Haftungsfall im Sturmschaden: Verantwortung für Brückenabdeckung
Die juristische Auseinandersetzung betrifft die Haftung für Schäden an einem Pkw, verursacht durch eine Brückenabdeckung während eines Sturms. Das Herzstück des Disputs ist die Frage, ob die Beklagte, die für die Errichtung und Wartung der Brücke verantwortlich ist, aufgrund von Pflichtverletzungen zur Kostenerstattung von 2757,35 Euro, zuzüglich Zinsen, verurteilt werden kann. Die Beklagte wies alle Vorwürfe von sich, indem sie argumentierte, dass das Bauwerk entsprechend den geltenden Sicherheitsstandards errichtet und gewartet wurde. Der entscheidende Faktor für die Schadensentstehung sei eine Windstärke von mehr als 12 Beaufort gewesen, ein Umstand, der kein Verschulden auf ihrer Seite nach sich ziehe.
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Übersicht:
Beweiserhebung und Gutachten
Um Licht ins Dunkel der widersprüchlichen Behauptungen zu bringen, ließ das Gericht ein schriftliches Gutachten des Deutschen Wetterdienstes einholen. Das Gutachten sollte Klarheit über die tatsächlichen Windverhältnisse zur Zeit des Unfalls schaffen, um zu prüfen, ob die Argumentation der Beklagten einer Windstärke von über 12 Beaufort haltbar ist.
Haftung trotz hoher Windstärken
Entgegen der Behauptung der Beklagten war das Gericht durch das Sachverständigengutachten davon überzeugt, dass zur Unfallzeit keine über 12 Beaufort liegende Windstärke vorlag. Es stützte sich dabei auf eine gefestigte Rechtsprechung, die besagt, dass selbst bei Windstärken von 12 bis 13 Beaufort der Beweis des ersten Anscheins nicht erschüttert wird, da dies noch kein außergewöhnliches Naturereignis darstellt.
Vermutung des Verschuldens
Mit Bezug auf § 836 Abs. 1 S. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) wurde in dem Fall ein Verschulden der Beklagten vermutet. Diese Regelung besagt, dass bei Vorliegen der objektiven Voraussetzungen für eine Haftung das Verschulden angenommen wird. Das heißt, dass die Beweislast für das Nichtverschulden auf Seiten der Beklagten liegt.
Begründung des Anspruchs und Verurteilung der Beklagten
Die Klage erwies sich als zulässig und in vollem Umfang begründet. Die Beklagte wurde zur Zahlung der geforderten Summe nebst Zinsen verurteilt. Der Klägerin stand der geltend gemachte Anspruch nach §§ 837, 836 Abs. BGB zu, da die Beklagte ihrer Pflicht zur ordnungsgemäßen Errichtung und Wartung der Brücke nicht nachkam und dies zur Schadensentstehung führte.
Das vorliegende Urteil
AG Neumarkt – Az.: 3 C 280/08 – Urteil vom 05.12.2008
1. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin 2757,35 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 22.02.2008 zu bezahlen.
2. Von den Gerichtskosten hat die Klägerin 1/4, die Beklagte zu 2) 3/4 zu tragen.
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) hat die Klägerin zu tragen.
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2), die durch die Säumnis der Klägerin im Termin vom 04.06.2008 entstanden sind, hat die Klägerin zu tragen.
Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin, die dieser durch die Säumnis der Klägerin im Termin vom 04.06.2008 entstanden sind, hat die Klägerin selbst zu tragen.
Von den sonstigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin hat die Beklagte zu 2) die Hälfte zu tragen.
Im übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3500.– Euro vorläufig vollstreckbar.
Im übrigen ist das Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten zu 1) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 600.– Euro abwenden, sofern nicht die Beklagte zu 1) vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten zu 2) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100.– Euro abwenden, sofern nicht die Beklagten zu 2) vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus übergegangenem Recht.
Am 20.05.2006 fuhr Frau … gegen 17.00 Uhr mit dem PKW ihrer Mutter, der zum Unfalltag bei der Klägerin kaskoversichert war, auf der A 61 von A kommend in Richtung W. Auf der P Talbrücke befand sich eine Baustelle, an der von der Beklagten zu 2) Bauarbeiten durchgeführt wurden. Es herrschten sehr stürmische Wetterverhältnisse.
Im Rahmen der Arbeiten wurde von der Beklagten zu 2) eine Abdeckung der Brücke errichtet, die aus Brettern, Dielen, Kanthölzern und Folie bestand. Hierbei waren die Bretter mit der Schalhaut vernagelt, die Schalung am Überbau verdübelt. Von dieser Abdeckung löste sich eine Holzlatte und flog auf Höhe von km 340,650 gegen das von Frau … geführte Fahrzeug, an dem ein Schaden von 2907,35 Euro entstand. Hierauf bezahlte die Klägerin aufgrund des Kaskovertrages einen Betrag von 2757,35 Euro, den sie nunmehr von der Beklagten zu 2) regressieren will.
Die Klägerin trägt vor, die Beklagte zu 2) habe das Werk nicht ordnungsgemäß erstellt und unterhalten. Dies sei der Grund, warum sich bei einer Böengeschwindigkeit von weniger als 12 Beaufort das obengenannte Teil gelöst habe.
Im Termin vom 04.06.2008 hat das Gericht antragsgemäß ein Versäumnisurteil erlassen, durch welches die Klage abgewiesen worden ist.
Gegen dieses Versäumnisurteil, der Klägerin am 10.06.2008 zugestellt, hat diese mit einem am 18.06.2008 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Einspruch eingelegt und diesen begründet.
Mit demselben Schriftsatz hat die Klägerin die Klage gegen die Beklagte zu 1) zurückgenommen. Die Beklagte zu 1) hat mit der Klagerücknahme ihr Einverständnis erklärt.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an die Klägerin 2757,35 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen
und vorgetragen, das Werk sei ordnungsgemäß erstellt und unterhalten worden. Es sei bautechnisch nicht zu beanstanden und entspreche den geltenden Sicherheitsstandards. Vielmehr sei eine Windstärke von mehr als 12 Beaufort der Grund gewesen, weswegen es zur Beschädigung des PKWs gekommen sei. Eine Erstattungspflicht scheitere deshalb am fehlenden Verschulden der Beklagten zu 2).
Wegen der Einzelheiten des gegenseitigen Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch ein schriftliches Gutachten des Deutschen Wetterdienstes. Wegen dessen Einzelheiten wird auf das Gutachten vom 01.10.2008 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und in vollem Umfang begründet, da der Klägerin der geltend gemachte Anspruch nach §§ 837, 836 Abs. 1 S. 1 BGB zusteht.
Die Abdeckung, die im Rahmen der Baustelle installiert wurde, ist als Werk im Sinne von § 836 Abs. 1 S. 1 BGB anzusehen.
Hierunter fallen alle einem bestimmten Zweck dienenden, von Menschenhand, nach Regeln der Baukunst oder der Erfahrung hergestellten Gegenstände unter Verbindung mit dem Erdkörper (BGH NJW 1961, S. 1670).
Hierfür ist die Beklagte als Hersteller und Besitzerin verantwortlich.
Von diesem Werk hat sich unstreitig ein Teil abgelöst.
Die Ablösung der Holzlatte war die Folge objektiv fehlerhafter Errichtung oder mangelhafter Unterhaltung der installierten Abdeckung.
Hierfür kommt der insoweit beweispflichtigen Klägerin der Beweis des ersten Anscheins zugute, da ein ordnungsgemäß errichtetes oder unterhaltenes Werk keine Teile verliert (BGHZ 58, 149 ff.; BGH NJW-RR 2006, 1098).
Das Werk hat deshalb nicht den Anforderungen entsprochen, die unter Berücksichtigung der voraussehbaren nicht ganz unwahrscheinlichen Umstände an dessen Widerstandsfähigkeit und Sicherheit zu stellen sind.
Etwas anderes würde nur bei Witterungseinflüssen gelten, mit denen nicht zu rechnen ist und denen auch ein fehlerfrei errichtetes und mit der erforderlichen Sorgfalt unterhaltenes Bauwerk nicht standzuhalten vermag (BGH NJW 1999, 2593 f, OLG Rostock NJW-RR 2004, 825 ff).
Nach gefestigter Rechtsprechung wird der Beweis des ersten Anscheins selbst bei einer Windstärke von 12 bis 13 Beaufort nicht erschüttert (BGH NJW 1993, 1782 f.), da dies noch kein außergewöhnliches Naturereignis darstellt.
Aufgrund des erholten Sachverständigengutachtens ist das Gericht der Überzeugung, dass zur Unfallzeit jedenfalls keine über 12 Beaufort liegende Windstärke herrschte.
Bei Vorliegen der objektiven Voraussetzungen des § 836 Abs. 1 S. 1 BGB wird das Verschulden vermutet.
Die Beklagte zu 2) konnte den ihr obliegenden Entlastungsbeweis in Form mangelnder Kausalität gemäß § 836 Abs. 1 S. 2 BGB nicht erbringen, da sie keine Ausführungen zu anderen ernsthaft möglichen Ursachen für die Ablösung darlegte und auch zur regelmäßigen Überprüfung des Bauwerks keine Angaben erfolgten (BGH NJW-RR 2006, 1098).
Die Schadenshöhe ist unstreitig.
Zinsen: §§ 291, 288 BGB.
Kosten: §§ 91, 269 Abs. 3 S. 2, 344 ZPO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere § 836 Haftung beim Einsturz eines Gebäudes, und § 837 Haftung des Bauherrn bei vorsätzlichem Verhalten: Die betroffenen Gesetze stellen eine direkte rechtliche Grundlage für die Haftung in Bezug auf Bauarbeiten und deren Folgen dar. Im konkreten Fall ist § 836 BGB relevant, da er die Haftung für Schäden regelt, die durch den Einsturz eines Gebäudes oder den Absturz von Teilen eines Gebäudes entstehen. Wenn ein Teil einer Brückenabdeckung aufgrund unzureichender Bauausführung oder Wartung herunterfällt und dabei ein Fahrzeug beschädigt, ist derjenige haftbar, der das Bauwerk errichtet oder gewartet hat.
Der § 837 BGB ergänzt diesen Sachverhalt, da er die Haftung des Bauherrn bei vorsätzlichem Verhalten regelt. Dies könnte relevant sein, falls der Beklagte wissentlich die Brücke mangelhaft gebaut oder gewartet hat. Im vorgegebenen Text wird deutlich, dass die Klägerin die Beklagte beschuldigt, das Werk nicht ordnungsgemäß erstellt und unterhalten zu haben.
- Versicherungsrecht: Die Klägerin, wahrscheinlich eine Versicherungsgesellschaft, die den Schaden des Fahrzeugbesitzers gedeckt hat, versucht nun, den gezahlten Betrag von der Beklagten zurückzufordern (Regress). Dies fällt unter das Versicherungsrecht, welches den rechtlichen Rahmen für die Beziehungen zwischen Versicherern und Versicherungsnehmern festlegt. In diesem Fall ist es relevant für die Fähigkeit der Versicherungsgesellschaft, eine Rückzahlung von der Partei zu verlangen, die sie für den Schaden verantwortlich hält.
- Baurecht und Sicherheitsstandards: Die Beklagte hat argumentiert, dass das Bauwerk den geltenden Sicherheitsstandards entspricht. Dies betrifft sowohl das Baurecht als auch die spezifischen Sicherheitsstandards, die in Deutschland für den Bau und die Wartung solcher Bauwerke gelten. Diese Standards dienen dazu, die öffentliche Sicherheit zu gewährleistenund das Risiko von Schäden oder Unfällen zu minimieren. Wenn das Gericht feststellt, dass diese Standards nicht eingehalten wurden, könnte dies die Haftung der Beklagten weiter erhöhen.
- Wetterdienstgesetz (WetDg), insbesondere die Rolle des Deutschen Wetterdienstes: Das Gutachten des Deutschen Wetterdienstes war in diesem Fall von zentraler Bedeutung, um festzustellen, ob tatsächlich extreme Wetterbedingungen vorlagen, die als „höhere Gewalt“ angesehen werden könnten und die Beklagte daher von der Haftung befreien könnten. Die Rolle des Deutschen Wetterdienstes ist im Wetterdienstgesetz festgelegt und beinhaltet die Bereitstellung von Wetter- und Klimainformationen zum Schutz von Leben und Sachwerten.