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Rechts des Streithelfers im selbständigen Beweisverfahren

OLG Stuttgart, Az.: 13 W 14/18, Beschluss vom 24.07.2018

1. Die sofortige Beschwerde des Streithelfers S. gegen den Beschluss der 20. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 19.01.2018 wird als unzulässig verworfen.

2. Der Streithelfer S. hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Mit Verfügung vom 09.11.2017 setzte das Landgericht im vorliegenden selbstständigen Beweisverfahren den Beteiligten Frist zur Stellung von Anträgen und Ergänzungsfragen zum eingeholten schriftlichen Sachverständigengutachten bis 30.11.2017. Am 29.11.2017 reichte der Streithelfer S. vom Sachverständigen schriftlich zu beantwortende Ergänzungsfragen ein. Mit Verfügung vom 01.12.2017 forderte das Landgericht den Streithelfer S. unter Abhängigmachen der Beauftragung des Sachverständigen hiervon zur Erbringung eines Gebührenvorschusses von 500,00 € bis 22.12.2017 auf. Mit Verfügung vom 29.12.2017 wies das Landgericht darauf hin, dass das selbstständige Beweisverfahren beendet sei, nachdem der Vorschuss und weitere Anträge nicht eingegangen seien und gab Gelegenheit, binnen zwei Wochen zur beabsichtigten Wertfestsetzung Stellung zu nehmen. Mit Schriftsatz vom 18.01.2018 widersprach der Streithelfer S. unter Hinweis darauf, dass Antragsteller und Antragsgegner für die Fragen ihrer Streithelfer vorschusspflichtig seien. Mit Beschluss vom 19.01.2018 traf das Landgericht die Feststellung, dass das selbstständige Beweisverfahren beendet sei und setzte den Streitwert auf 22.000,00 € fest. Gegen diesen Beschluss legte der Streithelfer S. am 26.01.2018 sofortige Beschwerde ein und widersprach der Beendigung des Verfahrens vor Beantwortung der gestellten Ergänzungsfragen.

II.

Rechts des Streithelfers im selbständigen Beweisverfahren
Symbolfoto: perhapzz/Bigstock

Die sofortige Beschwerde wurde zwar form- und fristgerecht eingelegt, war aber mangels Statthaftigkeit als unzulässig zu verwerfen (§ 572 Abs. 2 ZPO).

Die sofortige Beschwerde findet nach § 567 Abs. 1 ZPO nur statt gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amts- und Landgerichte, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder es sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidungen handelt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist. Die erstgenannte Alternative liegt mangels einer entsprechenden gesetzlichen Regelung nicht vor. Ebenso wenig sind die Voraussetzungen der zweiten Alternative erfüllt.

Die Frage, inwieweit gegen einzelne Entscheidungen, die im selbstständigen Beweisverfahren ergehen, die sofortige Beschwerde gegeben ist, wird in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beantwortet. So hat der Bundesgerichtshof die sofortige Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Antrags auf Ladung des Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens für zulässig erachtet (BGH, Beschluss vom 13.09.2005 – VI ZB 84/04, BGHZ 164, 94). Andererseits hat er entschieden, dass gegen die gerichtliche Anforderung eines Auslagenvorschusses im selbstständigen Beweisverfahren – wie auch im Hauptsacheverfahren – ein Rechtsmittel nicht gegeben ist (BGH, Beschluss vom 03.03.2009 – VIII ZB 56/08, NJW-RR 2009, 1433) und ebenso wenig gegen die im selbstständigen Beweisverfahren ergangene Entscheidung, mit der ein Antrag auf Einholung eines weiteren Gutachtens gemäß § 412 ZPO zurückgewiesen worden ist (BGH, Beschluss vom 09.02.2010 – VI ZB 59/09, MDR 2010, 767; Beschluss vom 20.04.2011 – VII ZB 42/09, MDR 2011, 746 und Beschluss vom 17.08.2011 – VIII ZB 57/10; WuM 2012, 47).

Daraus ergibt sich, dass die hier vorliegende Entscheidung des Landgerichts, der unterstützten Partei die Vorschusserbringung für ein vom Streithelfer beantragtes schriftliches Ergänzungsgutachten nicht aufzugeben und das Gutachten nicht einzuholen, nicht anfechtbar ist. Der Streithelfer hat aufgrund der Zulässigkeit der Streitverkündung im selbstständigen Beweisverfahren als Nebenintervenient gemäß § 67 ZPO alle, aber auch nur die der Hauptpartei zustehenden Rechte, soweit er sich nicht in Widerspruch zum Willen der von ihm unterstützten Partei setzt (BGH, Urteil vom 05.12.1995 – VII ZR 108/95, BGHZ 134, 190 und Beschluss vom 23.07.2009 – VII ZB 3/07). Er kann keine weitergehenden Rechte haben als die von ihm unterstützte Hauptpartei, der ein Recht, die Entscheidung anzufechten, mit der die Einholung eines schriftlichen Ergänzungsgutachtens abgelehnt und die Beendigung des Beweisverfahrens festgestellt wurde, nicht zusteht. Antragsteller und Antragsgegner des selbstständigen Beweisverfahrens können den erwähnten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zufolge weder die Auferlegung eines Kostenvorschusses noch eine Entscheidung, durch welche die beantragte Einholung eines neuen Gutachtens abgelehnt wurde, anfechten. Daher steht ihnen grundsätzlich ein Beschwerderecht auch nicht zu, soweit das Gericht im selbständigen Beweisverfahren dem Sachverständigen schriftlich zu beantwortende Ergänzungsfragen nicht stellt. Eine Würdigung und überprüfbare Bewertung von Ergänzungsfragen findet wie auch eine Beweiswürdigung im selbständigen Beweisverfahren nicht statt. Ebenso wenig gehen die Beweismöglichkeiten im selbstständigen Beweisverfahren weiter als im Hauptsacheverfahren. Im Erkenntnisverfahren ist gegen die Ablehnung der Einholung eines neuen wie eines ergänzenden Gutachtens grundsätzlich kein eigenes Rechtsmittel gegeben. Vielmehr findet eine Überprüfung nur im Rahmen der Anfechtung der Hauptsacheentscheidung statt. Entsprechendes gilt für das selbständige Beweisverfahren. Nach § 492 ZPO folgt die Beweisaufnahme im selbstständigen Beweisverfahren den Regeln des Erkenntnisverfahrens. Würde den Parteien im selbstständigen Beweisverfahren im Falle der Ablehnung der Einholung eines weiteren Gutachtens ein Beschwerderecht eingeräumt, erhielten sie ein Rechtsmittel an die Hand, welches ihnen bei einer Beweiserhebung in der Hauptsache nicht zur Verfügung stünde. Gründe für eine abweichende Regelung im selbstständigen Beweisverfahren sind nicht vorhanden.

Hält eine Partei die Einholung eines weiteren Gutachtens für notwendig, bleibt es ihr unbenommen, die Gründe dafür gegebenenfalls im Hauptsacheverfahren vorzutragen und dort die Anordnung der erneuten Begutachtung zu beantragen. Hat dieser Antrag im Hauptsacheverfahren keinen Erfolg, ist das Unterlassen einer weiteren Begutachtung, das einen revisiblen Verfahrensfehler darstellen kann, im Rechtsmittelverfahren überprüfbar (BGH, Beschluss vom 09.02.2010 a.a.O. m.w.N.).

Hinsichtlich der Frage, ob die Einholung eines weiteren Gutachtens nach § 412 ZPO geboten ist, ist dem Tatrichter nach § 411 Abs. 3 ZPO ein Ermessensspielraum eingeräumt, bei dessen Ausübung er die Grundsätze der freien Beweiswürdigung, die sachfremde Erwägungen verbieten (§ 286 ZPO), zu beachten hat. Die Entscheidung darüber, ob ein weiteres Gutachten einzuholen ist, erfordert mithin eine Würdigung der bisher erhobenen Beweise. Eine Beweiswürdigung findet im selbstständigen Beweisverfahren indessen nicht statt. Die Tätigkeit des mit dem selbstständigen Beweisverfahren beauftragten Gerichts beschränkt sich vielmehr auf die Entgegennahme und formelle Prüfung des Antrags (§§ 487, 490 ZPO), die Ladung des Gegners (§ 491 ZPO) und die Durchführung der Beweisaufnahme nach Maßgabe des § 492 ZPO. Ist dem Gericht im selbstständigen Beweisverfahren eine Prüfung der Frage der Erforderlichkeit eines neuen Gutachtens verwehrt, ist die Ablehnung eines darauf gerichteten Antrags auch der Überprüfung im Beschwerdeverfahren entzogen (BGH a.a.O. m.w.N.).

Für die hier relevante ergänzende schriftliche Begutachtung gilt nichts anderes. Über den Verweis in § 492 Abs. 1 ZPO gilt neben den die Vorschusspflicht regelnden §§ 402, 379 ZPO, deren Verletzung durch ungerechtfertigte Vorschussanforderung ein Rechtsmittel wie schon erwähnt nicht begründet (BGH, Beschluss vom 03.03.2009 a.a.O.), auch § 411 ZPO, der die schriftliche Begutachtung regelt und in Abs. 3 und 4 bestimmt, dass das Gericht die schriftliche oder mündliche Erläuterung oder Ergänzung des Gutachtens anordnen kann und die Parteien dem Gericht, gegebenenfalls innerhalb der hierfür bestimmten Frist, ihre Einwendungen gegen das Gutachten und die die Begutachtung betreffenden Anträge und Ergänzungsfragen zu dem schriftlichen Gutachten mitzuteilen haben. Eine im selbstständigen Beweisverfahren durch Rechtsmittel überprüfbare Verpflichtung, allen Einwendungen, Anträgen und Ergänzungsfragen nachzugehen, ergibt sich hieraus nicht. Vielmehr sind diesbezügliche Entscheidungen grundsätzlich nur im Hauptsacheverfahren überprüfbar. Erforderlichenfalls ist die Beweiserhebung aus dem selbstständigen Beweisverfahren im Hauptsacheverfahren fortzusetzen (BGH, Beschluss vom 17.05.2017 – VII ZR 36/15, NJW 2017, 3661 m.w.N.).

Dass das selbstständige Beweisverfahren nach § 485 Abs. 2 S. 2 ZPO eine Streitvermeidung im Auge hat und eine umfassende Beweiserhebung diesem Ziel dienlich sein kann, ändert nichts. Ob die Ergänzung der Beweisaufnahme zur Streitvermeidung geeignet ist, ist eine Frage des Einzelfalls und rechtfertigt es nicht, den Parteien oder Streithelfern im selbstständigen Beweisverfahren die Möglichkeit an die Hand zu geben, über den verfahrenseinleitenden Antrag hinaus die Art und Weise sowie den Umfang und die Dauer der Beweiserhebung zu bestimmen. Zudem steht einer Überprüfung von Entscheidungen über die Art und Weise der Beweiserhebung die Vorschrift des § 355 Abs. 2 ZPO entgegen, die auch im selbstständigen Beweisverfahren Anwendung findet. Etwas anderes gilt alleine für den Antrag einer Partei auf Ladung des gerichtlichen Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens. Denn einem solchen Antrag hat das Gericht grundsätzlich – ohne Würdigung der bisher erhobenen Beweise – zu entsprechen. Die Partei hat nämlich zur Gewährung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) nach §§ 397, 402 ZPO einen Anspruch darauf, dass sie dem Sachverständigen die Fragen, die sie zur Aufklärung der Sache für erforderlich hält, zur mündlichen Beantwortung auch im selbstständigen Beweisverfahren vorlegen kann (BGH, Beschluss vom 09.02.2010 a.a.O. m.w.N.).

Nachdem gegen die gerichtliche Anforderung eines Auslagenvorschusses im selbstständigen Beweisverfahren – wie auch im Hauptsacheverfahren – ein Rechtsmittel nicht gegeben ist (BGH, Beschluss vom 03.03.2009 a.a.O.), kann sich entgegen der Auffassung der Beschwerde auch nichts anderes daraus ergeben, dass die Beantwortung der Ergänzungsfragen des Streithelfers nicht von einer Vorschusszahlung des Streithelfers abhängig gemacht werden kann, weil insoweit nach ganz überwiegender Auffassung die von ihm unterstützte Partei vorschusspflichtig ist (OLG Stuttgart, Beschluss vom 04.05.2011 – 8 W 149/11, Die Justiz 2011, 357 m.w.N.). Ist im selbständigen Beweisverfahren eine Vorschussanforderung nicht anfechtbar, kann auch keine Erzwingung einer hiervon unabhängigen Begutachtung oder einer anderweitigen Vorschussanforderung geben.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde war mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht zuzulassen (§ 574 Abs. 2, Abs. 3 ZPO). Die Rechtsbeschwerde ist unstatthaft, wenn es an einer beschwerdefähigen Entscheidung fehlt (BGH, Beschluss vom 09.02.2010 a.a.O. m.w.N.).

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