Vorbemerkung
Am 1. Januar 2008 ist das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts in Kraft getreten. Im Hinblick darauf ist eine Anpassung der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts erforderlich. Diese ist von Richtern der Familiensenate des Brandenburgischen Oberlandesgerichts erarbeitet worden. Die Unterhaltsleitlinien sind keine verbindlichen Rechts- oder Rechtsanwendungssätze, dienen aber dem Ziel, die Rechtsprechung möglichst zu vereinheitlichen. Sie gelten ab 1. Januar 2008.
Unterhaltsrechtlich maßgebendes Einkommen
1. Geldeinnahmen
1.1 Regelmäßiges Bruttoeinkommen einschl. Renten und Pensionen
Zum Bruttoeinkommen gehören alle Einkünfte und geldwerten Vorteile, zum Beispiel Arbeitsverdienst (inklusive anteiligen Urlaubs- und Weihnachtsgeldes sowie sonstiger Einmalleistungen, anteilig auf den Monat umgelegt), Renten und Pensionen.
1.2 Unregelmäßiges Einkommen
Höhere einmalige Zahlungen (z.B. Jubiläumszuwendungen) können auf einen längeren Zeitraum als ein Jahr verteilt werden. Abfindungen sind zur Wahrung der bisherigen Lebensverhältnisse in der Regel auf einen angemessenen Zeitraum umzulegen.
1.3 Überstunden
Überstundenvergütungen werden dem Einkommen zugerechnet, soweit sie in geringem Umfang anfallen oder berufsüblich sind.In Mangelfällen erfolgt die Zurechnung unabhängig von Umfang und Berufsüblichkeit. Im Übrigen ist die Zurechnung unter Berücksichtigung des Einzelfalles nach Treu und Glauben zu beurteilen. Diese Grundsätze gelten auch für Einkünfte aus einer Nebentätigkeit.
1.4 Spesen und Auslösungen
Spesen und Auslösungen werden dem Einkommen zugerechnet, soweit dadurch eine Ersparnis eintritt oder Überschüsse verbleiben. Im Zweifel kann davon ausgegangen werden, dass eine Ersparnis eintritt oder Überschüsse verbleiben, die mit einem Drittel der Nettobeträge zu bewerten und insoweit dem Einkommen zuzurechnen sind.
1.5 Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit
Bei Ermittlung des Einkommens eines Selbstständigen ist in der Regel von dem Gewinn dreier aufeinander folgender Geschäftsjahre auszugehen.
1.6 Einkommen aus Vermietung und Verpachtung sowie Kapitalvermögen
Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sowie Kapitalvermögen sind nach Abzug der zur Erzielung dieser Einnahmen notwendigen Ausgaben als Einkommen zu berücksichtigen. Bei schwankenden Einnahmen ist auf den Durchschnitt mehrerer Jahre abzustellen.
1.7 Steuererstattungen
Steuererstattungen finden in der Regel in dem Jahr, in dem sie anfallen, Berücksichtigung, ebenso Steuernachzahlungen. Sie können für die nachfolgenden Jahre fortgeschrieben werden, wenn die Bemessungsgrundlagen im Wesentlichen unverändert geblieben sind.
Nach Auffassung des 3. Familiensenats sind Steuererstattungen oder -nachzahlungen stets in dem Jahr zu berücksichtigen, das dem Steuerjahr folgt. Bei Selbstständigen setzt der 3. Familiensenat in der Regel die für die Geschäftsjahre geschuldeten Steuern an, die der Unterhaltsberechnung zu Grunde gelegt werden.
2. Sozialleistungen
2.1 Arbeitslosengeld und Krankengeld
Arbeitslosengeld gemäß § 117 SGB III ist ebenso Einkommen wie Krankengeld.
2.2 Leistungen nach dem SGB II
Arbeitslosengeld II nach dem SGB II ist auf Seiten des Unterhaltspflichtigen Einkommen. Beim Unterhaltsberechtigten sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltsnach §§ 19 ff. SGB II kein Einkommen. Jedoch kann seine Unterhaltsforderung bei Nichtberücksichtigung solcher Leistungen in Ausnahmefällen treuwidrig sein (BGH, FamRZ 1999, 843; FamRZ 2001, 619). Nicht subsidiäre Leistungen nach dem SGB II sind Einkommen.
2.3 Wohngeld
Wohngeld ist Einkommen, soweit es nicht erhöhte Wohnkosten deckt (vgl. BGH, FamRZ 1982, 587).
2.4 BAföG
BAföG-Leistungen sind mit Ausnahme von Vorausleistungen nach §§ 36, 37 BAföG als Einkommen anzusehen, auch soweit sie als Darlehen gewährt werden.
2.5 Erziehungs- und Elterngeld
Erziehungsgeld ist nur in den Fällen von § 9 Satz 2 BErzGG Einkommen. Elterngeld ist nach Maßgabe des § 11 BEEG Einkommen.
2.6 Unfall- und Versorgungsrenten
Unfall- und Versorgungsrenten sind nach Abzug eines Betrages für tatsächliche Mehraufwendungen unterhaltsrechtlich als Einkommen heranzuziehen. § 1610a BGB ist zu beachten.
2.7 Leistungen aus der Pflegeversicherung, Blindengeld u. Ä.
Leistungen aus der Pflegeversicherung, Blindengeld, Schwerbeschädigten- und Pflegezulagen sind nach Abzug eines Betrages für tatsächliche Mehraufwendungen unterhaltsrechtlich als Einkommen heranzuziehen. § 1610a BGB ist zu beachten.
2.8 Pflegegeld
Der Anteil des Pflegegeldes, durch den ihre Bemühungen abgegolten werden, ist Einkommen der Pflegeperson. Bei Pflegegeld aus der Pflegeversicherung gilt dies nach Maßgabe von § 13 Abs. 6 SGB XI (vgl. BGH, FamRZ 2006, 846).
2.9 Grundsicherung beim Verwandtenunterhalt
Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, §§ 41 bis 43 SGB XII, sind auf Seiten des Unterhaltsberechtigten nur gegenüber Eltern und Kindern Einkommen.
2.10 Sozialhilfe
Sozialhilfe nach dem SGB XII ist kein Einkommen. Bezieht der Unterhaltsberechtigte eine solche Sozialhilfe, kann seine Unterhaltsforderung in Ausnahmefällen treuwidrig sein (vgl. BGH, FamRZ 1999, 843; FamRZ 2001, 619).
2.11 Unterhaltsvorschuss
Leistungen nach dem UVG sind kein Einkommen. Bezieht der Unterhaltsberechtigte Unterhaltsvorschuss, kann seine Unterhaltsforderung in Ausnahmefällen treuwidrig sein (vgl. BGH, FamRZ 1999, 843; FamRZ 2001, 619).
3. Kindergeld
Kindergeld ist kein Einkommen der Eltern (vgl. auch Nr. 14).
4. Geldwerte Zuwendungen des Arbeitgebers
Geldwerte Zuwendungen des Arbeitgebers, z.B. Firmenwagen, freie Kost, kostenlose oder verbilligte Wohnung, sind Einkommen, soweit dadurch entsprechende Eigenaufwendungen erspart werden.
5. Wohnwert
Wohnt der Unterhaltsberechtigte oder der Unterhaltspflichtige im eigenen Haus oder in der ihm gehörenden Eigentumswohnung, so stellt der Wohnwert Einkommen dar. Neben dem Wohnwert sind auch Zahlungen nach dem Eigenheimzulagengesetz anzusetzen. Der Wohnwert errechnet sich regelmäßig unter Zugrundelegung des üblichen Entgelts für ein vergleichbares Objekt. Er kann im Einzelfall auch darunter liegen (vgl. BGH, FamRZ 1998, 899; FamRZ 2000, 950). Kosten, mit denen ein Mieter üblicherweise nicht belastet wird, sind abzusetzen.
6. Haushaltsführung
Führt jemand einem leistungsfähigen Dritten den Haushalt, so ist hierfür ein Einkommen anzusetzen.
7. Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit
Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit kann nach Billigkeit ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben.
8. Freiwillige Zuwendungen Dritter
Freiwillige Zuwendungen Dritter sind nur Einkommen, wenn dies dem Willen des Dritten entspricht.
9. Erwerbsobliegenheit und Einkommensfiktion
Wird die Erwerbsobliegenheit verletzt, sind fiktive Einkünfte anzurechnen, die nach Alter, Vorbildung und beruflichem Werdegang erzielt werden können.
10. Bereinigung des Einkommens
10.1 Steuern und Vorsorgeaufwendungen
Vom Bruttoeinkommen sind Steuern und Vorsorgeaufwendungen abzuziehen. Zu diesen zählen Aufwendungen für die gesetzliche Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung oder die angemessene private Kranken- und Altersvorsorge sowie die Vorsorge für den Fall der Pflegebedürftigkeit. Grundsätzlich darf eine zusätzliche Altersversorgung betrieben werden, die unterhaltsrechtlich beim Elternunterhalt bis zu 5 % des Bruttoeinkommens (BGH, FamRZ 2006, 1511) und im Übrigen bis zu 4 % des Bruttoeinkommens (BGH, FamRZ 2005, 1817) betragen kann. Voraussetzung ist stets, dass solche Aufwendungen für die eigene Altersvorsorge tatsächlich geleistet werden (BGH, FamRZ 2007, 793).
10.2 Berufsbedingte Aufwendungen
10.2.1 Pauschale/Konkrete Aufwendungen
Berufsbedingte Aufwendungen sind im Rahmen des Angemessenen vom Arbeitseinkommen abzuziehen. Sie können in der Regel mit einem Anteil von 5 % des Nettoeinkommens angesetzt werden, wenn hinreichende Anhaltspunkte für eine Schätzung bestehen. Werden höhere Aufwendungen geltend gemacht oder liegt ein Mangelfall vor, so sind sämtliche Aufwendungen im Einzelnen darzulegen und nachzuweisen.
10.2.2 Fahrtkosten
Für berufsbedingte Fahrten, insbesondere für Fahrten zum Arbeitsplatz (Hin- und Rückfahrt), werden die Kosten einer anzuerkennenden Pkw-Benutzung mit einer Kilometerpauschale von 0,25 EUR berücksichtigt.
10.2.3 Ausbildungsaufwand
Ausbildungsvergütungen sind vorbehaltlich Nr. 13.1 Abs. 3 um ausbildungsbedingt Kosten zu kürzen. Die Höhe der ausbildungsbedingten Kosten bestimmt sich nach den Verhältnissen des Einzelfalles. Sie kann, wenn hinreichende Anhaltspunkte für eine Schätzung bestehen, mit 90 EUR monatlich angenommen werden.
10.3 Kinderbetreuung
Leben im Haushalt des Unterhaltspflichtigen oder des Unterhaltsberechtigten minderjährige Kinder, so kann sich das Einkommen um Betreuungskosten (vor allem Kosten für eine notwendige Fremdbetreuung) mindern. In Betracht kommen kann auch, dass auf überobligationsmäßiger Tätigkeit beruhendes Mehreinkommen ganz oder teilweise anrechnungsfrei bleibt, wenn keine konkreten Betreuungskosten anfallen (vgl. BGH, FamRZ 2005, 1154). Abweichend hiervon setzt der 3. Familiensenat in der Regel vom Erwerbseinkommen einen Betreuungsbonus ab, dessen Höhe bei voller Erwerbstätigkeit dem Barunterhalt entspricht, den der zugleich betreuende Elternteil zu zahlten hätte, wenn das Kind bei dem anderen Elternteil leben würde.
10.4 Schulden
Zinsen und Tilgungsraten auf Schulden, die aus der Zeit vor Eheschließung herrühren
oder während des ehelichen Zusammenlebens begründet worden sind, können, soweit
angemessen, einkommensmindernd berücksichtigt werden. Den Interessen minderjähriger
Kinder und volljähriger unverheirateter Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres,
die im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen
Schulausbildung befinden, ist stets besonders Rechnung zu tragen.
10.5 Unterhaltsleistungen
Bei der Prüfung, ob Unterhaltsleistungen vorweg vom Einkommen abzuziehen
sind, ist zwischen Bedarfsermittlung und Leistungsfähigkeit zu unterscheiden.
10.6 Vermögensbildung
Anlagen nach den Vermögensbildungsgesetzen sind nicht vom Einkommen abzuziehen.
Andererseits erhöhen vermögenswirksame Leistungen des Arbeitgebers und Sparzulagen
das Einkommen nicht.
Kindesunterhalt
11. Bemessungsgrundlage (Tabellenunterhalt)
Der Barunterhalt minderjähriger unverheirateter Kinder bestimmt sich nach den
Altersstufen 1 bis 3 der Tabelle in Anlage I . Die Tabellensätze sind identisch mit den ab 1.
Januar 2008 geltenden Tabellensätzen der Düsseldorfer Tabelle. Wegen des Bedarfs
volljähriger Kinder vgl. Nr. 13.1.
11.1 Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge
In den Unterhaltsbeträgen (Tabellensätzen) sind keine Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge
enthalten. Soweit das Kind nicht in einer Familienversicherung mitversichert
ist, hat es zusätzlich Anspruch auf Zahlung der Versicherungsbeiträge. Das Nettoeinkommen
des Unterhaltspflichtigen ist in diesen Fällen vor Einstufung in die entsprechende
Einkommensgruppe vorweg um diese Beiträge zu bereinigen.
11.2 Eingruppierung
Die Tabellensätze erfassen die Fälle, in denen eine Unterhaltspflicht gegenüber drei
Unterhaltsberechtigten besteht. Bei einer geringeren Anzahl von Unterhaltsberechtigten
kann eine Höhergruppierung auch um mehr als eine Einkommensgruppe in Betracht
kommen.
Bei einer größeren Anzahl von Unterhaltsberechtigten kann eine Korrektur an Hand des
Bedarfskontrollbetrags erfolgen. Der Bedarfskontrollbetrag ist nicht identisch mit dem
Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen. Er soll eine ausgewogene Verteilung des Einkommens
zwischen dem Unterhaltspflichtigen und dem Unterhaltsberechtigten gewährleisten.
Erreicht das dem Unterhaltspflichtigen nach Abzug aller Unterhaltslasten
verbleibende bereinigte Einkommen nicht den für die Einkommensgruppe ausgewiesenen
Bedarfskontrollbetrag, ist ggf. soweit herabzustufen, bis dem Unterhaltspflichtigen
der entsprechende Kontrollbetrag verbleibt.
12. Minderjährige Kinder
12.1 Betreuungs-/Barunterhalt
Der Betreuungsunterhalt für ein minderjähriges Kind entspricht in der Regel dem Barunterhalt,
sodass der betreuende Elternteil regelmäßig keinen Barunterhalt zu leisten
braucht.
12.2 Einkommen des Kindes
Einkommen des minderjährigen Kindes, das nach Abzug ausbildungsbedingter Kosten
(vgl. Nr. 10.2.3) verbleibt, ist zur Hälfte auf den Barunterhalt anzurechnen. Die andere
Hälfte kommt dem betreuenden Elternteil zugute.
12.3 Beiderseitige Barunterhaltspflicht/Haftungsanteil
Sind ausnahmsweise beide Elternteile gegenüber dem minderjährigen Kind barunterhaltspflichtig,
bestimmt sich ihr Haftungsanteil nach dem Verhältnis ihrer den jeweiligen
Selbstbehalt übersteigenden Einkommen. Nr. 13.3 gilt entsprechend.
12.4 Zusatzbedarf
Erhöhter Bedarf und Sonderbedarf sind in den Unterhaltsbeträgen nicht enthalten.
13. Volljährige Kinder
13.1 Bedarf
Der Barunterhalt volljähriger Schüler, Studenten und Auszubildender, die noch im
Haushalt eines Elternteils leben, bestimmt sich nach Altersstufe 4 der Tabelle in Anlage
I. Der Tabellenbetrag richtet sich nach dem zusammengerechneten Einkommen beider
Elternteile. Ein Elternteil hat jedoch höchstens den Unterhalt zu leisten, der sich
allein nach seinem Einkommen ergibt.
Dem 3. Familiensenat dient die Altersstufe 4 der Tabelle lediglich als Orientierung.
Der Bedarf nicht im Haushalt eines Elternteils lebender Kinder beträgt regelmäßig
640 EUR monatlich. Kosten für eine Ausbildung im üblichen Rahmen sind darin ebenso
enthalten wie ein Mietanteil (Warmmiete) von bis zu 270 EUR. Bei guten wirtschaftlichen
Verhältnissen kann eine Erhöhung des regelmäßigen Bedarfs gerechtfertigt sein,
im Allgemeinen aber nicht über den doppelten Betrag hinaus.
In den Unterhaltsbeträgen sind Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge sowie
Studiengebühren nicht enthalten.
13.2 Einkommen des Kindes
Einkommen des volljährigen unterhaltsberechtigten Kindes, das nach Abzug ausbildungsbedingter
Kosten (vgl. Nr. 10.2.3) verbleibt, ist auf seinen Bedarf voll anzurechnen.
13.3 Beiderseitige Barunterhaltspflicht/Haftungsanteil
Gegenüber volljährigen Kindern sind beide Elternteile barunterhaltspflichtig. Ihr Haftungsanteil
bestimmt sich nach dem Verhältnis ihrer den jeweiligen Selbstbehalt übersteigenden
Einkommen.
14. Verrechnung des Kindergeldes
Das Kindergeld ist nach Maßgabe des § 1612 b BGB zur Deckung des Barbedarfs
des Kindes zu verwenden. (vgl. auch Nr. 3).
15. Unterhaltsbedarf
15.1 Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen
Der Unterhaltsanspruch des Ehegatten wird bestimmt und begrenzt durch den Bedarf
nach den ehelichen Lebensverhältnissen, in den Fällen nachehelichen Unterhalts nach
denjenigen bei der Scheidung. Leistet ein Ehegatte Unterhalt für ein Kind und hat dies
bereits die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt, wird das Einkommen vorab um den
Kindesunterhalt, das ist der Zahlbetrag, also der Tabellenunterhalt nach Abzug von
Kindergeld, gemindert, soweit sich daraus nicht ein Missverhältnis zum wechselseitigen
Lebensbedarf der Beteiligten ergibt (vgl. BGH, FamRZ 1999, 367; FamRZ 2003, 363).
Wegen der Behandlung von Erwerbseinkünften des unterhaltsberechtigten Ehegatten
aus einer nach Trennung oder Scheidung aufgenommenen oder ausgeweiteten Tätigkeit
wird auf das Urteil des BGH vom 13.6.2001 (FamRZ 2001, 986) verwiesen.
15.2 Halbteilung und Erwerbstätigenbonus
Der Unterhaltsbedarf des getrennt lebenden und geschiedenen Ehegatten beläuft sich
grundsätzlich auf die Hälfte des zusammengerechneten eheprägenden bereinigten Einkommens
beider Ehegatten.
Erwerbseinkünfte sind um einen Erwerbstätigenbonus von 1/7 als Anreiz zu kürzen.
Nach Auffassung des 3. Familiensenats beträgt der Erwerbstätigenbonus 1/10 vor Verminderung
der Einkünfte um Kindesunterhalt, berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten
usw., insoweit anders als im Urteil des BGH vom 16.4.1997 (FamRZ 1997, 806).
Sind die eheprägenden bereinigten Einkünfte ausschließlich Erwerbseinkünfte, so führt
es zu demselben rechnerischen Ergebnis, wenn der Unterhalt als Quote der Differenz
der beiderseitigen bereinigten Einkünfte ermittelt wird, wegen des Erwerbstätigenbonus
mit 3/7 der Differenz, nach Auffassung des 3. Familiensenats mit 45 % abzüglich der
Hälfte des Kindesunterhalts sowie berücksichtigungsfähiger Verbindlichkeiten usw.
15.3 Konkrete Bedarfsbemessung
Haben außergewöhnlich hohe Einkommen die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt,
kann eine konkrete Bedarfsbemessung in Betracht kommen.
15.4 Vorsorgebedarf
Werden Altersvorsorge-, Kranken- und Pflegeversicherungskosten vom Unterhaltsberechtigten
gesondert geltend gemacht oder vom Unterhaltspflichtigen gezahlt, sind diese
von dem Einkommen des Pflichtigen vorweg abzuziehen.
15.5 nicht belegt
15.6 Trennungsbedingter Mehrbedarf
Trennungsbedingter Mehrbedarf kann zusätzlich berücksichtigt werden.
16. Bedürftigkeit
Bedürftigkeit besteht nur, soweit der Bedarf nicht durch eigene Einkünfte des Unterhaltsberechtigten,
ggf. vermindert um den Erwerbstätigenbonus (vgl. Nr. 15.2), gedeckt
ist.
17. Erwerbsobliegenheit
17.1 bei Kindesbetreuung
Die Zumutbarkeit von Erwerbstätigkeit neben Kinderbetreuung richtet sich nach den
Umständen des Einzelfalles.
17.2 bei Trennungsunterhalt
Inwieweit in der Trennungszeit eine Erwerbsobliegenheit besteht, richtet sich nach den
Umständen des Einzelfalles.
Weitere Unterhaltsansprüche
18. Ansprüche aus § 1615 l BGB
Der Bedarf nach § 1615l BGB bemisst sich nach der Lebensstellung des betreuenden
Elternteils.
19. Elternunterhalt
Haben Eltern Unterhaltsansprüche gegen ihre Kinder, so sind auch Pflegebedarf und Heimkosten
Teile des Unterhaltsbedarfs.
20. Lebenspartnerschaft
Der Bedarf gemäß §§ 5, 12, 16 LPartG bemisst sich nach den partnerschaftlichen Lebensverhältnissen.
Leistungsfähigkeit und Mangelfall
21. Selbstbehalt
21.1 Grundsatz
Leistungsfähigkeit ist in dem Umfang gegeben, in welchem das bereinigte Einkommen,
hier ohne Abzug eines Erwerbstätigenbonus, den Selbstbehalt, der dem Unterhaltspflichtigen
zur Bestreitung seines eigenen Unterhalts bleiben muss, übersteigt.
21.2 Notwendiger Selbstbehalt
Der notwendige Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen beträgt gegenüber minderjährigen
Kindern sowie gegenüber volljährigen unverheirateten Kindern bis zur Vollendung
des 21. Lebensjahres, die im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und
sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden, 900 EUR. Darin ist ein Mietanteil
(Warmmiete) von etwa 360 EUR enthalten. Sind die Einkünfte des Unterhaltspflichtigen
insgesamt oder im Wesentlichen keine Erwerbseinkünfte, beträgt der Selbstbehalt
770 EUR.
21.3 Angemessener Selbstbehalt
21.3.1 Volljähriges Kind
Gegenüber anderen volljährigen Kindern beträgt der angemessene Selbstbehalt
1.100 EUR. Darin ist ein Mietanteil (Warmmiete) von etwa 450 EUR enthalten.
21.3.2 Elternunterhalt
Der angemessene Selbstbehalt beträgt gegenüber den Eltern des Unterhaltspflichtigen
1.400 EUR zuzüglich der Hälfte des darüber hinausgehenden bereinigten Einkommens.
Darin ist ein Mietanteil (Warmmiete) von etwa 450 EUR enthalten.
21.4 Eheangemessener Selbstbehalt und Ansprüche aus § 1615 l BGB
Der Selbstbehalt gegenüber dem getrennt lebenden und geschiedenen Ehegatten (vgl.
dazu BGH, FamRZ 2006, 683) beträgt in der Regel 1.000 EUR (billiger Selbstbehalt).
Dieser Βetrag gilt auch in den Fällen des § 1615 l BGB (BGH, FamRZ 2005, 354).
21.5 Anpassung des Selbstbehalts
Der Selbstbehalt kann unterschritten werden, wenn der eigene Unterhalt des Pflichtigen
ganz oder teilweise durch den Ehegatten gedeckt ist.
22. Bedarf des mit dem Unterhaltspflichtigen zusammenlebenden Ehegatten
Ist der Unterhaltspflichtige verheiratet, so richtet sich der Bedarf des mit ihm zusammen lebenden
Ehegatten nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Der Bedarf kann mit Rücksicht
auf das Zusammenleben niedriger anzusetzen sein.
23. Mangelfall
23.1 Grundsatz
Reicht der Betrag, der zur Erfüllung mehrerer Unterhaltsansprüche zur Verfügung steht
(Verteilungsmasse), nicht aus, um den Unterhaltsbedarf aller Unterhaltsberechtigten zu
decken, so ist der den Selbstbehalt übersteigende Betrag auf die Berechtigten unter Beachtung
der Rangverhältnisse zu verteilen.
23.2 Einsatzbeträge
Die Einsatzbeträge für minderjährige unverheiratete und ihnen gleichgestellte volljährige
Kinder entsprechen den Tabellenbeträgen der ersten Einkommensgruppe der Tabelle
in Anlage I abzüglich des nach § 1612b Abs. 1 BGB zur Bedarfsdeckung zu verwendenden
Kindergeldes.
23.3 Berechnung
Bei der Mangelverteilung errechnet sich der gekürzte Unterhaltsanspruch aller gleichrangigen
Unterhaltsberechtigten aus dem Quotienten von Verteilungsmasse und Summe
der Einsatzbeträge, multipliziert mit dem jeweiligen Einsatzbetrag.
Sonstiges
24. Rundung
Der Unterhaltsbetrag kann auf volle Euro gerundet werden.
25. Ost-West-Fälle
In so genannten Ost-West-Fällen richtet sich bis zum 31.12.2007 der Bedarf nach dem
Wohnort des Unterhaltsberechtigten, die Leistungsfähigkeit (Selbstbehalt) nach dem Wohnort
des Unterhaltspflichtigen.
Ab 1.1.2008 stehen alle an einem Unterhaltsrechtsverhältnis Beteiligten einander gleich, ungeachtet
des Wohnorts von Unterhaltsberechtigtem und –pflichtigem.
Anlagen
I. Unterhaltstabelle
II. Zahlbetragstabelle
III. Umrechnung dynamisierter Titel alten Rechts gemäß § 36 Nr. 3 EGZPO
Anlage I
Unterhaltstabelle
Stand 1.1.2008 in Euro
|
Anlage II
Zahlbetragstabelle
Stand 1.1.2008 in Euro
1) Anrechnung des (hälftigen) Kindergeldes für das 1. bis 3. Kind von je 77 € / 154 €
|
1.Alsterstuffe |
2.Alsterstuffe |
3.Alsterstuffe |
4.Alsterstuffe |
|
1. |
bis 1500 |
279 – 77 = 202 |
322 – 77 = 245 |
365 – 77 = 288 |
408 – 77 = 254 |
2. |
1501 – 1900 |
293 – 77 = 216 |
339 – 77 = 262 |
384 – 77 = 307 |
429 – 154 = 275 |
3. |
1901 – 2300 |
307 – 77 = 230 |
355 – 77 = 278 |
402 – 77 = 325 |
449 – 154 = 295 |
4. |
2301 – 2700 |
321 – 77 = 244 |
371 – 77 = 294 |
420 – 77 = 343 |
470 – 154 = 316 |
5. |
2701 – 3100 |
335 – 77 = 258 |
387 – 77 = 310 |
438 – 77 = 361 |
490 – 154 = 336 |
6. |
3101 – 3500 |
358 – 77 = 281 |
413 – 77 = 336 |
468 – 77 = 391 |
523 – 154 = 369 |
7. |
3501 – 3900 |
380 – 77 = 303 |
438 – 77 = 361 |
497 – 77 = 420 |
555 – 154 = 401 |
8. |
3901 – 4300 |
402 – 77 = 325 |
464 – 77 = 387 |
526 – 77 = 449 |
588 – 154 = 434 |
9. |
4301- 4700 |
425 – 77 = 348 |
490 – 77 = 413 |
555 – 77 = 478 |
621 – 154 = 467 |
10. |
4701 – 5100 |
447 – 77 = 370 |
516 – 77 = 439 |
584 – 77 = 507 |
653 – 154 = 499 |
2) Anrechnung des (hälftigen) Kindergeldes für das 4. Kind und jedes weitere Kind
von je 89,50 € / 179 €
|
1.Alsterstuffe |
2.Alsterstuffe |
3.Alsterstuffe |
4.Alsterstuffe |
|
1. |
bis 1500 |
279 – 89,50 = 189,50 |
322 – 89,50 = 232,50 |
365 – 89,50 = 275,50 |
408 – 179 = 229 |
2. |
1501 – 1900 |
293 – 89,50 = 203,50 |
339 – 89,50 = 249,50 |
384 – 89,50 = 294,50 |
429 – 179 = 250 |
3. |
1901 – 2300 |
307 – 89,50 = 217,50 |
355 – 89,50 = 265,50 |
402 – 89,50 = 312,50 |
449 – 179 = 270 |
4. |
2301 – 2700 |
321 – 89,50 = 231,50 |
371 – 89,50 = 281,50 |
420 – 89,50 = 330,50 |
470 – 179 = 291 |
5. |
2701 – 3100 |
335 – 89,50 = 245,50 |
387 – 89,50 = 297,50 |
438 – 89,50 = 348,50 |
490 – 179 = 311 |
6. |
3101 – 3500 |
358 – 89,50 = 268,50 |
413 – 89,50 = 323,50 |
468 – 89,50 = 378,50 |
523 – 179 = 344 |
7. |
3501 – 3900 |
380 – 89,50 = 290,50 |
438 – 89,50 = 348,50 |
497 – 89,50 = 407,50 |
555 – 179 = 376 |
8. |
3901 – 4300 |
402 – 89,50 = 312,50 |
464 – 89,50 = 374,50 |
526 – 89,50 = 436,50 |
588 – 179 = 409 |
9. |
4301- 4700 |
425 – 89,50 = 335,50 |
490 – 89,50 = 400,50 |
555 – 89,50 = 465,50 |
621 – 179 = 442 |
10. |
4701 – 5100 |
447 – 89,50 = 357,50 |
516 – 89,50 = 426,50 |
584 – 89,50 = 494,50 |
653 – 179 = 474 |
Anlage III Umrechnung dynamisierter Titel alten Rechts gemäß § 36 Nr. 3 EGZPO
Ist Kindesunterhalt als Prozentsatz des jeweiligen Regelbetrages zu leisten, bleibt der Titel bestehen.
Eine Abänderung ist nicht erforderlich. An die Stelle des bisherigen Prozentsatzes
vom Regelbetrag tritt ein neuer Prozentsatz vom Mindestunterhalt. Dieser ist für die jeweils
maßgebliche Altersstufe gesondert zu bestimmen und auf eine Stelle nach dem Komma zu begrenzen
(§ 36 Nr. 3 EGZPO). Der Bedarf ergibt sich aus der Multiplikation des neuen Prozentsatzes
mit dem Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe und ist auf volle Euro aufzurunden
(§ 1612 a Abs. 2 Satz 2 BGB). Der Zahlbetrag ergibt sich aus dem um das jeweils anteilige
Kindergeld verminderten bzw. erhöhten Bedarf.
Es sind vier Fallgestaltungen zu unterscheiden:
a) Der Titel sieht die Anrechnung des hälftigen Kindergeldes oder eine teilweise Anrechnung
des Kindergeldes vor.
Zahlbetrag + ½ Kindergeld : Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe x 100 = Prozentsatz neu
Beispiel 1. Altersstufe
(196 € + 77 €) : 279 € x 100 = 97,8 %
279 € x 97,8 % = 272,86 €, ger. 273 €
Zahlbetrag 273 € – 77 € = 196 €
b) Der Titel sieht die Hinzurechnung des hälftigen Kindergeldes vor.
Zahlbetrag – ½ Kindergeld :Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe x 100 = Prozentsatz neu
Beispiel 1. Altersstufe
(273 € – 77 €): 279 € x 100 = 70,2 %
279 € x 70,2 % = 195,85 €, ger. 196 €
Zahlbetrag 196 € + 77 € = 273 €
c) Der Titel sieht die Anrechnung des vollen Kindergeldes vor.
Zahlbetrag + 1/1 Kindergeld : Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe x 100 = Prozentsatz neu
Beispiel 2. Altersstufe
(177 € + 154 €) : 322 € x 100 = 102,7 %
322 € x 102,7 % = 330,69 €, ger. 331 €
Zahlbetrag 331 € – 154 € = 177 €
d) Der Titel sieht weder eine Anrechnung noch eine Hinzurechnung des Kindergeldes vor. Zahlbetrag + ½ Kindergeld : Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe x 100 = Prozentsatz neu
Beispiel 3. Altersstufe
(329 € + 77 €) : 365 € x 100 = 111,2 %
365 € x 111,2 % = 405,88 €, ger. 406 €
Zahlbetrag 406 € – 77 € = 329 €.