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Stellplatzbaulast – Voraussetzungen für die Löschung

VG Köln, Az.: 2 K 12921/17, Urteil vom 15.01.2019

Soweit die Klägerin und die Beklagte den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die jeweilige Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin ist Eigentümerin des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Gemarkung X. , Flur 0, Flurstück 0000 (früher 0000) (I. -M. -Straße 0 in 00000 T. ). Die Beigeladene ist Eigentümerin des mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebauten Grundstücks Gemarkung X. , Flur 0, Flurstück 0000 (L. Straße 00-00 in 00000 T. ). Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Löschung einer Stellplatzbaulast, die zu Gunsten des Grundstücks der Beigeladenen auf dem klägerischen Grundstück im Baulastenverzeichnis der Beklagten eingetragen ist.

Stellplatzbaulast - Voraussetzungen für die Löschung
Symbolfoto: BrunoWeltmann/Bigstock

Die Beklagte erteilte der Beigeladenen durch Bescheid vom 22. Dezember 1997 die Baugenehmigung zum Umbau des Wohn- und Geschäftshauses auf dem Grundstück L. Straße 00-00. Nach Ziffer 14 der beigefügten Nebenbestimmungen forderte die Beklagte die Anlage von 18 Einstellplätzen für Pkw, wovon nach Ziffer 15 der Nebenbestimmungen 8 Stellplätze auf dem Grundstück Gemarkung X. , Flur 0, Flurstück 0000 zu stellen seien. Insoweit hatte die Voreigentümerin des Flurstücks 0000, Frau V. Q. , unter dem 22. Dezember 1997 eine Verpflichtungserklärung abgegeben, auf diesem Flurstück 0 Stellplätze für PKW zu Gunsten des Grundstücks L. Straße 00, Flurstück 0000, ständig freizuhalten und den Benutzern zugänglich zu machen. Die Eintragung einer entsprechenden Baulast in das Baulastenverzeichnis der Beklagten (Baulastenblatt Nr. 0000/97) erfolgte unter dem 22. Dezember 1997. Die Lage der Stellplätze ist in einem der Baulasteintragung beigefügten Lageplan im Einzelnen zeichnerisch dargestellt. 4 Stellplätze (Nr. 8, 9, 10, 11) liegen unmittelbar vor dem Wohnhaus an der I. -M. -Straße, 4 weitere Stellplätze (Nummer 12, 13, 14 und 15) sind im rückwärtigen Bereich des Grundstücks hinter dem Wohnhaus angeordnet.

Im Jahr 2007 wurde das Flurstück 0000 in die Flurstücke 0000 und 0000 geteilt, um im rückwärtigen Bereich des Grundstücksareals eine Wohnbebauung (I. -M. -Straße 0 bzw. 0) zu ermöglichen. Zur Sicherung der Erschließung dieser beiden Wohngrundstücke wurden zwei Zuwegungsbaulasten auf dem Grundstück der Klägerin und auf dem nördlich angrenzenden Grundstück I. -M. -Straße 0 eingetragen. Dies hatte zur Folge, dass die Stellplätze Nr. 12 und 13 nicht mehr benutzt werden konnten, da diese Grundstücksflächen für die Erschließung des Hinterliegergrundstücks benötigt wurden. Die Eigentümerin des Grundstücks I. -M. -Straße 0(Gemarkung X. , Flur 0, Flurstück 0000) gab unter dem 12. Februar 2007 die Verpflichtungserklärung ab, die Fläche, die im beiliegenden Lageplan grün gekennzeichnet und schraffiert ist, als Stellplätze anstelle der unter Baulast-Nr. 0000/97 durch Löschung entfallenden zwei Stellplätze freizuhalten und den Benutzern zugänglich zu machen. Diese Stellflächen sind im Lageplan mit den laufenden Nummern 1 und 2 versehen. Die Beklagte nahm die entsprechende Eintragung in ihrem Baulastenverzeichnis (Baulastenblatt Nr. 0000/07) unter dem 12. Februar 2007 vor. Die Löschung der Stellplätze Nr. 12 und 13 im Baulastenblatt Nr. 0000/97 erfolgte am gleichen Tag.

Mit Schreiben vom 21. Juni 2017 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Löschung der im Baulastenverzeichnis unter dem Baulastenblatt Nr. 0000/97 eingetragenen Stellplatzbaulast und führte zur Begründung aus, sie benötige diese Stellplätze selbst. Die Beklagte informierte die Beigeladene mit Schreiben vom 19. Juli 2017 über dieses Löschungsbegehren und teilte der Beigeladenen mit, eine Löschung der Baulast käme aus ihrer Sicht nur in Betracht, wenn die gesicherten sechs Stellplätze auf einem anderen Grundstück nachgewiesen werden könnten. Sie bat darum, ihr bis zum 18. August 2017 schriftlich mitzuteilen, wo die auf dem Flurstück 0000 gesicherten sechs Stellplätze zukünftig nachgewiesen werden könnten. Mit Schreiben vom 24. Juli 2017 teilte die Beigeladene der Beklagten mit, sie stimme der beantragten Baulastlöschung nicht zu, sie benötige für ein von ihr eingereichtes Nutzungsänderungsvorhaben auf dem Grundstück L. Straße 00-00 insgesamt 17 Stellplätze.

Mit Bescheid vom 23. August 2017 lehnte die Beklagte den Löschungsantrag der Klägerin ab. Zur Begründung führte sie aus, es bestehe weiterhin ein öffentliches Interesse am Erhalt der Baulast. Auf die Stellplätze für das Objekt L. Straße 00-00 könne aus bauordnungsrechtlicher Sicht nicht verzichtet werden, da die Genehmigung zum Umbau des Wohn- und Geschäftshauses im Jahr 1997 nur unter der Voraussetzung der Baulasteintragung erteilt worden sei. Eine Löschung der Baulast käme nur in Betracht, wenn die entfallenden Stellplätze auf einem anderen Grundstück nachgewiesen werden könnten. Dies sei aber nicht der Fall, wie eine Rückmeldung der Beigeladenen ergeben habe.

Mit Schreiben vom 28. August 2017 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, sie habe festgestellt, dass die auf dem Grundstück der Klägerin gesicherten sechs Stellplätze derzeit alle nicht genutzt werden könnten. Sie bitte darum, die durch Baulast gesicherten Flächen so zu verändern, dass künftig alle sechs Stellplätze wieder benutzbar seien. Anderenfalls sei sie gezwungen, die Baulast zu Gunsten des Grundstücks der Beigeladenen zwangsweise durchzusetzen.

Die Klägerin hat am 19. September 2017 Klage erhoben, mit der sie ihr Löschungsbegehren weiterverfolgt.

Sie macht geltend, es handele sich um ungeeignete Stellplatzflächen. Die beiden hinter ihrem Haus liegenden Stellplätze könnten wegen einer errichteten Einfriedung nicht angefahren werden. Drei zur Straße gelegene Stellplätze könnten nur errichtet werden, wenn insoweit der Vorgarten ihres Grundstücks beseitigt werde, was ihr nicht zuzumuten sei. Ein öffentliches Interesse an der Sicherung der Stellplätze sei nicht gegeben, da in der näheren Umgebung eine Vielzahl alternativer Parkmöglichkeiten vorhanden sei. Stellplätze gebe es in ausreichender Zahl auf dem Grundstück der VR-Bank, auf dem Grundstück des REWE- Marktes sowie vor dem Bürgerhaus. Die hinter ihrem Wohnhaus gelegenen beiden Stellplätze seien weiterhin deshalb nicht nutzbar, weil es sich um gefangene Stellplätze handele. Der damaligen Eigentümerin des Grundstücks sei zudem bei Abgabe ihrer Verpflichtungserklärung die Bedeutung der Eintragung einer Baulast vollkommen unklar gewesen, sie habe eine solche Eintragung für eine bloße Formalie gehalten. Die Zahl der notwendigen Stellplätze für das Vorhaben der Beigeladenen sei ferner unrichtig bestimmt worden. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Belastung ihres Grundstücks mit mehreren Stellplatzflächen für sie mit einem hohen Wertverlust von weit über 17.000 EUR verbunden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 12. Oktober 2017, 19. Oktober 2017, 6. Februar 2018 und vom 22. November 2018 verwiesen.

Nachdem die Beklagte sich mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2018 bereit erklärt hat, die Stellplätze Nr. 14 und 15 im Baulastenblatt Nr. 0000/97 zu löschen, haben die Klägerin und die Beklagte den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung insoweit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter teilweiser Aufhebung ihres Bescheides vom 23. August 2017 zu verpflichten, die im Baulastenverzeichnis der Beklagten (Baulastenblatt Nr. 0000/97) zu Lasten des Grundstücks Gemarkung X. , Flur 0, Flurstück 0000 (heute 0000) eingetragenen Stellplätze mit den Nummern 8, 9, 10 und 11 zu löschen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt sie aus, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Löschung, da die Baulast insoweit wirksam begründet worden sei. Auf die Stellplätze Nr. 8-11 könne auch nicht verzichtet werden. Es handele sich um notwendige Stellplätze, ohne die sie der Beigeladenen die Änderungsgenehmigung vom 9. Oktober 2017 für den Umbau und die Nutzungsänderung des Erdgeschosses des Gebäudes L. Str. 00-00 nicht habe erteilen können.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Sie schließt sich im Wesentlichen den Ausführungen der Beklagten an und führt ergänzend aus, die von der Klägerin benannten weiteren Stellplätze auf anderen Grundstücken in der Umgebung des Grundstücks der Beigeladenen begründeten schon deshalb keinen Anspruch auf Löschung, weil diese Stellplätze keinen adäquaten Ersatz im Rechtssinne darstellen würden. Sie seien nämlich nicht durch Baulast öffentlich-rechtlich gesichert und könnten deshalb nicht als Nachweis für erforderliche notwendige Stellplätze auf ihrem Grundstück dienen.

Das Gericht hat die Örtlichkeit in Augenschein genommen. Insoweit wird auf die Niederschrift vom 30. Oktober 2018 Bezug genommen.

Weiteren der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie des Verfahrens 2 K 12922/17 und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Soweit die Klägerin und die Beklagte den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO analog). Im Übrigen hat das Klagebegehren der Klägerin keinen Erfolg.

Die Klage ist zulässig, insbesondere als Verpflichtungsklage statthaft, da die Klägerin im Sinne von § 42 Abs. 1 VwGO den Erlass eines abgelehnten Verwaltungsakts begehrt. Die Löschung einer Baulast stellt ebenso wie deren Eintragung einen Verwaltungsakt dar. Das gilt auch dann, wenn die Löschung der Baulast im Falle von deren unwirksamer Bestellung keine konstitutive Wirkung hat, da dann zumindest der Rechtsschein einer bestehenden Baulast beseitigt wird.

Vgl. nur OVG NRW, Urteil vom 9. Mai 1995 – 11 A 4010/92 -, BRS 57 Nr. 204; Urteil vom 10. Oktober 1996 – 7 A 4185/95 – juris; Boeddinghaus/ Hahn/Schulte/Radeisen, Kommentar zur Bauordnung NRW, § 83 (Stand Februar 2018) Rndnr. 88 m.w.N.

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Die Klage ist aber nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Löschung der im Baulastenverzeichnis der Beklagten, Baulastenblatt Nr. 1111/97, eingetragenen Baulast im noch von ihr begehrten Umfang. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 23. August 2017 ist insoweit im Ergebnis rechtmäßig und verletzt die Klägerin deshalb nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

1. Der geltend gemachte Löschungsanspruch der Klägerin ergibt sich zunächst nicht aus Art. 14 Abs. 1 GG. Ein auf diese Norm gestützter Löschungsanspruch zielt auf Beseitigung einer Eigentumsbeeinträchtigung, die darin besteht, dass das Grundstück des Anspruchstellers ausweislich des bei der Bauaufsichtsbehörde geführten Baulastenverzeichnisses (vgl. § 85 Abs. 4 Satz 1 BauO NRW 2018) rechtwidrigen öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterliegt, die für den Rechts- und insbesondere für den Grundstücksverkehr von erheblicher Bedeutung sein können.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. Juli 1995 – 11 A 11/94 -; Urteil vom 10. Oktober 1996, a.a.O.; Schönenbroicher/Kamp, Kommentar zur Bauordnung Nordrhein-Westfalen, § 83 Rndnr. 119.

Die Voraussetzungen für einen Löschungsanspruch sind hier allerdings nicht gegeben. Denn das Baulastenblatt Nr. 1111/97 ist, soweit es die dort verzeichneten Stellplätze 8, 9, 10 und 11 betrifft, nicht unrichtig. Ein Baulastenverzeichnis ist nur dann unrichtig, wenn und soweit darin eine Baulast eingetragen ist, die entweder von vornherein nicht entstanden ist oder nicht mehr besteht.

Vgl. Boeddinghaus/Hahn/Schulte/Radeisen, a.a.O., § 83 Rndnr. 86.

Keine dieser Fallgestaltungen ist hier gegeben. Die Stellplatzbaulast ist, soweit sie hier noch in Streit steht, wirksam zu Lasten des klägerischen Grundstücks begründet worden. Eine entsprechende Erklärung im Sinne von § 83 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW a.F. hat die Voreigentümerin des Grundstücks I. -M. -Straße 0 am 22. Dezember 1997 gegenüber der Beklagten abgegeben. Als Eigentümerin des Grundstücks war sie zum damaligen Zeitpunkt zu einer derartigen Erklärung befugt. Die Erklärung der Voreigentümerin war auch formwirksam. Die Erklärung wahrt das Schriftformerfordernis des § 83 Abs. 2 1. Halbsatz BauO NRW a. F. und wurde „vor“ der Bauaufsichtsbehörde geleistet (vgl. § 83 Abs. 2 2. Halbsatz BauO NRW a. F.).

Die am 22. Dezember 1997 vorgenommene Eintragung in das Baulastenverzeichnis der Beklagten ist im hier noch streitigen Umfang auch nicht aus sonstigen Gründen unwirksam. Als Verwaltungsakt muss die Eintragung insbesondere inhaltlich hinreichend bestimmt sein (vgl. § 37 Abs. 1 VwVfG NRW). Diesen Anforderungen genügt die Eintragung im Baulastenverzeichnis der Beklagten, soweit sie hier noch in Streit steht. Aus einer Baulasteintragung muss sich im Verhältnis zu dem jeweiligen Eigentümer hinreichend genau entnehmen lassen, in welcher Weise und in welchem Umfang er die Inanspruchnahme seines Grundeigentums dulden muss. Diesen Anforderungen wird hier genügt. Die Lage der 4 Stellplatzflächen lässt sich dem der Eintragung beigefügten Lageplan (Beiakte 1, Blatt 3) mit hinreichender Bestimmtheit entnehmen. Die Zufahrt zu diesen Stellplätzen ist unproblematisch, weil diese direkt an einer öffentlichen Verkehrsfläche, der I. -M. -Straße liegen. Die Kenntnis des Namens der begünstigten Bauherrin ist nicht relevant. Entscheidend ist allein, dass die betroffenen 4 Grundstücksflächen als notwendige Stellplätze für ein konkretes Bauvorhaben dienen. Dieses Vorhaben ergibt sich mit hinreichender Klarheit aus dem Text der Eintragung nebst beigefügtem Lageplan und der Verpflichtungserklärung der Voreigentümerin. Dass der Lageplan nicht allen Anforderungen von § 18 BauPrüfVO in der damals geltenden Fassung genügt hat, führt ebenfalls nicht zur Unwirksamkeit der Eintragung. Es handelt sich insoweit um einen nur formellen Mangel, der sich nicht inhaltlich auswirkt, in jedem Falle nicht zur Nichtigkeit der Eintragung führt.

Vgl. nur OVG NRW, Beschluss vom 30. Oktober 2013 – 2 A 2554/12, BRS 81 Nr. 146.

Ist die Baulast, soweit sie hier noch in Streit steht, nach allem mit der Eintragung in das Baulastenverzeichnis der Beklagten wirksam geworden, so entfaltet sie heute ihre Rechtswirkungen auch gegenüber der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der Voreigentümerin (§ 85 Abs. 1 Satz 3 BauO NRW 2018).

Die Klägerin kann die Rechtswirkungen der Baulast auch nicht beseitigen. Eine Anfechtung der Verpflichtungserklärung der Voreigentümerin wegen Inhalts- oder Erklärungsirrtum auf der Grundlage von §§ 119 ff. BGB kommt nicht in Betracht. Das muss jedenfalls dann gelten, wenn die Baulast – wie hier – zur Erteilung einer Baugenehmigung geführt hat und diese vom Bauherrn (hier der Beigeladenen) „ins Werk gesetzt“ worden ist.

Vgl. nur Schönenbroicher/Kamp, a.a.O., § 83 Rndnr. 53 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung.

Insoweit kommt es im vorliegenden Fall auch nicht darauf an, ob die Voreigentümerin – wie die Klägerin vorgetragen hat – angeblich keinerlei Vorstellungen über die Bedeutung von Baulasten gehabt hat und deren Bestellung für eine reine Formalie gehalten haben soll.

2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch gegen die Beklagte, dass diese auf die Stellplatzbaulast, soweit sie hier noch in Streit steht, verzichtet. Nach § 85 Abs. 3 Satz 1 BauO NRW 2018 geht die Baulast durch schriftlichen Verzicht der Bauaufsichtsbehörde unter. Der Verzicht ist zu erklären, wenn ein öffentliches Interesse an der Baulast nicht mehr besteht. Vor dem Verzicht sollen der Verpflichtete und die durch Baulast Begünstigten angehört werden. Der Verzicht wird mit der Löschung der Baulast im Baulastenverzeichnis wirksam (vgl. § 85 Abs. 3 Sätze 2 bis 4 BauO NRW 2018).

Die Voraussetzungen für die Abgabe einer Verzichtserklärung sind hier im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht gegeben. Die Beklagte ist zu Recht weiterhin der Auffassung, dass ein öffentliches Interesse am Fortbestehen der im Baulastenblatt Nr. 0000/97 eingetragenen Stellplätze 8, 9, 10 und 11 auf dem Flurstück 0000 gegeben ist. Ein öffentliches Interesse an einer Baulast besteht nicht mehr, wenn die durch Eintragung der Baulast geschaffenen bauaufsichtlichen Befugnisse nicht mehr sicherungsfähig oder sicherungsbedürftig sind; baurechtswidrige Zustände dürfen durch den Verzicht nicht geschaffen werden. Ein Fortfall des öffentlichen Interesses kann sich zum einen wegen einer Änderung der rechtlichen Verhältnisse ergeben. Zum anderen können sich aber auch die tatsächlichen Verhältnisse, die die Baulast ausgelöst haben, so geändert haben, dass der Sicherungszweck entfallen ist.

Zum Ganzen vgl. nur OVG NRW, Beschluss vom 2. Juni 2006 – 7 A 281/06 -; Boeddinghaus/Hahn/Schulte/Radeisen, a.a.O., § 83 Rndnr. 99, 100; Schönenbroicher/Kamp, a.a.O., § 83 Rndnr. 127, 128; Wenzel in Gädtke/Czepuck/Johlen/Plietz/Wenzel, Kommentar zur BauO NRW, 12. Aufl. 2011, § 83 Rndnr. 60, 61 jeweils mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung.

Gemessen daran kann die Klägerin hier nicht die Abgabe einer Verzichtserklärung von der Beklagten verlangen. Durch das Inkrafttreten der neuen Bauordnung mit Wirkung vom 1. Januar 2019 hat sich aus Sicht des Gerichts keine erhebliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse ergeben. An der gesetzlichen Stellplatzpflicht hält der Landesgesetzgeber ausdrücklich fest, wie § 48 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW 2018 verdeutlicht. Der Landesgesetzgeber hat zudem die Unterscheidung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Änderungen von baulichen Anlagen und ihrer Nutzung (vgl. § 51 Abs. 2 BauO NRW a. F.) aufgegeben. § 48 Abs. 1 Satz 3 BauO NRW 2018 umfasst nunmehr jegliche Änderungen. Soll die Stellplatzpflicht auf wesentliche Änderungen beschränkt werden, weil dies in der betroffenen Kommune für sinnvoll erachtet wird, bedürfte es dazu einer kommunalen Satzung auf der Grundlage von §§ 48 Abs. 3 und 89 Abs. 1 Nr. 4 BauO NRW 2018.

Ausgehend von diesem Befund sind auch heute Stellplätze oder Garagen in ausreichender Zahl und Größe und in geeigneter Beschaffenheit herzustellen, wenn Anlagen errichtet werden, bei denen ein Zu- oder Abfahrtsverkehr zu erwarten sind. Bei Änderungen oder Nutzungsänderungen von Anlagen sind Stellplätze solcher Zahl und Größe herzustellen, dass sie die durch die Änderung zusätzlich zu erwartenden Kraftfahrzeuge aufnehmen können (vgl. § 48 Abs. 1 Satz 1 und § 48 Absatz 1 Satz 3 BauO NRW 2018). Die Beklagte hat hier für das Änderungsvorhaben der Beigeladenen ausweislich der erteilten Änderungsgenehmigung vom 9. Oktober 2017 (Beiakte 3, Blatt 1 ff.) 17 Einstellplätze für notwendig erachtet. Von diesem ermittelten Bedarf entfallen zwei Einstellplätze, nachdem die Beklagte sich zu deren Löschung im Baulastenverzeichnis verbindlich (vgl. ihren Schriftsatz vom 17. Dezember 2018) bereit erklärt hat. Für das Änderungsvorhaben der Beigeladenen stehen danach noch 15 notwendige Einstellplätze für Pkw zur Verfügung. Es ist nicht im Ansatz ersichtlich und wird von der Klägerin im Übrigen auch in keiner Weise näher dargelegt, dass diese verbleibende Anzahl an Stellplätzen den Bedarf an notwendigen Stellplätzen für das Änderungsvorhaben der Beigeladenen übertrifft und deshalb auf weitere Einstellplätze auf dem klägerischen Grundstück verzichtet werden kann.

Schließlich ist auch nicht erkennbar, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse, die zur Bestellung der Stellplatzbaulast geführt haben, derart geändert haben, dass es der Sicherung des Stellplatzbedarfs durch Baulast nicht länger bedarf. Die Klägerin führt insoweit eine Vielzahl von aus ihrer Sicht geeigneten alternativen Abstellmöglichkeiten für Kraftfahrzeuge in der näheren Umgebung des Grundstücks der Beigeladenen an. Mit dieser Argumentation lässt sich der Wegfall des öffentlichen Interesses indessen nicht begründen. Die Klägerin verkennt den Stellplatzbegriff der nordrhein-westfälischen Bauordnung. Nach § 2 Abs. 8 Satz 1 BauO NRW 2018 sind Stellplätze Flächen, die dem Abstellen von Kraftfahrzeugen und Fahrrädern außerhalb der öffentlichen Verkehrsflächen dienen. Die von Klägerseite angeführten Flächen auf privaten Parkflächen wie dem Grundstück der VR-Bank oder auf dem Grundstück des REWE-Marktes sind gemessen daran keine Stellplätze im Sinne der nordrhein-westfälischen Bauordnung. Ergänzend nimmt das Gericht insoweit auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 19. April 2018 Bezug.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 155 Abs. 1 Satz 1 und 161 Abs. 2 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die Beklagte insoweit mit Verfahrenskosten zu belasten, als sie sich bereit erklärt hat, die Stellplätze Nr. 14 und 15 im Baulastenblatt Nr. 0000/97 zu löschen. Denn die Klägerin hätte insoweit obsiegt. Die Baulast ist insoweit nicht wirksam begründet worden, weil es an der Eintragung der erforderlichen Zufahrtsbaulast mangelte. Betrifft eine Stellplatzbaulast – wie hier – sogenannte gefangene Stellplätze, die keinen direkten Kontakt zur öffentlichen Verkehrsfläche besitzen, muss die Stellplatzbaulast zugleich eine Zufahrtsbaulast einschließen. Dafür muss sie nicht nur ein Zu- und Abfahrtsrecht gewähren, sondern hinreichend bestimmt regeln, wo sich die freizuhaltenden Zufahrts- bzw. Abfahrtsflächen befinden. Dies kann etwa durch eine textliche Beschreibung der Flächen oder durch eine zeichnerische Darstellung (vgl. § 18 BauPrüfVO NRW) erfolgen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. August 2013 – 7 A 3001/11 – juris; Johlen in Gädtke/Czepuk/Johlen/Plietz/Wenzel, a.a.O., § 51 Rndnr. 64.

Hieran fehlte es, soweit es die Stellplätze 14 und 15 betrifft. Die Baulasteintragung bestimmt nur, dass Einstellplätze „ständig freizuhalten und den Benutzern zugänglich zu machen sind“. Wo sich die Zufahrts- bzw. Abfahrtsfläche zu beiden Stellplätzen genau auf dem Flurstück 4763 (früher 2938) befindet, lässt sich der Eintragung hingegen nicht entnehmen. Der Hinweis der Beklagten auf eine angeblich tatsächlich vorhandene Fahrgasse hilft insoweit nicht weiter. Einmal ist deren exakte Lage im Raum vollkommen unklar. Im Übrigen vernachlässigt die Beklagte, dass sich die bauliche Situation auf dem belasteten Flurstück auch ändern kann.

Der weitere Kostenausspruch ergibt sich aus § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, weil sie keinen Sachantrag gestellt und sich damit auch keinem Kostenrisiko (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO) ausgesetzt hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.

Der Wert des Streitgegenstandes wird bis zur teilweisen Erledigungserklärung auf 9.000,00 EUR und ab dann auf 6.000,00 EUR festgesetzt.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 GKG. Das Gericht hat das Interesse der Klägerin an der Löschung der Baulast mit 1500,00 EUR je Stellplatz bemessen. Mit Blick auf ursprünglich sechs streitige Stellplätze und nach Abgabe der teilweisen Erledigungserklärung noch vier streitige Stellplätze ergibt sich der jeweils festgesetzte Betrag.

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