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Trunkenheitsfahrt mit E-Scooter – Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge

Rechtliche Kontroverse um Fahrerlaubnis und fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge: VGH München hebt Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg auf

Der Fall, der vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) München verhandelt wurde, dreht sich um die komplexe Frage der Fahrerlaubnis und der Nutzung fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge wie E-Scooter und Fahrräder. Im Mittelpunkt steht ein Antragsteller, dem nach wiederholten Trunkenheitsfahrten die Fahrerlaubnis entzogen wurde. Das Landratsamt Miltenberg ging noch einen Schritt weiter und untersagte ihm auch das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge. Der Antragsteller wandte sich gegen diese Entscheidung und suchte vorläufigen Rechtsschutz. Das Verwaltungsgericht Würzburg wies seinen Antrag zurück, woraufhin er Beschwerde beim VGH München einlegte. Das Hauptproblem liegt in der rechtlichen Bewertung der Verhältnismäßigkeit und der Verfassungsmäßigkeit der angewendeten Vorschriften.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 11 CS 23.551 >>>

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Würzburg

Trunkenheitsfahrt mit E-Scooter – Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge
Verfassungsrechtliche Kontroverse um Fahrerlaubnis: VGH München hebt Entscheidung des Landratsamts Miltenberg auf und wirft Fragen zur Gültigkeit der Fahrerlaubnis-Verordnung auf. (Symbolfoto: Inside Creative House /Shutterstock.com)

Das Verwaltungsgericht Würzburg hatte den Antrag des Antragstellers abgelehnt. Es argumentierte, dass das Landratsamt Miltenberg aufgrund der wiederholten Trunkenheitsfahrten des Antragstellers und seiner Weigerung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorzulegen, berechtigt sei, ihm das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge zu untersagen. Das Gericht sah in der Entscheidung des Landratsamts keine Ermessensfehler und betonte das überwiegende Vollzugsinteresse.

Die Beschwerde und die Argumente des Antragstellers

Der Antragsteller legte Beschwerde beim VGH München ein und argumentierte, dass die Anordnung des Landratsamts unverhältnismäßig sei. Er wies darauf hin, dass er bei seinem zweiten Verkehrsverstoß die Promillegrenze von 1,6 ‰ nicht annähernd erreicht hatte. Außerdem kritisierte er die Anwendung der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) und stellte deren Verfassungsmäßigkeit in Frage.

Der Beschluss des VGH München

Der VGH München gab der Beschwerde des Antragstellers statt. Das Gericht stellte fest, dass der Bescheid des Landratsamts Miltenberg offensichtlich rechtswidrig sei. Es argumentierte, dass die angewandte Rechtsgrundlage, § 3 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV), nicht dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspreche.

Verfassungsrechtliche Bedenken und Auswirkungen

Der VGH München hob hervor, dass die Rechtsgrundlage, auf der der Bescheid des Landratsamts basierte, nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen genüge. Dies könnte weitreichende Auswirkungen auf ähnliche Fälle und die Anwendung der Fahrerlaubnis-Verordnung insgesamt haben.

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Das vorliegende Urteil

 

VGH München – Az.: 11 CS 23.551 – Beschluss v. 12.07.2023

I. Die Ziffern I. und II. des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 1. März 2023 werden aufgehoben, soweit der abgelehnte Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge betrifft, die keine Kraftfahrzeuge sind.

II. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ziffer I. des Bescheids des Landratsamts Miltenberg vom 16. Januar 2023 wird insoweit wiederhergestellt.

III. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die Verfahrenskosten des ersten Rechtszugs tragen die Beteiligten je zur Hälfte.

IV. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- EUR

festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Untersagung, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge, die keine Kraftfahrzeuge sind, im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.

Nach einer Trunkenheitsfahrt (BAK 0,69 ‰) mit einem Kraftfahrzeug unter dem Einfluss von Cannabis (THC 17,9 ng/ml) und Amphetamin (29,3 ng/ml) am 25. November 2018 entzog ihm das Amtsgericht Obernburg a. Main mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 20. Februar 2019 die Fahrerlaubnis.

Nach einer weiteren Trunkenheitsfahrt (AAK 0,25 mg/l) mit einem E-Scooter am 29. März 2022 forderte das Landratsamt Miltenberg den Antragsteller gestützt auf § 13 Satz 1 Nr. 2b FeV auf, ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu seinem Trennvermögen hinsichtlich fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge (z.B. Elektrokleinstfahrzeuge, Fahrräder) beizubringen.

Nachdem der Antragsteller kein Gutachten beigebracht hatte, untersagte ihm das Landratsamt nach Anhörung mit Bescheid vom 16. Januar 2023 das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge und ordnete die sofortige Vollziehung dieser Verfügung an. Das nach § 3 Abs. 1 FeV auszuübende Ermessen sei auf null reduziert, weil der Antragsteller das von ihm zu Recht geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht beigebracht habe und dem Landratsamt somit keine andere Möglichkeit bleibe, als zum Ausschluss der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer und der Aufrechterhaltung der Sicherheit des Straßenverkehrs das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ohne Einschränkung zu untersagen.

Am 20. Februar 2023 ließ der Antragsteller durch seine Prozessbevollmächtigten beim Verwaltungsgericht Würzburg die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der zugleich erhobenen Klage beantragen.

Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 1. März 2023 als unbegründet ab. Das Landratsamt habe gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen schließen dürfen, weil er das gemäß § 3 Abs. 2 i.V.m. § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV zu Recht geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht beigebracht habe. Der Antragsteller habe wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen. Das Amtsgericht habe ihn rechtskräftig wegen einer Straftat gemäß § 316 Abs. 1 StGB verurteilt und das Bayerische Polizeiverwaltungsamt am 31. Mai 2022 wegen einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 24a StVG ein Fahrverbot von drei Monaten gegen ihn verhängt. Für die Anordnung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, genügten zwei Trunkenheitsfahrten mit einem Kraftfahrzeug mit einer BAK von mindestens 0,5 ‰ oder einer AAK von mindestens 0,25 mg/l. Die Taten seien im Zeitpunkt der Gutachtensanforderung und des Bescheiderlasses noch berücksichtigungsfähig gewesen. Die Tilgungsfrist für die Trunkenheitsfahrt am 25. November 2018 sei noch nicht abgelaufen gewesen. Der Strafbefehl vom 20. Februar 2019 unterliege gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Buchst. a StVG einer zehnjährigen Tilgungsfrist, die gemäß § 29 Abs. 4 Nr. 1 StVG mit Eintritt der Rechtskraft am 13. März 2019 zu laufen begonnen habe. Auch die in der Anordnung gestellten Fragen seien nicht zu beanstanden. Es habe hinreichend Anlass bestanden, das Trennvermögen des Antragstellers zu klären. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass das Landratsamt in dem angefochtenen Bescheid fälschlicherweise an einer Stelle von einer Fahrt mit einem Fahrrad ausgegangen sei. Dies sei bereits nicht geeignet, einen Ermessensfehler zu begründen. Stehe wie hier die Ungeeignetheit fest, so räume § 3 Abs. 1 FeV der Fahrerlaubnisbehörde kein Entschließungsermessen ein. Ein Ermessensfehler scheide daher aus. Außerdem handle es sich lediglich um eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne von Art. 42 Satz 1 BayVwVfG, denn an anderer Stelle sei das Landratsamt zutreffend vom Führen eines fahrerlaubnisfreien Fahrzeugs ausgegangen. Ebenso sei das Auswahlermessen vorliegend auf null reduziert gewesen. Darüber hinaus ergebe auch eine Interessenabwägung ein überwiegendes Vollzugsinteresse.

Mit seiner Beschwerde beantragt der Antragsteller, ihm vorläufigen Rechtsschutz hinsichtlich fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge zu gewähren, die keine Kraftfahrzeuge seien. Nachdem das Verwaltungsgericht festgestellt habe, dass der Antragsteller kein Fahrrad, sondern einen E-Scooter geführt habe, sei nicht ersichtlich, weshalb die Anordnung der sofortigen Vollziehung alle fahrerlaubnisfreien Fahrzeuge, also auch Fahrräder, betreffen solle. Die Anordnung wäre zumindest auf das Führen von fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeugen zu begrenzen gewesen. In der Begründung scheine das Gericht dann wieder davon auszugehen, dass der Verkehrsverstoß mit einem Fahrrad begangen worden sei. Es beschränke sich im Wesentlichen auf die Wiedergabe einer eine Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad und mit mehr als 1,6 ‰ betreffende Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 8.2.2010 – 11 C 09.2200). Die Ausführungen habe der Verwaltungsgerichtshof dann noch in einer neueren Entscheidung vom 25. April 2022 (11 CS 21.2988) konkretisiert, in der er nochmals ausdrücklich auf die Bedeutung der Promillegrenze von 1,6 ‰ für die Gefährlichkeit des Straßenverkehrs hingewiesen habe. Diese Grenze habe der Antragsteller bei seinem zweiten Verkehrsverstoß nicht annähernd erreicht. Wäre er nicht mit einem E-Scooter, sondern mit einem Fahrrad unterwegs gewesen, läge nicht einmal eine Ordnungswidrigkeit vor. § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b oder Buchst. c FeV wären nicht einschlägig gewesen. Dennoch solle diese Fahrt begründen, warum der Antragsteller künftig nicht mehr Fahrrad fahren dürfe. Dies sei nicht nachvollziehbar und schon gar nicht mit dem Verhältnismäßigkeitsgebot zu vereinbaren, welches insbesondere im Hinblick auf die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der angewendeten Vorschrift besonderer Beachtung bedürfe.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Dem im Beschwerdeverfahren auf fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge, die keine Kraftfahrzeuge sind, beschränkten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist ungeachtet der im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO) zu entsprechen. Denn der angefochtene Bescheid vom 16. Januar 2023 ist bereits deshalb offensichtlich rechtswidrig (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 146 Rn. 27; Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 146 VwGO Rn. 43; Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 146 Rn. 110 f.; VGH BW, B.v. 29.6.2018 – 5 S 548/18 – BauR 2018, 1874 = juris Rn. 5 m.w.N.; HessVGH, B.v. 18.1.2006 – 5 TG 1493/05 – NVwZ-RR 2006, 846 = juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 27.8.2002 – 8 CS 02.1514 – BayVBl 2003, 304 = juris Rn. 39 f.), weil die Rechtsgrundlage, auf die er gestützt ist, § 3 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. März 2023 (BGBl I Nr. 56), nicht dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspricht. Damit wird die Klage gegen die Untersagung, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu führen, jedenfalls soweit beantragt, voraussichtlich Erfolg haben. Bei der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO ist eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs vorzunehmen. Erweist sich wie hier der angefochtene Verwaltungsakt im Rahmen einer summarischen Prüfung als rechtswidrig und verletzt er den Betroffenen in seinen Rechten, ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts regelmäßig zu verneinen.

In seiner Entscheidung vom 17. April 2023 (11 BV 22.1234 – juris Rn. 30 ff.) hat der Senat näher ausgeführt, dass und aus welchen Gründen § 3 FeV gegen die aus dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 bis 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) abgeleiteten Gebote der hinreichenden Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit rechtlicher Regelungen (vgl. Grzeszick in Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 20 VII Rn. 58 ff.; BVerfG, B.v. 17.7.2003 – 2 BvL 1/99 – BVerfGE 108, 186 = juris Rn. 172 m.w.N.) verstößt.

Dabei war einerseits maßgebend, dass § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV die Fahrerlaubnisbehörde zu schwerwiegenden Eingriffen in die durch die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) geschützte Mobilität (vgl. BVerfG, B.v. 6.6.1989 – 1 BvR 921/85 – BVerfGE 80, 137 = juris Rn. 62) des Betroffenen ermächtigt (BayVGH, U.v. 17.4.2023 a.a.O. Rn. 32). Die Teilnahme am Straßenverkehr mit fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen, insbesondere mit dem Fahrrad, kann für die private Lebensgestaltung des Einzelnen, einschließlich der Ausbildung und Berufsausübung, von erheblicher Bedeutung sein (BVerwG, U.v. 4.12.2020 – 3 C 5.20 – NJW 2021, 1970 = juris Rn. 39).

Was die Festlegung von Anlass, Zweck und Grenzen des Eingriffs durch den Normgeber betrifft, war andererseits festzustellen, dass die materiellen Voraussetzungen, unter denen ein Eingriff nach § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV erfolgen darf, nur sehr lückenhaft geregelt sind. Insbesondere ist nicht ausreichend klar geregelt, in welchen Fällen sich der Führer fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge als ungeeignet bzw. nur noch bedingt geeignet erweist und wann Eignungszweifel im Sinne von § 3 Abs. 2 FeV gerechtfertigt sind. Soweit die amtliche Begründung zu § 3 FeV (BR-Drs. 443/98, S. 237) hierzu auf § 2 Abs. 4 StVG („wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat“) verweist, bezieht sich diese Begriffsdefinition ausdrücklich nur auf die Kraftfahreignung. Ein den Anlagen 4 bis 6 zur FeV vergleichbares Regelwerk, das zur Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe der körperlichen und geistigen Anforderungen diejenigen Erkrankungen und Mängel aufführt, die die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Regelfall längere Zeit beeinträchtigen oder aufheben können, fehlt für Fahrzeuge, die keine Kraftfahrzeuge sind (BayVGH, U.v. 17.4.2023 a.a.O. Rn. 33 m.w.N.). Auch aus § 3 Abs. 2 FeV, wonach die Vorschriften der §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung finden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Führer eines Fahrzeugs oder Tieres zum Führen ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet ist, lässt sich kein hinreichend bestimmter Anhalt für spezifische Eignungszweifel gewinnen (BayVGH, U.v. 17.4.2023 a.a.O. Rn. 34 m.w.N.). Wegen der Unterschiede zwischen Kraftfahrzeugen und sonstigen Fahrzeugen in Größe und Gewicht, den Fahreigenschaften, der erreichbaren Fahrgeschwindigkeit, in Bedienung und Art der Benutzung und in ihrem Gefahrenpotential wäre es jedenfalls rechtlich unzulässig, identische physische und psychische Anforderungen an das Führen von fahrerlaubnispflichtigen und -freien Fahrzeugen zu stellen (BayVGH, U.v. 17.4.2023 a.a.O. Rn. 35). Soweit §§ 11 bis 14 FeV nur dann entsprechend angewendet werden sollen, als nach ihrem Inhalt nicht das Führen fahrerlaubnispflichtiger Fahrzeuge vorausgesetzt ist, werden damit die Fragen, welche – vor allem auf physiologische bzw. pathologische und psychologische Eigenschaften des Fahrers zurückzuführenden – Mängel im Einzelfall relevant sind und unter welchen konkreten Voraussetzungen die in den §§ 11 bis 14 FeV vorgesehenen Gefahrerforschungsmaßnahmen getroffen werden dürfen, nicht geklärt (BayVGH, U.v. 17.4.2023 a.a.O. Rn. 36 m.w.N.). Den Fahrerlaubnisbehörden stehen auch keine den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung (vom 27.1.2014 [VkBl S. 110] in der Fassung vom 17.2.2021 [VkBl S. 198]) vergleichbaren verkehrsmedizinischen antizipierten Sachverständigengutachten zur Verfügung, die den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis zu Eignungsmängeln beim Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge wiedergeben würden, oder entsprechend entwickelte Beurteilungskriterien der Deutschen Gesellschaften für Verkehrspsychologie und Verkehrsmedizin, aus denen sich die in Nr. 1 Buchst. c der Anlage 4a zur FeV der Fahreignungsbegutachtung zugrunde zu legenden anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze ergeben (BayVGH, U.v. 17.4.2023 a.a.O. Rn. 37 m.w.N.). Rechtsprechung liegt fast ausschließlich zu Trunkenheitsfahrten, kaum zu Fahrten unter Drogeneinfluss vor. Entscheidungen zu Eignungsmängeln aufgrund pathologischer Zustände oder charakterlicher Mängel sind nicht ersichtlich (BayVGH, U.v. 17.4.2023 a.a.O. Rn. 38 m.w.N.). In Anbetracht dessen, dass die Beurteilung von Eignungsmängeln häufig medizinisch-psychologischen Sachverstand erfordert, bestehen daher erhebliche Zweifel daran, dass die Fahrerlaubnisbehörden in der Lage sind, ihr Auswahlermessen auf der Grundlage allgemeiner Lebenserfahrung auszuüben. Das wird allenfalls bei schweren Erkrankungen oder Behinderungen möglich sein (BayVGH, U.v. 17.4.2023 a.a.O. Rn. 39 m.w.N.).

Wegen des nicht hinreichend bestimmbaren Inhalts des Eignungsbegriffs und der nicht näher eingrenzbaren entsprechenden Anwendung der §§ 11 ff. FeV i.V.m. Anlage 4 bis 6 zur FeV auf die Beurteilung, ob Eignungszweifel hinsichtlich des Führens (bestimmter) fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge vorliegen und welche Erforschungsmaßnahmen diese rechtfertigen, ist weiter davon auszugehen, dass die entsprechende Anwendung dieser Vorschriften auch nicht erforderliche sowie unangemessene Maßnahmen beinhaltet und damit nicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt. Es wäre geboten, an die Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge weniger hohe Anforderungen zu stellen als an die Eignung zum Führen fahrerlaubnispflichtiger Kraftfahrzeuge und ggf. zwischen fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeugen und sonstigen Fahrzeugen, darunter insbesondere dem Fahrrad, zu differenzieren (BayVGH, U.v. 17.4.2023 a.a.O. Rn. 41).

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Auf darüber hinausgehende Rechtsfehler kommt es damit nicht an.

Der Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Beteiligten je zur Hälfte, weil der Antragsteller die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nur insoweit angegriffen hat, als ihm der Antragsgegner das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge, die keine Kraftfahrzeuge sind, untersagt hat.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1 und Nr. 46.14 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant

  1. Verkehrsrecht
    • Rechtsnormen und Gesetze: Straßenverkehrsgesetz (StVG), Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV)
    • Zusammenhang zum Urteil: Der Hauptfokus des Urteils liegt auf dem Verkehrsrecht, insbesondere auf der Frage, ob der Antragsteller fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge (wie E-Scooter und Fahrräder) führen darf. Das Landratsamt hatte ihm das Führen solcher Fahrzeuge untersagt, weil er kein medizinisch-psychologisches Gutachten vorgelegt hatte. Die Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) und das Straßenverkehrsgesetz (StVG) sind hier die zentralen Rechtsnormen, die die Eignung zum Führen von Fahrzeugen regeln.
  2. Verwaltungsrecht
    • Rechtsnormen und Gesetze: Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG)
    • Zusammenhang zum Urteil: Das Verfahren ist vor dem Verwaltungsgericht anhängig, und es geht um einen Bescheid des Landratsamts. Die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und das Bayerische Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) sind daher relevant, insbesondere für Fragen des vorläufigen Rechtsschutzes und der Ermessensausübung der Behörde.
  3. Grundrechte
    • Rechtsnormen und Gesetze: Grundgesetz (GG)
    • Zusammenhang zum Urteil: Das Urteil berührt dieallgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG. Es wird diskutiert, ob die Untersagung, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zu führen, verhältnismäßig und damit grundrechtskonform ist.
  4. Medizinrecht und Psychologie
    • Rechtsnormen und Gesetze: Keine spezifischen Gesetze, aber medizinisch-psychologische Gutachten sind relevant.
    • Zusammenhang zum Urteil: Ein zentraler Punkt des Falles ist das Fehlen eines medizinisch-psychologischen Gutachtens, das die Eignung des Antragstellers zum Führen von Fahrzeugen hätte klären sollen. Obwohl dies nicht direkt ein Rechtsgebiet ist, spielt es eine wichtige Rolle im Kontext der rechtlichen Bewertung.
  5. Ordnungswidrigkeitenrecht
    • Rechtsnormen und Gesetze: Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG)
    • Zusammenhang zum Urteil: Es wird im Text angedeutet, dass der Antragsteller bei einer Fahrt mit einem Fahrrad statt einem E-Scooter möglicherweise nur eine Ordnungswidrigkeit begangen hätte. Das Ordnungswidrigkeitengesetz könnte in diesem Kontext relevant sein, um die Schwere des Verstoßes zu bewerten.

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