AG Mühlhausen – Az.: Lw 9/10 – Teilurteil vom 23.06.2011
1. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin folgende Auskünfte zu erteilen:
a) in welchem Umfang verfügte der von dem Beklagten bewirtschaftete landwirtschaftliche Betrieb zwischen dem 01.10.1993 und dem 30.09.2009 über zum Anbau von Zuckerrüben geeignete („rübenfähige“) landwirtschaftliche Flächen,
b) in welchem Umfang hatte der Beklagte zwischen dem 01.10.1993 und dem 30.10.2009 Rübenlieferrechte im weitesten Sinne, war also berechtigt, Zuckerrüben an Zuckerfabriken zu liefern und zu verkaufen; und zwar bei Rübenlieferrechten gegenüber mehreren Zuckerfabriken aufgeteilt nach Namen und Sitz der Zuckerfabrik und den jeweiligen Rübenlieferrechten,
c) in welchem Umfang hatte der Beklagte zwischen dem 01.10.1993 und dem 30.09.2009 Aufwendungen zum Erwerb von Rübenlieferrechten,
d) in welchem Umfang hat der Beklagte zwischen dem 01.10.1993 und dem 30.09.2009 Rübenlieferrechte übertragen (z.B. verkauft oder sonst wie entgeltlich abgegeben), welche Gegenleistungen (gleich welcher Art, z.B. Entgelte) hat er dafür vereinbart und erhalten,
e) in welchem Umfang hat der Beklagte – etwa auf der Grundlage der Ratsverordnung der EU vom 20.02.2006 (Nr. 320/2006) – auf Rübenlieferrechte verzichtet und in welchem Umfang hat er dafür Zahlungen – etwa Umstrukturierungsbeihilfen seitens der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung und/oder der Zuckerfabrik – erhalten?
2. Im Übrigen wird die Klägerin mit ihrem Auskunftsanspruch abgewiesen.
3. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 300,00 vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Wege der Stufenklage zunächst um Auskunft über den Bestand und das Schicksal von Rübenrechten in Zusammenhang mit landwirtschaftlichen Flächen, die der Beklagte von der Klägerin am 12.04.1994 und 26.10.1998 jeweils für die Zeit bis zum 30.09.2009 gepachtet hatte.
Die Klägerin ist der Ansicht, sie könne von dem Beklagten Auskunft über den gesamten Bestand von Rübenlieferungsrechten in dessen Betrieb verlangen, um daraus die auf die verfahrensgegenständlichen Flächen entfallenden Anteile errechnen und eventuelle Leistungsansprüche gegen den Beklagten ermitteln zu können.
Sie beantragt, den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin folgende Auskünfte zu erteilen:
a) welche Größe (landwirtschaftliche Nutzfläche) hatte der von dem Beklagten bewirtschaftete landwirtschaftliche Betrieb zwischen dem 01.10.1993 und dem 30.09.2009,
b) in welchem Umfang waren diese landwirtschaftlichen Flächen zum Anbau von Zuckerrüben geeignet („rübenfähig“),
c) in welchem Umfang hatte der Beklagte zwischen dem 01.10.1993 und dem 30.10.2009 Rübenlieferrechte im weitesten Sinne, war also berechtigt, Zuckerrüben an Zuckerfabriken zu liefern und zu verkaufen; und zwar bei Rübenlieferrechten gegenüber mehreren Zuckerfabriken aufgeteilt nach Namen und Sitz der Zuckerfabrik und den jeweiligen Rübenlieferrechten,
d) in welchem Umfang hatte der Beklagte zwischen dem 01.10.1993 und dem 30.09.2009 Aufwendungen zum Erwerb von Rübenlieferrechten,
e) in welchem Umfang hat der Beklagte zwischen dem 01.10.1993 und dem 30.09.2009 Rübenlieferrechte übertragen (z.B. verkauft oder sonst wie entgeltlich abgegeben), welche Gegenleistungen (gleich welcher Art, z.B. Entgelte) hat er dafür vereinbart und erhalten,
f) in welchem Umfang hat der Beklagte – etwa auf der Grundlage der Ratsverordnung der EU vom 20.02.2006 (Nr. 320/2006) – auf Rübenlieferrechte verzichtet und in welchem Umfang hat er dafür Zahlungen – etwa Umstrukturierungsbeihilfen seitens der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung und/oder der Zuckerfabrik – erhalten?
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, zu einer Auskunft nur bezogen auf die gepachtete Fläche verpflichtet zu sein. Dieser Auskunftspflicht sei er nachgekommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die Verhandlungsniederschrift Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist in der Auskunftsstufe überwiegend begründet.
Der Klägerin stehen die geltend gemachten Auskunftsansprüche in erkanntem Umfang aus §§ 596, 242 BGB zu.
Der Beklagte ist als Pächter verpflichtet, die Pachtflächen nach Ablauf der Pachtzeit in einem einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung entsprechenden Zustand zurückzugeben, § 596 BGB. Zu einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung gehört auch der Erwerb von Rechten, die sich aus der Bewirtschaftung ergeben (Palandt-Weidenkaff, 68.A., § 596 BGB RN 1), hier Rübenlieferrechte. Der Verpächter hat hieraus einen auf solche Rechte gerichteten Herausgabe-/Übertragungsanspruch und ggf. einen Ersatzanspruch.
Um diese Ansprüche ermitteln und ggf. geltend machen zu können, ist er darauf angewiesen, dass der Pächter ihm hierüber Auskunft erteilt. Im Grundsatz ist dies zwischen den Parteien unstreitig.
Die einschränkende Auffassung des Beklagten, er sei zur Auskunft nur hinsichtlich der gepachteten Fläche verpflichtet, ist unzutreffend. Damit wird dem berechtigten Anliegen der Klägerin nicht entsprochen.
Rübenlieferrechte oder darauf beruhende Umstrukturierungsbeihilfen sind nicht flächenakzessorisch, sondern stehen dem Landwirtschaftsbetrieb als solchem zu, wenngleich sie nur durch die Bewirtschaftung landwirtschaftlicher (Pacht)Flächen erworben werden können. Bei Beendigung eines Pachtverhältnisses muss der Verpächter wissen, in welchem Umfang aufgrund der Bewirtschaftung seiner Flächen solche Rechte im Landwirtschaftsbetrieb des Pächters angefallen sind, um seine dahingehenden Ansprüche bezeichnen und beziffern zu können.
Hierfür genügt es nicht, wenn der Pächter lediglich die nach seiner Berechnung dem Verpächter zustehenden Größen angibt, da der Verpächter dann darauf angewiesen wäre, dass sein Anteil von dem Pächter zutreffend ermittelt wurde.
Die Klägerin kann daher verlangen, anhand der erteilten Auskünfte in die Lage versetzt zu werden, auf ihre Pachtflächen entfallende entstandene und verbliebene Rübenlieferrechte selber zu errechnen.
Die von dem Beklagten vorgelegte Mitteilung der SZVG vom 20.05.2010 sowie seine ergänzenden Angaben im Schriftsatz vom 25.05.2010 genügen diesen Anforderungen wegen der jeweiligen Beschränkung auf die von der Klägerin gepachteten Flächen nicht.
Lit. a) des Auskunftsverlangens ist unbegründet. Die Klägerin bedarf zur Ermittlung des ihr zustehenden Rübenrechts oder deren Substitute keiner Angaben zur Gesamtgröße der landwirtschaftlichen Nutzfläche des Betriebs des Beklagten. Denn zur landwirtschaftlichen Nutzfläche zählen auch Wald-, Wiesen- und Wasserflächen, die für das Anliegen der Klägerin ohne Bedeutung sind. Von Interesse ist für die Klägerin alleine die unter lit. b) erfragte Größe der rübenfähigen landwirtschaftlichen Fläche im Betrieb des Beklagten. Die übrigen unter lit. c) bis f) begehrten Auskünfte hat der Beklagte zur Erfüllung seiner vorstehend dargestellten Auskunftspflicht zu erteilen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
Bei der Bemessung der Sicherheitsleistung ist der mit der Erteilung der Auskünfte verbundene Aufwand maßgebend.