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Unfall in Bus – Haftung für einen Sturz eines Fahrgastes aufgrund einer Vollbremsung

LG Wuppertal – Az.: 1 O 397/10 – Urteil vom 30.09.2011

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Mit der Klage macht die Klägerin Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aufgrund eines Fahrgastunfalls geltend.

Am 01.03.2007 um ca. 13:30 Uhr fuhr die Klägerin in einem Omnibus der Beklagten zu 2) der Linie 601 von Wuppertal nach Wülfrath. Auf der Anfahrt zur Haltestelle E. Garten auf Höhe des Robert-Daum-Platzes bremste der Fahrer des Omnibusses, der Beklagte zu 1), diesen zumindest „kräftig“ ab. Der Grund für das Bremsmanöver ist zwischen den Parteien streitig.

Zu diesem Zeitpunkt saß die Klägerin im Fahrgastraum auf einem Sitz am Fenster, mehrere Sitzreihen hinter dem Beklagten zu 2) auf der linken Fahrzeugseite mit Blick in Fahrtrichtung. Die ihr gegenüber liegende Sitzreihe war entgegen der Fahrtrichtung ausgerichtet.

Im zeitlichen Zusammenhang mit dem Bremsmanöver – die genauen Umstände sind streitig – kam die Klägerin zu Fall und wurde verletzt, wobei der Grad der Verletzung zwischen den Parteien ebenfalls streitig ist. Laut des von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Attests vom 24.04.2007 bzw. 25.07.2007 erlitt die Klägerin eine Prellung des rechten Knies und der rechten Hüfte. Die Klägerin verfügte bereits vor dem streitgegenständlichen Vorfall beidseits über eine Hüfttotalendoprothese; ausweislich des Schwerbehindertenausweises vom 27.12.2004 ist sie zu 60% schwerbehindert.

Der Beklagte zu 1) wurde nach dem Halt an der Haltestelle E. Garten auf die Klägerin aufmerksam. Er stoppte den Omnibus und unterhielt sich mit der Klägerin im Fahrgastraum. Diese gab an, sich am gegenüberliegenden Sitz das Knie gestoßen zu haben. Die Klägerin verließ den Bus nach dem Gespräch mit dem Beklagten zu 1), ohne ihre Personalien zu hinterlassen.

Mit Schreiben vom 15.05.2007 kündigte der Arbeitgeber der Klägerin das bestehende geringfügige Beschäftigungsverhältnis zum 31.05.2007.

Die Beklagte zu 2) zahlte der Klägerin ohne Anerkennung einer Rechtspflicht vorgerichtlich 750,00 EUR Schmerzensgeld. Da die Beklagten auf die weiteren Schreiben der Klägerin keine Zahlung mehr leisteten, verfolgt die Klägerin mit dem Klageantrag Ziff. 1 einen weiteren Schmerzensgeldbetrag in Höhe von 750,00 EUR.

Darüber hinaus macht die Klägerin folgende Schadensersatzpositionen geltend:

Ersatz der Kosten für ärztliche Atteste 118,14 EUR

Verdienstausfallschaden (bis einschl. Dez. 2010) 8.680,57 EUR

Haushaltsführungsschaden 5.529,80 EUR

14.328,51 EUR

Die Klägerin behauptet, der Beklagte zu 1) sei wegen der Unterhaltung mit einem im Durchgangsbereich stehenden Bekannten abgelenkt gewesen. Weiter behauptet sie, sie habe sich seitlich an einem Haltegriff festgehalten, als der Beklagte zu 1) den Omnibus unangemessen stark abgebremst habe. Dabei habe es sich um eine klassische Vollbremsung gehandelt, die ohne verkehrsbedingten Grund von dem Beklagten zu 1) eingeleitet worden sei. Obwohl sie sich festgehalten habe, sei sie nach vorne aus dem Sitz geschleudert worden. Beim Aufprall auf die gegenüber liegende Sitzreihe habe sie sich die rechte Hüfte sowie das rechte Knie geprellt. Unfallbedingt seien daraufhin erhebliche und andauernde Schmerzen an der Hüfte und im Knie aufgetreten, wobei die körperlichen Beeinträchtigungen und Verletzungen aufgrund des Gesundheitszustandes der Klägerin schwerwiegender gewesen seien als bei einem gesunden Menschen (insoweit wird auf die Ausführungen der Klägerin in der Klageschrift vom 06.12.2010, dort Bl. 3 ff. verwiesen). Mittlerweile sei unfallbedingt sogar vollständige Erwerbsunfähigkeit eingetreten. Die Klägerin ist der Ansicht, dass ein Schmerzensgeld von mindestens 1.500,00 EUR angemessen sei. Ferner sei ihr unfallbedingt ein Haushaltsführungsschaden in Höhe von 5.529,80 EUR entstanden (hinsichtlich der Begründung desselben wird auf die Klageschrift vom 06.12.2010, dort Bl. 6 f. verwiesen). Außerdem behauptet die Klägerin, dass ihr Arbeitgeber aufgrund der unfallbedingt eingetretenen Gesundheitsschäden gekündigt habe, so dass ihr zudem ein Verdienstausfallschaden in Höhe von 8.680,57 EUR zustehe (vgl. Klageschrift vom 06.12.2010, dort Bl. 5 f.). Ferner stünde ihr auch Ersatz der Kosten für ärztliche Atteste in Höhe von 118,14 EUR zu. Außerdem seien aufgrund des Vorfalls außergerichtliche Rechtsanwaltskosten der Prozessbevollmächtigten in Höhe von 899,40 EUR entstanden, die mit dem Klageantrag Ziff. 3 geltend gemacht werden.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 750,00 EUR Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit sowie weitere 14.328,51 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtlichen materiellen wie immateriellen Schaden, der der Klägerin aus dem Fahrgastunfall in dem Linienbus der Beklagten zu 2) am 01.03.2007 entstanden ist und noch entstehen wird, zu ersetzen, sofern Ersatzansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergegangen sind oder abgetreten wurden und von dem Klageantrag zu 1) nicht abgegolten werden,

3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die Klägerin von ihrer Zahlungsverpflichtung gegenüber den Rechtsanwälten C und K hinsichtlich vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren nebst Auslagen und Mehrwertsteuer in Höhe von 899,40 EUR freizustellen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, dass der Beklagte zu 1) verkehrsbedingt wegen eines vor ihm plötzlich bremsenden Fahrzeugs habe halten müssen. Der Beklagte zu 1) habe das Fahrzeug nur schwer erkennen können, da er von der Sonne geblendet worden sei. Die Beklagten sind der Ansicht, dass wegen Eigenverschuldens der Klägerin eine Haftung nicht in Betracht komme. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin sich während der Busfahrt nicht gehörig Halt verschafft habe. Unter Bezugnahme auf das von Herrn Dipl.-Ing. S verfasste DEKRA-Privatgutachten behaupten die Beklagten, dass es im Rahmen der unstreitig erfolgten Abbremsung lediglich zu einem mittleren Verzögerungswert von 2,31 m/s² gekommen sei (vgl. S. 5 des Privatgutachtens). Die Geschwindigkeit, mit der die Klägerin auf die Sitzreihe vor ihr aufgeprallt sein könnte, habe danach lediglich zwischen 0,59 km/h und 5,3 km/h gelegen.

Aufgrund des Beweisbeschlusses vom 19.04.2011 (Bl. 48 d.A.) hat das Gericht Beweis über die Höhe der Anstoßgeschwindigkeit durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens erhoben. Auf der Grundlage der Diagrammscheibe des Omnibusses (Bl. 52 d.A.) und deren Auswertung durch die Fa. XX (Bl. 53 ff. d.A.) hat der Sachverständige Dipl.-Ing. L am 22.07.2011 sein Gutachten erstattet. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten verwiesen (Bl. 70 ff. d.A.).

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlungen vom 19.04.2011 (Bl. 43 f. d.A.) und 14.09.2011 (Bl. 92 d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

1. Der Klägerin steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner wegen des Unfallereignisses vom 01.03.2007 unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld zu.

Die Beklagten haften nicht, da die Klägerin eine unfallbedingte Rechtsgutverletzung nicht nachzuweisen vermocht hat und dem Beklagten zu 1) überdies kein Verschulden zur Last fällt.

a. Die Klägerin hat keine Ansprüche gegen den Beklagten zu 1) aus § 18 StVG, § 823 Abs. 1 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB, § 229 StGB i.V.m. § 253 Abs. 2 BGB.

aa. Eine Haftung des Beklagten zu 1) ist bereits dem Grunde nach nicht gegeben, da das Verhalten des Busfahrers hier nicht kausal für den Eintritt des konkreten Verletzungserfolgs gewesen ist. Die insofern darlegungs- und beweisbelastete Klägerin vermochte nicht nachzuweisen, dass es aufgrund des von dem Beklagten zu 1) eingeleiteten Bremsmanövers zu den von der Klägerin behaupteten schweren und dauerhaften Gesundheitsschäden gekommen ist.

Unfall in Bus - Haftung für einen Sturz eines Fahrgastes aufgrund einer Vollbremsung
Symbolfoto: Von Petair/Shutterstock.com

Wie der gerichtliche Sachverständige für das Gericht in jeder Hinsicht nachvollziehbar festgestellt hat, ist es ausgeschlossen, dass das durch den Beklagten zu 1) eingeleitete Bremsmanöver dazu geführt hat, dass die Klägerin – wie von ihr behauptet – von ihrem Sitzplatz gefallen und gegen die gegenüberliegende Sitzreihe gestoßen ist. Sofern die Klägerin saß und sie sich – wie sie selbst behauptet – festhielt, ist der Sturz nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht als Folge der Bremsung zu erklären.

Der Sachverständige kommt in seinem schriftlichen Gutachten nach Auswertung der Diagrammscheibe unter Berücksichtigung der systembedingten Toleranzen zu dem Ergebnis, dass der Omnibus eine Abbremsung mit Verzögerungswerten zwischen 1,53 m/s² und 3,89 m/s² ausgeführt hat.

Selbst unter Zugrundelegung des oberen Verzögerungswertes von 3,89 m/s² handelt es sich laut des Sachverständigen nicht um eine Vollbremsung, sondern um eine mittelstarke Abbremsung. Wie der Sachverständige weiter ausgeführt hat, verfügen moderne Omnibusse ebenso wie Pkws an der Vorderachse über Scheibenbremsen und sind üblicherweise mit Antiblockiersystem ausgerüstet, so dass sie bei einer Vollbremsung – vergleichbar zu Pkws – Verzögerungswerte bei nasser Fahrbahn von ca. 6 m/s² und auf trockener Straße Werte von 8 m/s² und mehr erreichen. Vor diesem Hintergrund sei der ermittelte Maximalwert mit weniger als 4 m/s² als mittelstarke Abbremsung zu bezeichnen.

Sofern die Klägerin, wie von ihr geschildert, auf dem Sitz saß und sich festhielt, ist aus Sicht des Sachverständigen nicht zu erklären, wie sie bei dieser mittel starken Abbremsung aus dem Sitz fallen und gegen den vor ihr befindlichen Sitz stoßen konnte. Entgegen des Privatgutachters hält der gerichtliche Sachverständige die Reibungskräfte zwischen Gesäß und Sitzfläche nicht für vernachlässigbar. Laut des gerichtlichen Sachverständigen ist es zwar zutreffend, dass die Reibungskräfte zwischen Sitzfläche und Körper, wie der Privatgutachter ausgeführt hat, nur mit aufwändigen Messverfahren ermittelt werden können. Sie sind nach Ansicht des gerichtlichen Sachverständigen allerdings so groß, dass eine Vernachlässigung nicht zulässig ist. Nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen finden bei den hier ermittelten Verzögerungswerte praktisch keine Relativbewegungen des Gesäßes auf dem Fahrzeugsitz statt, da die Insassen intuitiv durch Festhalten, Muskelanspannen etc. entsprechende Gegenmaßnahmen gegen ein Abrutschen ergreifen. Dies gilt laut des Sachverständigen auch für den Fall, dass – wie hier – ein Bremsmanöver mittlerer Stärke überraschend erfolgt, also der Insasse auf die Verzögerung nicht vorbereitet bzw. nicht entsprechend „gewarnt“ ist. Der Sachverständige kommt zu dem Ergebnis, dass bei mittelstarken Abbremsungen, wie hier, die auftretenden Kräfte durch die Reibung auf dem Sitz und die reflexartig aufgebrachte Muskelentspannung des Körpers problemlos kompensiert werden. Folglich hat der Sachverständige auch keine Aussage über die Höhe der Anstoßgeschwindigkeit, d.h. die Geschwindigkeit, mit der die Klägerin gegen die Sitzreihe vor ihr gestoßen ist, treffen können.

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Das Gericht macht sich die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen zu Eigen und legt sie der Entscheidung zugrunde.

bb. Im Übrigen fällt dem Beklagten zu 1) kein Verschulden zur Last. Der Beklagte zu 1) hat die im Straßenverkehr erforderliche Sorgfalt beachtet. Jedenfalls kann nicht festgestellt werden, dass das Bremsmanöver grundlos bzw. verkehrswidrig erfolgt ist. Auch die Klägerin selbst stellt nicht in Abrede, dass der Beklagte zu 1) aufgrund eines vor ihm fahrenden Fahrzeugs, das plötzlich abbremste, seinerseits das streitgegenständliche Bremsmanöver eingeleitet hat. Derart verkehrsbedingte Bremsungen eines Busfahrers stellen jedenfalls keinen Sorgfaltsverstoß dar.

Denn in der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Fahrgast eines Linienbusses in aller Regel sich selbst überlassen ist und nicht damit rechnen kann, dass der Fahrer, der mit Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer seine Aufmerksamkeit auf das Verkehrsgeschehen lenken muss, sich um ihn kümmert (vgl. BGH, NJW 1993, 654). Ein Busfahrer ist in aller Regel nicht verpflichtet, sich ständig zu vergewissern, ob sämtliche Fahrgäste sitzen oder sich auf andere Art und Weise festen Halt verschafft haben. Jeder Fahrgast eines Busses muss nämlich selbst dafür Sorge tragen, dass er nicht durch typische und zu erwartende Bewegungen des Busses zu Fall kommt (OLG Frankfurt, NZV 2002, 367).

Insbesondere darf der Fahrer eines Linienbusses, der seinen Fahrplan einzuhalten hat, darauf vertrauen, dass die Fahrgäste ihrer Verpflichtung, sich stets einen festen Halt zu verschaffen, auch vor dem Anfahren von einer Haltestelle nachkommen, um so eine Sturzgefahr zu vermeiden (OLG Oldenburg, Urt. v. 06.07.1999, Az.: 5 U 62/99 – zitiert nach juris). Schließlich besteht die vorrangige Aufgabe eines Busfahrers darin, auf Fahrbahn und Verkehrszeichen zu achten (vgl. OLG Oldenburg, Urt. v. 06.07.1999, Az.: 5 U 62/99 – zitiert nach juris; LG Wiesbaden, VersR 1975, 481).

Dass der Beklagte zu 1) sich während der Fahrt mit einem im Gang stehenden Bekannten unterhalten habe und dadurch abgelenkt gewesen sei, haben die Beklagten bestritten. Insofern ist die Klägerin beweisfällig geblieben, da eine Vernehmung der Klägerin als Partei unzulässig ist. Im Übrigen ist weder vorgetragen noch ersichtlich, inwiefern und wie lange die von der Klägerin behauptete Unterhaltung den Beklagten zu 1) in der Wahrnehmung des Verkehrs vor ihm beschränkt haben soll und ob das Bremsmanöver ohne die behauptete Unterhaltung weniger stark gewesen wäre.

Nach alldem kann dem Beklagten zu 1) nicht vorgeworfen werden, dass er unangemessen stark abbremste und dies zu einem Sturz der Klägerin führte.

b. Die Beklagte zu 2) haftet weder aus dem zwischen ihr und der Klägerin abgeschlossenen Personenbeförderungsvertrag auf Schadensersatz wegen Schlechterfüllung nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB (dazu unter aa.) noch aus der Betriebsgefahr ihres Busses gemäß § 7 StVG (dazu unter bb.).

aa. Ein Anspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 631 BGB scheidet aus, da die Beklagte zu 2) keine ihr obliegende Pflicht aus dem Personenbeförderungsvertrag schuldhaft verletzt hat.

Ein Fahrgast, der geltend macht, durch ein Fehlverhalten des Fahrers eines Linienbusses infolge eines Sturzes zu Schaden gekommen zu sein, trägt die Beweislast für den tatsächlichen Geschehensablauf und die Unfallursächlichkeit. Wie oben dargestellt, ergeben sich unter Berücksichtigung des Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen durchgreifende Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung des Ablaufs des Fahrgastunfalls durch die Klägerin. Insbesondere steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die schwere und dauerhafte Gesundheitsschädigung der Klägerin adäquat kausal durch das Abbremsen des Omnibusses durch den Beklagten zu 1) verursacht worden ist.

Auf das weitere Beweisangebot der Klägerin, sie als Partei zu vernehmen, ist nicht einzugehen. Da die Beklagten ihre Zustimmung hierzu nicht erklärt haben (vgl. § 447 ZPO) und die Voraussetzungen des § 448 ZPO nicht vorliegen, scheidet eine Vernehmung der Klägerin aus.

Im Übrigen lässt sich auch ein schuldhaftes Fahrverhalten des Busfahrers nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht feststellen (s.o.). Zwar müsste die Beklagte für eine entsprechende Pflichtverletzung des Fahrers ihres Busses nach § 278 S. 1 BGB einstehen, da dieser als ihr Erfüllungsgehilfe anzusehen ist. Allerdings kann diesem ein schuldhafter Pflichtverstoß gerade nicht nachgewiesen werden.

bb. Letztlich scheidet auch eine Haftung nach § 7 StVG aus. Zwar ereignete sich der Unfall unstreitig bei dem Betrieb des vom Beklagten zu 1) geführten Busses, dessen Halter die Beklagte zu 2) ist. Dass die Verletzungen der Klägerin adäquat kausal durch den Betrieb des Omnibusses verursacht worden ist, steht jedoch nicht fest (s.o.).

Im Übrigen tritt die grundsätzlich zu berücksichtigende Betriebsgefahr des Busses gemäß § 254 BGB unter dem Gesichtspunkt des schwerwiegenden Mitverschuldens des Fahrgastes zurück, wenn dieser sich nicht ausreichend festgehalten hat (LG Köln, Urt. v. 02.04.2009, Az.: 29 O 134/08 – zitiert nach juris, OLG Frankfurt am Main, NZV 2002, 367). Kommt ein Fahrgast bei einem Bremsmanöver zu Fall, spricht – sofern es sich nicht um eine Vollbremsung handelt – bereits der erste Anschein dafür, dass er sich nicht ausreichend festgehalten hat (vgl. OLG Köln, VRS 99, 247; OLG München, NVZ 2006, 477; LG Lübeck, NJW 2007, 2564).

Gemäß § 4 der Verordnung über Allgemeine Förderungsbedingungen für den Straßenbahn- und Omnibusverkehr sowie dem Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen, Fahrgäste verpflichtet, sich im Fahrzeug stets einen festen Halt zu verschaffen. Die Gefährdung der Fahrgäste kann nur durch die Befolgung ihrer Pflicht, sich einen festen Halt zu verschaffen, ausgeschlossen werden. Dass die Klägerin sich einen solchen festen Halt nicht verschafft hat, steht nach den Ausführungen des Sachverständigen fest. Es liegt daher ein so hohes Maß an Selbstverschulden der Klägerin vor, dass eine demgegenüber möglicherweise noch den Beklagten zuzurechnende Betriebsgefahr als Beitrag zur Verursachung des Sturzes der Klägerin so sehr in den Hintergrund tritt, dass sie unberücksichtigt bleiben muss.

2. Da eine Haftung dem Grunde nach nicht gegeben ist, ist auch der geltend gemachte Feststellungsantrag gemäß Ziff. 2 der Klageschrift nicht begründet.

3. Gleiches gilt für den Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren (Klageantrag Ziff. 3).

Insofern ist die Klage vollumfänglich abzuweisen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Streitwert: 16.578,51 EUR.

 

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