soweit sich der Kläger darauf beruft, dass die Alarmanlage infolge seiner Geschäftsaufgabe im Juli 2008 für ihn keinen Sinn mehr mache, kann er damit nicht gehört werden. Die Nutzbarkeit der Anlage liegt im Risikobereich des Klägers, so dass er aus der Nichtverwendung aufgrund seiner Geschäftsaufgabe gegenüber der Beklagten keine Rechte auf die vorzeitige Beendigung des Vertrages herleiten kann (Palandt/Grüneberg a. a. O., Rn. 36 zu § 313 BGB). Es kommt daher rechtlich nicht darauf an, ob in dem Schreiben des Klägers vom 07.07.2008 eine Kündigung des Vertrages gesehen werden kann.

3.

Da der Kläger nach den bisherigen Ausführungen sich nicht vorzeitig vom Vertrag lösen konnte, sind seine Zahlungen an die Beklagte ab Januar 2009 bis zum Vertragsende im März 2012 nicht rechtsgrundlos erfolgt.

Daher stehen dem Kläger Rückforderungsansprüche für diesen Zeitraum nicht zu. Es kann daher auch offen bleiben, welche rechtlichen Folgen sich daraus ergeben, dass der Kläger unstreitig erst im Jahre 2012 die demontierte Alarmanlage an die Beklagte übergeben hat.

4.

Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen hat das Amtsgericht dem Kläger zu Unrecht den Ersatz der vorgerichtlich angefallenen Kosten der Rechtsverfolgung zugesprochen. Insoweit liegen die Voraussetzungen für einen materiellen Kostenerstattungsanspruch des Klägers aus Verzug gemäß § 286 BGB schon nach dem Vortrag des Klägers nicht vor. Dieser hat seine später mit der Klage verfolgten Ansprüche erstmals durch den Anwalt am 26.03.2012 (I/As. 51 Anlage 10) gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Diese Kosten der Erstmahnung, die den Verzug erst begründen, kann der Kläger nicht ersetzt bekommen (Palandt/Grüneberg, Rn. 44 zu § 286 BGB).

III.

Auf die Berufung war daher unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils die Klage insgesamt mit der Kostenfolge aus § 91 Abs. 1 ZPO abzuweisen.

Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeben sich aus den §§ 708Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision ist zuzulassen, da, soweit ersichtlich, bisher obergerichtlich nicht entschieden wurde, ob auf einen streitgegenständlichen Fernüberwachungsvertrag die Vorschrift des § 309 Nr. 9 a) BGB zur Anwendung gelangt, zumal das Landgericht Bochum (NJW-RR 2002,1713) eine der Entscheidung der Kammer entgegenstehende Rechtsauffassung vertritt.

 

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