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Rückerstattung von Flugticketpreisen bei Stornierung der Flüge

AG Frankfurt – Az.: 30 C 3123/19 (71) – Urteil vom 21.04.2020

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 67,08 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus ab dem 02.04.2019 zu zahlen,

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 83,54 € für vorgerichtliche Kosten der Klägerin zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jeder Partei bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Rückerstattung des Ticketpreises nach erfolgter Stornierung von über XXX Ltd. gebuchter Flüge.

Die Klägerin buchte für sich und ihren Sohn über das Reise- und Flugvermittlungsportal XXX Ltd. jeweils einen Flug von Frankfurt am Main nach New York. Die Klägerin wiederholte den Buchungsvorgang zwei weitere Male, so dass die Buchung insgesamt dreimal erfolgte (WNGM6U, WO3Q9U, WNYYXN9). Die Klägerin stornierte alle drei Buchungen. Insgesamt wurde über die von der Klägerin angegebene Bankverbindung für alle drei Buchungen ein Betrag von insgesamt 3.255,78 € eingezogen. Für jede Buchung wurde ein Betrag von 1.085,26 € einbehalten. Die Beklagte berechnete pro Ticket einen Preis von 528,11 €, d.h. pro Buchung insgesamt 1.056,22 €. Die Beklagte erstattete insgesamt unter Berufung auf Kulanz zwei Buchungsvorgänge (WNYXN9 und WNGM6U), d.h. den Ticketpreis für insgesamt vier Tickets vollständig, d.h. insgesamt 2.112,44 €. Bezüglich des dritten Buchungsvorgang erstattete die Beklagte lediglich einen Teil der Steuern und Gebühren, die nur bei Antritt des Fluges anfallen und pro Flug insgesamt 136,11 € betrugen, mithin einen Betrag von lediglich 102,57 € pro Flugticket, d.h. insgesamt 205,14 €. Die Beklagte erstattete insgesamt 2.317,58 €, wobei die Klägerin den Betrag von 2.328,56 € erhalten haben will. Die Klägerin begehrt klageweise 927,56 €.

Nachdem die Klägerin auf ihre Zahlungsaufforderung von der Beklagten nur eine Zwischennachricht erhalten hat, hat die Kläger ihre Prozessbevollmächtigten mit der Durchsetzung ihrer Forderung beauftragt. Die Beklagte wurde mit anwaltlichem Schreiben mit Fristsetzung bis zum 25.03.2019 zur Zahlung des Restbetrages erfolglos aufgefordert. Die Rechtsschutzversicherung der Klägerin ist mit der Einziehung der übernommenen Anwaltskosten durch die Klägerin im eigenen Namen einverstanden.

Die Beklagte hat gegenüber der Klägerin die Aufrechnung, soweit sie Steuern und Gebühren hinsichtlich der dritten Buchung nur in Höhe von 102,57 € pro Ticket zurückerstattet hat, mit den restlichen Steuern und Gebühren in Höhe von 33,54 € pro Ticket mit der Klageforderung respektive mit den reinen Ticketkosten der ersten beiden Buchungen erklärt.

Die Klägerin trägt vor, es habe sich um drei aufgrund von Fehlmeldungen nicht abgeschlossene Buchungen gehandelt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten seien in den Vertrag nicht miteinbezogen worden.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 927,56 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus ab dem 02.04.2019 zu zahlen,

2. die Beklagte weiterhin zu verurteilen, an die Klägerin weitere 147,56 € für vorgerichtliche Kosten der Klägerin zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, die ersten beiden Buchungen seien rein aus Kulanz ohne Verpflichtung zurückerstattet worden. Die Klägerin habe die Tarifart „nicht erstattungsfähig im Fall der Stornierung“ („non endo“) gewählt. Mit ihrem Schreiben vom 13.06.2019 habe sie die Erstattung endgültig abgelehnt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen seien auch bei einer Buchung über XXX Ltd. einbezogen worden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Rückerstattung von Flugticketpreisen bei Stornierung der Flüge
(Symbolfoto: REDPIXEL.PL/Shutterstock.com)

Die Klage ist zulässig. Das Amtsgericht Frankfurt am Main ist gemäß § 29 ZPO örtlich zuständig. Die Zuständigkeit nach § 29 ZPO erfasst auch die Streitigkeiten über Sekundärleistungspflichten infolge Rückabwicklung eines zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages wie den zwischen den Parteien geschlossenen und sodann stornierten Luftbeförderungsvertrag. Die Klägerin ist hinsichtlich der vorgerichtlichen Anwaltskosten in zulässiger gewillkürter Prozessstandschaft auch prozessführungsbefugt.

Die Klage ist allerdings nur geringfügig begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückerstattung der als Bestandteil des Ticketpreises gezahlten Steuern und Gebühren, die nur bei Antritt des Fluges anfallen, gemäß §§ 812 Abs. 1, 631 BGB, soweit die Beklagte noch nicht die restlichen Steuern und Gebühren, die nur bei Antritt eines Fluges anfallen, erstattet hat. Hierbei handelt es sich unstreitig um den Betrag von 2 * 33,54 €= 67,08 €. Die zu erstattenden Gebühren und Steuern umfassen allerdings nicht den Betrag, der auf den sogenannten Internationalen/Nationalen Zuschlag/Y-Zuschlag entfällt, da dieser keine behördliche oder betriebliche Gebühr, sondern einen gesondert ausgewiesenen Preisbestandteil darstellt. Soweit die Beklagte die Aufrechnung mit den bereits zurückerstatteten Flugscheinkosten der ersten beiden Buchungen erklärt hat, geht die Aufrechnung ins Leere, denn die Beklagte hat insoweit hinsichtlich der aus Kulanz gezahlten Beträge keinen Anspruch auf Rückforderung gemäß § 812 BGB, da sie die Beträge in Kenntnis ihrer Nichtschuld (§ 814 BGB) gezahlt hat. Insoweit hat sie die Erstattung der Ticketkosten selbst als Kulanz bezeichnet.

Im Übrigen hat die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung weiterer Ticketkosten gemäß §§ 812 Abs. 1, 631 BGB. Aus demselben Rechtsgrund handelte es sich bei der erfolgten Erstattung der Ticketkosten für die ersten beiden Buchungen auch um eine Kulanz, da die Klägerin keinen Anspruch auf Leistung hatte, soweit ihr der Ticketpreis über die zu erstattenden Gebühren und Steuern erstattet wurde.

Zwar hat die Klägerin von ihrem Kündigungsrecht gemäß § 648 S. 1 BGB, das durch die Klausel „non endo“ nicht ausgeschlossen wird, Gebrauch gemacht. Nach Auffassung des Gerichts scheidet ein Anspruch aus § 648 Satz 2 BGB aber bereits deshalb aus, weil § 648 Satz 2. Halbsatz BGB wirksam abbedungen wurde. Die Tarifbestimmungen der Beklagten sind Bestandteil des Beförderungsvertrages, den die Klägerin über XXX Ltd. als Vermittlerin mit der Beklagten geschlossen hat. Bedient sich jemand eines Dritten zum Abschluss eines Vertrages ist insoweit dessen Erkenntnishorizont maßgebend (vgl. arg. ex § 166 BGB). D.h. insoweit ist der Erkenntnishorizont von XXX Ltd. maßgebend. XXX Ltd. hat die Flüge zu den konkreten Bedingungen der Beklagten gebucht. Für die Frage der Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin von XXX Ltd. über die von der Beklagten gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen informiert worden ist. Im Übrigen weist auch XXX Ltd. in der ausgestellten Buchungsbestätigung jeweils unter der Rubrik „Umbuchungen und Stornierungen“ daraufhin, dass die Tarifbedingungen des betreffenden Luftfahrtunternehmens maßgebend sind. Dies lässt den Schluss zu, dass XXX Ltd. die Flüge jeweils zu den Bedingungen der jeweiligen Luftfahrtunternehmen unter Einschluss der Allgemeinen Geschäftsbedingungen bucht. Gegenteiliges hat die Klägerin nicht vorgetragen. Für die vorliegenden Buchungen bedeutet dies jeweils, dass für die einzelnen Flüge der Tarif „non endo“ bzw. Tarifart „nicht erstattungsfähig im Fall der Stornierung“ gewählt wurde. Soweit die Klägerin meint, sie habe keine Verträge mit der Beklagten geschlossen, weil es sich um Fehlbuchungen gehandelt habe, vermag das Gericht diese Behauptung angesichts der vorgelegten Anlagen zu Klageschrift nicht nachvollziehen. Denn die Klägerin hat mit der Klageschrift drei Bestätigungsemails unter jeweiliger Angabe der Buchungsnummern (3344759619, 3344736228, 3344768753) vorgelegt.

Nach Auffassung des Gerichts ist es grundsätzlich möglich § 648 Satz 2 2. Halbsatz BGB durch Vereinbarung abzubedingen. Nach Auffassung des Gerichts unterliegen die einzelnen zur Auswahl stehenden Tarifarten als Produkte nicht der Inhaltskontrolle nach § 307 ff. BGB, insbesondere § 309 Nr. 5 BGB oder § 308 Nr. 7 BGB, da die Tarifart vorliegend gemäß § 305 Abs.1 Satz 3 BGB ausgehandelt wurde. Ein Aushandeln kommt dann in Betracht, wenn der Kunde eine echte Wahl zwischen mehreren Alternativen hat und bei der Auswahl der Alternativen frei ist (vgl. (vgl. Grüneberg in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 73. Auflage, § 305, Rz. 10 ff), wie es vorliegend auch über XXX Ltd. der Fall ist. Einem Aushandeln steht insoweit auch nicht entgegen, dass ein als rückerstattungsfähig angepriesen und verkauftes Ticket mit einem höheren Entgelt verbunden gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 06. Dezember 2002 – V ZR 220/02 –, BGHZ 153, 148-157).

Ein Anspruch ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes mit Urteil vom 20.03.2018, Az.: X ZR 25717. Danach unterliegen die Beförderungsbedingungen zwar der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB, allerdings hat der Bundesgerichtshof insoweit die Tarifklausel, wonach im Fall einer Stornierung die Erstattung ausgeschlossen ist, als nicht unangemessen und damit als wirksam erachtet.

Die Klägerin hat in gewillkürter zulässiger Prozessstandschaft, soweit ihr der restliche, zuerkannte Betrag nicht rückerstattet wurde, auch Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten aus einem Gegenstandswert von 67,08 € gemäß § 286 Abs. 1, 249 BGB, denn die Beklagte befand sich mit der Zahlung der Beträge aufgrund der Zahlungsaufforderung der Klägerin bereits in Verzug, als die Klägerin ihren Anwalt beauftragte. Die von der Beklagten ins Feld geführte ernsthafte und endgültige weitere Leistungsverweigerung erfolgte nicht gegenüber der Klägerin, sondern gegenüber ihrem Anwalt. Unter Berücksichtigung einer 1,3-fachen Gebühr nach VV-RVG 2300, der Kommunikationspauschale und Mehrwertsteuer ergibt sich der Höhe nach ein Betrag von 83,54 €.

Der Anspruch auf Verzugszinsen folgt aus §§ 286, 288 BGB.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit jeweils auf §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO.

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