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Kündigung eines Studiumsvertrages durch die Hochschule

Hochschule kündigt Studiumsvertrag wegen Täuschungsversuchs

Das Landgericht Köln hat entschieden, dass der Studienvertrag zwischen der Klägerin und der Hochschule nicht durch die Schreiben der Hochschule beendet wurde. Der Vertrag bleibt trotz Vorwürfen eines Täuschungsversuchs während einer Open-Book-Klausur weiterhin bestehen. Die Klägerin wurde zu Unrecht exmatrikuliert, da die formellen und materiellen Voraussetzungen für eine wirksame außerordentliche Kündigung nicht erfüllt waren.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 16 O 74/22  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Bestätigung des Vertragsfortbestands: Der Studienvertrag vom 15.05.2015 wurde durch die Schreiben der Hochschule nicht beendet.
  2. Unwirksame Exmatrikulation: Die Exmatrikulation der Klägerin wegen eines vermeintlichen Täuschungsversuchs ist ungültig.
  3. Täuschungsvorwurf: Die Klägerin wurde beschuldigt, bei einer Open-Book-Klausur getäuscht zu haben.
  4. Fehlende Anhörung: Die Hochschule hat die Klägerin vor der Exmatrikulation nicht angehört, was ein Verfahrensfehler ist.
  5. Nicht-Einhaltung der Kündigungsfrist: Die Hochschule hat die erforderliche Kündigungsfrist nicht eingehalten.
  6. Fehlende Abmahnung: Eine notwendige Abmahnung als Voraussetzung für die Kündigung fehlte.
  7. Berechtigtes Interesse an Vertragsbeendigung fehlt: Es gab kein ausreichendes Fehlverhalten der Klägerin, das die Beendigung des Vertragsverhältnisses rechtfertigen würde.
  8. Berücksichtigung der Corona-Pandemie: Die besonderen Umstände der Corona-Pandemie und deren Einfluss auf die Prüfungssituation wurden nicht hinreichend berücksichtigt.

Kündigung eines Studiumsvertrages: Ein rechtliches Dilemma

Kündigung Studienvertrag
(Symbolfoto: panitanphoto /Shutterstock.com)

In der aktuellen rechtlichen Diskussion steht ein Thema im Mittelpunkt, das sowohl für Studierende als auch für Bildungseinrichtungen von großer Bedeutung ist: die Kündigung eines Studiumsvertrages durch eine Hochschule. Dieses Thema berührt grundlegende Fragen des Bildungsrechts und der studentischen Rechte, insbesondere im Kontext von Vertragsbeziehungen zwischen Studierenden und ihren Lehranstalten.

Die Kündigung eines Studiumsvertrages kann aus einer Vielzahl von Gründen erfolgen, darunter auch der Verdacht auf einen Täuschungsversuch oder andere Verstöße gegen die akademischen Richtlinien. Die Rechtmäßigkeit einer solchen Exmatrikulation und die damit verbundenen Folgen sind jedoch nicht immer eindeutig und werfen komplexe rechtliche Fragen auf. Diese reichen von der Einhaltung formaler Verfahren bis hin zur Bewertung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen. Der nachfolgende Bericht beleuchtet ein spezifisches Urteil, das diese Problematik exemplarisch darstellt und wichtige Einblicke in die rechtliche Handhabung solcher Fälle bietet. Lassen Sie uns tiefer in die Details dieses interessanten und wichtigen rechtlichen Szenarios eintauchen.

Täuschungsvorwurf und Studienvertragskündigung: Der Fall am LG Köln

Im Mittelpunkt dieses Rechtsstreits steht der Studienvertrag zwischen einer Studentin und einer privaten Hochschule. Die Studentin, seit September 2015 im Studiengang Angewandte Psychologie eingeschrieben, sah sich mit schwerwiegenden Anschuldigungen konfrontiert. Im Juni 2021 absolvierte sie eine Open-Book-Klausur, bei der sie und eine Kommilitonin identische Lösungen einreichten. Dies führte zum Vorwurf eines Täuschungsversuchs und letztlich zur Exmatrikulation durch die Hochschule. Die Hochschule behauptete, die Studentin hätte aktiv bei der Täuschung mitgewirkt, indem sie ihre Arbeit der Kommilitonin zur Verfügung stellte.

Die juristische Auseinandersetzung und ihre Komplexität

Die Studentin legte gegen die Entscheidung der Hochschule Widerspruch ein und zog vor Gericht. Sie bestritt den Täuschungsversuch und argumentierte, dass sie ihre Klausurlösung nach Abschluss ihrer eigenen Prüfung an die Kommilitonin gesendet hatte, ohne von deren Absicht zu wissen, diese unverändert zu verwenden. Die Hochschule wiederum beharrte auf ihrem Standpunkt, dass jegliche Form der Unterstützung bei einem Täuschungsversuch als Täuschung zu werten sei. Dieser Fall wirft komplexe Fragen auf, etwa zur Definition eines Täuschungsversuchs, zur angemessenen Reaktion der Hochschule und zur Abwägung der Interessen beider Parteien.

Urteil des LG Köln: Keine wirksame Kündigung des Studienvertrages

Das Landgericht Köln kam zu dem Schluss, dass die Kündigung des Studienvertrages durch die Hochschule unwirksam war. Das Gericht stellte fest, dass die Hochschule die formalen und materiellen Voraussetzungen für eine wirksame außerordentliche Kündigung nicht erfüllt hatte. Die Hochschule hatte versäumt, die Studentin vor der Exmatrikulation anzuhören und eine Kündigungsfrist zu wahren. Zudem mangelte es an einer ordnungsgemäßen Abmahnung. Das Gericht berücksichtigte auch die besonderen Umstände der Corona-Pandemie, die zu Veränderungen im Prüfungsablauf geführt hatten.

Rechtliche Implikationen und Folgen des Urteils

Dieses Urteil verdeutlicht die Wichtigkeit einer sorgfältigen Prüfung der Umstände bei der Kündigung eines Studienvertrages. Es unterstreicht die Notwendigkeit einer angemessenen Anhörung und einer fairen Abwägung der Interessen beider Seiten. Für Hochschulen und Studenten gleichermaßen liefert der Fall wichtige Erkenntnisse darüber, wie mit Täuschungsvorwürfen umzugehen ist und welche rechtlichen Schritte in solchen Situationen ergriffen werden können. Der Fall zeigt deutlich, dass jede Kündigung eines Studienvertrages einer gründlichen rechtlichen Überprüfung standhalten muss.

Das LG Köln setzte mit diesem Urteil einen wichtigen Meilenstein im Hinblick auf die Rechte von Studierenden und die Pflichten von Bildungseinrichtungen. Der Fall zeigt, dass die Kündigung eines Studienvertrags nicht nur eine schwerwiegende Entscheidung für die betroffene Person ist, sondern auch weitreichende rechtliche Konsequenzen haben kann. Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung eines fairen und transparenten Verfahrens bei der Beurteilung von Täuschungsvorwürfen und die Notwendigkeit einer ausgewogenen Abwägung aller relevanten Faktoren.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was sind die rechtlichen Voraussetzungen für eine Kündigung eines Studiumsvertrages durch eine Hochschule?

Die rechtlichen Voraussetzungen für eine Kündigung eines Studienvertrages durch eine Hochschule können je nach den spezifischen Bedingungen des Vertrages und den Umständen variieren. Generell kann eine Hochschule den Studienvertrag während der Probezeit ohne Angabe von Gründen kündigen, sofern eine Kündigungsfrist von zwei Wochen zum Monatsende eingehalten wird.

Nach der Probezeit können außerordentliche Umstände eine Kündigung rechtfertigen. Beispielsweise kann ein schwerwiegender Verstoß gegen die Verhaltensregeln der Hochschule, wie das Organisieren von Alkoholexzessen, die das Ansehen der Hochschule beeinträchtigen, einen ausreichenden Grund für eine fristlose Kündigung darstellen.

Es ist auch wichtig zu beachten, dass die Kündigungsbedingungen in Studienverträgen privater Hochschulen der Kontrolle der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) gemäß den §§ 305ff BGB unterliegen. Eine Kündigungsregelung, die Studierenden nicht ermöglicht, nach Erhalt der Ergebnisse der Abschlussprüfungen eines Studienjahres noch die Entscheidung zu treffen, diese Ausbildung zum Ende des Studienjahres abzubrechen und sich für eine neue Ausbildung zu entscheiden, benachteiligt Studierende unangemessen und ist daher unwirksam.

In allen Fällen der außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund im Sinne von § 626 BGB sind die vereinbarten Studiengebühren zu zahlen, sofern die außerordentliche Kündigung auf Umständen beruht, die von der Hochschule nicht zu vertreten sind.

Es ist ratsam, sich bei Unklarheiten oder spezifischen Fragen an einen Rechtsberater zu wenden, um sicherzustellen, dass die individuellen Rechte und Pflichten korrekt verstanden und eingehalten werden.

Inwiefern spielt der Täuschungsversuch in der rechtlichen Beurteilung einer Studiumsvertragskündigung eine Rolle?

Ein Täuschungsversuch kann eine erhebliche Rolle in der rechtlichen Beurteilung einer Studiumsvertragskündigung spielen. In Deutschland kann ein Täuschungsversuch, insbesondere bei Prüfungen, zu schwerwiegenden Konsequenzen führen, einschließlich der Exmatrikulation. Das Verwaltungsgericht Berlin hat beispielsweise entschieden, dass Studierende, die während einer Online-Prüfung intensiv in einer Chat-Gruppe kommunizieren, wegen Täuschung exmatrikuliert werden können. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Austausch tatsächlich hilfreich war und richtige Antworten lieferte.

Ein Täuschungsversuch kann auch in anderen Kontexten relevant sein. Beispielsweise kann ein Promovend, der für seine Dissertation vorsätzlich Texte aus Arbeiten anderer ohne Angabe der richtigen Quellen übernimmt, eine Täuschung im Sinne des § 20 Abs. 2 PromO begehen.

Es ist auch wichtig zu beachten, dass die Konsequenzen eines Täuschungsversuchs von der jeweiligen Hochschule und den spezifischen Umständen abhängen können. Einige Universitäten können beispielsweise den ersten Täuschungsversuch mit dem Nichtbestehen der Klausur und einem Eintrag in das Leistungsverzeichnis ahnden.

Benötigen Sie eine Beratung in einer ähnlichen Angelegenheit? Vereinbaren Sie einen Termin: 02732 791079 oder fordern Sie unsere Ersteinschätzung online an.

In Bezug auf den Studienvertrag selbst kann ein Täuschungsversuch auch Auswirkungen haben. In einigen Fällen kann eine arglistige Täuschung, wie sie im § 123 BGB definiert ist, einen Grund für die Anfechtung eines Vertrags darstellen.

Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die spezifischen Bedingungen und Konsequenzen von Täuschungsversuchen in Studienverträgen von der jeweiligen Hochschule und den spezifischen Vertragsbedingungen abhängen können. Daher ist es ratsam, sich bei Fragen oder Bedenken an einen Rechtsberater oder die zuständige Hochschulverwaltung zu wenden.

Welche Bedeutung hat die Exmatrikulation im Kontext des Hochschulrechts und welche rechtlichen Konsequenzen kann sie nach sich ziehen?

Die Exmatrikulation bezeichnet die offizielle Beendigung der Hochschulzugehörigkeit eines Studierenden. Durch die Exmatrikulation erlöschen die Rechte und Pflichten als Studierender und Mitglied der Universität. Dies bedeutet, dass der Studierende nicht mehr als aktives Mitglied der Hochschule gilt und somit seine Studienrechte verliert.

Die Gründe für eine Exmatrikulation können vielfältig sein. Sie kann auf Antrag des Studierenden erfolgen, wenn dieser sein Studium beenden möchte. Eine Exmatrikulation kann aber auch von Amts wegen erfolgen, beispielsweise wenn eine nach der Prüfungsordnung erforderliche Prüfung endgültig nicht bestanden wurde, die Einschreibung durch arglistige Täuschung erfolgte oder der Semesterbeitrag nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist bezahlt wurde.

Die rechtlichen Konsequenzen einer Exmatrikulation können erheblich sein. So entfällt beispielsweise in der Regel die Berechtigung für BAföG-Leistungen ab dem Zeitpunkt der Exmatrikulation. Darüber hinaus kann eine Exmatrikulation auch Auswirkungen auf den Versicherungsstatus haben, da für Studierende in der Regelstudienzeit ein vergünstigter Versicherungsbeitrag gilt.

Gegen eine Exmatrikulation kann grundsätzlich Widerspruch und Klage eingelegt werden. Es ist jedoch zu beachten, dass die genauen Bedingungen und Fristen für einen solchen Widerspruch oder eine Klage in den jeweiligen Hochschulgesetzen der Bundesländer geregelt sind.

Es ist daher ratsam, sich bei einer drohenden oder bereits erfolgten Exmatrikulation rechtlich beraten zu lassen, um die eigenen Rechte und Möglichkeiten zu kennen und gegebenenfalls rechtzeitig Widerspruch einlegen zu können.


Das vorliegende Urteil

LG Köln – Az.: 16 O 74/22 – Urteil vom 11.08.2022

Es wird festgestellt, dass der zwischen den Parteien geschlossene Studienvertrag vom 15.05.2015 weder durch das Schreiben der Beklagten vom 20.07.2021 noch vom 22.07.2021 beendet wurde.

Es wird ferner festgestellt, dass der zwischen den Parteien geschlossene Studienvertrag vom 15.05.2015 auch nicht durch andere Beendigungsgründe endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 22.07.2021 hinaus fortbesteht.

Die Kosten der Verweisung hat die Klägerin zu tragen; im Übrigen werden die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Bestand und den Umfang des zwischen ihnen geschlossenen Studienvertrages.

Die Klägerin studiert seit September 2015 den Studiengang Angewandte Psychologie an der privaten Hochschule der Beklagten unter der Matrikelnummer 00000.

Aufgrund der Corona-Pandemie entschied sich der Prüfungsausschuss der Beklagten dazu, dass ab Januar/Februar 2021 Open-Book-Klausuren (Take-Home) stattfinden sollen.

Am 28.06.2021 schrieb die Klägerin zwischen 14:00 Uhr – 16:00 Uhr die Klausur „F“ im Drittversuch. In der Wohnung der Klägerin ebenfalls anwesend war ihre Kommilitonin S I. Frau I war zeitgleich für eine weitere Klausur – „H“ – angemeldet, die später als bestanden bewertet wurde.

Die Modalitäten der Open-Book-Klausur waren so ausgestaltet, dass Pufferzeiten für die technische Abwicklung, welche den Studenten oblag, vorgesehen waren. Die Studenten durften die Klausur 15 Minuten vor Beginn herunterladen (ab 13:45 Uhr). Es wurden weitere 30 Minuten zur Verfügung gestellt, damit die erarbeitete Datei formatiert und hochgeladen werden konnte (bis 16:30 Uhr).

In § 15 Abs. 1 Nr. 2 der einschlägigen Prüfungsordnung heißt es:

(1) Eine Prüfungsleistung gilt als durch das Prüfungsamt mit „nicht ausreichend (5,0)“ bewertet, wenn der Prüfling

…..

2.) das Ergebnis der Prüfungsleistung durch Täuschung oder durch Benutzung nicht zugelassener Hilfsmittel beeinflusst oder …

In § 15 Abs. 3 der einschlägigen Prüfungsordnung heißt es:

(3) Versucht der Prüfling in den Fällen des Absatzes (1) Nr. 2.) das Ergebnis durch das Mitführen nicht zugelassener Hilfsmittel oder durch Täuschungshandlungen zu eigenem oder fremdem Vorteil zu beeinflussen, gilt die betreffende Prüfungsleistung als mit „nicht ausreichend (5,0)“ bewertet. Als Täuschungsversuch gilt auch bereits der Besitz nicht zugelassener Hilfsmittel während und nach Austeilen der Prüfungsunterlagen.

In der E-Mail „Sehr wichtige Informationen zu den laufenden Take-Home-Klausuren“, welche zur Prüfungsphase zum Wintersemester 2020/2021 an alle Studierenden versandt wurde, heißt es:

Liebe Studierende,

als Fazit der ersten Prüfungswoche der Take-Home-Klausurphase möchten wir Sie zusammenfassend nochmals über die folgenden sehr wichtigen Punkte informieren, die sich aus den im Wochenverlauf eingegangenen Rückfragen Ihrerseits ergeben haben:

Bei Take-Home-Klausuren handelt es sich um offizielle Prüfungsversuche, bei denen die Einhaltung der Fristen streng überprüft wird.

Nach der Bearbeitungszeit haben Sie 30 Minuten Zeit, Ihre Take-Home-Klausur in eine PDF-Datei umzuwandeln und in den jeweiligen Take-Home-Klausurkurs hochzuladen. Ausführliche Anleitungen dazu finden Sie in der ILIAS-eA Übungsumgebung. Bitte bedenken Sie, dass alle Klausurabgaben mit einem Zeitstempel versehen werden. Take-Home-Klausuren, die außerhalb der 30 Minuten abgegeben werden, sind verfristet und werden als nicht bestanden gewertet. Es gilt dabei der Zeitpunkt der eingegangenen Datei, beginnen Sie daher rechtzeitig mit dem Upload.

Sollte es zu technischen Problemen oder daraus resultierenden zeitlichen Verzögerungen beim Upload Ihrer Klausuren kommen, dokumentieren Sie zunächst unbedingt jede Störung / Fehlermeldung mit einem Screenshot oder Foto (inkl. Fehlermeldung, Datum, Uhrzeit), sodass ein schriftlicher Nachweis vorliegt. Versuchen Sie, den Vorgang zu wiederholen. Sollten alle Versuche nicht zum gewünschten Ergebnis führen, kontaktieren Sie bitte innerhalb der Upload-Frist von 30 Minuten den Support unterLink wurde entfernt

Die Klägerin wandelte um 16:28 Uhr am 28.06.2021 die Klausurlösung in ein PDF-Format um und lud die Klausur unter ihrem Namen und unter ihrer Matrikelnummer hoch. Die Kommilitonin I lud eine inhaltsgleiche Klausurlösung im eigenen Namen unter ihrer eigenen Matrikelnummer hoch.

Am 20.07.2021 erreichte die Klägerin seitens der Hochschule ein digitales Schreiben, in dem ihr mitgeteilt wurde, dass ein „schwerwiegender Täuschungsversuch“ vorläge und sie aus diesem Grund exmatrikuliert werde. Eine vorherige Anhörung der Klägerin erfolgte nicht.

Am 16.07.2021 gab die Klägerin ihre Bachelorarbeit ab.

Am 26.07.2021 erreichte die Klägerin postalisch ein Schreiben vom 22.07.2021 (Anlage K5). Eine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt weder das Schreiben vom 20.07.2021 noch das Schreiben vom 22.07.2021. In dem Schreiben vom 22.07.2021 heißt es:

„Sehr geehrte Frau L,

der Prüfungsausschuss des Fachbereichs Wirtschaft & Medien hat in seiner Sitzung vom 19.07.2021 beschlossen, dass

• Ihre Klausur „F“ wegen Täuschungsversuches mit „nicht bestanden“ – 5,0 zu bewerten ist

und

• es sich um einen schwerwiegenden Täuschungsversuch i.S.v. § 14 Abs. 4 des Allgemeinen Teils der Prüfungsordnung handelt, mit der Folge des endgültigen Verlusts des Prüfungsanspruchs für das Modul.

Ihre hochgeladene Klausur ist inhaltlich vollkommen deckungsgleich und identisch mit der Klausur einer Kommilitonin. Lediglich der Verfassername sowie die jeweilige zugehörige Matrikelnummer sind individualisiert. Der Prüfungsausschuss wertet dies als vorsätzliches Tun Ihrerseits, mithin als den mit Ihrem Wissen und Wollen herbeigeführten Tatbestand eines Täuschungsversuches. Aufgrund der ganz besonderen Schwere dieses Täuschungsversuchs hat der Prüfungsausschuss einstimmig den endgültigen Verlust des Prüfungsanspruchs für das Modul ausgesprochen.

Der Prüfungsausschuss hat bei der Ausübung seines Ermessens sehr wohl berücksichtigt, dass der endgültige Verlust des Prüfungsanspruchs in einem Modul eine besonders einschneidende Sanktionsmaßnahme ist und der Verlust des Prüfungsanspruchs in dem Modul zum Verlust des Studienanspruchs in Ihrem Studiengang an der Hochschule G führt. Unter Berücksichtigung aller Aspekte gibt am Ende die besondere Qualität des Täuschungsversuchs den Ausschlag für die Anwendung dieser Sanktionsmaßnahme.

Da für Sie in diesem Modul kein weiterer Prüfungsanspruch besteht, kündigen wir Ihnen hiermit Ihren Studienvertrag vom 15.05.2015 mit Wirkung zum 31.07.2021 außerordentlich. Ihre Zahlpflicht endet selbstverständlich zu diesem Zeitpunkt. Die Exmatrikulation erfolgt zum 31.07.2021.

…“

Am 30.07.2021 legte die Klägerin formal Widerspruch gegen den Bescheid vom 22.07.2021 ein. Wegen der Einzelheiten wird auf den Widerspruch vom 30.07.2021, Anlage K6, verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 07.05.2022 hat die Beklagte im laufenden Verfahren hilfsweise, für den Fall, dass die außerordentliche Kündigung nicht durchgehen sollte, die ordentliche Kündigung erklärt.

Frau S I wurde von der Beklagten wegen des hier in Rede stehenden Täuschungsversuchs ebenfalls exmatrikuliert. Insoweit läuft eine Klage der Frau I gegen die Beklagte vor dem Landgericht Wiesbaden.

Die Klägerin ist der Ansicht, das Ausbildungsverhältnis zwischen ihr und der Beklagten sei nicht durch die Schreiben vom 20.07.2021 und 22.07.2021 beendet worden, sondern bestehe zu unveränderten Bedingungen fort.

Die Klägerin behauptet, sie habe keinen Täuschungsversuch unternommen. Es liege auch keine Unterstützung bei einem Täuschungsversuch eines anderen vor. Um ca. 16:00 bis 16:10 Uhr habe Frau I ihre erste Klausur hochgeladen und sei somit fertig gewesen. Die Klägerin habe ihre Klausur um 16:26 Uhr hochgeladen.

Um 16:28 Uhr, nachdem die Klägerin ihre Klausur abgegeben habe, habe Frau I die Klägerin gebeten, ihre Klausurbearbeitung einmal ansehen zu dürfen, da ihr diese Klausur auch noch bevorstünde. Die Klägerin habe daraufhin Frau I ihre Klausurbearbeitung per E-Mail geschickt. Wie sich später herausgestellt habe, habe Frau I, ohne Wissen der Klägerin, in den ihr noch verbleibenden zwei Minuten die Klausurbearbeitung der Klägerin unverändert mitsamt der Formatierungsfehler der Klägerin im eigenen Namen und unter eigener Matrikelnummer hochgeladen. Hätte die Klägerin dies gewusst, hätte sie Frau I ihre Bearbeitung nicht überlassen. Die Klägerin habe dahingehend auch keinen Verdacht schöpfen müssen, weil Frau I während der Bearbeitungszeit – unstreitig – für eine ganz andere Klausur angemeldet gewesen sei. Damit, dass Frau I zur gleichen Zeit zwei Klausuren – eine eigene und eine Klausurbearbeitung der Klägerin – einreichen würde, habe die Klägerin nicht rechnen müssen.

Die Klägerin behauptet, sie habe die Bearbeitungszeit eingehalten. Das Erstellen einer Pdf-Datei gehöre zu den typischen Formatierungsaufgaben vor dem Upload und habe damit noch bis 16:30 Uhr erfolgen dürfen.

Die Klägerin ist der Ansicht, es lägen bereits die formalen Voraussetzungen für eine wirksame außerordentliche Kündigung nicht vor. Selbst wenn man die Exmatrikulation in eine privatrechtliche Kündigungserklärung umdeuten wollte, käme diese jedenfalls nicht zum Tragen, da bereits die Kündigungsfrist von zwei Wochen nicht eingehalten worden sei.

Auch die weiteren formalen Voraussetzungen der außerordentlichen Kündigung seien nicht gegeben, weil die Beklagte ab Vorliegen erster Verdachtsmomente die Klägerin hätte anhören oder ihr zumindest Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen, was die Beklagte unstreitig nicht getan habe. Die Beklagte habe dadurch die ihr obliegende zumutbare Aufklärungspflicht verletzt.

Schließlich fehle es an einer ordnungsgemäßen und hier zumutbaren Abmahnung durch die Beklagte. Die Notwendigkeit einer Abmahnung folge aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip. Eine danach erforderliche Abmahnung habe die Beklagte aber – unstreitig – nicht ausgesprochen.

Die Kündigung sei aber auch aus materiellen Gründen unwirksam. Es fehle ein berechtigtes Interesse an der Vertragsbeendigung. Ein erhebliches Fehlverhalten der Klägerin, welches die Beklagte zur Beendigung des Ausbildungsverhältnisses berechtigen könnte, behaupte die Beklagte schon selbst nicht. Ein ausreichender sachlicher Grund oder ein berechtigtes Interesse des Hochschulträgers an einer Beendigung des Vertragsverhältnisses lasse sich im Verhalten der Klägerin auch nicht erkennen. Es mache schon wertungsmäßig einen entscheidenden Unterschied, ob die Bearbeitung der Klägerin von einer anderen Kandidatin verwendet wird oder andersherum. Die Mühe, den Sachverhalt auch nur rudimentär aufzuklären, habe sich die Beklagte jedoch schon nicht gemacht. Damit habe die Beklagte auf unbillige Weise die Beiträge der Klägerin und von Frau I als gleichwertig gewertet. Diese subjektive Einschätzung der Beklagten treffe jedoch objektiv nicht zu. Selbst wenn es wünschenswert gewesen wäre, dass die Klägerin Frau I an der Verwendung ihrer Bearbeitung unter fremden Namen zu hindern versucht hätte. Hierbei müsse auch Berücksichtigung finden, dass das Take-Home-Open-Book-Klausurformat noch unerprobt und ohne genaue Vorgaben und Verhaltensregeln durch die Beklagte vorgegeben worden sei. Die Beklagte könne nicht pauschal in jedem Fall, bei dem zwei Kandidaten dieselbe Bearbeitung einreichen, eine sofortige Kündigung aussprechen.

Die Abwägung der beiderseitigen Interessen im Sinne der Generalklausel des § 626 BGB sei im Lichte der (mittelbar wirkenden) Grundrechte, insbesondere Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG und der allgemeinen Studien- und Prüfungsordnung vorzunehmen. Soweit andere Klausurbearbeitungen anderer Studierende zu der Bewertung zugelassen wurden, bestehe kein hinreichender Grund, die Klägerin hiervon auszuschließen. Es bestehe insofern ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Recht.

Erschwerend komme hinzu, dass die Klausuren für die Klägerin von extrem belastenden Umständen der Corona-Pandemie und Veränderungen ihres vertrauten Lernumfeldes begleitet worden seien. Infolge der anhaltenden Pandemie habe die Beklagte wesentliche Änderungen im Prüfungsablauf verordnet und die Klägerin so vor vollendete, wenngleich undurchsichtige Tatsachen gestellt. In der Bildungseinrichtung der Beklagten habe große Unsicherheit über die aktuell geltenden (neuen) Regelungen, deren Verbindlichkeit und Grenzen der neuen Klausurtypen geherrscht. Unstreitig handele es sich bei der Klägerin um eine gute Studentin mit untadeligem sozialem Verhalten, was die Beklagte im Rahmen der „Exmatrikulation“ nicht berücksichtigt habe. Die Beklagte habe – ohne (wirksame) Änderung der Prüfungsordnung – die Prüfungsmodalitäten bloß faktisch angepasst, wobei über die geltenden Regeln im Einzelnen Unklarheit geherrscht habe und herrsche. Diese, von der Beklagten selbst herbeigeführten Unsicherheiten dürften aber nicht zu Lasten der Klägerin gehen. So sei bereits unklar, ob Klausuren als sogenannte Take-Home-Open-Book-Klausuren von der für die Klägerin maßgebliche Prüfungsordnung gedeckt seien und unter welchen Modalitäten solche zu verfassen seien. Die Zustimmung des Prüfungsausschusses, ordnungsgemäße Bekanntmachung, geschweige denn notwendige Einbindung der Studierendenvertretung zu den (vermeintlich) geänderten Bedingungen würden fehlen.

Mildere Maßnahmen seien von der Beklagten verkannt worden. So sei nicht erwogen worden, die Klausur zu bewerten oder der Klägerin zu ermöglichen, in einem separaten Raum der Hochschule diese letzte verbleibende Prüfungsleistung nachschreiben zu lassen. Dies wäre angesichts der jahrelangen Praxis von Präsenzprüfungen der Beklagten ohne weiteres zumutbar gewesen. Auch die Möglichkeit, die Klägerin Klausuren mit eingeschalteter Webcam und Bildschirmaufzeichnung nachschreiben zu lassen, hätte ernsthaft in Erwägung gezogen werden müssen, ehe die Kündigung als ultima ratio ausgesprochen wird.

Auch eine Anpassung der Studien- und Prüfungsordnung im Sinne echter Rechtsklarheit in Verbindung mit einer Ermahnung der Klägerin sei nicht einmal in Betracht gezogen worden. Hier hätte es der Ausbildungsauftrag der Beklagten geboten, zunächst auf die Klägerin eindrücklich einzuwirken und nicht das Verhältnis ohne Aussprache und ohne Abmahnung als gekündigt zu erklären.

Die Voraussetzungen einer Kündigung gemäß § 627 BGB lägen ebenfalls nicht vor.

Im nachgelassenen Schriftsatz hat die Klägerin bestritten, dass die maßgebliche Prüfungsordnung als Allgemeine Geschäftsbedingungen wirksam einbezogen worden seien. Soweit die maßgebliche Prüfungsordnung pauschal jede „Beihilfehandlung“ zu einer Täuschung der Täuschung gleichstelle, sei die entsprechende Regelung jedenfalls als überraschende Klausel unwirksam. Zudem benachteilige die Regelung die Klägerin dadurch unangemessen, dass für die Betroffenen schon nicht im Ansatz erkennbar sei, mit welcher Sanktion sie bei einem etwaigen Verstoß hiergegen zu rechnen haben. Die Bestimmung sei nicht klar und verständlich und Verstoße daher gegen das Transparenzgebot. Eine pauschale Gleichstellung jeder „Beihilfehandlung“ zu einer Täuschungshandlung weiche außerdem von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab und stelle deshalb auch eine unangemessene Benachteiligung der Klägerin dar.

Entsprechendes gelte auch für die von der Beklagten – unstreitig – im Prozess ausgesprochenen (ordentlichen) Kündigungen. Ohne einen Täuschungsversuch seien auch diese Kündigungen mangels Kündigungsgrund unwirksam.

Die Klägerin beantragt,

1. festzustellen, dass der zwischen den Parteien geschlossene Studienvertrag vom 15.05.2015 weder durch das Schreiben der Beklagten vom 20.07.2021 noch vom 22.07.2021 beendet wurde.

2. festzustellen, dass der zwischen den Parteien geschlossene Studienvertrag vom 15.05.2015 auch nicht durch andere Beendigungsgründe endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 22.07.2021 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die Klägerin trage selbst vor, einen Täuschungsversuch begangen zu haben. Täuschung sei nicht nur das aktive Täuschen, nach der maßgeblichen Prüfungsordnung sei auch die Unterstützung bei einem Täuschungsversuch eine Täuschung. Im Unwertgehalt sehe sie keinen durchgreifenden Unterscheid zwischen Täuschung und Täuschungsermöglichung. In beiden Fällen werde der Rechtsverkehr geschädigt.

Die Klägerin habe – unstreitig – bisher 159 ECTS-Punkte erzielt. Theoretisch wäre es möglich gewesen, dass sie das Studium innerhalb eines weiteren Semesters hätte beenden können. Ob das überwiegend wahrscheinlich sei, möge die Beklagte nicht ermessen. Immerhin dauere das Studium schon seit Sommer 2015. Die Klägerin habe sich – unstreitig – bereits in der dritten Verlängerung befunden und habe sich wohl auch im Sommersemester 2018 zurückstufen lassen.

Die Klägerin habe die vorgegebene Bearbeitungszeit nicht eingehalten. Die Klägerin habe das PDF-Dokument erst um 16.25 Uhr erstellt. Da sei die Bearbeitungszeit schon lange vorbei gewesen. Die Studierenden seien mehrfach darauf hingewiesen worden, in mehreren E-Mails, auch in den FAQs im Hochschulverwaltungssystem Ilias, dass die Upload-Zeit keine Bearbeitungszeit ist, ganz abgesehen davon, dass auf eine solche Selbstständigkeit nicht hingewiesen werden sollen müsste.

Selbst im Erfolgsfalle der Klage bliebe es beim von der Klägerin nicht gerichtlich angegriffenen endgültigen Nichtbestehen.

Die Beklagte ist der Ansicht, der Studienvertrag, neben allem anderem, sei mit ihrem Schreiben vom 22.7.2021 gekündigt worden, und die als außerordentliche Kündigung ausgesprochene Erklärung der Beklagten sei, im unterstellten Fall, dass kein außerordentlicher Kündigungsgrund vorliege, nach § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung umzudeuten. Der Studienvertrag sehe in § 6 Buchst. b) Abs. 1 S. 1 ausdrücklich die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung vor.

Die Klägerin hat zunächst Klage vor dem Amtsgericht Köln erhoben. Mit Beschluss vom 06.01.2022 hat sich das Amtsgericht für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Köln verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I. Die Klage ist zulässig.

1. Der ordentliche Rechtsweg ist für den bürgerlichen Rechtsstreit eröffnet (§ 13 GVG). Das Studienverhältnis zwischen der beklagten Hochschule und der Klägerin ist privatrechtlich geprägt. Ein einseitig-hoheitliches Handeln wäre lediglich aufgrund der Beleihung im Prüfungsrechts- und Statusverhältnis zulässig. Es fehlt aber an einer Rechtsnorm, welche eine privatrechtlich organisierte Hochschule hinsichtlich der Exmatrikulation von Studierenden beleiht und sie dadurch zu öffentlich-rechtlichem Handeln ermächtigt (vgl. VG Gelsenkirchen, Urt. v. 3.9.2014, 7 K 2160/11, juris Rn. 25, 27).

2. Das erforderlich rechtliche Interesse an einer alsbaldigen Feststellung folgt aus der Rechtslage der Klägerin im Verhältnis zur Beklagten und der gegenwärtigen Unsicherheit, ob die Klägerin ihr Studium fortsetzen darf.

II. Die Klage ist begründet.

Der zwischen den Parteien geschlossene Studienvertrag vom 15.05.2015 ist weder durch das Schreiben der Beklagten vom 20.07.2021 noch vom 22.07.2021 beendet worden. Der Studienvertrag ist auch nicht durch andere Beendigungsgründe beendet worden, sondern besteht unverändert fort.

1. Bei dem zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossenen Studienvertrag handelt es sich um einen Dienstvertrag (OLG Karlsruhe, Urteil vom 24. August 2010 – 19 U 27/10 -, Rn. 10, juris).

2. Der Studienvertrag ist nicht durch fristlose Kündigung beendet worden.

Auf die Frage, ob der Studienvertrag durch „Exmatrikulation“ bzw. Kündigung seitens der Beklagten beendet wurde, findet das BGB Anwendung, bei der Frage einer wirksamen fristlosen Kündigung somit § 626 BGB (OLG Karlsruhe, Urteil vom 24. August 2010 – 19 U 27/10 -,juris). Eine privatrechtlich organisierte Hochschule kann nur insoweit als Behörde einseitig und hoheitlich durch Verwaltungsakt handeln, als sie Beliehene ist. Im Übrigen ist das Rechtsverhältnis zwischen einer privat organisierten Hochschule und ihren Studierenden grundsätzlich durch die zwischen ihnen geschlossenen Studienverträge geprägt und damit dem bürgerlichen Recht zuzuordnen (Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 04. Juni 2021 – 3 Bs 130/21 -, Rn. 29, juris).

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Dienstverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Gemäß § 626 Abs. 2 BGB kann die Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Die in den Schreiben vom 20.07.2021 und 22.07.2021 erklärte fristlose Kündigung des Studienvertrages ist bereits deshalb unwirksam, weil die Beklagte die Kündigung nicht innerhalb der Frist von zwei Wochen ausgesprochen hat. Die (streitige) Täuschungshandlung soll die Klägerin bei der Prüfung am 28.06.2021 vorgenommen haben. Die Beklagte hat jedoch erstmals mit Email-Schreiben vom 20.07.2021 und sodann mit postalischem Schreiben vom 22.07.2021 den Studienvertrag gekündigt. Die Kündigung erfolgte damit nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass ihr erst zu einem späteren Zeitpunkt als dem 03.07.2021 der bestrittene Täuschungsversuch bekannt geworden sei. Sie ist dem Vortrag der Klägerin, dass die Beklagte von dem beanstandeten Verhalten der Klägerin bereits mit Abgabe der Klausur am 28.06.2021 Kenntnis erlangt habe und die Plagiatskontrolle üblicherweise direkt nach Eingang der Klausur laufe, nicht entgegen getreten. Das Wissen ihrer Vertreter wird der Beklagten gemäß § 166 BGB zugerechnet.

3. Der Studienvertrag ist auch nicht infolge ordentlicher Kündigung beendet worden.

Die Beklagte hat bereits nicht dargelegt, dass und unter welchen Voraussetzungen ihr eine ordentliche Kündigung möglich sein soll und welche Kündigungsfristen gelten.

Daneben kommt eine ordentliche Kündigung auch aus den nachfolgenden Gründen nicht in Betracht.

a) Die Kündigungen erfolgten zur Unzeit. Dies gilt sowohl für den Fall einer Umdeutung der außerordentlichen Kündigung von Juli 2021 in eine ordentliche Kündigung als auch für die ordentliche Kündigung mit Schriftsatz vom 07.05.2022.

Die Klägerin befindet sich im letzten Studienjahr. Die hier in Rede stehende Klausurprüfung ist die letzte Prüfung, die der Klägerin zum Abschluss ihres Studiums fehlt.

Die Kündigung erfolgt auch unter Berücksichtigung des in Streit stehenden Täuschungsversuchs zur Unzeit. Unabhängig davon, ob die Beklagte die von der Klägerin am 28.06.2021 eingereichte Klausur zu Recht als nicht bestanden bewertet hat oder nicht, ist von der Beklagten nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich, dass im Falle des Nichtbestehens der Klausur eine Wiederholung der Prüfung nicht möglich und das betreffende Ausbildungsmodul als endgültig nicht bestanden zu bewerten wäre. § 15 Abs. 1 und 3 der einschlägigen Prüfungsordnung ist diese Folge nicht zu entnehmen. Dieser sieht lediglich die Bewertung der betreffenden Prüfungsleistung als nicht bestanden vor.

Sofern die Klägerin die von ihr selbst erstellte Klausurlösung ihrer Kommilitonin I zur Verfügung gestellt hätte, wäre der Unwertgehalt im Vergleich zu dem umgekehrten Fall geringer anzusehen. Denn in diesem Fall hätte die Klägerin eine eigene Leistung erbracht und ihrer Kommilitonin – wissentlich oder unwissentlich – bei deren Täuschungsversuch geholfen. Für diese Variante, dass die Klägerin die fragliche Klausur selbst erstellt hat spricht vorliegend, dass ausweislich der Anlagen K 4 und K5 die von Frau I hochgeladene Klausur Formatierungsfehler aufweist und zudem die Klägerin zeitlich vor Frau I das PDF-Dokument erstellt hat. Zudem erschließt sich nicht, weshalb die Klägerin die Klausur als Windows-Datei weiterleitet – wie Anlage K 2 belegt -, wenn sie die Klausur nicht selbst erstellt hat. Zudem ist nicht nachvollziehbar, wie Frau I, die unstreitig zeitgleich für eine andere Klausur angemeldet war und diese auch erstellt und abgegeben hat, daneben bzw. zusätzlich die von der Klägerin hochgeladene Klausur – miterstellt – haben soll.

Aber selbst unterstellt, die Klägerin hätte einen Täuschungsversuch unternommen in der Weise, dass sie eine von oder mit der Kommilitonin I erstellte Klausur hochgeladen hätte, wäre der Beklagten eine Fortsetzung des Studienvertrages im vorliegenden Fall zumutbar und die ordentliche Kündigung zur Unzeit erfolgt.

Die Klägerin hat bereits drei Jahre des Studiums absolviert und innerhalb dieser drei Jahre keinen Täuschungsversuch unternommen. Es handelt sich bei dem hier in Streit stehenden Täuschungsversuch demnach um den ersten Täuschungsversuch. Eine Bewertung der Prüfungsarbeit als nicht bestanden mit der Folge, dass die Klägerin das entsprechende Modul der Ausbildung wiederholen müsste, wäre als milderes Mittel anzusehen. Dabei fällt besonders ins Gewicht, dass es sich bei dem Studium um eine Berufsausbildung handelt. Da einerseits die berufliche Tätigkeit der Sicherung des Lebensunterhalts dient und andererseits die Ausübung des erwählten Berufs als besondere Ausprägung des Rechts auf freie Persönlichkeitsentfaltung grundlegende Bedeutung für die individuelle Lebensgestaltung und die soziale Existenz hat, ist die Wahl des Berufs und der Ausbildungsstätte von großer, von der Rechtsordnung anerkannter Bedeutung (Art. 12 Abs. 1 GG) (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 28. Juni 2019 – 2 U 273/19 -, Rn. 12, juris) und ist dies bei der Abwägung zu berücksichtigen.

b) Soweit die Beklagte anführt, eine Bewertung der Arbeit der Klägerin komme auch deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin die Bearbeitungszeit nicht eingehalten habe, weil das hochgeladene PDF-Dokument erst im Rahmen der Formatierungszeit erstellt worden wäre, so greift dieser Einwand nicht. In der E-Mail „Sehr wichtige Informationen zu den laufenden Take-Home-Klausuren“, welche zur Prüfungsphase zum Wintersemester 2020/2021 an alle Studierenden versandt wurde, heißt es, dass die Prüflinge nach der Bearbeitungszeit 30 Minuten Zeit haben, ihre Take-Home-Klausur in eine PDF-Datei umzuwandeln und in den jeweiligen Take-Home-Klausurkurs hochzuladen. Das Erstellen des PDF-Dokument gehörte demnach nicht zur Bearbeitungszeit der Prüfungsaufgaben. Infolge dessen durfte die Formatierungsaufgabe mit dem Upload noch bis 16:30 Uhr erfolgen.

c) Vor diesem Hintergrund kann dahin stehen, ob der erstmals im nachgelassenen Schriftsatz erhobene Einwand der Klägerin, die Prüfungsordnung sei als allgemeine Geschäftsbedingungen nicht wirksam in den Studienvertrag einbezogen worden und jedenfalls unwirksam, zutrifft und ob dieser Vortrag gemäß § 296a ZPO verspätet ist, weil er nicht vom Schriftsatznachlass gedeckt war.

4. Eine Kündigung gemäß § 627 BGB kommt nicht in Betracht. Eine solche ist nur dann zulässig, wenn der Dienstverpflichtete nicht in einem dauernden Dienstverhältnis mit festen Bezügen steht. Ein dauerndes Dienstverhältnis ist hierbei nicht nur ein auf unbestimmte Zeit eingegangenes, sondern auch ein befristetes, sofern es nur auf bestimmte, längere Zeit abgeschlossen ist (vgl. BGHZ 120, 108). Dies ist hier bei dem auf drei Jahre angelegten Ausbildungsvertrag, bei welchem die Studiengebühren zu bestimmten Zeitpunkten und zu von vorne herein festgelegten Beträgen zu entrichten sind, der Fall (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 24. August 2010 – 19 U 27/10 -, Rn. 14, juris).

III. Da der vorliegende Rechtstreit entscheidungsreif ist und nicht von der Entscheidung im Parallelverfahren beim Landgericht Wiesbaden abhängt, kam eine Aussetzung des Verfahrens nicht in Betracht.

IV. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 281, 709 ZPO.

Streitwert: 7.500,00 EUR (§ 3 ZPO; BGH, Beschluss vom 9. Juni 2005 – III ZR 21/04 -, Rn. 8, juris)

 

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