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Selbstständiges Beweisverfahren – Anspruch auf Ladung Sachverständiger

OLG Köln – Az.: I-5 W 33/19 – Beschluss vom 18.11.2019

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 18.07.2019 gegen den Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 04.07.2019 wird dieser Beschluss abgeändert, soweit er eine Erläuterung des Gutachtens durch PD … ablehnt.

Die Kammer wird angewiesen, Herrn PD … zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens zu laden.

Der Antragstellerin wird ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt … in … für das Beschwerdeverfahren bewilligt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin führt das vorliegende selbstständige Beweisverfahren wegen einer im Krankenhaus der Antragsgegnerin geleiteten Geburt am 31.12.2017, bei der die Antragstellerin einen Dammriss erlitt. In der Folge trat bei der Antragstellerin eine Inkontinenz auf. Der Beweisbeschluss der Kammer vom 03.08.2018 enthält unter anderem folgende Beweisfragen:

1. Welcher pathologische Zustand liegt bei der Antragstellerin im Bereich ihres Perineums (Damm) einschließlich dem Schließmuskel des Afters vor? Insbesondere: Um welche Form (Grad) von Dammriss handelt es sich?

3. Welche Behandlungsmaßnahmen sind zur Behebung des pathologischen Zustands der Beweisfrage zu Z. 1 erforderlich?

In diesem Beweisbeschluss wurde Herr Professor … zum gynäkologischen Gutachter bestellt. Dieser teilte durch Schreiben vom 27.11.2018 mit (Bl. 380 der Akte), dass unter anderem die Fragen 1) und 3) des Beweisbeschlusses einer proktologischen Expertise bedürften. Durch Beschluss vom 04.01.2019 wurde daher Herr PD … zum weiteren Sachverständigen bestellt. Dieser erstattete sein Gutachten unter dem 20.04.2019 (Bl. 622 ff. der Akte), die Übersendung an die Antragstellerin erfolgte durch Beschluss vom 26.04.2019 (Bl. 632 der Akten) zur Stellungnahme innerhalb eines Monats. Mit Schriftsatz vom 13.05.2019 beantragte die Antragstellerin, beide Sachverständigen zur Erläuterung anzuhören (Bl. 664 der Akte). Dieser Antrag wurde im Schreiben vom 29.05.2019 (Bl. 680 der Akte) wiederholt und ergänzt. Durch Beschluss vom 04.07.2019 ordnete die Kammer ein Ergänzungsgutachten durch den Sachverständigen Prof. … an und wies eine Anhörung des Sachverständigen … zurück (Bl. 705 der Akte). Die Antragstellerin wendete sich mit Schriftsatz vom 18.07.2019 gegen die Versagung der Anhörung des proktologischen Sachverständigen und legte für den Fall, dass eine Anhörung auch später nicht angeordnet werden sollte, sofortige Beschwerde ein. Im Schriftsatz vom 25.07.2019 (Bl. 721 der Akte) begründete die Antragstellerin weiter, warum sie eine Anhörung für erforderlich hält.

Die Kammer hat der sofortigen Beschwerde durch Beschluss vom 28.10.2019 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Mit Schriftsatz vom 12.11.2019 hat die Antragstellerin Prozesskostenhilfe auch für das Beschwerdeverfahren beantragt.

II.

1. Die fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde gegen den Beschluss der Kammer vom 04.07.2019, mit dem die Anhörung des Sachverständigen … abgelehnt wird, ist statthaft gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO (vgl. Zöller, ZPO, § 490 Rnr 4; OLG Stuttgart, Beschluss vom 02.01.2014 – 10 W 34/13, BeckRS 2014, 6540).

2. Die sofortige Beschwerde ist auch begründet. Gemäß § 492 Abs. 1, 411 Abs. 4 ZPO kann die Partei auch im selbstständigen Beweisverfahren die Anhörung des Sachverständigen beantragen. Einen solchen Antrag hat die Antragstellerin bezüglich beider Sachverständiger innerhalb der von der Kammer gesetzten Frist gestellt.

Die Kammer hat die Anhörung des proktologischen Sachverständigen jedoch nicht angeordnet, da sie sachliche Einwendungen bezüglich des Gutachtens des … dem Schriftsatz vom 18.07.2019 nicht entnehmen konnte und die Auffassung vertreten hat, die Ausführungen im Schriftsatz vom 25.07.2019 bezögen sich in ihrer Zielrichtung auf die Streithelferin und könnten daher nicht im Verfahren gegen die Antragsgegnerin geklärt werden.

Diese Ausführungen tragen die Ablehnung der Anhörung des Sachverständigen nicht.

Grundsätzlich kann von der Partei, die einen Antrag auf Ladung des Sachverständigen stellt, nicht verlangt werden, dass sie die Fragen, die sie an den Sachverständigen zu richten beabsichtigt, im Voraus konkret formuliert. Es genügt, wenn sie allgemein angibt, in welcher Richtung sie durch ihre Fragen eine weitere Aufklärung herbeizuführen wünscht (BGHZ 24, 9; BGH, Beschluss vom 22. 5. 2007 – VI ZR 233/06, DS 2007, 269). Diesen Anforderungen wird die Antragstellerin gerecht.

In welche Richtung die Fragen an den proktologischen Sachverständigen gehen sollen, ergibt sich bereits aus dem Schriftsatz der Antragstellerin vom 29.05.2019. In diesem Schriftsatz und insbesondere seiner Anlage ergibt sich, dass ein anderer Behandler die bei der Antragstellerin vorhandenen Schäden und insbesondere die Chancen ihrer Beseitigung anders einschätzt, als dies der gerichtliche Gutachter in Beantwortung der oben zitierten Beweisfrage 3) getan hat. Der Schriftsatz vom 29.05.2019 sagt zwar nicht ausdrücklich, jedoch in seiner Intention, dass der gerichtliche Sachverständige mit dieser unterschiedlichen Auffassung konfrontiert und zu ihr befragt werden soll. Dies wird im Übrigen im Schriftsatz vom 25.07.2019 erneut aufgegriffen und hinzugefügt, dass diese Problematik für die Höhe eines eventuell zu zahlenden Schmerzensgeldes relevant sei.

Eine weitere Stoßrichtung der Fragen ergibt sich aus der Zitierung des Gutachtens des … im Schriftsatz vom 25.07.2019 und der aufgeworfenen Frage, inwiefern die Rekonstruktion des Schließmuskelapparates unmittelbar nach der Geburt erfolgt und gegebenenfalls ausreichend war. Zwar dürfte die Erstversorgung durch die Geburtshelfer auch von dem gynäkologischen Gutachter Prof. … zu beurteilen sein, es ist jedoch nicht fernliegend, beide Gutachter bei einem Ineinandergreifen ihrer Fachgebiete gleichzeitig zu dieser Problematik zu befragen.

Insgesamt hat daher die Antragstellerin hinreichend deutlich gemacht, welche Ergänzungsfragen sie dem Gutachter zu stellen beabsichtigt. Eine rechtsmissbräuchliche oder prozessverschleppende Absicht der Antragstellung, die eine Ablehnung der Anhörung rechtfertigen könnte, liegt fern; der Gutachter kann zu dem bereits bestimmten Termin zur Anhörung noch geladen werden.

III.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 91 ZPO.

Prozesskostenhilfe war der Antragstellerin gem. § 114 ZPO für die erfolgreiche Rechtsverfolgung aufgrund ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu bewilligen.

Beschwerdewert: 3.000 EUR

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