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Strafbefreiungserklärungsgesetz – strafbefreiende Erklärung

Finanzgericht Baden-Württemberg

Az: 1 V 90/04

Beschluss vom 04.03.2005


In dem Finanzrechtsstreit wegen Aufhebung der Vollziehung (Steuerfestsetzung aufgrund der strafbefreienden Erklärung vom 31.3.2004) hat der 1. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg am 4.3.2005 beschlossen:

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Beschwerde wird zugelassen.

Gründe

Streitig ist, ob die Vollziehung einer Steuer aufgehoben werden kann, die aufgrund einer strafbefreienden Erklärung nach dem Gesetz über die strafbefreiende Erklärung (Strafbefreiungserklärungsgesetz, StraBEG) vom 23. Dezember 2003 (BGBI I 2003, 2928) entrichtet worden ist.

I.
Der Antragsteller reichte am 31.03.2004 beim Finanzamt Heilbronn eine strafbefreiende Erklärung ein, in der er unter anderem folgenden Lebenssachverhalt mitteilte:
Jahr/Einnahmen aus Veräußerung von Aktien innerhalb der Spekulationsfrist/Betrag in Euro/steuerpflichtiger Anteil in %/anzusetzender Betrag/

1999/301.529,00 DM/154.169,33 €/60 %/92.501,60 €
2000/1.406.053,67 DM/718.903,83 €/60 %/431.342,30 €

Summe/523.843,89 €
Steuer/25 %/130.960,97 €

Die aufgrund der strafbefreienden Erklärung fällige Steuerschuld entrichtete der Antragsteller am 7.04.2004.

Gegen die als Steuerfestsetzung wirkende strafbefreiende Erklärung, § 10 Abs. 2 Stra-BEG, legte der Antragsteller Einspruch ein, den das Finanzamt XXX noch nicht beschieden hat. Zugleich beantragte er beim Finanzamt XXX die Aufhebung der Vollziehung der Steuer, die auf die privaten Wertpapiergeschäfte entfällt. Der Antragsgegner lehnte den Aussetzungsantrag mit Verfügung vom 18.10.2004 ab.

Daraufhin beantragte der Antragsteller bei Gericht, die Aufhebung der Vollziehung der Steuer aufgrund seiner strafbefreienden Erklärung, soweit sie auf die privaten Wertpapiergeschäfte entfällt. Der Antragsteller trägt vor, dass die Besteuerung privater Wertpapiergeschäfte in den Jahren 1999 und 2000 verfassungswidrig sei, was sich aus den Gründen der Entscheidung des BVerfG zur Rechtslage 1998 ergebe. An dieser Rechtslage habe sich nichts geändert; so dass auch für die Jahre 1999 und 2000 von der Verfassungswidrigkeit der Besteuerung privater Wertpapiergeschäfte auszugehen sei. Auch die Rechtsprechung gehe von der Verfassungswidrigkeit der Norm aus und gewähre Aussetzung der Vollziehung streitiger Steuerbescheide. Der Antragsteller beruft sich insoweit auf Entscheidungen des BFH vom 4.08.2003 (BFH/NV 2004,37) und des Finanzgerichts Düsseldorf vom 22.07.2004 (8 V 2806/04 A). Weiter trägt der Antragsteller vor, dass bei einer verfassungswidrigen Norm auch die .,Regelung des Gesetzes über die strafbefreiende Erklärung keine Einschränkungen der Aussetzung I Aufhebung der Vollziehung rechtfertige. Zwar sei nach § 10 Abs. 4 StraBEG eine Aussetzung der Vollziehung ausgeschlossen; dies könne aber nicht für die Aufhebung der Vollzugsfolgen aufgrund der Besteuerung einer verfassungswidrigen Norm gelten.

Der Antragsteller beantragt, die Vollziehung der durch die strafbefreienden Erklärung vom 31.03.2004 bewirkten Steuerfestsetzung hinsichtlich der erklärten Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften für 1999 in Höhe von 23.125,40 € und für 2000 in Höhe von 107.835,57 €, insgesamt also in Höhe von 130.960,97 € aufzuheben,
hilfsweise die Beschwerde gegen die Entscheidung des Finanzgerichts zuzulassen.

Der Antragsgegner beantragt die Abweisung des Aufhebungsantrags.

Er trägt vor, die Aussetzung/Aufhebung der Vollziehung sei aufgrund der gesetzlichen Regelung in § 10 Abs. 4 StraBEG ausgeschlossen. Zwar könne nach Auffassung der Rechtsprechung, der sich die Finanzverwaltung zwischenzeitlich angeschlossen habe, bei Einsprüchen gegen die Einkommensteuerfestsetzung Aussetzung der Vollziehung gewährt werden. Auch würden Einspruchsverfahren gegen die Erfassung von Spekulationsgewinnen im Einverständnis mit dem Steuerpflichtigen zum Ruhen gebracht. Die Auffassung der Finanzverwaltung ergebe sich zuletzt umfassend aus dem Erlass des BMF vom 31.01.2005 IV A 7 – S 0338 – 8/05. Die geänderte Rechtsauffassung gelte jedoch nicht in den Fällen der strafbefreienden Erklärung, weil der Gesetzgeber in diesen Fällen ausdrücklich -eine Aussetzung I Aufhebung der Vollziehung ausgeschlossen habe.

II.
Der Antrag ist unzulässig.
Gemäß § 10 Abs. 4 StraBEG sind die Regelungen über den einstweiligen Rechtsschutz gemäß § 69 FGO ausdrücklich ausgeschlossen. Ein entsprechendes gerichtliches Verfahren ist daher unzulässig.

Der Ausschluss des gerichtlichen Rechtsschutzes nach § 69 FGO beruht auf dem Ergebnis des Vermittlungsverfahrens und dem nachfolgenden Beschluss des Bundestages und des Bundesrats (BT DRS 15/2242, 3; BR DRS 939/03). Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzes soll die straf- und steuerbefreiende Wirkung einer strafbefreienden Erklärung nicht durch den einstweiligen Rechtsschutz in Frage gestellt werden können.

Die fristgerechte Zahlung der Steuer ist Voraussetzung für den Eintritt Straffreiheit, § 1 Abs. 1 StraBEG. Soweit die Straffreiheit eintritt, erlöschen zugleich die vor dem 1.01.2003 entstandenen steuerlichen Ansprüche, § 8 Abs. 1 StraBEG. Aufgrund dieser rechtsgestaltenden Wirkung der Zahlung hat der Gesetzgeber den einstweiligen Rechtsschutz ausgeschlossen.

Der Senat ist der Überzeugung, dass es mit den Zielen des Gesetzes über die strafbefreiende Erklärung nicht. im Einklang stünde, die Regelung des § 10 Abs. 4 StraBEG einschränkend dahingehend auslegen, dass nur der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, nicht aber ein Antrag auf Aufhebung der Vollziehung gesetzlich ausgeschlossen sei. Nach dem Gesetzeswortlaut ist der einstweilige Rechtsschutz insgesamt ausgeschlossen worden. Der Gesetzgeber wollte sicherstellen, dass die durch die Zahlung eingetretene Gestaltung der strafrechtlichen und steuerrechtlichen Verhältnisse endgültig ist.
Ein Rechtsverlust für den Antragsteller tritt durch den Ausschluss einstweiligen Rechtsschutzes nicht ein. Die strafbefreiende Erklärung gilt als Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung, § 10 Abs. 2 StraBEG. Gegen diese kann Einspruch eingelegt werden, was der Antragsteller auch getan hat, so dass er seine Rechtsposition, Spekulationsgewinne seien nicht steuerpflichtig, im Einspruchsverfahren weiter verfolgen kann. Auch die Literatur vertritt die Auffassung, dass Spekulationsgewinne durch eine strafbefreiende Erklärung umfasst werden können (Schwedhelm / Spatscheck DStR 2004, 2085; Streck, NJW 2004, 3737) und als Rechtsmittel der Einspruch offen steht. Die Möglichkeit einstweiligen Rechtsschutzes wird auch in der Literatur bisher nicht diskutiert. Der vom Antragsteller gerügte Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze liegt nicht vor.
Würde die Aufhebung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 FGO zugelassen, hätte dies zur Folge. dass die eingetretene Straf- und Steuerfreiheit nach Überzeugung des Senats rückwirkend wieder entfallen würde. Die Zulassung einstweiligen Rechtsschutzes würde daher zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führen, die den Zielen des Gesetzes über die strafbefreiende Erklärung zuwiderlaufen würde. Dagegen führt der Ausschluss des einstweiligen Rechtsschutzes zu keinen gravierenden Nachteilen beim Antragsteller. Der Senat ist daher der Überzeugung, dass der Ausschluss des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 10 Abs. 4 StraBEG umfassend auszulegen ist.

Die Kostenfolge beruht auf § 135 FGO.

Die Beschwerde wird zugelassen, §§ 128 Abs. 3,115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO. Weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung gibt es einschlägige Darlegungen zur Reichweite des Ausschlusses einstweiligen Rechtsschutzes im Bereich der strafbefreienden Erklärung. Eine einheitliche Klärung dieser Rechtsfrage erscheint dem Senat erforderlich.

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