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Schulrecht: Zuweisung an eine andere Schule

VG Mainz

Az.: 6 L 725/04.MZ

Beschluss vom 27.08.2004


In dem Verwaltungsrechtsstreit wegen Schulrecht Zuweisung an eine andere Schule und Antrag auf Prozesskostenhilfe
hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO
hat die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Mainz aufgrund der Beratung vom 27. August 2004 beschlossen:

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 12. Mai 2004 wiederherzustellen, wird abgelehnt.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

Der zulässige Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 12. Mai 2004 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 28. April 2004 wiederherzustellen, mit dem sie der XXXXXXXX-Schule in XXXXX zugewiesen wurde, bleibt erfolglos.

Bei der insoweit nach § 80 Abs. 5 VwGO zu treffenden Entscheidung ist in materieller Hinsicht das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs gegen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung abzuwägen. Bei dieser Abwägung der widerstreitenden Interessen kommt es regelmäßig nicht auf die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs an. Die sofortige Vollziehung kann vielmehr als Ausnahme von der gesetzlichen Folge der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 1 VwGO grundsätzlich nur angeordnet werden, wenn ein besonderes Vollzugsinteresse, welches das Individualinteresse des Betroffenen überwiegt, gegeben ist. Die Erfolgsaussichten im Verfahren zur Hauptsache sind allerdings dann von Bedeutung, wenn sich bereits aufgrund der summarischen Prüfung im Aussetzungsverfahren erkennen lässt, dass die angegriffene Verfügung offensichtlich rechtswidrig oder der dagegen eingelegte Rechtsbehelf offensichtlich aussichtslos ist. Kann bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht festgestellt werden, ob der Rechtsbehelf des Betroffenen sich als offensichtlich erfolgversprechend oder offensichtlich aussichtslos erweist, bedarf es einer Abwägung der widerstreitenden Interessen (Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 04. Aufl. 1998, RNr. 853 m.w.N.; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 03. Mai 1977, AS 14, S. 429, 436). Ergibt die durch das Gericht eigenständig vorzunehmende Interessenabwägung, dass es im Einzelfall zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes oder zur Wahrung sonstiger verfassungsrechtlich geschützter Rechtspositionen der aufschiebenden Wirkung nicht bedarf, so ist es von Verfassungs wegen nicht geboten, ein vorhandenes öffentliches Interesse an dem Vollzug des Verwaltungsaktes bis zum Eintritt seiner Bestandskraft zurücktreten zu lassen (Finkelnburg/Jank, a.a.O., RNr. 851 a.E.).

Im Falle der Antragstellerin erweist sich die angefochtene Verfügung vom 28. April 2004 als offensichtlich rechtmäßig.

Die getroffene Anordnung ist nicht bereits deshalb rechtsfehlerhaft, weil die Antragstellerin vor deren Erlass nicht gemäß § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – i.V.m. § 28 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – angehört wurde. Abgesehen von der später noch zu klärenden Frage, ob ein ent-sprechender Fehler möglicherweise im Hinblick darauf nach § 46 VwVfG unerheblich ist, dass eine andere Entscheidung in der Sache nicht hätte getroffen werden können, ist nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG ein möglicher Verfahrensfehler geheilt. Nach dieser Vorschrift kann die erforderliche Anhörung eines Beteiligten bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden. Der Antragsgegner hat mit Schreiben vom 21. Juli 2004 im Widerspruchsverfahren zu den Einwänden der Antragstellerin Stellung genommen und damit unter Einbeziehung der Argumente der Antragstellerin seine Entscheidung nochmals kritisch hinterfragt. Damit ist aber den Anforderungen an eine Anhörung der Beteiligten nach § 28 VwVfG Genüge getan.

Die vom Antragsgegner getroffene Anordnung, die Antragstellerin der XXXXXXX-Schule in XXXXXXXX zuzuweisen, findet ihre Rechtsgrundlage in § 12 Abs. 4 Satz 2 der Schulordnung für die öffentlichen Sonderschulen vom 29. Mai 2000 (GVBl Seite 219). Nach dieser Vorschrift kann die Schulbehörde eine Schülerin aus wichtigem Grund einer anderen Sonderschule als derjenigen, in deren Einzugsbereich sie wohnt, zuweisen. Im Falle der Antragstellerin liegt ein wichtiger Grund für eine derartige Zuweisung vor. Das Vorliegen eines wichtigen Grundes beschränkt sich jedenfalls im Falle der Sonderschulen nicht allein auf örtlich-organisatorische Erwägungen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass § 12 der Sonderschulordnung mit der Überschrift „Entscheidung über Fördermaßnahmen“ versehen ist. Bei der Frage der Zuweisung an eine bestimmte Schule ist stets auf den pädagogischen Aspekt einer den Defiziten des Schülers oder der Schülerin ent-sprechenden schulischen Förderung abzustellen. Maßgebend für die Beschulung in einer Sonderschule ist der nach § 11 Abs. 2 Sonderschulordnung ermittelte individuelle Förderbedarf des Betroffenen. Ein wichtiger Grund für die Zuweisung an eine andere Sonderschule ergibt sich hiernach auch immer dann, wenn dem individuellen Förderbedarf in der nach der Sonderschulordnung eigentlich vorgesehenen Sonderschule nur noch unzureichend oder gar nicht genügt werden kann. Gerade wenn dieses Defizit mit den spezifischen Verhältnissen an der bisherigen Sonderschule in Zusammenhang steht und auf absehbare Zeit durch interne Re-gelungen keine Verbesserung zu erwarten ist, liegt die Zuweisung an eine andere Sonderschule nahe. Im Falle der Antragstellerin kann aufgrund der im Zusammenhang mit ihrer Person eingetretenen Konflikte nicht erwartet werden, dass sie in der XXXXXXXXX-Schule eine ihrem sonderpädagogischen Bedarf entsprechende Förderung erfährt. Dabei können die Einzelheiten der Vorfälle vom 23. und 26. April 2004 dahinstehen, die Anlass für die von dem Antragsgegner getroffene Anordnung waren. Unstreitig dürfte jedenfalls sein, dass es zu nachhaltigen Konflikten zwischen den Mitschülern der Antragstellerin, ihren Lehrern einerseits und ihren Familienangehörigen andererseits gekommen ist. Zudem stellen auch die Eltern der Antragstellerin in ihren eidesstattlichen Versicherungen darauf ab, dass die Antragstellerin in der Schule wiederholt in erheblichem Umfange von ihren Mitschülern geärgert und gehänselt wurde und sich teilweise sogar veranlasst sah, hiernach das Schulgelände zu verlassen. Auch die Schulleiterin bestätigt in ihrer Stellungnahme vom 18. August 2004 entsprechende Konflikte mit den Mitschülern, die sie aber auch darauf zurückführt, dass die Antragstellerin nicht in der Lage ist, ihr eigenes Verhalten zu reflektieren und ihren Anteil an diesen Konflikten einzuschätzen. Die Schulleiterin führt des Weiteren aus, dass es in der eingetretenen Situation nicht mehr möglich gewesen sei, den Sachverhalt mit den Beteiligten in Ruhe zu klären und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Insbesondere der Vorfall vom 26. April 2004 hat nach Darstellung der Schulleiterin zu erheblichen Verwerfungen innerhalb des Schulgefüges geführt. Hiernach war aber im Zeitpunkt der Entscheidung des Antragsgegners mit einer weiteren Eskalation der Situation zu rechnen, die eine adäquate Förderung der Antragstellerin nicht mehr erwarten ließ.

Vor diesem Hintergrund war die getroffene Zuweisungsentscheidung nach § 12 Abs. 4 Satz 2 Sonderschulordnung nicht nur möglich, sondern geboten, da eine ihren Defiziten entsprechende Beschulung der Antragstellerin an ihrer bisherigen Schule jedenfalls einstweilen unmöglich war. Ihrem sonderpädagogischen Förderbedarf konnte nur durch die Zuweisung an eine andere Sonderschule genügt werden. Insoweit ist das dem Antragsgegner nach § 12 Abs. 4 Satz 2 Sonderschulordnung eingeräumte Ermessen auf Null reduziert.
Die getroffene Entscheidung erweist sich auch nicht als unverhältnismäßig. Der Schulweg zur XXXXXXXX-Schule in Ingelheim kann mit öffentlichen Verkehrsmitteln in einem angemessenen Zeitraum zurückgelegt werden. Nach Darstellung des Antragsgegners werden die entsprechenden Kosten von dem Schulträger, dem XXXXXXXXX, übernommen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes bemisst sich nach § 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG n.F.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts war abzulehnen, da die Rechtsverfolgung der Antragstellerin im Eilverfahren entgegen § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

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