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Reisevertrag – Aufwendungsersatz des Reisenden bei Rücktritt

AG Schwetzingen, Az.: 1 C 71/10, Urteil vom 23.07.2010

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 659,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 01.11.2009 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 120,67 € zu bezahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin buchte bei der Beklagten, die unter anderem über ihre Homepage Sportreisen anbietet, eine Reise nach San Bartolomeo in Italien für die Zeit vom 26.07. bis 02.08.2009. Der Reisepreis betrug 666,– €. Da die Reise nach Italien aus organisatorischen Gründen nicht stattfinden konnte, war die Klägerin mit einer Änderung des Reiseziels nach Kos/Griechenland gegen einen Aufpreis von 100,– € und Änderung des Reisebeginns einverstanden. Die Klägerin bezahlte an die Klägerin weitere 100,– €. Auch einem Freund der Klägerin, dem Zeugen XXXX, sagte die Reise zu, der dann ebenfalls die Reise über die Klägerin buchte und den Reisepreis bezahlte. Als sich nachträglich herausstellte, dass zu dem vereinbarten Reisepreis ein Abflug von Düsseldorf nicht stattfinden konnte, sondern ab München geflogen werden sollte, stornierte die Klägerin sowie ihr Freund die Reise.

Reisevertrag - Aufwendungsersatz des Reisenden bei Rücktritt
Symbolfoto: VadimGuzhva/Bigstock

Nach dem erklärten Rücktritt rechnete die Beklagte gegenüber der Klägerin über den erhaltenen Reisepreis ab, indem sie Stornokosten in Höhe von 492,– sowie Gebühren und Auslagen von 167,– € von dem bezahlten Reisepreis in Abzug brachte und an die Klägerin einen Restbetrag in Höhe von 107,– € zurückerstattete.

Die Klägerin trägt vor, die Beklagte sei ihr gegenüber als Reiseveranstalterin aufgetreten. Die Beklagte habe zu keiner Zeit mitgeteilt, dass … die Reise durchführe. Ein Hinweis auf Vertragsbestandteil gewordene Reisebedingungen sei nicht erfolgt. Auslagen in Höhe von 167,– € seien nicht zu erstatten. Die Klägerin habe nicht zu vertreten, dass die Beklagte eigenmächtig und ohne Rücksprache die vertraglich vereinbarte Reiseplanung geändert habe. Tätigkeiten, die die Beklagte gegenüber dem Zeugen XXXX entfaltet habe, habe diese bereits in der Abrechnung gegenüber dem Zeugen XXXX berücksichtigt.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 659,– € nebst 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.11.2009, sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 120,67 € zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, die Beklagte habe die Reise lediglich organisiert.

Reiseveranstalter sei … gewesen. Von diesem seien der Klägerin und ihrem Freund kostenfrei Zugtickets vom Wohnort nach München angeboten worden. Die Beklagte habe außerdem angeboten, einen Mietwagen auf ihre Kosten zur Verfügung zu stellen. Die Klägerin sei hiermit jedoch nicht einverstanden gewesen. Für die von der Klägerin abgesagte Reise seien Stornokosten in Höhe von 492,– € entstanden. An eigenen Auslagen habe die Beklagte der Klägerin einen Betrag in Höhe von 167,– € in Rechnung gestellt. Die Beklagte habe selbst Kosten durch unzählige Telefonate mit der Klägerin gehabt, die teilweise vom Ausland geführt worden seien. Hinsichtlich der Sonderwünsche des Freundes der Beklagten hätten weitere umfangreiche Telefonate geführt werden müssen, um ein in der Nähe des Hotels gelegenes spezielles Fitnessstudio zu finden und auch eine Adresse zu finden, an dem spezielle Diätkost bezogen werden konnte.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Klägerin steht der eingeklagte Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zu. Die Klägerin kann insbesondere Rückzahlung des an die Beklagte geleisteten Reisepreises verlangen. Gemäß § 651 i Abs. 1, Abs. 2 BGB kann der Reisende vor Reisebeginn jederzeit vom Vertrag zurücktreten. In diesem Fall verliert der Reiseveranstalter den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis, bereits geleistete Zahlungen können analog § 346 BGB zurückgefordert werden. Die Klägerin hat den Reisevertrag rechtswirksam gegenüber der Beklagten storniert. Diese war als Reisevermittlerin Empfangsbotin der Rücktrittserklärung.

Ein Aufwendungsersatzanspruch der Beklagten gegen die Klägerin gemäß den §§ 670, 675 BGB besteht entgegen der Auffassung der Beklagten nicht.

Zwar hat die Klägerin mit der Beklagten einen Vermittlungsvertrag über die Reise abgeschlossen. Die Beklagte ist nach außen als Reisevermittlerin und nicht als Reiseveranstalterin aufgetreten. Im E-Mail vom 16.06.2009 an die Klägerin erklärt die Beklagte ausdrücklich, dass die Reise nach Italien abgesagt sei und sie sich „den halben Tag freigenommen habe, um mit dem Reisebüro eine Alternative zu suchen“. Hieraus war auch für die Klägerin zu entnehmen, dass die Beklagte die Reise nicht selbst organisiert.

Als Reisevermittlerin steht der Beklagten zwar aus dem zugrundeliegenden Geschäftsbesorgungsvertrag grundsätzlich ein Aufwendungsersatzanspruch zu. Die Bezahlung der Stornokosten an die … ist jedoch keine Aufwendung, die die Beklagte nach den Umständen für erforderlich halten durfte. Der … stand zu keinem Zeitpunkt ein pauschalierter Entschädigungsanspruch nach § 651 i Abs. 3 BGB gegen die Klägerin zu. Die Pauschalierung von Stornokosten ist in den AGB der … enthalten. Diese AGB wurden jedoch nicht wirksam in den Vertrag einbezogen. Nach § 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist es zur wirksamen Einbeziehung von AGBs erforderlich, dass der Vertragspartner bei Vertragsschluss ausdrücklich auf sie hingewiesen wird. Hierzu hat die Beklagte trotz Bestreitens durch die Gegenseite nichts vorgetragen. Außerdem ist gemäß § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB notwendig, dass dem Vertragspartner bei Vertragsschluss die Möglichkeit gegeben wird, sich Kenntnis vom Inhalt der AGB zu verschaffen. Dass dies der Fall war, insbesondere der Klägerin die AGB vor Abschluss des Reisevertrages vorgelegen hätten, behauptet die Beklagte nicht. Unter diesen Umständen durfte die Beklagte nicht davon ausgehen, dass ihre Aufwendungen für die Vertragsausführung erforderlich waren.

Der Beklagten steht auch kein Entschädigungsanspruch nach § 651 i Abs. 2 BGB zu. Abgesehen davon, dass die Beklagte nicht bestritten hat, bezüglich der Aufwendungen für den Zeugen XXXX bereits eine Rechnung an diesen gestellt zu haben, hat die Beklagte Belege für eine konkrete Schadensberechnung nicht vorgelegt.

Soweit die Beklagte im Schriftsatz vom 07.07.2010 neue Tatsachen vorträgt, waren diese gemäß § 296 a ZPO als verspätet zurückzuweisen.

Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus den §§ 286, 288 BGB.

Die geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühren rechtfertigen sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Ziff. 11, 711 Satz 1 ZPO.

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