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Ladenlokal – Mitteilungspflichten des Mieters gegenüber Vermieter

Kammergericht Berlin

Az: 8 U 223/08

Urteil vom 28.05.2009


In dem Rechtsstreit hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg auf die mündliche Verhandlung vom 28. Mai 2009 für Recht erkannt:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 14. Oktober 2008 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin zu 29 O 143/08 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung wegen der Räumung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 38.000,00 EUR und im Übrigen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 11.000,00 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Berufung der Beklagten richtet sich gegen das am 14. Oktober 2008 verkündete Urteil der Zivilkammer 29 des Landgerichts Berlin, auf das verwiesen wird.

Die Beklagte führt unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag zur Begründung ihrer Berufung aus:

Es werde nicht bestritten, dass in dem Ladengeschäft seit dem 1. Februar 2008 nahezu ausschließlich das vollständige Warensortiment der von der … GmbH vertriebenen Modemarke “ … “ vertrieben werde. Am 1. Februar 2008 – unmittelbar nach der Eröffnung – habe die Klägerin gegenüber dem Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses … erklärt, dass sie den Mietvertrag mit der Beklagten nicht beenden werde (Beweis: Zeugnis … ). Vertreter der Klägerin hätten am selben Tag gegenüber dem Journalisten … vom “ … “ erklärt: „Solange die ihre Miete zahlen, werden wir sie nicht rausschmeißen“ (Beweis: Zeugnis … ). Hiervon habe sie erstmals zufällig am 4. November 2008 anlässlich einer Internetrecherche eines ihrer Mitarbeiter auf der Internetseite “ … “ erfahren (Beweis: Zeugnis … ). Deshalb habe sie erstinstanzlich hierzu nicht vortragen können.

Etwaiger Protest verlaufe erst seit der offiziellen Erklärung der Klägerin, dass sie den Räumungsrechtsstreit gegen die Beklagte betreibe, nahezu friedlich. Die Anfechtungserklärung werde nicht bestritten.

Das Landgericht habe materielles Recht verletzt und keine richtige und vollständige Tatsachenfeststellung durchgeführt. Es unterstelle ohne jede Begründung und ohne Berücksichtigung des Bestreitens der Beklagten, dass die Klägerin dann den Mietvertrag mit der Beklagten nicht abgeschlossen hätte, wenn die Beklagte im Vorfeld der Vertragsverhandlungen erklärt hätte, dass sie beabsichtige, Textilien der Marke “ … “ zu veräußern. Das Landgericht hätte wegen des Nichtabschlusses des Mietvertrages den klägerischen Beweisantritten nachgehen müssen. Die Erwägung des Landgerichts, nach allgemeiner Lebenserfahrung sei davon auszugehen, dass die Klägerin in Kenntnis des Warensortiments den Mietvertrag nicht abgeschlossen hätte, sei unzulässig, da damit die volle Darlegungs- und Beweislast der Klägerin verkannt werde. Das Landgericht stelle eine eigene Wertung über tatsächliche Feststellungen betreffend die Anfechtungsberechtigung. Es bedürfe regelmäßig der Beweiserhebung zu inneren Tatsachen, da anderenfalls der Begriff der arglistigen Täuschung faktisch ausgehöhlt würde. Gerade wegen der genannten Äußerungen sei eine anderweitige Entscheidung außerordentlich fraglich. In Anfechtungsfällen seien die Grundsätze des Beweises des ersten Anscheins nicht anwendbar, weil es zur Frage, aus welcher inneren Einstellung ein Mensch gehandelt habe, keine typischen Geschehensläufe gebe und die Frage in der Regel nur aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden könne. Auch wegen des wirtschaftlichen Vermarktungszwangs wäre es zum Abschluss eines Mietvertrages gekommen. Der Verkauf der Marke “ … “ habe für die Klägerin keine massiven wirtschaftlichen und rechtlichen Konsequenzen. Die Klägerin habe die Marke nicht gekannt und sei auch nicht gewillt gewesen, Informationen hierüber einzuholen. Sie hätte auch bei Kenntnis den Vertrag aus rein monetären Interessen abgeschlossen. Trotz ausdrücklicher Nennung der Marke seien in Hamburg, Erfurt, Nürnberg, Essen, Halle, Dessau und Magdeburg Mietverträge über Ladengeschäfte abgeschlossen worden.

Das Landgericht habe keine Feststellungen zum Bewusstsein der Beklagten dafür, dass der von ihr erregte Irrtum für die Entschließung der Klägerin ursächlich sein könne, getroffen. Die Klägerin trage auch hierfür die volle Darlegungs- und Beweislast. Es fehle bereits an Vortrag der Klägerin hierzu. Der Geschäftsführer der Beklagten habe gewusst, dass der Marke “ … “ in Teilen der Öffentlichkeit eine Affinität zu rechtem Gedankengut nachgesagt werde. Vorsorglich werde bestritten, dass die Beklagte in den Vertragsverhandlungen mit der Klägerin die Marke “ … “ nur deshalb nicht erwähnt habe, weil ihr klar gewesen sei, dass die Klägerin mit ihr dann keinen Mietvertrag abschließe. Das Landgericht habe auch keine Feststellungen dazu getroffen, weshalb für die Beklagte erkennbar gewesen sein solle, dass es der Klägerin wichtig sei, welche Marken verkauft würden.

Die Verletzung von Mitteilungspflichten setze eine Nachfrage der Klägerin, welche Modemarken vertrieben werden sollten, voraus. Eine solche Nachfrage habe es nie gegeben. Deshalb habe die Beklagte auch keine weitergehenden Auskünfte hierzu erteilt, wozu sie auch nicht verpflichtet gewesen sei. Es sei grundsätzlich Sache jeder Partei, ihre Interessen selbst wahrzunehmen. Insbesondere bestehe keine allgemeine Pflicht, alle Umstände zu offenbaren, die für die Entschließung des anderen Teils von Bedeutung sein könnten. Eine Aufklärungspflicht ohne Nachfrage bestehe nur, wenn die Parteien entgegengesetzte Interessen verfolgen würden oder wenn die Umstände den Vertragszweck vereiteln könnten. Beides sei hier nicht der Fall. Zudem würden Aufklärungspflichten der Beklagten zurücktreten, weil die Klägerin geschäftserfahren sei. Auch ein besonderer Vertrauenstatbestand sei nicht ersichtlich, weil sich die Beklagte nie bezüglich einer bestimmten Modemarke festgelegt habe.

Allein der Umstand, dass die Marke “ … “ regelmäßig stigmatisiert und im Rahmen von Meinungsäußerungen in der Öffentlichkeit verunglimpft werde, reiche nicht aus. Das Landgericht habe in tendenziöser Weise die Verunglimpfungen, die nicht belegt seien, widerspruchslos übernommen. Ein Vermieter, der den Verkauf bestimmter Marken in seinen Geschäftsräumen nicht wolle, müsse dies im Mietvertrag ausschließen. Das Landgericht habe trotz des vehementen Bestreitens der Beklagten rechtsfehlerhaft unterstellt, dass sich die Marke “ … “ an eine spezielle Käuferschicht wenden würde. Die Marke richte sich an alle potentiellen Käufer, unabhängig von jedweder politischen Motivationslage. Bekleidungsstücke der Marke “ … “ würden nicht sehr bevorzugt von Anhängern und Mitgliedern der rechtsradikalen Szene gekauft und getragen und nicht sehr bevorzugt als Erkennungssymbol für die Zugehörigkeit zur rechten Szene genutzt werden.

Auf das Bild der Marke in der Öffentlichkeit komme es nicht an, zumal ein solches tatsächlich nicht festgestellt werden könne, weil es stark subjektiv geformt sei. Allenfalls durch umfangreiche Befragungen einer tatsächlich breiten Öffentlichkeit hätte theoretisch festgestellt werden können, welches Bild über die Marke “ … “ in der Öffentlichkeit tatsächlich bestehe. Die Existenz eines solchen Bildes werde bestritten. In den Medien vertretene Meinungen reichten nicht aus.

Jedenfalls müsse wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zugelassen werden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Berlin vom 14.10.2008, Aktenzeichen 29.O.143/08 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Sie bestreitet den neuen Vortrag der Beklagten zu Erklärungen der Klägerin vom 1. Februar 2008 und meint, dieser sei nicht zuzulassen. Am 1. Februar 2008 seien das Warenangebot der Beklagten und die daraus für die Klägerin resultierenden wirtschaftlichen und rechtlichen Konsequenzen auch noch nicht bekannt gewesen. Dies beruhe gerade auf der Täuschung der Beklagten. Am 1. Februar 2008 habe es auch noch keine Demonstrationen und Farbbeutelanschläge gegeben. Die Behauptung zur Kenntniserlangung bestreitet sie mit Nichtwissen. Sie meint, die Beklagte hätte jedenfalls schon erstinstanzlich entsprechende Internetrecherchen durchführen können.

Der Beklagten und ihrem Geschäftsführer seien die mit der Marke “ … “ einhergehenden wirtschaftlichen und rechtlichen Probleme sowie die negative Darstellung dieser Marke und das ihr zugeschriebene öffentliche Image bekannt gewesen. Die Beklagte habe es zumindest ernsthaft für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen, dass der Mietvertrag nicht zustandegekommen wäre, wenn die Klägerin vor Vertragsschluss von der Marke des angebotenen Sortiments und von den damit einhergehenden massiven Problemen Kenntnis erlangt oder aber zumindest bei Nennung der Marke “ … “ sich Informationen über die Darstellung der Marke in den Medien verschafft hätte. Die Beklagte habe mit der ungefragten E-Mail vom 28. November 2007 Nachfragen verhindern bzw. reduzieren wollen. Darin liege eine Täuschung durch aktives Tun. Da die Beklagte damit suggeriert habe, selbst hergestellte Textilien zu verkaufen, wäre eine Nachfrage nach den verkauften Marken völlig fernliegend gewesen.

Die negative Außendarstellung der Marke durch verschiedene öffentlichkeitswirksame Organisationen werde von einer breiten Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen. Hierauf komme es an. Für die Beklagte sei offensichtlich gewesen, dass ein Vermieter, der den öffentlichen Verkauf derartiger Kleidung ermögliche, schnell selbst in den Verdacht der Sympathie für eine rechtsextremistische Gesinnung kommen könne, wie es dann auch geschehen sei. Für die Klägerin sei dies besonders belastend, weil ihre Gesellschafter und Geschäftsführer einer im Iran verfolgten religiösen Minderheit angehörten. Von den möglichen Konsequenzen für Vermieter habe der Geschäftsführer der Beklagten bei Vertragsschluss auch wegen des parallel gelagerten Rechtsstreits vor dem Landgericht Magdeburg gewusst.

Sofern das Kammergericht Rechtsfragen entscheidungserheblich anders beurteile als das OLG Naumburg im Urteil vom 28. Oktober 2008 zu 9 U 39/08, müsse die Revision zugelassen werden.

II.

1.

Der Senat hat die Verhandlung nicht bis zur Entscheidung des BGH in dem Verfahren XII ZR 192/08 ausgesetzt, weil die Voraussetzungen des § 148 ZPO nicht vorliegen. Im dortigen Verfahren geht es nicht um ein für diesen Rechtsstreit vorgreifliches Rechtsverhältnis, sondern um einen Räumungsstreit zwischen anderen Parteien wegen eines anderen Ladens, in dem “ … „-Produkte verkauft werden. Dass dort teilweise identische Rechtsfragen zu beantworten sind, reicht nicht aus. Auch eine entsprechende Anwendung von § 148 ZPO kam nicht in Betracht (vgl. BGH NJW 2005, 1947).

2.

Die Berufung ist unbegründet (§ 513 Abs. 1 ZPO). Das angefochtene Urteil beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO). Die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen auch keine andere Entscheidung.

Das Landgericht hat der Klage zutreffend stattgegeben. Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Ladenfläche folgt aus § 985 BGB. Die Klägerin ist Eigentümerin, die Beklagte ist Besitzerin der Ladenfläche. Ein Recht zum Besitz (§ 986 Abs. 1 S. 1 BGB) steht der Beklagten nicht zu, da der Mietvertrag zwischen den Parteien aufgrund Anfechtung wegen arglistiger Täuschung durch Unterlassen gemäß §§ 123 Abs. 1 Var. 1, 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen ist.

a)

Auch nach Überlassung der Räume ist bei einem Mietvertrag über Geschäftsräume die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung zulässig (vgl. BGH NZM 2008, 886).

b)

Die Beklagte bietet in dem streitgegenständlichen Ladengeschäft jedenfalls nahezu ausschließlich das vollständige Warensortiment der Marke “ … “ an, was sie selbst in der Berufungsbegründung eingeräumt hat.

c)

Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Marke “ … “ in der öffentlichen Meinung mit rechtsradikalen Gesinnungen in Verbindung gebracht wird, was im Übrigen auch dem Senat bekannt ist (vgl. auch OLG Naumburg OLGR 2009, 193, 194 – Anlage K 21; LG Leipzig, Urteil vom 13. November 2008 zu 01 O 325/08 – Anlage K 21; LG Magdeburg, Urteil vom 13. Februar 2008 zu 5 O 1879/07, juris Rn. 67 – Anlage K 8). Das Tragen von Kleidung dieser Marke ist deshalb im Bundestag sowie in mehreren Fußballstadien nicht gestattet, wobei für die Entscheidung nicht erheblich ist, ob dies rechtmäßig ist, weil diese Untersagungen unabhängig hiervon Ausdruck einer entsprechenden Einschätzung sind. Aus dem von der Klägerin eingereichten Anlagenkonvolut K 16 ergibt sich ferner, dass diese Meinung von verschiedensten Medien (u.a. …) geteilt wird; dies gilt auch für den als Anlage K 20 eingereichten Artikel über die Marke in “ … „. Dass es sich nicht lediglich um eine Medienkampagne gegen die Marke handelt, zeigt die als Anlage K 17 eingereichte Stellungnahme des Brandenburger Verfassungsschutzes.

Gegenteilige Tatsachen hat die Beklagte nicht vorgetragen, so dass es einer Beweisaufnahme nicht bedurfte. Der als Anlage B 2 eingereichte Artikel aus der “ … “ stützt vielmehr die Argumentation der Klägerin, da dort von „modebewussten Rechtsextremisten“ als Käuferkreis die Rede ist und die Marke als „Angebot für den rechten Rand“ eingestuft wird. Die Beklagte hat auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die Einschätzung der Marke in der Bevölkerung anders wäre als die Auffassung, die in den genannten Veröffentlichungen einhellig vertreten wird.

d)

Das Landgericht ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte die Klägerin vor Vertragsschluss nicht darüber aufgeklärt hat, dass sie jedenfalls nahezu ausschließlich das vollständige Warensortiment der Marke “ … “ anbieten wird. Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der arglistigen Täuschung trifft zwar grundsätzlich die Klägerin, da sie sich auf die Anfechtung beruft (vgl. Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast, 3. Aufl. 2007, § 123 BGB Rn. 1). Sie muss allerdings nicht alle theoretisch denkbaren Möglichkeiten einer Aufklärung ausräumen. Vielmehr genügt sie ihrer Darlegungs- und Beweislast, wenn sie die von der Beklagten vorzutragende konkrete, d.h. räumlich, zeitlich und inhaltlich spezifizierte, Aufklärung widerlegt (vgl. BGH NJW 2001, 64). Das Landgericht hat zu Recht festgestellt, dass der Vortrag der Beklagten diesen Anforderungen nicht entspricht. In der Berufungsbegründung hat die Beklagte hierzu nicht weiter vorgetragen.

e)

Eine arglistige Täuschung durch positives Tun kann allerdings nicht angenommen werden. Zwar hat die Beklagte in ihrer E-Mail vom 28. November 2007 unzutreffend ausgeführt, bereits seit 1999 zu bestehen und selbst produzierte Kleidung verkaufen zu wollen. Es kann aber nicht festgestellt werden, dass dies Auswirkungen auf den Vertragsschluss hatte. Die Klägerin hat insbesondere nicht konkret vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass die für sie handelnden Personen hinsichtlich “ … “ umfassend informiert und sensibilisiert gewesen seien, so dass die unwahre Darstellung der Beklagten sie davon abgehalten hätte, die Beklagte zu fragen, ob sie den Vertrieb von “ … “ beabsichtige. Die Klägerin hat auch nicht unter Beweisantritt vorgetragen, unabhängig von der “ … „-Problematik besonders an der Frage, welche Marken in dem Geschäft vertrieben werden sollen, interessiert gewesen zu sein, so dass nicht angenommen werden kann, dass die Klägerin ohne die falschen Informationen in der E-Mail von sich aus nach den Marken gefragt hätte.

f)

Die Beklagte hätte die Klägerin jedoch darüber aufklären müssen, dass in den streitgegenständlichen Gewerberäumen fast ausschließlich das gesamte Warensortiment der Marke “ … “ verkauft werden soll.

Das Verschweigen von Tatsachen stellt nur dann eine Täuschung dar, wenn hinsichtlich der verschwiegenen Tatsachen nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte eine Aufklärungspflicht besteht. Grundsätzlich ist es zwar Sache jeder Partei, ihre Interessen selbst wahrzunehmen, die andere Seite muss nicht ungefragt über alle ungünstigen Eigenschaften einer Sache oder Person aufklären. Allerdings muss über Umstände aufgeklärt werden, die für die Willensbildung des anderen Teils offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind (vgl. BGH NJW 2004, 2674; NJW 2001, 64; NJW 1971, 1795, 1799; OLG Naumburg OLGR 2009, 193, 194; Ellenberger in Palandt, BGB, 68. Aufl. 2009, § 123 Rn. 5 ff.; Ahrens in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 4. Aufl. 2009, § 123 Rn. 8; Palm in Erman, BGB, 12. Aufl. 2008, § 123 Rn. 13; Wendtland in Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl. 2007, § 123 Rn. 11; Jauernig, BGB, 12. Aufl. 2007, § 123 Rn. 5; Kramer in Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2006, § 123 Rn. 16 f.; Singer/von Finckenstein in Staudinger, BGB, Bearbeitung 2004, § 123 Rn. 10 f.; Feuerborn in Anwaltkommentar BGB, 2005, § 123 Rn. 30 ff.; Hefermehl in Soergel, BGB, 13. Aufl. 1999, § 123 Rn. 6). Derartige Pflichten treffen beide Parteien.

Zwar stellt der V. Zivilsenat des BGH bei Kaufverträgen teilweise (NJW-RR 1988, 1290; Urteil vom 25. Juni 1982 zu V ZR 143/81, juris Rn. 12; Urteil vom 2. März 1979 zu V ZR 157/77, juris Rn. 8) auch auf eine Gefährdung des Vertragszwecks ab. Der XII. Zivilsenat (NZM 2008, 886) fordert dies aber für eine Aufklärungspflicht ebenso wenig wie die Literatur zum Gewerbemietrecht (vgl. Neuhaus, Handbuch der Geschäftsraummiete, 3. Aufl. 2008, Rn. 1650; Lindner-Figura/Oprée/Stellmann, Geschäftsraummiete, 2. Aufl. 2008, Kap. 5 Rn. 78; Knops in Herrlein/Kandelhard, Mietrecht, 3. Aufl. 2007, § 535 Rn. 8; Derleder/Pellegrino NZM 1998, 550, 552; Sternel, Mietrecht, 3. Aufl. 1988, Teil I Rn. 260 f.). Das ist auch zutreffend, da bei Dauerschuldverhältnissen wie Mietverträgen (insbesondere dann, wenn – wie hier – der Vertrag für drei Jahre nicht ordentlich gekündigt werden konnte) die Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der anderen Partei (§ 241 Abs. 2 BGB) eine größere Bedeutung besitzt als bei Kaufverträgen, wo die vertraglichen Hauptpflichten deutlicher im Vordergrund stehen.

Das Landgericht hat zutreffend eine Aufklärungspflicht angenommen. Die Ausführungen, dass der Verkauf der Marke “ … “ ein hohes Konfliktpotential mit sich bringt und auch der Vermieter, der dies ermöglicht, schnell selbst in den Verdacht der Nähe zu rechtsradikalen Gesinnungen kommen kann, was geeignet ist, sich für den Vermieter erheblich geschäftsschädigend auszuwirken, sind nicht zu beanstanden. Hiergegen hat die Beklagte mit der Berufung keine konkreten Einwände erhoben. Wegen dieser erheblichen Gefahren für den Ruf des Vermieters und für seine geschäftlichen Interessen handelt es sich bei der beabsichtigten Eröffnung eines Ladens, in dem im Wesentlichen Produkte der Marke “ … “ verkauft werden, um einen Umstand, der für die Willensbildung des Vermieters offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung ist. Hinzu kommt, dass zwischen den Parteien ein Informationsgefälle bestand, weil die Beklagte wusste, was sie verkaufen wollte, die Klägerin dagegen nicht (vgl. OLG Naumburg OLGR 2009, 193, 194 f.).

g)

Das Landgericht hat auch zutreffend angenommen, dass die Täuschung für den Vertragsschluss ursächlich war. Einer Beweisaufnahme bedurfte es nicht. Für Ursächlichkeit genügt es, dass der Getäuschte Umstände dartut, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein konnten, und dass die arglistige Täuschung nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf die Entschließung hat (vgl. BGH NJW 1995, 2361; OLG Naumburg OLGR 2009, 193, 195; Kramer in Münchener Kommentar a.a.O. § 123 Rn. 12; Baumgärtel/Laumen/Prütting a.a.O., § 123 Rn. 10). Die Klägerin hat Umstände dargetan, die für ihren Entschluss von Bedeutung sein konnten. Es ist zunächst anzunehmen, dass ein Vermieter, dem bei langfristigen Verträgen vom Interessenten mitgeteilt wird, dass in den anzumietenden Räumen nahezu ausschließlich das gesamte Sortiment einer bestimmten Marke verkauft werden soll, beim Interessenten nachfragt oder eine Internetrecherche durchführt, wenn er diese nicht kennt. Nach der Lebenserfahrung spielt es für den Abschluss von Dauerschuldverhältnissen auch eine Rolle, wenn eine Vertragspartei hiermit Gefahr läuft, dass ihr öffentlicher Ruf hierdurch beschädigt wird und so letztlich auch ihre wirtschaftlichen Interessen beeinträchtigt werden. Es kommt dabei nicht darauf an, ob anderenfalls überhaupt kein Vertrag abgeschlossen worden wäre. Ausreichend ist es, wenn der Vertrag jedenfalls nicht zu diesem Zeitpunkt oder mit diesem Inhalt abgeschlossen worden wäre (vgl. BGH NJW 1964, 811; Ellenberger in Palandt a.a.O., § 123 Rn. 24). Auch ein Vermieter, dem es in erster Linie auf wirtschaftliche Belange ankommt und weniger auf die moralische Frage, ob man mit Unternehmen, die in der Öffentlichkeit mit Rechtsradikalismus in Verbindung gebracht werden, überhaupt Verträge schließen sollte, würde nach der Lebenserfahrung in weiteren Verhandlungen zumindest darauf drängen, seine Interessen beispielsweise durch den vertraglichen Ausschluss des Verkaufs von “ … „-Produkten, eine erhöhte Miete oder Sonderkündigungsrechte abzusichern. Deshalb ist es auch unerheblich, ob es der Beklagten oder anderen Unternehmen in anderen Städten trotz Nennung der Marke im Ergebnis gelungen ist, Mietverträge über Ladenräume abzuschließen.

Gegen diese Annahme spricht auch nicht die erstmals in der Berufungsbegründung erhobene Behauptung, „die Klägerin“ bzw. „Vertreter der Klägerin“ hätten am 1. Februar 2008 (dem Tag der Eröffnung des Ladens) gegenüber Dritten geäußert, die Klägerin werde den Mietvertrag mit der Beklagten nicht beenden, solange diese ihre Miete zahle. Der Vortrag der Beklagten ist unschlüssig, weil sich hieraus schon nicht ergibt, dass eine zur Vertretung der Klägerin berechtigte bestimmte Person sich in dieser Hinsicht geäußert hat. Zudem ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt bereits vollständig informiert war. Im Übrigen müsste man der Klägerin jedenfalls eine gewisse Überlegungsfrist einräumen und spontanen Äußerungen gegenüber unbekannten Dritten (Politikern und Journalisten) bei der Bewertung der Kausalität kein wesentliches Gewicht zukommen lassen. Aus diesen Gründen kann dahinstehen, ob der neue Vortrag überhaupt zuzulassen ist, § 531 Abs. 2 ZPO.

h)

Das Landgericht hat auch zutreffend Arglist der Beklagten angenommen. Arglistig handelt, wer die tatsächlichen Umstände kennt oder sie zumindest für möglich hält und zugleich weiß oder doch damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass die andere Seite die Umstände nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte (vgl. BGH NJW-RR 2003, 989, 990).

Hierzu hat die Klägerin durch die Geltendmachung der arglistigen Täuschung ausreichend vorgetragen (vgl. BGH NJW 1971, 1795, 1799). Der von ihr zu erbringende Beweis kann durch Indizien geführt werden, die den Schluss auf den Täuschungsvorsatz zulassen (vgl. BGH NJW 1957, 988, 989; Baumgärtel/Laumen/Prütting a.a.O., § 123 Rn. 13; Singer/von Finckenstein in Staudinger a.a.O., § 123 Rn. 81).

Die Beklagte wusste, dass sie im Wesentlichen “ … „-Produkte verkaufen wollte. Ihr Geschäftsführer, der auch Geschäftsführer der Herstellerin von “ … “ war, wusste aus eigener Erfahrung, welche Konsequenzen es für ein Unternehmen haben kann, öffentlich mit Rechtsradikalismus in Verbindung gebracht zu werden; er kannte auch die schon damals existierende Berichterstattung über die Marke. Die Beklagte hat auch zumindest damit gerechnet und billigend in Kauf genommen, dass die Klägerin nicht weiß, welche Produkte sie verkaufen will. Das zeigt sich schon daran, dass sie in der E-Mail vom 28. November 2007 (Anlage K 7) überhaupt Angaben zu den Gegenständen gemacht hat, die sie verkaufen will, was nicht erforderlich gewesen wäre, wenn sie bereits mit Kenntnis der Klägerin gerechnet hätte.

Die Beklagte hat auch zumindest damit gerechnet und billigend in Kauf genommen, dass die Klägerin bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte. Der Geschäftsführer der Beklagten wusste zumindest wegen des bei Vertragsschluss schon laufenden Räumungsrechtsstreits vor dem Landgericht Magdeburg zu 5 O 1897/07 (die dortige mündliche Verhandlung fand ausweislich der Anlage K 8 am 17. Dezember 2007 statt), an dem er selbst als Beklagter beteiligt war, dass der Verkauf von “ … „-Produkten für Vermieter von Gewerberäumen eine ganz erhebliche Bedeutung haben kann. Ein weiteres gewichtiges Indiz für den Vorsatz der Beklagten stellt die E-Mail vom 28. November 2007 dar, in der sie durch die unwahre Angabe, selbst hergestellte Bekleidung zu verkaufen, verschleiert hat, dass das Sortiment tatsächlich im Wesentlichen aus “ … „-Produkten der … GmbH bestehen sollte. Hierfür hätte es keinen Anlass gegeben, wenn sie davon ausgegangen wäre, dass es für einen Vermieter unproblematisch sei, seine Gewerberäume zum Verkauf von “ … “ zur Verfügung zu stellen.

3.

Das Landgericht hat der Klägerin mit zutreffender Begründung, auf die verwiesen wird, die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zugesprochen. Eigenständige Angriffe der Berufung liegen insoweit nicht vor.

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet seine Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist zugelassen worden, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Die über den Einzelfall hinaus wesentliche Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen ein Mietinteressent ungefragt offenlegen muss, welche Waren er in den Gewerberäumen vertreiben will, ist noch nicht höchstrichterlich geklärt. Dass die Frage auch Gegenstand eines anderen beim Bundesgerichtshof anhängigen Revisionsverfahrens ist, steht der Zulassung der Revision nicht entgegen.

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