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Ordnungsgeld wegen Ungebühr – Anhörung des Betroffenen

Oberlandesgericht Koblenz

Az: 4 W 365/07

Beschluss vom 18.05.2007


Leitsätze:

1. Vor der Verhängung eines Ordnungsgeldes wegen Ungebühr nach § 178 Abs. 1 GVG muss der Betroffene angehört werden. Ihm ist Gelegenheit zu geben, sein ungebührliches Verhalten zu erläutern und zu entschuldigen.

2. Auf eine Anhörung kann nur in seltenen Ausnahmefällen verzichtet werden, soweit der Betroffene sich einer Anhörung entzieht oder dem Gericht eine Anhörung wegen der Art und der Internsität der Ungebühr nicht zugemutet werden kann. Dies ist bei einem ausgestreckten Mittelfinger nicht der Fall. 3. Da das Gerichtskostengesetz in § 1 Abs. 1 GKG das Gerichtsverfassungsgesetz nicht erwähnt, ergeht eine Beschwerde nach § 181 GVG gerichtsgebührenfrei (anschluss an KG v. 6.3.2000 – 1 AR 167/00; OLG Rostock OLGR Rostock 2006, 149; gegen OLG Zweibrücken MDR 2005, 531.


Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat ohne mündliche Verhandlung am 18. Mai 2007 beschlossen:

1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners und Beschwerdeführers wird der Beschluss des Amtsgerichts Trier vom 18. April 2007 im Verfahren 9 F 395/05 über die Verhängung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 300 EUR aufgehoben.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Gründe:

I.
Die Antragstellerin und der Antragsgegner haben vor dem Amtsgericht Trier am 18. April 2007 an der mündlichen Verhandlung über ihr Scheidungsbegehren teilgenommen. Es wurde zu den Folgesachen des Zugewinnausgleiches und des Hausrates eine umfängliche Beweisaufnahme durchgeführt. Ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung hat der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage den erhobenen Mittelfinger der rechten Hand gezeigt. Daraufhin hat das Gericht gegen den Antragsgegner ein Ordnungsgeld in Höhe von 300 EUR wegen der Störung der Verhandlung verhängt. Insoweit wird auf S. 13 des Protokolls der mündlichen Verhandlung (Bl. 13 des Vollstreckungsheftes) verwiesen.

Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde vom 25. April 2007, die am gleichen Tage beim Amtsgericht Trier eingegangen ist. Er gesteht zu, sich ungebührlich verhalten zu haben, was er jedoch bedauert und auf eine vorherige Provokation vor Beginn der mündlichen Verhandlung zurückführt. Im Übrigen hält er die Höhe des Ordnungsgeldes für unangemessen.

Der Vorsitzende des Familiengerichtes hat mit Beschluss vom 26. April 2007 der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem erkennenden Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die gemäß § 181 Abs. 1 GVG zulässige, insbesondere innerhalb der Wochenfrist eingelegte Beschwerde ist begründet.

Der Beschluss über die Verhängung eines Ordnungsgeldes ist rechtsfehlerhaft ergangen. Ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 18. April 2007 ist dem Antragsgegner vor Erlass des Beschlusses über die Verhängung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 300 EUR kein rechtliches Gehör gewährt worden. Dieses muss jedoch grundsätzlich vor der Verhängung von Ordnungsmitteln gewährt werden, Art. 103 Abs. 1 GG (hierzu auch OLG Brandenburg vom 21. August 2003 – 3 W 41/03 = NJW 2004, 451). Es ist allgemein anerkannt, dass die Bedeutung, die dem Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör zukommt, darin liegt, dass ihm die Gelegenheit gegeben werden muss, eine Handlung, die Ungebühr begründen kann, zu erläutern und sich gegebenenfalls zu entschuldigen. Die Frage, welche Gründe der Antragsgegner hatte, um sich ungebührlich zu verhalten und der Umstand, dass dem Antragsgegner auf Vorhalt seiner Ungebühr Gelegenheit gegeben wird, sich zu entschuldigen und er diese Gelegenheit wahrnimmt oder nicht wahrnimmt, ist auch für die Höhe des Ordnungsgeldes oder sogar für ein Absehen von einer Ordnungsmaßnahme (etwa OLG Düsseldorf, NStZ-RR 1997, 370) maßgeblich.

Nur in seltenen Ausnahmefällen kann das Gericht von der Gewährung rechtlichen Gehörs absehen, wenn mit Rücksicht auf die Intensität oder die Art der Ungebühr eine Anhörung dem Gericht nicht zugemutet werden kann oder wenn die Anhörung entbehrlich ist, weil dem Betroffenen die Festsetzung vorher ausdrücklich angedroht oder schon vorher gegen ihn wegen der gleichen Art Ungebühr Maßnahmen oder Ordnungsmittel verhängt worden sind. Diese Voraussetzungen können hier nicht festgestellt werden. Wenngleich nicht verkannt wird, dass es sich um eine nicht zu verharmlosende Beleidigung gehandelt hat, handelte es sich doch nicht um eine Situation, die es dem Gericht unmöglich gemacht hätte, den Antragsgegner zu seiner Ungebühr anzuhören. So war das Gericht auch in der Lage nach der Verhängung des Ordnungsgeldes die Verhandlung mit der Stellung der Anträge und mit der Verhandlung zu einer weiteren Folgesache fortzusetzen. Diese Situation ist nicht mit dem Fall vergleichbar, dass es etwa zu Tätlichkeiten zwischen den Beteiligten gekommen ist. Aus dem Protokoll ergibt sich auch, dass sich der Antragsgegner nicht etwa einer Anhörung entzogen hat.

Die Entscheidung über die Beschwerde ergeht gerichtsgebührenfrei, weil das Gerichtsverfassungsgesetz in § 1 Nr. 1 GKG nicht aufgeführt ist (ebenso KG, Beschluss vom 6. März 2000 – 1 AR 167/00; OLG Rostock, Beschluss vom 19. Juli 2005 – 3 W 53/05 = OLGR Rostock 2006, 149; anderer Ansicht OLG Zweibrücken, MDR 2005, 531).

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