LG Berlin, Az.: 2 O 125/14
Urteil vom 19.08.2014
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die am 24. Januar 1964 geborene Klägerin wurde am 3. Januar 2011 bei einem Skiunfall durch eine Kollision mit dem Beklagten verletzt. Sie erlitt durch eine tiefe Schnittwunde neben Weichteilverletzungen eine Durchtrennung der hinteren Schienenbeinarterie und von Unterschenkel nerven und -muskeln. Sie wurde stationär behandelt und dabei zeitweise ins künstliche Koma versetzt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Arztbriefe des Kreiskrankenhauses … vom 4. Februar 2011 (Anlage K 2 der BA 9 O 249/11) und des Universitätsklinikum … vom 18. Februar 2011 (Anlage K 3 der BA 9 O 249/11) Bezug genommen.
Die Klägerin verklagte den Beklagten im Verfahren 9 O 249/11 LG Berlin auf Feststellung der Schadensersatzpflicht und Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten. Die Haftpflichtversicherung des Beklagten zahlte an die Klägerin 5.000,- €. Der Beklagte erklärte, sich zu verpflichten, der Klägerin den entstandenen Schaden zu ersetzen, soweit er nicht auf Dritte übergegangen sei und den Betrag von 5.000,- € übersteige. Die Parteien erklärten die Feststellungsklage übereinstimmend für erledigt. Die Zahlungsklage wurde vom Landgericht abgewiesen, und die Kosten des Rechtsstreits wurden der Klägerin überbürdet. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil vom 25. Januar 2012 Bezug genommen (Bl. 1 – 8 AH der BA 9 O 249/11). Das Urteil ist rechtskräftig.
Die Haftpflichtversicherung des Beklagten zahlte an die Klägerin am 11. Mai 2012 weitere 20.000,- € und am 20. Dezember 2012 noch weitere 18.500,- €. Sie erklärte dabei, dass sie 35.000,- € als Schmerzensgeld für ausreichend erachte, 7.000,- € für den Haushaltsführungsschaden und 1.500,- € zur beliebigen Verwendung bestimmt seien. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 20. Dezember 2012 (Anlage K 14) Bezug genommen. Mit Anwaltsschreiben vom 4. April 2012 (Anlage K 10) ließ die Klägerin den Beklagten unter Fristsetzung bis zum 23. April 2011 u.a. zur Zahlung eines Schmerzensgeld in Höhe von 78.000,- € auffordern.
Die Klägerin behauptet, sie sei den Skihang gemeinsam mit einem Skilehrer, ihrem Ehemann und ihrer Tochter befahren. Sie sei langsam von rechts nach links unten quer über den Hang gefahren. Der Beklagte habe sie mit hoher, seinem Fahrkönnen nicht angepasster Geschwindigkeit von oben kommend gerammt und sich grob rücksichtslos verhalten. Die Geschwindigkeitsdifferenz habe mindestens 30 km/h betragen. Ohne die ihr noch auf der Piste geleistete medizinische Hilfe wäre sie verblutet.
Sie habe sich nach dem Unfall einmal wöchentlich einer physiotherapeutischen Behandlung und einmal wöchentlich einer Scanlab- bzw. Stromanwendung unterzogen. Dreimal wöchentlich habe sie Massagen erhalten und mehrfach die Polklinik … zu Kontrolluntersuchungen besucht. Bis Mitte Juni 2012 seien 172 Termin mit Taxikosten in Höhe von 73,40 € angefallen. Für nicht erstattungsfähige Selbstbeteiligungskosten und Rezeptgebühren seien 196,99 € angefallen. Sie sei mit Wirkung zum 15. November 2011 dem Verein für Gesundheitswesen und Sporttherapie „…“ e.V. beigetreten. Die Aufnahmegebühr betrage 35,- €, der monatliche Mitgliedsbeitrag 72,- €.
Seit ihrer Entlassung aus der stationären Behandlung leide sie an einer schweren Sensibilitätsstörung des Unterschenkels. Es lägen eine erhebliche Kraftlosigkeit, Taubheitsgefühle, Kribbelgefühle und Schmerzen am Fußrücken vor. Sie sei nicht in der Lage, sich mit ihrem linken Bein hinzuknien. Sie entwickele in Bauchlage Muskelkrämpfe an der linken Fußsohle. Treppab Laufen sei nur erschwert möglich. Lange Strecken könne sie nur unter Verwendung eines „Heidelberger Winkels“ mit Schmerzen zurücklegen. Die Operationsnarbe sei 25 cm lang, die Unterschenkel würden sich in ihrer Struktur voneinander unterscheiden. Dies stelle eine erhebliche ästhetische Beeinträchtigung der Klägerin dar. Bis zu dem Unfall sei sie sportlichen Aktivitäten wie Golfen, Radfahren, Schwimmen, Rasieren Tanzen, Segeln, Wandern, Eisläufen und Skifahren nachgegangen. All dies könne sie nunmehr nicht mehr ausführen. Sie sei in ihrer Mobilität stark eingeschränkt. Mit einer Besserung sei nicht mehr zu rechnen. Es kündige sich eine beginnende Hüftfehlstellung an. Mit der Notwendigkeit der Implantation einer Hüft-TEP sei zu rechnen.
Zum Unfallzeitpunkt sei sie geringfügig beschäftigt gewesen. Sie habe ein Nettoeinkommen in Höhe von 380,40 € monatlich erzielt. Unfallbedingt sei es ihr bis zum 31. Dezember 2011 nicht mehr möglich gewesen, ihrer beruflichen Tätigkeit nachzugehen.
Sie habe sich vor dem Unfall um ihren dreiköpfigen Haushalt gekümmert. Neben ihrem Ehemann wohne noch ihre achtzehnjährige Tochter in dem eine Wohnfläche von 230 m2 aufweisenden Haus mit einer Grundstücksfläche von 1,150 m2. Ca. 2 m2 des Gartens würden als Nutzgarten, ca. 800 m2 als Ziergarten genutzt. Ihr Ehemann sei mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 50 bis 55 Stunden viel außer Haus. Arbeitstäglich müsse er ca. 140 Minuten für den Weg von und zur Arbeit aufwenden.
Sie habe viel Zeit für die Zubereitung der gemeinsamen Mahlzeiten der Familie morgens, mittags uns abends aufgewendet. Drei mal wöchentlich habe sie den Fußboden – Parkett und Schiefer – aufgewischt. Den Boden im Esszimmer habe sie sogar nahezu täglich geputzt. Das Schlafzimmer habe sie ein- bis zweimal wöchentlich geputzt. Die Familie habe täglich die Wäsche gewechselt. Geschirr-, Tisch- und Handtücher und die Bettwäsche seien regelmäßig gewechselt worden. Dadurch sei viel Wäsche angefallen. Im Haushalt lebe ein Jagdhund. Dieser benötige sehr viel Auslauf.
Sie habe mit dem Einkäufen der Lebensmittel Schwierigkeiten, weil dies Laufen, Stehen, Tragen und Hocken erfordere. Mit dem Zubereiten der Mahlzeiten habe sie Schwierigkeiten, weil dies längeres Stehen erfordere. Zum Ein- und Ausräumen der Geschirrspülmaschine müsse sie sich Hinhocken. Das sei ihr unmöglich. Das Spülen von Hand erfordere längeres Stehen, Derartige Schwierigkeiten bestünden auch beim Putzen
Sie könne Einkaufswege nur noch mit dem Auto zurücklegen. Langes Laufen, Fahrradfahren oder Tragen schwerer Gegenstände sei ihr nicht mehr möglich. Beim Kochen könne sie keine Utensilien mehr aus den Oberschränken nehmen bzw. dorthin zurückstellen und nicht mehr länger stehen. Beim Geschirrspülen sei ihr nicht möglich, Geschirr in die Oberschränke einzuräumen und langes Stehe sie nicht mehr möglich. Sie könne den Staubsauger nicht über die Etagen transportieren. Sie benötige Hilfe beim Abnehmen der Vorhänge. Hocken und Knien seien ihr beim Putzen nicht mehr möglich. Im Garten könne sie nur noch die Terrasse fegen, den Garten sprengen und kleinere Büsche stutzen. Laub- und Grassäcke könne sie nicht mehr tragen, nicht mehr Rasen mähen, Unkraut jäten, Pflanzen oder mit dem Spaten umgraben. Sie könne den Wäschekorb nicht mehr tragen und sei beim Aufhängen und Einräumen der Wäsche eingeschränkt.
Sie sei dauerhaft in ihrer Haushaltsführungsmöglichkeit um 40,4 % gemindert. Wegen der Einzelheiten wird auf die Aufstellung auf Seite 12 der Klageschrift (Bl. 12 d.A.) Bezug genommen. Nach entsprechender Umorganisation beteilige sich Ehemann mit 50 % an Einkauf, Kochen und Gartentätigkeit und 30 % an Spülen, Putzen und Waschen. Ihre Tochter beteilige sich nicht.
In der Zeit vom 3. Februar 2011 bis zum 19. Februar 2011 habe ein ungedeckter Haushaltsführungsbedarf von 8,8 Stunden pro Tag bestanden. Seit dem 20. Februar 2011 bestehe ein ungedeckter Haushaltsführungsbedarf von 3,56 Stunden pro Tag. Dies summiere sich für die Zeit bis zum 31. Dezember 2013 auf 1.830,40 € und weitere 37.202,-€. Für die Zukunft werde eine Rente geschuldet. Wegen der Einzelheiten wird auf die Seiten 11 bis 12 der Klageschrift (Bl. 11 – 12 d.A.) Bezug genommen.
Die Klägerin hält ein Schmerzensgeld in Höhe Von mindestens 78.000,- € für angemessen. Es müsse berücksichtigt werden, dass sie als älterer Mensch nicht mehr so gut wie ein jüngerer Mensch in der Lage sei, sich auf die unfallbedingte Behinderung einzustellen. In Höhe von 2.177,39 € beansprucht sie Ersatz für Taxi, Vereinsbeiträge und Zuzahlungen. Als Erwerbsschaden verlangt sie 11 Monate zu je 380,40 €, insgesamt 4.184,40 €. Die von der Haftpflichtversicherung erbrachten Leistungen rechnet sie an.
Die Klägerin beantragt mit der am 6. Mai 2014 zugestellten Klage, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 36.894,19 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, ein in das Ermessen des Gerichtes gestellte weiteres Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 43.000,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. April 2012 und eine vierteiljährliche Rente in Höhe von 3.239,60 € zum 1. Kalendertag eines jeden Quartals im Voraus zu zahlen, beginnend mit dem 1. Januar 2014.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er behauptet, es habe sich um einen Kreuzungsunfall gehandelt. Es ließe sich nicht sagen, wer „von hinten“ gekommen sei. Er sei ebenso wie die Klägerin quer zum Hang gefahren. Er sei dabei sehr langsam auf der linken Seite des Hanges gefahren, um schnellere von hinten kommende Skifahrer nicht zu behindern. Die Klägerin sei plötzlich vor ihm aufgetaucht. Er habe sich vor Schreck auf den Hosenboden fallen lassen, um einen Zusammenprall zu vermeiden. Es sei ein bloßer Zufall, dass er in die Klägerin hineingefahren sei und nicht umgekehrt die Klägerin in ihn. Er habe seine Einstandspflicht bloß deswegen anerkannt, weil die Verletzung der Klägerin auf der Unterschenkelrückseite den Anschein erwecke, dass er „von hinten“ gekommen sein müsse, und er keine Aussichten sehe, diesen unzutreffenden Anschein widerlegen zu können.
Der von der Klägerin erlittene Dauerschaden könne durch das Tragen einer Peronaeusschiene bzw. „Heidelberger Winkels“ ausgeglichen werden. Die Darstellung der Belastungen der Klägerin und ihres Ehemannes seien unplausibel. Die Klägerin sei seit dem 1. Januar 2012 wieder berufstätig. Angesichts des weit überdurchschnittlichen Familieneinkommens sei es unwahrscheinlich, dass die Klägerin vor dem Unfall keinerlei Haushaltshilfe und auch keinen Gärtner beschäftigt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Klage ist abzuweisen, weil die zum Gegenstand der Klage gemachten Ansprüche der Klägerin durch die bisherigen Leistungen der Haftpflichtversicherung vollauf erfüllt sind. Die Haftung des Beklagten aus § 823 BGB ist dem Grunde nach unstreitig, auch wenn der Beklagte sich insoweit allein wegen Beweisnot nicht ernsthaft verteidigt.
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf noch weiteres Schmerzensgeld. Die Kammer hält dafür, dass bereit ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000,- € ausreichend erscheint. Jedenfalls decken die – unstreitig – mit der Zahlungsbestimmung „Schmerzensgeld“ gezahlten 35.000,- € alle fälligen Ansprüche der Klägerin vollständig ab.
Die vorgetragenen Vorstellungen der Klägerin und auch ihre Vergleichsmaßstäbe sind überzogen. Sowohl der Vergleich mit den den im Verfahren 7 U 88/09 OLG Stuttgart (Urteil vom 21. Oktober 2010, Rdnrn. 37 ff.) zuerkannten Schmerzensgeld zu Grunde liegenden Verletzungen als auch der Vergleich mit der im Verfahren des LG Köln (Urteil vom 19. März 2008, 25 O 180/05, Rdnr. 55, zitiert nach juris) klagenden Verletzten ist vermessen. Die Verletzungen nach dem Motorradunfall mit einer Unterschenkelfraktur III. Grades und sowohl die komplizierten und langwierigen Heileingriffe insbesondere die Knochenstreckung als auch die verbliebenen Dauerschäden (Beinverkürzung!) gehen weit und deutlich über das der Klägerin widerfahrene Leid hinaus und müssen mindestens als doppelt, wenn nicht sogar dreimal so schlimm angesehen werden. Das LG Köln hat hingegen seine Zumessung vor allem auf die Jugend der beim Schadenseintritt erst fünfzehn Jahre alten Geschädigten gestützt und ausgeführt: „Im vorliegenden Falle waren insbesondere das jugendliche Alter der Klägerin, die zahlreichen Operationen und die die Klägerin bis an ihr Lebensende begleitenden Einschränkungen zu beachten.“ Zwei dieser drei Voraussetzungen werden von der bei Schadenseintritt deutlich älteren Klägerin nicht erfüllt. Es ist nicht nur zu beachten, dass jene Geschädigte mehr als 30 Jahre jünger ist und insgesamt voraussichtlich mindestens doppelt so lange wie die Klägerin mit den Folgen der Verletzung leben muss, sondern dass es nach Auffassung des erkennenden Richters einen Riesenunterschied bildet, ob eine junge heranwachsende Frau sich erst ihren Platz im Leben suchen und begründen muss und dabei in vielerlei Hinsicht durch ihre Verletzung behindert und beeinträchtigt wird, oder ob – wie vorliegend – eine Verletzung eine bereits solide und abschließend etablierte Persönlichkeit trifft, bezüglich derer keine erkennbaren Sorgen bestehen, dass sich die Verletzung für ihre Berufsausbildung, ihre Berufsausübung und ihre Familiengründung noch in wirklich relevanter Weise auswirken wird.
Eine Betrag von 25.000,- € bewegt sich durchaus innerhalb des von der Rechtsprechung für vergleichbare Verletzungen zuerkannte Beträge. Das Landgericht Wiesbaden hat wegen einer durch eine vorsätzliche Körperverletzung (!) erforderlich gewordenen Unterschenkelamputation 40.000,- € zugesprochen (Urteil vom 15. April 2010, 9 O 189/09, Rdnr. 13, zitiert nach uns). Das OLG Hamm (Urteil vom 12. November 2013, 26 U 107/11, Rdnr. 28, zitiert nach juris) hat wegen einer Fußverletzung mit Komplikationen und mehrfachen Eingriffen, die als Dauerschaden dazu führte, dass der Geschädigte nur noch kurze Wegstecken zu laufen vermochte, 30.000,- € zugesprochen. Die Klägerin hat in ihrer persönlichen Anhörung angegeben, noch etwa 4 km am Stück laufen zu können. Die meisten Menschen werden im Rahmen ihre alltäglichen Lebens alltäglich eine unter 4 km liegende Wegstrecke zurücklegen. Das OLG Koblenz hat für eine Schussverletzung im Bein, die zu einer anhaltenden Schädigung des Sprunggelenkes führte, 10.000,- € zuerkannt (Beschluss vom 19. August 2013, 5 U 847/13, veröffentlich bei juris). Das OLG München hat nach Unterschenkelfraktur mit Ausfall der Belastbarkeit des Beines als eine erhebliche Behinderung der Haus- und Gartenarbeit bildendem Dauerschaden 25.000,- € zugesprochen (Urteil vom 26. Mai 2010, 20 U 2650/09, Rdnr. 33 ff., zitiert nach juris)
Nicht berücksichtigt werden kann die Gefahr einer Hüftfehlstellung, da insoweit offensichtlich niemand weiß, was wirklich geschehen wird, und inwieweit sich die physiotherapeutischen und sportlichen Betätigungen der Klägerin auswirken. Im Rahmen einer Leistungsklage kann insoweit nichts für die Klägerin veranlasst werden.
Es kann ebenso dahingestellt bleiben, dass die Kammer es bereits nicht einmal als dargelegt erachtet, dass der Beklagte grob rücksichtslos oder leichtfertig gehandelt habe, wie dahingestellt bleiben kann, dass im Falle einer Feststellung einer derartigen Behauptung das Schmerzensgeld nicht mit einem über 30.000,- € hinausgehenden Betrag zu bemessen wäre.
2.. Die von der Haftpflichtversicherung über die von dieser als Schmerzensgeld angesehen 35.000,- € hinaus gezahlten 8.500,- € decken alle Ansprüche der Klägerin ab, die über Schmerzensgeldansprüche hinausgehen.
Es kommt dabei nicht einmal darauf an, ob die von der Klägerin beanspruchten Leistungen berechtigt sind. Selbst, wenn ihr die verlangten 73,40 € für Taxifahrten, 196,99 € für Zuzahlungen, 1.907,- € für Vereinsbeiträge, 1.126,40 € als Haushaltsführungsschaden für den Zeitraum vom 3. Bis 19. Februar 2011 und 1.902,- € als Erwerbsschaden für den Zeitraum bis einschließlich Juni 2011 zuzuerkennen sei sollten, würden die verbleibenden 3.294,21 € immer noch überdeutlich ausreichen, den Haushaltsführungsschaden für den Zeitraum vom 20. Februar bis zum 30. Juni 2011 abzudecken.
aa) Die Klägerin hat für den Zeitraum vom 3. bis zum 19. Februar 2011 schon deswegen keinen über 1.126,40 € hinausgehenden Haushaltsführungsschaden, weil gemäß § 287 ZPO evident außer Frage steht, dass im Berliner Raum bei rein fiktiver Schadensberechnung ein Netto-Ansatz von 8,- € pro Stunde angemessen ist. Die wenigsten der im Berliner Raum tätigen Haushaltshilfen, werden mehr verdienen, schon gar nicht die, die ordnungsgemäß Steuern und Sozialversicherungsbeiträge abführen.
bb) Abgesehen davon, dass eigentlich bereis nicht dargetan oder sonst ersichtlich ist, dass die Klägerin vor dem 30. Juni 2011 arbeitsunfähig war, ist jedenfalls nichts dafür ersichtlich, dass sie ab dem 1. Juli 2011 arbeitsunfähig war. In ihrer persönlichen Anhörung hat sie angegeben, lediglich bis Ende Juni 2011 krankgeschrieben gewesen zu sein. Sie habe nicht gearbeitet, weil sie verletzungsbedingt ihre Arbeitsstelle nicht habe erreichen können. Das, was sie geschildert hat, ist aber nicht eine Frage des „Könnens“, sondern ausschließlich eine Frage des „Wollens“. Die Kammer hat durchaus Verständnis dafür, dass die Klägerin es abgelehnt hat, sich der für die Erreichung der Arbeit erforderliche Hilfsmittel (wie z.B. insbesondere eines Rollstuhls) zu bedienen, und die Kammer verkennt auch nicht, dass es trotz dieses Hilfsmittel noch immer mit gewissen Schwierigkeiten verbunden gewesen wäre, die Arbeitsstelle zu erreichen. Es steht der Klägerin durchaus frei, unter diesen Umständen nicht arbeiten zu wollen, aber sie kann dies nicht zum Nachteil des Beklagten geltend machen. Nachdem das Ganze sogar mehr oder weniger an der Ausrüstung des anzuschaffenden (und wohl auch angeschafften) Kraftfahrzeuges hing, kann die Klägerin ggf. auch dieses eigene Unterlassen nicht dem Beklagten anlasten. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Veranlassung zur Anschaffung des Kraftfahrzeuges nicht schon in dem Zeitraum getroffen werden konnte, zu dem absehbar wurde, dass die Klägerin eine solches benötigen werde, sind nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich.
3. Es kann nicht festgestellt werden, das die Klägerin ab dem 1. Juli 2011 noch in einem Maße beeinträchtigt war, dass sie tatsächlich einen Haushaltsführungsschaden erlitten hat. Das liegt nicht nur daran, dass es in außerordentlich hohem Maße unplausibel erscheint, was die Klägerin an eigener Tätigkeit und eigenem Zeitaufwand geschildert hat, neben Essen, Trinken, Schlafen und Körperpflege eigentlich kaum leistbar ist, und die behaupteten arbeitszeitbedingte zeitlichen Belastungen ihres Ehemannes es eigentlich nicht erlauben können, das ihm neben Essen, Schlafen und Körperpflege noch genug Zeit bleibt, der Klägerin in dem behaupteten Umfang Hausarbeit abzunehmen.
Vor allem hat die Klägerin selber eindrucksvoll dargelegt, dass die von ihr behaupteten Hindernd gen der Hausarbeit ganz überwiegend darauf beruhen, dass sie diese einfach nur fehlerhaft oder jedenfalls nicht hinreichend organisiert hat. Es ist anerkannt, das ein Haushaltsführungsschaden gar nicht erst vorliegt, wenn sich Beeinträchtigungen der Haushaltsführung durch bloßes Umorganisieren durch den Einsatz von Hilfsmitteln vermeiden lassen (z.B. OLG Saarbrücken, Urteil vom 25. Juli 2013, 4 U 244/12, Rdnr. 43).
Beim Kochen ist die Klägerin ausweislich ihres eigenen Vorbringens praktisch nicht beeinträchtigt. Die schlechte Erreichbarkeit von Utensilien in den Oberschränken lässt sich – elementar! – dadurch beseitigen, dass die Utensilien so verwahrt werden, dass die Klägerin herankommt. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass dies u.U. nur durch einen gewissen Umbau der Küche möglich ist, aber ein genau derartiger Umbau ist der Klägerin durchaus zuzumuten, selbst wenn er Kosten im unteren vierstelligen Bereich verursachen sollte. Dies gilt umso mehr, weil die Klägerin vom Beklagten für die nächsten dreißig Jahre knapp 400.000,- Rente haben will. Es liegt auf der Hand, dass es dann immer noch deutlich günstiger ist, wenn nur ein geringfügiges Bruchteil davon in Umbauten und Hilfsmittel investiert wird. Die von der Klägerin geklagten Hinderungen könnten in ihrer Gesamtheit ganz überwiegend allein durch Investitionen in einer unter 10.000,- € liegenden Größenordnung beseitigt werden.
Das lange Stehen betrifft nicht nur die Klägerin sondern alle Hausfrauen. Es gibt auf dem Markt ein vielfältiges Angebot von entsprechenden Steh- bzw. Sitzhilfen, die es ermöglichen, Haushaltstätigkeiten wie insbesondere Kochen, Spülen und Bügeln statt im Stehen im Sitzen zu verrichten.
Auf diese Art und Weise und durch ein sinnvolles Einräumen (oder gewissen Umbau der Küchenschränke) lässt sich sowohl alles in Reichweite der Klägerin unterbringen als auch das Erfordernis längeren Stehens beim Spülen vermeiden. Das tiefe Bücken zum Ein- und Ausräumen der Geschirrspülmaschine lässt sich durch einen entsprechenden Hoch-Einbau der Maschine ebenso vermeiden, wie vielfach aus eben diesem Grund oft schon auch Backöfen entsprechend hoch eingebaut sind.
Das Erfordernis eines Transportes des Staubsaugers in verschiedene Etagen lässt sich am einfachsten dadurch vermeiden, dass für jede Etage ein Staubsauger angeschafft wird.
Die Einschränkungen in der Reichweite der Klägerin beim Einkäufen lassen sich am ehesten dadurch ausgleichen, dass die Klägerin sich insoweit vom Personal helfen lässt. Es gibt Leute, die sehr viel schwerwiegender gesundheitlich und körperlich gehandicapt sind als die Klägerin. Auch die müssen einkaufen gehen und kommen zurecht und kommen gar nicht darum herum, sich vom Personal helfen zu lassen. Es mag sein, dass sich dadurch gewisse Verlängerungen der Einkaufsdauer ergeben und die Klägerin dies psychisch als schadensbedingte Hilflosigkeit empfindet. Dies bildet aber keinen Grund, ihr innerhalb von 30 Jahren 400.000,- Euro Haushaltsführungsschaden zuzusprechen sondern ist ggf. im Rahmen der Bemessung des immateriellen Schadensersatzes zu berücksichtigen.
Das gilt auch für die von der Klägerin behaupteten Einschränkungen beim Tragen der Einkaufs. Auch insoweit gibt es geeignete Hilfsmittel: insbesondere z.B. rollfähige Einkaufstaschen. Auch beim Einladen in ihr Fahrzeug kann die Klägerin ggf. die Hilfe des Personals oder von Passanten in Anspruch nehmen. Dies würde und müsste auch jeder andere mit einem vergleichbaren Handicap so machen und ihm würde – erfahrungsgemäß – auch genau diese Hilfe widerfahren. Die Klägerin kann nur verlangen, gesellschaftlich integriert zu werden, nicht aber darüber hinausgehende Leitungen. Soweit auch insoweit es als Schaden anzusehen ist, sich helfen lassen zu müssen, ist das allein ein immaterieller Schaden. Die eigentlich einzige wirkliche Schwierigkeit die der Klägerin handicapbedingt beim Einkäufen verbleibt, ist die Schwierigkeit, wirklich schwere Sachen zu Hause aus dem Auto ausladen zu müssen. Es ist aber anerkannt, dass ein ersatzfähiger Haushaltsschaden auch dann noch nicht vorliegt, wenn der Geschädigte nicht nur seinen Haushalt in sich selber durch den Einsatz von Hilfsmitteln umorganisieren muss, sondern auch dann, wenn die Umorganisation erfordert, dass – selbst bisher nicht im Haushalt tätige – Familienmitglieder in geringem Umfang Haushaltstätigkeit übernehmen müssen. Das hat seine Ursache vor allem drin, dass ein Haushaltsführungsschaden überhaupt nur dann als solcher anerkannt wird, wenn die Beeinträchtigung in der Haushaltsführung über ein gewisses Mindestmaß hinausgeht, das bis zu einer Größe von 10 % reichen kann. (z.B. KG, Urteil vom 7. Januar 2008, 12 U 111/07, Rdnr. 19, zitiert nach juris; Palandt-Sprau, BGB, 73. Aufl., § 843 Rdnr. 8). Es gilt dabei durchaus der Grundsatz, dass die Umorganisation Haushaltsangehörige nicht mehr belasten darf als sie zuvor belastet waren. Bei einem gar nicht mitarbeitenden Angehörigen sind jedoch kleinere Belastungen, die über eine geringfügige und zumutbare Hilfe nicht hinausgehen, zumutbar (OLG Celle, Urteil vom 6. Oktober 2010, 14 U 55/10. Rdnr. 48, zitiert nach juris). Das ist natürlich grundsätzlich Frage des Einzelfalls, aber tendenziell ist schon auf der Grundlage der allgemeinen Lebenserfahrung – davon auszugehen, bei einem zuvor im Haushalt nicht mitarbeitenden Ehemann eine Belastung für gewisse Hilfeleistungen mit 10 % der Haushaltstätigkeit noch zulässig und zumutbar ist. Dies liegt bereits daran, dass ein Ehemann als „Pascha“, der sich zur Hause einfach nur von allen Seiten bedienen lässt, nicht nur nicht mehr zeitgemäß sondern auch schlicht nicht mehr üblich ist, sondern eine gewisse Mitarbeit – selbst bei extremer täglicher beruflicher Betastung – regelmäßig völlig selbstverständlich ist. Nachdem die Klägerin selber behauptet, wöchentlich über 60 Stunden Haushaltsarbeit zu leisten, ist auf dieser Grundlage im Zweifel eine Umorganisation, die ihrem Ehemann wöchentlich sechs Stunden bestimmter Haushaltsarbeiten zuweist, noch zumutbar und nicht als ersatzfähiger Schaden anzusehen. Zwei- bis dreimal in der Woche, die schwereren Einkäufe aus dem Auto ins Haus zu bringen, dürfte allerdings bereits mit einem wöchentliche Zeitaufwand von nur 30 Minuten zu erledigen sein.
Auch die Wäsche kann die Klägerin bei entsprechender Umorganisation im wesentlichen allein erledigen. Es gibt Wäschekörbe, die sich auf Rollen fahren lasen, und eine Waschmaschine lässt sich auch hochgebaut in der Küche unterbringen. U.U. müssen die Aufhängevorrichtung etwas tiefergelegt werden und u.U. müssen die Aufhängemöglichkeiten ausgedehnt werden. Das Abnehmen von Vorhängen ist eine Tätigkeit, die üblicherweise schon von Hause aus nicht ohne Hilfe einer zweiten Person erledigt wird und erledigt werden kann und auch ansonsten wird bei den Reinigungsarbeiten sicherlich in der Tat das eine oder andere verbleiben, bezüglich dessen die Klägerin dargelegt hat, es nicht mehr zu können. Das gilt grundsätzlich auch für den Garten, wobei allerdings auch insoweit in gewissen Maße in zumutbarer Weise eine Umorganisation in einen pflegeleichten Ziergarten verlangt werden kann. Auch für das Rasenmähen gibt es mittlerweile völlig selbsttätig mähende Hilfsmittel. Wenn man den Garten zu seinem Hobby macht, kann man sich sicherlich jeden Tag stundenlang beschäftigen. Wenn man den Garten hingegen als pflegeleichten Ziergarten ausgestaltet, hält sich der notwendige Arbeitsaufwand in Grenzen. Insgesamt ist nicht dargelegt oder sonst ersichtlich, dass die vom Ehemann der Klägerin zu übernehmenden Arbeiten einen Zeitaufwand von sechs Stunden übersteigen.
Etwas anders ergibt sich nicht, wenn man sich an der Aufstellung der Klägerin orientiert. Dabei mag sogar vernachlässigt werden, dass ein Ansatz von 9,24 Wochenstunden für den Einkauf nicht nachvollziehbar erscheint. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin kann jedenfalls allenfalls eine Minderung der Haushaltsführungsfähigkeit der Klägerin beim Einkauf von 10 %, beim Saubermachen von 20 % und bei der Gartenarbeit von 40 % angesetzt werden. Alles andere beträgt – jedenfalls bei zumutbarem Einsatz von Hilfsmitteln – 0 %. Insgesamt ergibt sich auf der Basis der eigenen Berechnung der Klägerin eine Gesamtminderungsquote von 8,3 % und eine wöchentliche Ausfallzeit von 5,11 Stunden, die ihr ihr Ehemann in zumutbarer Weise abnehmen kann.
In keiner Weise anerkannt werden kann der Zeitbedarf für das Ausführen des Jagdhundes. Das mag allenfalls dann ein Schaden sein, wenn die Versorgung eines Haustieres vorübergehend verletzungsbedingt nicht möglich ist. Es ändert aber nichts daran, dass das Halten eines umfangreichst auslaufbedürftigen Jagdhundes keine Haushaltstätigkeit sondern ausschließlich Freizeitbeschäftigung und Hobby ist. Es mag durchaus einen immateriellen Schaden bilden, wenn die Klägerin ihren bisherigen Freizeitbeschäftigungen und Hobbys nicht oder nur noch eingeschränkt nachgehen kann. Einen Haushaltsführungsschaden hat sie insoweit jedoch definitiv nicht.
4. Die verbleibenden 3.294,21 € decken den Haushaltsführungsschaden im Zeitraum vom 20. Februar bis zum 30. Juni 2011 allemal ab. Es handelt immerhin insgesamt um über 411 Stunden, die sogar eine wöchentliche Ausfallzeit von über 20 Stunden abdecken.
5. Soweit in Betracht kommt, dass die Klägerin für die Umorganisation und Umbauten ihres Haushaltes sowie Hilfsmittel in einer Größenordnung von 5.000,- bis 10.000,- € Ansprüche haben könnte, können diese ihr schon deswegen nicht zuerkannt werden, weil es sich insoweit gegenüber dem von ihr mit der Klage verfolgten Anspruch um ein echtes „aliud“ handelt und das Gericht gegen § 308 ZPO verstoßen würde, wenn es ihr insoweit etwas zuspräche. Darüber hinaus hält das Gericht dafür, dass – ohne dass es in diesem Zusammenhang wirklich darauf ankäme – auch diese weiteren 10.000,- € immer noch von den bisher von der Haftpflichtversicherung gezahlten 38.500,- € gedeckt sind, wenn man erst einmal anfängt, ernsthaft und mir spitzem Bleistift zu rechnen und nicht vieles – so wie es die derzeitige prozessuale Situation erlaubt und von der Kammer vorstehend praktiziert worden ist – großzügig dahingestellt sein lässt.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 ZPO.