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Kollision zwischen anfahrenden Feuerwehrfahrzeug und einem Vorbeifahrenden

OLG Stuttgart – Az.: 12 U 155/17 – Urteil vom 30.01.2018

1. Auf die Berufung der Klägerin wird Ziff. 1 das Urteil des Landgerichts Ellwangen (Jagst) vom 18.08.2017, Az. 3 O 77/17, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

(1) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.256,33 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 18.08.2016 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten i. H. v. 334,74 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 18.08.2016 zu zahlen.

(2) Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin aus dem Schadensereignis vom 29.05.2016 entstandene weitergehende materielle Schäden zu einem Drittel zu erstatten.

(3) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt die Klägerin 1/3, die Beklagte trägt 2/3. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 4.256,34 € festgesetzt.

Gründe

I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 313 a Abs. 1, 540 Abs. 2 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.

Kollision zwischen anfahrenden Feuerwehrfahrzeug und einem Vorbeifahrenden
(Symbolfoto: mapman/Shutterstock.com)

Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist teilweise begründet.

Der Klägerin steht aus § 115 VVG i.v.m. §§ 839, 249 ff. BGB, Art. 34 GG sowie §§ 7, 17 StVG ein Anspruch auf Ersatz von 2/3 des geltend gemachten Schadens zu.

Die Haftung des Beklagten ist nicht gemäß § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen. Es handelt sich für keine Partei um ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 S. 1 StVG. Folglich ist eine Abwägung der Unfallbeiträge unter Berücksichtigung der jeweiligen Betriebsgefahr und Gewichtung der Pflichtverletzungen vorzunehmen.

Das Beklagtenfahrzeug, ein LKW der freiwilligen Feuerwehr H, hatte im Rahmen eines Einsatzes zum Transport von Sandsäcken zu einem Sammeldepot in S wegen einer akuten Hochwasserlage mit eingeschaltetem Einsatzhorn und blauem Blinklicht das klägerische Fahrzeug, welches ausgewichen war, passiert. Danach hielt der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs am linken Straßenrand an, um einen am Straßenrand stehenden Feuerwehrkollegen nach dem Weg zu fragen. Dazu schaltete er das Einsatzhorn aus, nicht aber das blaue Blinklicht. Nach kurzem Zuwarten fuhr der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs langsam rechts an dem Beklagtenfahrzeug vorbei. Als er das Beklagtenfahrzeug fast passiert hatte, fuhr dieses wieder an und zog zur Mitte der Fahrbahn, worauf die Fahrzeuge kollidierten.

1.

Unfallursächliche Pflichtverletzungen des Fahrers des Beklagtenfahrzeugs liegen darin, dass er vom linken Fahrbahnrand anfuhr, als das klägerische Fahrzeug bereits neben ihm war, obwohl er es vor dem Anfahren bei pflichtgemäßer Aufmerksamkeit hätte bemerken können sowie darin, dass er vor dem Anfahren diese Absicht nicht anzeigte.

a)

Indem der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs zunächst am linken Fahrbahnrand anhielt und sodann, ohne dem klägerischen Fahrzeug ein Vorrecht einzuräumen, wieder in die Straße einfuhr, ohne einen Fahrtrichtungsanzeiger zu setzen, verstieß er gegen die Regeln des § 12 Abs. 4 StVO und des §§ 10 S. 1 und § 10 S. 2 StVO. Davon ist nur die Verletzung des § 12 Abs. 4 StVO im konkreten Einsatz durch § 35 Abs. 1 StVO gerechtfertigt.

aa)

Im Umkehrschluss zu § 12 Abs. 4 S. 4 StVO ergibt sich, dass nicht nur das Parken, sondern auch das Halten am linken Fahrbahnrand nicht erlaubt ist, soweit es sich nicht um eine Einbahnstraße handelt oder am rechten Fahrbahnrand Schienen liegen. Dass der Fahrer das Beklagtenfahrzeug zum Stillstand brachte, um einen Feuerwehrkollegen nach dem Weg zu fragen, ist als Halten im Sinne von § 12 StVO einzuordnen und nicht als Stocken des Verkehrs gemäß § 11 StVO.

bb)

Gemäß § 10 S. 1 StVO ist beim Anfahren vom Fahrbahnrand größte Sorgfalt aufzuwenden. Der Fahrer hat sich so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Als Anfahren gilt auch das in Bewegung setzen des Fahrzeugs nach nicht verkehrsbedingtem Halten (KG NZV 04,637, LG Berlin, NZV 04, 635). Beim Anfahren hat der passierende Verkehr Vorrang. Der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs hätte somit bei Geltung der allgemeinen Verkehrsregeln das klägerische Fahrzeug passieren lassen müssen. Er hätte sich durch Rückschau vergewissern müssen, dass er ohne Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer vom Fahrbahnrand anfahren kann, bei unübersichtlichen Sichtverhältnissen gegebenenfalls durch Einweisung durch den Beifahrer. Hätte der Fahrer sich vergewissert, hätte er das klägerische Fahrzeug bemerkt und passieren lassen, bevor er sein Fahrzeug zur Weiterfahrt zur Straßenmitte/rechten Straßenseite zieht. Dass er das Fahrzeug in einem der drei rechten Außenspiegeln noch vor dem Anfahren hätte bemerken können, ergibt sich aus dem in erster Instanz eingeholten Gutachten des Sachverständigen W (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.7.2017, hier Bl. 74).

cc)

Außerdem hätte der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs vor dem Anfahren den rechten Fahrtrichtungsanzeiger setzen und kurz zuwarten müssen. § 10 S. 3 StVO schreibt vor, dass das Anfahren rechtzeitig und deutlich anzukündigen ist. Das gilt auch, wenn ohne Änderung des Fahrwegs abgefahren wird (König in Hentschel König Dauer, 44. Auflage, § 10 StVG, Rn. 16). Erst recht gilt dies, wenn nach einem Halt auf der linken Seite wieder auf die Fahrbahnmitte gewechselt wird. Das Abschalten der Warnblinker ersetzt das Betätigen des Fahrtrichtungsanzeigers nicht.

b)

Daraus, dass es sich beim Beklagtenfahrzeug um ein Sonderrechtsfahrzeug gemäß § 35 Abs. 1 StVO handelt, ergibt sich im konkreten Fall hinsichtlich des Verbots des Anhaltens am linken Fahrbahnrand und der generellen Vorfahrt des passierenden Verkehrs eine Erlaubnis zur Abweichung, nicht jedoch im Hinblick auf die Vergewisserung der freien Fahrt beim Anfahren vom Straßenrand und der Notwendigkeit, diese Absicht vorab anzuzeigen.

aa)

Beim klägerischen Fahrzeug handelt es sich um ein Feuerwehrfahrzeug im Sinne des § 35 Abs. 1 StVO. Feuerwehrfahrzeuge sind die Dienstfahrzeuge sowohl der beruflichen wie der freiwilligen Feuerwehren und der Werkfeuerwehren. Sie versehen hoheitliche Aufgaben auch dann, wenn sie nicht zur Löschung eines Brandes, sondern zur Hilfeleistung bei anderen Vorkommnissen, wie Wasserschäden oder Verkehrsunfällen, unterwegs sind (Heß in Burmann/Heß/Hühnermann StVO § 35 Rn. 2-8, beck-online m.w.N.). Entgegen der in der Berufungsbegründung vertretenen Auffassung der Berufungsklägerin setzt die Anwendbarkeit des §§ 35 Abs. 1 StVO nicht voraus, dass ein Feuerwehrfahrzeug speziell für die Abwehr dringender Gefahren ausgerüstet ist. Selbst das Privatfahrzeug eines Feuerwehrmannes kann als Einsatzfahrzeug i.S.d. § 35 Abs. 1 StVG einzuordnen sein, wenn dieser aufgrund eines Einsatzbefehls auf dem Weg zu seiner Feuerwache ist (König in Hentschel König Dauer, 44. Auflage, § 35 Rn. 3).

Es kann dahingestellt bleiben, ob das Fahrzeug auch als Fahrzeug des Katastrophenschutzes gemäß § 35 Abs. 1 StVG i.V.m. § 9 ff.KatSchG BW einzuordnen ist, da sich dadurch für die rechtliche Einordnung keine Änderungen ergeben.

bb)

Das Fahrzeug wurde auf der konkreten Unfallfahrt zum Transport von Sandsäcken zu einem Lager während einer akuten Hochwassersituation genutzt. Damit wurde das Fahrzeug zur Erfüllung einer hoheitlichen Aufgabe der Feuerwehr genutzt. Zu den Aufgaben der Feuerwehr gehören neben der Brandbekämpfung auch die Hilfeleistung bei öffentlichen Notständen. Öffentlicher Notstand ist dabei definiert als „ein durch ein Naturereignis, einen Unglücksfall oder dergleichen verursachtes Ereignis, das zu einer gegenwärtigen oder unmittelbar bevorstehenden Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen und Tieren oder für andere wesentliche Rechtsgüter führt, von dem die Allgemeinheit, also eine unbestimmte und nicht bestimmbare Anzahl von Personen, unmittelbar betroffen ist und bei dem der Eintritt der Gefahr oder des Schadens nur durch außergewöhnliche Sofortmaßnahmen beseitigt oder verhindert werden kann“ (§ 2 BW FwG). Unter diese Definition fällt auch das den Einsatz auslösende Hochwasser.

Die Freistellung von den Vorschriften nach § 35 Abs. 1 StVO setzt nicht voraus, dass das Fahrzeug mit Blaulicht und Martinshorn ausgestattet ist oder beide Signale benutzt werden (BGH NJW 1975, 648; KG Berlin VM 85, 105; OLG Köln NZV 96, 237).

cc)

Damit war das Beklagtenfahrzeug von den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung befreit, soweit dies zur Erfüllung der hier vorliegenden Aufgabe dringend geboten war.

Dringend geboten ist das Abweichen von Vorschriften zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben nur, wenn die sofortige Diensterfüllung wichtiger erscheint als die Beachtung der Verkehrsregeln. Andernfalls sind auch die Bevorrechtigten nicht von der Einhaltung der Vorschriften befreit. § 35 Abs. 1 StVO ist als Ausnahmevorschrift eng auszulegen (OLG Celle Urt v 30.11.2006 – 14 U 204/05). Bei der Beurteilung steht dem Hilfeleistenden zwar ein gewisser Spielraum zu (OLG Celle Urt v 30.11.2006 – 14 U 204/05). Nicht dringend geboten ist ein Verstoß gegen die Vorschriften der StVO jedoch, wenn die Dienstaufgabe ohne Nachteil auch später oder bei Beachtung der StVO ebenso erfüllt werden kann (OLG Celle Urt. v. 30.11.2006 – 14 U 204/05). Der einzelne Verkehrsteilnehmer darf nicht nachprüfen, ob das Sonderrecht befugt beansprucht wird, es sei denn bei offensichtlichem Missbrauch. Dagegen ist das Gericht zur Prüfung berechtigt, ob die Voraussetzungen des § 35 vorgelegen haben, insbesondere ob das Abweichen von einer Verkehrsregel ermessensmissbräuchlich war (Geigel, Haftpflichtprozess, 2. Teil Haftpflichttatbestände 27. Kapitel. Haftung aus der Straßenverkehrs-Ordnung Rn. 703-704, beck-online m.w.N.). Ein Einsatzbefehl an eine Polizeistreife oder an ein Feuerwehrfahrzeug rechtfertigt im Allgemeinen die Inanspruchnahme des Vorrechts aus § 35 Abs. 1 StVO, wenn sich nicht aus der Anordnung selbst oder aus dem Inhalt des Auftrags ergibt, dass keine dringende Eile vorliegt. (Heß a.a.O. StVO § 35 Rn. 2-8, beck-online). Die Fahrt mit Blaulicht und Einsatzhorn war vom Einsatzleiter angeordnet worden. Das ergibt sich aus den Zeugenaussagen der Zeugen S (Fahrer des Feuerwehrfahrzeugs, Bl. 68 d. Akte) und A (Beifahrer, Bl. 70 d. Akte).

Diese Prüfung ergibt, dass wegen der akuten Hochwassersituation ein schneller Transport der Sandsäcke eine Dringlichkeit hatte, die es rechtfertigte, entgegen § 12 Abs. 4 StVO auf der linken Fahrbahnseite anzuhalten, um einen Feuerwehrkollegen nach dem Weg zu fragen und vom linken Fahrbahnrand wieder anzufahren, ohne dem von hinten herannahenden Verkehr generell den Vorrang einzuräumen, soweit damit keine Gefährdung des Verkehrs verbunden ist, denn es bestand ein Bedürfnis der Allgemeinheit, die geladenen Sandsäcke schnellstmöglich zur Sammelstelle zu verbringen, um sie von dort für den Hochwasserschutz einsetzen zu können. Außerdem war sicherzustellen, dass das Fahrzeug und die Besatzung bei weiter bestehendem Hochwasser schnellstmöglich für weitere Einsätze zur Verfügung steht.

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Die Eilbedürftigkeit rechtfertigt aber weder ein Anfahren ohne vorheriges Anzeigen dieser Absicht noch ein Anfahren ohne vorherige Vergewisserung, dass sich rechts kein passierendes Fahrzeug befindet, da die damit verbundene Zeitersparnis zu vernachlässigen ist.

Die Freistellung gibt kein generelles Vorrecht, gegenüber dem übrigen Verkehr, sondern nur die Berechtigung, die allgemeinen Verkehrsregeln unter Beachtung größtmöglicher Sorgfalt zu „missachten“ (BGH NJW 75, 648). Wer von der ihm gewährten Befreiung Gebrauch macht, muss dies unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung tun (§ 35 Abs. 8 StVG). Er muss also der erhöhten Unfallgefahr, die er durch das Abweichen der Vorschriften herbeiführt, durch besondere Aufmerksamkeit und Vorsicht begegnen. Dabei ist die ihm obliegende Sorgfaltspflicht umso größer, je mehr seine Fahrweise die Unfallgefahr erhöht (Geigel, Haftpflichtprozess, 2. Teil Haftpflichttatbestände 27. Kapitel. Haftung aus der Straßenverkehrs-Ordnung Rn. 701, beck-online).

Der Fahrer war demnach zur Beachtung größtmöglicher Sorgfalt verpflichtet. Vor dem Anfahren vom linken Straßenrand hätte er sich umfassend vergewissern müssen, ob eine Einfahrt in die Straße gefahrlos möglich ist, oder ob sich bereits ein Fahrzeug neben dem haltenden Feuerwehrfahrzeug befindet. Wie schon oben dargelegt, wäre für den Fahrer des Beklagtenfahrzeugs erkennbar gewesen, dass sich das klägerische Fahrzeug bei Beginn des Anfahrvorgangs bereits in der Vorbeifahrt befand. Bei eingeschränkter Sicht hätte er sich durch den Beifahrer einweisen lassen müssen. Da ein Anfahren in Richtung zur Mitte der Fahrbahn ohne Kollision mit dem Klägerfahrzeug nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht möglich war, wäre die einzig richtige Reaktion gewesen, das klägerische Fahrzeug zunächst passieren zu lassen.

Dass das Beklagtenfahrzeug zusätzlich zunächst mit blauem Blinklicht und Einsatzhorn (entsprechend § 38 StVO) und während des Haltens unter eingeschaltetem blauen Blinklicht ohne Einsatzhorn benutzt wurde, ändert an der Verpflichtung zu größtmöglicher Sorgfalt nichts. Sowohl die Befreiung von der Beachtung der Vorschriften der StVO als auch die dabei anzulegende besondere Sorgfalt ergeben sich alleine aus § 35 StVO.

Der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs durfte nicht blind darauf vertrauen, dass allein aufgrund des blauen Blinklichts kein Fahrzeug das haltende Feuerwehrfahrzeug passieren würde, zumal das blaue Blinklicht ohne Einsatzhorn gemäß § 38 Abs. 2 StVG lediglich als Warnung dient und nicht als Aufforderung, freie Bahn zu schaffen.

Wenn der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs seine Fahrt als Eilfahrt fortsetzen wollte, hätte er rechtzeitig vor dem Anfahren neben Fahrtrichtungsanzeiger auch das Einsatzhorn wieder einschalten müssen, um dem Verkehr zu signalisieren, dass freie Fahrt zu gewähren ist. Eine Eilbedürftigkeit, die diese kurze Vorwarnung nicht erlaubt hätte, lag jedenfalls nicht vor. Hätte der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs das Einsatzhorn vernommen, wäre zu erwarten gewesen, dass er dem Beklagtenfahrzeug freie Fahrt einräumt.

2.

Aber auch der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs handelte pflichtwidrig, als er das Beklagtenfahrzeug passierte. Er hätte abwarten müssen, bis das Beklagtenfahrzeug vom linken Fahrbahnrand wieder anfährt und sich hinter dem Beklagtenfahrzeug einordnen müssen.

Die Wartepflicht ergibt sich aus § 1 Abs. 1 StVO. Das Beklagtenfahrzeug hatte zunächst unter Einsatz von blauem Blinklicht und Einsatzhorn das klägerische Fahrzeug überholt. Dabei hatte der Kläger den Eilcharakter der Fahrt und die mit diesen Signalen verbundene Aufforderung gemäß § 38 Abs. 1 StVO, sofort freie Bahn zu schaffen, erkannt und dem Beklagtenfahrzeug Platz gemacht. Als das Beklagtenfahrzeug am linken Fahrbahnrand hielt, schaltete dessen Fahrer das Einsatzhorn aus. Er betätigte aber weiterhin das blaue Blinklicht. Gemäß § 38 Abs 2 StPO begründet blaues Blinklicht allein ohne gleichzeitige Einschaltung des Einsatzhorns zwar grundsätzlich nicht das Wegerecht des 38 Abs. 1 S.2 StVO (KG NZV 03, 481 m.w.M.) oder besondere Pflichten für die Verkehrsteilnehmer; es ist jedoch ein Warnsignal, das andere Verkehrsteilnehmer zu gesteigerter Aufmerksamkeit und zur Vorsicht mahnt (OLG Koblenz NZV 2004, 529). In der konkreten Situation hätte der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs, der bemerkte, dass der Fahrer des Feuerwehrfahrzeugs mit einem Passanten sprach (Berufungsbegründung S. 6, Bl. 209), als naheliegend erkennen müssen, dass das Einsatzhorn wegen der Notwendigkeit der Verständigung ausgeschaltet wurde und unklar war, ob die Fahrt als Eilfahrt fortgesetzt werden würde. Hätte er sich darauf eingestellt, wäre die einzig vertretbare Reaktion ein Anhalten hinter dem Feuerwehrfahrzeug gewesen, um eine Behinderung der Einsatzfahrt zu verhindern und dem Feuerwehrfahrzeug ein jederzeitiges Anfahren zu ermöglichen. Hinzu kommt, dass das klägerische Fahrzeug sehr dicht an dem Beklagtenfahrzeug vorbeifahren musste, so dass jede relativ kleine Anfahr- und Lenkbewegung des Beklagtenfahrzeugs unweigerlich zu einer Kollision führen musste.

Ein Verstoß gegen § 5 StVO kann dem Fahrer des klägerischen Fahrzeugs nicht vorgeworfen werden. Das Feuerwehrfahrzeug hatte gehalten, weswegen das Passieren des klägerischen Fahrzeugs nicht als Überholvorgang einzuordnen ist.

3.

Bei Abwägung der für den Verkehrsunfall ursächlichen Pflichtverletzungen der Fahrer der beteiligten Fahrzeuge sowie der jeweiligen Betriebsgefahr der beteiligten Fahrzeuge erscheint eine Haftungsquote von zwei Dritteln zu einem Drittel zu Gunsten des klägerischen Fahrzeugs hier angemessen.

Die Pflichtverletzung des Fahrers des Feuerwehrfahrzeugs erscheint deswegen besonders schwerwiegend, weil er ohne ausreichende Vergewisserung, dass rechts kein Fahrzeug passiert und ohne vorherige Anzeige der Anfahrabsicht, sei es durch Einschalten des Einsatzhorns oder durch Setzen des rechten Fahrtrichtungsanzeigers, angefahren ist, zumal das lediglich durch § 35 Abs. 1 StVO gerechtfertigte und den normalen Fahrzeugen gemäß § 12 Abs. 4 StVO verbotene Anhalten auf der linken Fahrbahnhälfte gemäß § 35 Abs. 8 StVO zu besonderer Achtsamkeit verpflichtete.

Die Fehleinschätzung des Klägers, ein Passieren des Feuerwehrfahrzeugs sei gefahrlos möglich trotz der unübersichtlichen Situation, welche sich aus dem eingeschalteten blauen Blinklicht des Beklagtenfahrzeugs, der naheliegenden baldigen Fortsetzung der Eilfahrt und der schmalen Lücke zur Vorbeifahrt ergibt, erscheint dagegen von geringerem Gewicht, zumal der Kläger das Beklagtenfahrzeug mit langsamer Geschwindigkeit passierte.

4.

Bei einem unstreitigen Schaden in Höhe von 6.384,50 € ergibt sich bei einer Haftungsquote von 2/3 ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 4.256,33 €. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 BGB.

Die Höhe der erstinstanzlich zugesprochenen vorgerichtlichen Anwaltskosten sowie die Feststellung der anteiligen Ersatzpflicht für weitere materielle Schäden wurden von der Klägerin in der Berufung nicht angegriffen, so dass es insoweit bei der erstinstanzlichen Entscheidung bleibt.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 ZPO.

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

3. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

4. Der Streitwertwert des Berufungsverfahrens ergibt sich aus dem in der mündlichen Verhandlung gestellten bezifferten Berufungsantrag.

 

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