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Schadensersatzansprüche gegen Ratingagentur

AG Neuss, Az.: 80 C 3954/15, Urteil vom 28.12.2016

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, es sei denn, die Beklagte leistet vor Vollstreckung in gleicher Sicherheit.

Tatbestand

Die Klägerin macht für sich und ihren Ehemann, den Zeugen L.N., mit der vorliegenden Klage einen Anspruch auf Schadensersatz wegen eines behaupteten zu Unrecht bzw. fehlerhaft erstellten Ratings der Beklagten gegenüber der Beklagten geltend.

Die Beklagte hat für die Emittentin, die Fa. N, ein Rating erstellt, welches erstmals mit Datum vom 18.10.2012 unter anderem auf der Webseite der Fa. N. veröffentlicht wurde. In diesem Rating erhielt die Fa. N. von der Beklagten die Ratingnote „BBB“.

Mit Datum vom 16.09.2013 veröffentlichte die Beklagte ein weiteres Rating (Folgerating) der Fa. N. unter anderem auf der Webseite der Beklagten, in dem sie der Fa. N erneut die Note „BBB“ vergab.

Die Klägerin und ihr Ehemann, der Zeuge L.N, haben am 06.05.2013 eine Anleihe der Emittentin, der Fa. N., mit der ISIN DE… über 1.062,64 Euro erworben.

Die Klägerin behauptet, das Rating vom 18.10.2012 und das Nachfolgerating vom 16.09.2013 seien falsch gewesen, wobei die Beklagte bei ihrer Bewertung grob fahrlässig gehandelt habe. Tatsächlich hätte die Bonität der Fa N. bei einem ausreichend sorgfältigem Rating deutlich schlechter bewertet werden müssen. Sie und ihr Ehemann hätten das Rating der Beklagten vor ihrer Kaufentscheidung gekannt. Allein dieses gute Rating habe sie zum Kauf und in der Folgezeit zur Erhaltung der Anleihe veranlasst.

Sie beantragt:

1. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin und ihren Ehemann L.N. EUR 1.062,64 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über Basiszinssatz seit dem 05.05.2015 Zug um Zug gegen Übertragung der Anleihe mit der ISIN DE… zu zahlen:

2. die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin und ihren Ehemann Herrn L.N. EUR 365,93 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

3. festzustellen, dass die Beklagte sich gegenüber der Klägerin und ihrem Ehemann Herrn L.N. im Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, eine Haftung ihrerseits scheide aus allen rechtlichen Gesichtspunkten aus.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie ihrer Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 09.11.20.. Beweis erhoben.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift über die Beweisaufnahme ( Bl. 1056 ff. d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klägerin hat weder aus eigenem Recht noch zusätzlich im Rahmen der gewillkürten Prozessstandschaft ihres Ehemannes einen Anspruch auf Schadensersatz.

Die Voraussetzungen für gewillkürte Prozessstandschaft sind vorliegend gegeben. Die Geltendmachung eines fremden Rechts im eigenen Namen kann durch entsprechende Ermächtigung des Berechtigten unter bestimmten Voraussetzungen auch einem Rechtsfremden eingeräumt werden, sogenannte gewillkürte Prozessstandschaft. Voraussetzung hierfür ist eine wirksame Ermächtigung. Diese ist durch den Zeugen N. gegeben.

Darüber hinaus liegt auch ein eigenes schutzwürdiges Interesses des Ermächtigten, hier der Klägerin, vor. Neben der Ermächtigung durch den Rechtsinhaber setzt die zulässige gewillkürte Prozessstandschaft ein eigenes schutzwürdiges Interesse des Ermächtigten voraus. Das liegt vor, wenn die Entscheidung Einfluss auf die eigene Rechtslage des Prozessführungsbefugten hat. Dies ist vorliegend gegeben, da die Klägerin mit ihrem Anspruch die gleichen Rechte verfolgt wie im Rahmen der Prozessstandschaft und der Anspruch gegenüber der Beklagten einheitlich zu beurteilen ist.

Die Voraussetzung der Offenlegung ist vorliegend ebenfalls gegeben.

Der geltend gemachte Anspruch ist allerdings nicht begründet. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus § 280 Abs. 1 BGB i.V. mit den Grundsätzen über den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, noch aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3, 241 Abs. 2 BGB, noch aus den Vorschriften über die unerlaubte Handlung gemäß §§ 823 ff. BGB noch letztlich aus Art. 35 a Abs. 1 VO ( EG) 1060/2009.

Um den Anleger nicht gänzlich ohne Schadensersatzmöglichkeiten gegen die Ratingagentur zu lassen, werden in der Literatur unter anderem zwei rechtliche Konstruktionen diskutiert: Der “ Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte“ sowie die Vertrauenshaftung nach §§ 311 Abs. 2, 241 Abs.2, 280 Abs.1 BGB.

So wird, sofern ein Ratingvertrag zwischen einer Ratingagentur und einem Emittenten besteht, vertreten, dass der Anleger in den Schutzbereich dieses Ratingvertrages einbezogen werde und aus diesem Vertrag abgeleitete Schadensersatzansprüche wegen des fehlerhaften Ratings geltend machen könne( vgl. Wojcik, zivilrechtliche Haftung von Ratingagenturen nach Europäischem Recht, NJW 2013, 2385 ff.). Ein solcher Anspruch ist indes abzulehnen. Unabhängig von der allgemeinen Kritik an der Figur des “ Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte“ ist der Anspruch abzulehnen, da der Kreis der potentiell geschützten Dritten für die Ratingagentur nicht ausreichend erkennbar ist. Auch wenn die Ratingagenturen wissen ( und unter Umständen wollen), dass ihre Ratings von einer Vielzahl von Personen zur Kenntnis genommen werden, so ist die Anzahl potentieller Anspruchsgläubiger stets unbegrenzt und letztlich unabhängig von Entscheidungen, die in keiner Weise in den Kontrollbereich der Ratingagentur liegen. Im Übrigen ist bei dem hier vorliegenden Unternehmensrating zu berücksichtigen, dass die Ratingagenturen an der Anlageentscheidung der Anleger kein eigenes wirtschaftliches Interesse haben und darüber hinaus gerade betonen, dass ihre Bewertung keine Anlageempfehlungen darstellen. Insoweit muss hier zwischen einem Rating, welches sich auf ein Unternehmen und welches sich auf die Finanzinstrumente eines Unternehmens bezieht, unterschieden werden. Hierauf wird später noch einzugehen sein.

Mit gleichen rechtlichen Gesichtspunkten scheidet auch eine Vertrauenshaftung nach §§ 311 Abs. 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB aus.

Weiterhin scheiden Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB für Anleger aus. Denn § 823 Abs.1 BGB schützt nicht abstrakt das Vermögen und die Erstellung eines fehlerhaften Ratings verletzt keines der in § 823 Abs. 1 BGB genannten Rechtsgüter des Anlegers.

Auch der Anspruch aus § 826 BGB wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung scheidet aus, da die Voraussetzungen hierfür nicht dargelegt und bewiesen sind.

Schadensersatzansprüche gegen Ratingagentur
Symbolfoto: Casimiro/Bigstock

Ansprüche aus Verletzung eines Schutzgesetzes in Verbindung mit § 823 Abs.2 BGB kommen zwar – sowohl für Anleger als auch Emittenten – grundsätzlich in Frage, dieser Anspruch teilt aber das gleiche Schicksal, wie der unmittelbare Anspruch aus Art. 35 a Ratingagentur – VO 1060/2009.

Auch ein solcher Anspruch ist nicht gegeben. So haften Ratingagenturen sowohl gegenüber Anlegern als auch gegenüber Emittenten nach Art. 35 a Rating-VO nur dann, wenn sie vorsätzlich oder grob fahrlässig bestimmte Zuwiderhandlungen begehen und sich diese auf das abgegebene Rating auswirken. Darüber hinaus muss das Rating ( bei Haftungsansprüchen von Anlegern) für die Entscheidung des Anlegers ursächlich gewesen sein, das geratene Papier zu erwerben, zu halten oder zu veräußern. Die Vorschrift des Art. 35 a der Rating-VO ist jedoch auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Unstreitig hat die Beklagte vorliegend ein Unternehmensrating erstellt. Zu Recht führt die Beklagte aus, dass Art. 35 a der Ratingagentur-VO unterscheidet zwischen Ansprüchen des Anlegers und Ansprüchen des Emittenten. So kann ein Anleger dann Schadensersatz verlangen, wenn er nachweist, dass er sich bei seiner Entscheidung, in ein Finanzinstitut, auf das sich dieses Rating bezieht, zu investieren, dieses Institut weiter zu halten oder zu veräußern, vertretbarer Weise in Einklang mit Art. 5 a Abs. 1 oder sonstiger Weise mit gebührender Sorgfalt auf dieses Rating verlassen hat. Erforderlich ist mithin ein Finanzinstrument, auf das sich das Rating bezieht. Ein Unternehmen selbst ist kein Finanzinstrument. Dies ergibt sich insbesondere aus der Differenzierung zu den Ansprüchen eines Emittenten. Ein Emittent kann nach Art. 35 a Abs. 1 unter Abs. 3 Schadensersatz verlangen, wenn er nachweist, dass das Rating sich auf ihn oder seine Finanzinstrumente bezieht, während ein Anleger ein solchen Anspruch nur hat, wenn sich das Rating auf ein Finanzinstrument bezieht, was vorliegend unstreitig nicht der Fall ist, Aus dieser Unterscheidung zwischen den Anspruchsvoraussetzungen für einen Anleger und einen Emittenten folgt das vorliegend ein Anspruch aus Art. 35a Rating – VO 1060/2009 nicht gegeben ist. Hierfür spricht auch die Begriffsbestimmung von Finanzinstrumenten im Sinne des § 1 Abs. 11 KWG.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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