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Unfallfreiheit zugesichert

Saarländisches Oberlandesgericht

Az.: 4 U 508/98-115

Verkündet am 13.04.1999

Vorinstanz: LG Saarbrücken – Az.: 12 O 213/97


URTEIL

In dem Rechtsstreit hat der vierte Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30.3.1999 für R e c h t erkannt:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das am 28.5.1998 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken – 12 0 213/97- wie folgt abgeändert und neu gefaßt:

1).

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 30.127,20 DM

nebst 4 % Zinsen seit 19.2.1997 zu zahlen Zug um Zug gegen Rückgabe des PKW Audi Cabrio 2,8 i, Fahrgestell-Nr.: WAUZZZ86ZPA00…..

2) Es wird festgestellt, daß sich der Beklagte mit der Rücknahme des vorbezeichneten Fahrzeugs in Verzug befindet.

3) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich derjenigen des Beweissicherungs-verfahrens 12 OH 12/96 des Landgerichts Saarbrücken tragen der Kläger zu 15/100, der Beklagte zu 85/100. Die Kosten der Streithilfe, tragen der Kläger zu 15/100 und der Streithelfer zu 85/100.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

I.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig und nach Maßgabe der Urteilsformel überwiegend begründet.

1)

Der auf der Grundlage des § 463 BGB in Verbindung mit § 459 Abs.1 BGB zu beurteilende Schadensersatzanspruch des Klägers ist in Höhe von 30.127,20 DM begründet.

Der Kläger ist gemäß § 463 Satz 2 BGB berechtigt, von dem Beklagten Schadensersatz wegen Nichterfüllung des am 16.2.1996 geschlossenen Kaufvertrages (B1.6 d.A.) zu verlangen. Denn das erworbene Fahrzeug war zur Zeit der Übergabe mit ,einem vom Beklagten arglistig verschwiegenen Fehler im Sinne des § 459 Abs.1 BGB behaftet.

a)

Aufgrund des Gutachtens, welches der Sachverständige am 8.1.1997 in dem unter dem Aktenzeichen 12 OH 12/96 beim Landgericht Saarbrücken anhängig gewesenen Beweissicherungsverfahren erstattet hat, steht fest, daß das Fahrzeug unfallbedingt einen erheblichen Heckschaden erlitten hat, der unter anderem zu sehr starken Stauchfaltungen bzw. Deformierungen des Bodenblechs im Kofferraum sowie zu nicht unerheblichen Deformationen an der rechten Seite des Heckblechs geführt hat (vgl. im einzelnen B1.28-31,43 der vorbezeichneten Akten). Von der Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen ist der Senat überzeugt; diesbezügliche Zweifel sind nicht veranlaßt, zumal auch der Beklagte Einwendungen nicht erhoben hat.

Daß dieser Heckschaden bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 16.2.1996 bestanden hat, ist in der Berufungsinstanz außer Streit.

b)

Davon, daß der Beklagte dem Kläger diesen, als gewährleistungspflichtiger Fehler im Sinne des § 459 Abs. l BGH zu wertenden Unfallschaden bei Abschluß des Vertrages arglistig verschwiegen hat, ist auszugehen. Anerkanntermaßen hat der Verkäufer eines gebrauchten Kraftfahrzeuges dem. Käufer einen ihm bekannten Unfallschäden auch ungefragt mitzuteilen, wenn er sich nicht dem Vorwurf arglistigen Verschweigens aussetzen will (BGH2 63/382; BGH NJW 81/928, 929; BGH NJW 82/1386; ,BGH NJW-RR 87/436, 437) . Hierbei hat er das volle Ausmaß des Unfallschadens und die zur Instandsetzung erforderlichen Arbeiten mitzuteilen (vgl, OLG Karlsruhe DAR 92/151; OAG Hamm DAR 94/401; Senatsurteil vom 31.3.1998 – 4 U 557/97-155).. Durch Mitteilung von Einzelheiten, die geeignet sind, den Unfall oder den Umfang des Schadens zu Bagtellisieren, erfüllt der Verkäufer die ihm obliegende Aufklärungspflicht in keinem Fall (vgl.. BGH NJW-RR 87/43,6,437; OLG Köln NJW-RR 86/1380; OLG Koblenz DAR 89/467; OLG Düsseldorf , NJW-RR 97./1402; Soergel-Huber, BGB, 13.Aufl., § 476 Rdnr.33 m.w.Nachw.; Reinking-Eggert, Der Autokauf, 6.Auf1., Rdnr.1883 f. m.w.Nachw.).

Der ihm hiernach obliegenden umfassenden Aufklärungspflicht hat der Beklagte nicht genügt.

Dem Wortlaut des schriftlichen Vertrages zufolge hat der Beklagte den Kläger lediglich darauf hingewiesen, daß das Fahrzeug hinten ausgebessert‘ wurde. Diese Erklärung gibt den wahren Umfang des Schadens, insbesondere die nach Durchführung der Ausbesserung noch verbliebenen Restschäden im Bereich des Bodenblechs und des Heckblechs nicht wieder, sondern ist geeignet, die eingetretenen Schäden und die Art des zugrundeliegenden Unfalls zu bagatellisieren (vgl. auch BGH NJW-RR 87/436, 437; BGH LM § 123 BGB Nr. 10) ..

Davon, daß der Beklagte den Kläger vor Vertragsschluß mündlich in der gebotenen Weise über den Umfang des unfallbedingten Schadens aufgeklärt habe, kann nicht. ausgegangen werden. Denn der Beklagte, dem insoweit angesichts der der Vertragsurkunde zukommenden Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit die Beweislast obliegt (vgl.. BGH NJW-RR 89/1323, 1324; Zöller-Geimer, ZPO, 21.Aufl., § 416 Rdnr. 10 m. w. Nachw.), vermag diesen Beweis nicht zu führen:

Dabei mag dahinstehen, ob die Aussagen der Zeugin sowie der Zeugen zutreffen, wonach der Beklagte , ohne Hinweis auf die weitergehende, Unfallschäden am Boden und am Heckblech lediglich geäußert hat, das Fahrzeug habe einen leichten Unfall gehabt, hierbei leichte Beschädigungen am Kofferraumdeckel sowie an der. Stoßstange erlitten, die er – der Beklagte – durch Auswechslung der betreffenden. Teile behoben habe. Denn auch wenn man der Beurteilung die Aussage des Zeugen

zugrundelegt, ergibt sich, daß der Beklagte den Kläger nicht in der gebotenen Weise über den Umfang des Unfallschadens aufgeklärt hat.

Auch hiernach hat nämlich der Beklagte dem Kläger lediglich erklärt, der Vorbesitzer habe mit dem Fahrzeug einen leichten Schaden gehabt, wobei die Heckklappe eine kleine Delle erlitten habe, die Stoßstange beschädigt worden und eine Delle am Bodenblech entstanden seien. Da jedoch – wie der Sachverständige festgestellt hat – unfallbedingt das Bodenblech nicht nur eine Delle erlitten hat, sondern starke Stauchfaltungen, und da zudem das Heckblech erheblich deformiert ist, stellt auch der vom Zeugen: wiedergegebene Hinweis des Beklagten eine bagatellisierende: Verharmlosung des Schadensumfangs dar, die den an eine ordnungsgemäße Aufklärung zu stellenden Anforderungen keineswegs genügt.

Dem Beklagten ist insoweit auch vorzuwerfen, arglistig gehandelt zu haben.

Arglist setzt nicht die Absicht voraus, zu täuschen oder einen Betrug im strafrechtlichen Sinne zu begehen. Es genügt vielmehr, daß der Verkäufer den nicht erwähnten Mangel kennt oder mit seinem Vorhandensein rechnet und daß er weiß oder damit rechnet, der Käufer werde den. Kaufvertrag nicht. oder nicht mit dem gegebenen Inhalt abschließen, wenn er, den Fehler kennen würde (vgl. Soergel-Huber aa0 § 476 Rdnr.21; Reinking-Eggert aaO Rdnr. 1857 ff. m.w.Nachw.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Die Unfallschäden an dem Bodenblech waren dem Beklagten seiner eigenen Darstellung -zufolge bekannt. Daß der Beklagte Kenntnis von den äußerlich sichtbaren Deformierungen des Heckblechs hatte, folgt zwingend aus der, unstreitigen Tatsache, daß er selbst die Stoßstange ausgewechselt hat. Daß der Beklagte zumindest damit rechnete, der Kläger werde den Kaufvertrag bei Kenntnis der in Rede stehenden Unfallschäden nicht oder zumindest nicht mit dem gegebenen.. Inhalt abschließen, ist bei der gegebenen Sachlage nicht zweifelhaft.

c)

Die Gewährleistungspflicht des Beklagten ist nicht durch § 460 BGB ausgeschlossen. Daß der Kläger die Unfallschäden im Bereich des Boden- und des Heckblechs bei Vertragsschluß gekannt habe (§ 460 Satz 1 BGB), ist nicht dargetan. Daß ihm diese Schäden möglicherweise infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt; geblieben sind, vermag den Beklagten im Hinblick auf § 460 Satz 2 BGB nicht zu entlasten.

d)

Aus alldem folgt, daß der Beklagte dem Kläger gemäß § 463 Satz 2 BGB zum Schadensersatz verpflichtet ist. Daß die Parteien vertraglich einen Gewährleistungsausschluß vereinbart haben, steht im Hinblick auf § 476 BGB nicht entgegen.

Der dem Kläger zustehende Schadensersatzanspruch ist nicht gemäß § 254 BGB eingeschränkt wegen eines etwaigen Mitverschuldens des Klägers, das darin liegen könnte, daß er bei der vor Vertragsschluß vorgenommenen Besichtigung des. Fahrzeugs die Schäden am Boden- und Heckblech nicht von sich aus wahrgenommen hat. Denn im Anwendungsbereich des § 460 BGB, der eine Sonderregelung für Kenntnis und grobfahrlässige Unkenntnis von Mängeln auf Seiten des Käufers darstellt, ist § 254 BGB nicht anwendbar (vgl. BGH NJW 93/1643,1644).

e)

Der dem Kläger erwachsene Schaden beziffert sich auf insgesamt 38.061.- DM. Neben der Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises in Höhe von 36.500.- DM schuldet der Beklagte entsprechend § 347 Satz 2 BGB, § 467 Satz 2 BGB und § 994 Abs. 1 BGB Erstattung der notwendigen Verwendungen; diese belaufen sich dem unbestrittenen vorbringen des Klägers zufolge auf 2.561 DM.

Auf diesen Schaden muß sich der Kläger jedoch im Wege der Vorteilsausgleichung die Gebrauchsvorteile aufgrund der Nutzung des erworbenen Kraftfahrzeugs anrechnen lassen, was von Amts wegen zu beachten ist (vgl. Reinking-Eggert aaO Rdnr.822).

Diese Gebrauchsvorteile sind mit 7.933,80 DM zu bewerten; auszugehen ist hierbei davon, daß das Fahrzeug unstreitig seit Übergabe an den Kläger insgesamt 26.446 km zurückgelegt hat und daß der Gebrauchsvorteil pro gefahrenen Kilometer den übereinstimmenden Angaben der Parteien zufolge mit 0,30 DM angemessen bewertet ist.

f)

Den unter Berücksichtigung dieser Vorteilsausgleichung verbleibenden Betrag von 30.127,20 DM hat der Beklagte gemäß § 284 Abs.1 BGB, § 288 Abs.1 BGB ab 19.2.1997 zu verzinsen. Die diesen Anspruch begründenden Voraussetzungen sind außer Streit.

Der gemäß § 256 ZPO zulässige Feststellungsantrag des Klägers ist begründet. Aufgrund des Schreibens des Prozeßbevollmächtigten des Klägers vom 7.2.1997 (B1.9 d.A.) befindet sich der Beklagte mit der Rücknahme des ihm angebotenen Kauffahrzeugs in Annahmeverzug (§§ 293 ff. BGB), was zur Haftungsminderung gemäß § 300 Abs. l BGB sowie zur Erleichterung der Zug-um-Zug-Vollstreckung nach §§ 756,765 ZPO antragsgemäß festzustellen ist (vgl. Senatsurteil vom 26.8.1997 – 4 U 766/96)

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs.1, § 101 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708.Nr.10, § 711, § 713 ZPO.

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