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Mahnbescheid: Individualisierung der Hauptforderung und Hemmung der Verjährung

LG Hannover, Az.: 11 O 114/12

Urteil vom 27.11.2013

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % der jeweils zur Vollstreckung anstehenden Forderung vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Mahnbescheid: Individualisierung der Hauptforderung und Hemmung der Verjährung
Symbolfoto: axelbueckert/Bigstock

Die Klägerin beteiligte sich gemäß Beitrittserklärung vom 27.07.1999 (Anlage K 1) mit einem Betrag von 50.000,00 DM zzgl. 5 % Agio an der Falk-Beteiligungsgesellschaft 68 KG (im Folgenden: „FALK 68“), einem geschlossenen Immobilienfonds. Die Beteiligung wurde teilweise durch ein Darlehen der … finanziert (Anlage K 2).

Der Beteiligung gingen Gespräche mit der damaligen Handelsvertreterin … von der Beklagten voraus.

In der Folgezeit fiel die Fondsgesellschaft in Insolvenz. Vom Insolvenzverwalter auf Rückzahlung erhaltener Ausschüttungen in Anspruch genommen, zahlte die Klägerin um das Jahr 2007 jedenfalls einen Teil von ca. 60 % der ihr zugeflossenen Ausschüttungen zurück.

In diesem Rechtsstreit verlangt die Klägerin aus dem Gesichtspunkt des Schadens-ersatzes die Rückabwicklung der Beteiligung.

Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.

Die Klägerin trägt vor, Frau … sei ihr aus der Vermittlung einiger Versicherungs-verträge bekannt gewesen. Vor der Beteiligung am FALK 68 habe sie, die Klägerin, wegen eines angedachten Wohnungskaufs Frau … um Beratung gebeten. Diese habe sofort vom Kauf abgeraten, weil sie etwas Besseres habe. Beim nächsten Besuch am 27.07.1999 habe Frau … alle Unterlagen zum FALK 68 mitgebracht. Sie habe immer wieder die Vorteile gegenüber einer Eigentumswohnung betont, insbesondere dass Probleme bei einem Objekt abgefedert werden könnten; die garantierten Aus-schüttungen würden zusammen mit den Steuervergünstigungen die Raten für das aufzunehmende Darlehen ausgleichen. Mit diesen Hinweisen, auch auf die Geeignet-heit der Anlage für die Altersabsicherung, sei es Frau … gelungen, ihre, der Klägerin, Skepsis zu überwinden.

Die Klägerin macht geltend, Frau … habe nicht darauf hingewiesen, dass ein höheres Risiko als bei einem Wohnungskauf bestehe, da es sich bei der Beteiligung um eine unternehmerische Beteiligung handele. Frau … habe auch nicht hingewiesen auf das Totalverlustrisiko, die Abhängigkeit von den handelnden Personen, dass Ausschüttungen gewinnunabhängig seien und geringer ausfallen oder ganz ausbleiben können, die Rückzahlungspflicht bei Insolvenz der Fondsgesellschaft, die eingeschränkte Fungibilität, dass ein in Aussicht genommener Verkaufserlös inflationäre Scheingewinne enthalte, dass prognostizierte Instandhaltungskosten nicht ausreichend seien, auf die Gefahr, dass prognostizierte Mieterhöhungen nicht erzielt werden könnten, dass die Liquidität der Fondsgesellschaft für die versprochenen Ausschüttungen nicht ausreiche und schließlich dass die Beklagte eine Vertriebs-provision von mehr als 15 % erhalte.

Die Klägerin trägt weiter vor, der Schwerpunkt des Gesprächs habe auf den Versprechungen im Prospekt gelegen. Der Prospekt sei erst am Zeichnungstag über-geben worden.

Die Klägerin ist der Ansicht, sie sei vor diesem Hintergrund fehlerhaft beraten worden; die Beklagte, mit der ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen sei, müsse sich die fehlerhafte Beratung durch Frau … zurechnen lassen. Die Klägerin macht auch geltend, die Beklagte habe die geschuldete Plausibilitätsprüfung unterlassen, andernfalls hätte sie, die Beklagte, die o. g. Risiken der Prognoserechnung erkannt.

Die Klägerin macht geltend, bei ordnungsgemäßer Aufklärung nicht gezeichnet zu haben, weil sie auf eine sichere, zumindest risikoarme Kapitalanlage Wert gelegt habe.

Schließlich ist die Klägerin der Ansicht, die geltend gemachten Schadensersatz-ansprüche seien weder kenntnisunabhängig noch kenntnisabhängig verjährt.

Dem streitigen Verfahren ist ein Mahnverfahren vorausgegangen; hinsichtlich der Einzelheiten wird insofern auf Bl. 1 ff. d. A. verwiesen. Mit Schriftsatz vom 23.01.2013 hat die Klägerin ihren Anspruch sodann begründet. Mit Schriftsatz vom 21.10.2013 hat sie die Klage in Höhe von 3.422,31 € teilweise zurückgenommen.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 37.243,93 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.12.2011 zu zahlen,

hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 37.243,93 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.12.2011 Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligung der Klägerin an der Falk-Beteiligungsgesellschaft 68 GmbH & Co. KG in Höhe von nominal 25.564,60 € zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagte die Klägerin von allen zukünftigen wirtschaftlichen Nachteilen im Zusammenhang mit dem Erwerb der Beteiligung der Klägerin an der Falk-Beteiligungsgesellschaft 68 GmbH & Co. KG freizustellen hat.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte wendet zunächst ein, etwaige Ansprüche der Klägerin seien jedenfalls verjährt. Sie ist der Ansicht, kenntnisunabhängige Verjährung sei anzunehmen, da die geltend gemachten Ansprüche durch das Mahnverfahren nicht gehemmt worden seien. Außerdem sei von kenntnisabhängiger Verjährung auszugehen, u. a. im Hinblick auf die – unstreitige – anwaltliche Beratung der Klägerin in Bezug auf die streitgegenständliche Beteiligung in den Jahren 2005 / 2006, die Ausschüttungsreduktion / den Ausschüttungsausfall, die Insolvenz des Fonds und die Rückforderung der Ausschüttungen, die Geschäftsberichte usw.

Des Weiteren macht die Beklagte geltend, ein Beratungsvertrag sei nicht zustande gekommen. Zurechenbare Pflichten seien nicht verletzt worden, die Klägerin sei mündlich und durch rechtzeitig übergebenen Prospekt aufgeklärt worden.

Schließlich erhebt die Beklagte Einwände betreffend Schadenshöhe, Kausalität und Verschulden.

Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Denn die Klägerin ist nicht berechtigt, im Wege des Schadensersatzes die Rückabwicklung der Beteiligung vom 27.07.1999 am FALK 68 zu verlangen.

I.

Es ist allerdings im Hinblick auf das eigene Vorbringen der Beklagten davon auszugehen, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen ist, der die Beklagte zur anleger- und anlagegerechten Beratung verpflichtete (BGHZ 123, 126).

Nach dem Vortrag der Parteien erscheint jedoch zweifelhaft, ob Beratungsfehler der Beklagten vorliegen, jedenfalls ist der geltend gemachte Schadensersatzanspruch aufgrund Verjährung nicht durchsetzbar.

Denn die Beklagte erhebt mit Erfolg die Einrede der Verjährung.

So liegen hinsichtlich aller vorliegend in Betracht kommenden Pflichtverletzungsvorwürfe jedenfalls die Voraussetzungen der kenntnisunabhängigen Verjährung gem. § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB vor. Denn die Bezeichnung der Hauptforderung im Mahnantrag als „Schadenersatz aus Anlageberatungs-Vertrag gemäß Vertrag vom 27.07.99“ genügt nicht den Anforderungen an eine hinreichende Individualisierung des geltend gemachten Anspruchs i. S. v. § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, sodass eine Hemmung der Verjährung gem. § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB nicht eingetreten ist. Erforderlich ist insofern, dass der Schuldner erkennen kann, welcher Anspruch gegen ihn geltend gemacht wird (Palandt, BGB, 71. Aufl., § 204, Rdz. 18 m. w. N.). Kommen bei einem Schadensersatz-anspruch mehrere Pflichtverletzungen als Anspruchsgrundlage in Betracht, muss eine hinreichend genaue Zuordnung erfolgen (Palandt, a. a. O., m. w. N.). Hintergrund hierfür ist, dass die Frage der Verjährung für jede einzelne geltend gemachte Pflicht-verletzung gesondert zu prüfen ist (vgl. u. a. Urteil des BGH vom 24.03.2011, III ZR 81/10). Vorliegend fehlt es an einer solchen Nennung konkreter Pflichtverletzungen überhaupt; auch eine – grundsätzlich mögliche und ggf. ausreichende – Bezugnahme auf ein vorprozessuales Schreiben ist nicht erfolgt. Darüber hinaus ist vorliegend festzustellen, dass die Klägerin im Jahr 1999 unter anderer Anschrift wohnhaft war, seinerzeit noch ihren Geburtsnamen trug und auch die im Mahnantrag bezifferte Hauptforderung nicht der Beteiligungssumme einschließlich Agio und ggf. abzüglich Ausschüttungen entspricht, sodass es der Beklagten auch deshalb nicht ohne Weiteres erkennbar war, weshalb sie in Anspruch genommen wird.

Ob darüber hinaus auch eine Hemmung gem. § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB wegen fehlender Statthaftigkeit des Mahnverfahrens anzunehmen ist, wie von der Beklagten u. a. weiter geltend gemacht wird, braucht im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen nicht entschieden zu werden.

Die sich aus § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB ergebende sog. absolute Verjährungsfrist von 10 Jahren begann gemäß der Übergangsvorschrift Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB mit dem 1. Januar 2002 an zu laufen. Da, wie ausgeführt, eine Hemmung durch den Mahnbescheid nicht eingetreten ist, konnte durch die Anspruchsbegründung vom 23.01.2013 deshalb die bereits am 31.12.2011 bzw. am 02.01.2012 abgelaufene Verjährungsfrist nicht mehr gehemmt werden.

Auf die weiteren Einwände der Beklagten kommt es nach alledem streitentscheidend nicht an.

II.

Die Klage war daher mit den sich aus §§ 91, 269 709 ZPO ergebenden Nebenentscheidungen abzuweisen.

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