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Unruhe im Prüfungsraum aufgrund  eines Klausurdiebstahls – Rügeobliegenheit

VG Bremen –  Az.: 1 V 2012/13 –  Beschluss vom 09.12.2013

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Streitwert wird zum Zwecke der Kostenberechnung auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Zulassung zu Wiederholungsversuchen für eine Prüfung im Modul „Physik und Strömungslehre“ im Wege des Eilverfahrens.

Der Antragsteller nahm zum Wintersemester 2011 an der Hochschule Bremen (Antragsgegnerin) ein Studium der Luft- und Raumfahrttechnik B.Eng. auf. Nachdem er die Prüfungen in den Modulen „10110 Mathe 1“ und „10120 Physik“ auch im zweiten Versuch nicht bestanden hatte, teilte die Antragsgegnerin ihm mit Schreiben vom 18. Oktober 2012 mit, dass ein dritter Prüfungsversuch (zweite Wiederholung) den Nachweis der Teilnahme an einer individuellen Studienberatung durch die Fakultät voraussetze. Die individuelle Studienberatung vor dem dritten Prüfungsversuch erfolgte noch am selben Tag durch den Dozenten Prof. K.. Am 30. Januar 2013 nahm der Antragsteller sodann am dritten Prüfungsversuch für das Modul „Strömungslehre/Physik“ unter der Aufsicht der Dozenten Prof. K. und zwei weiteren Aufsichtsführenden teil. Die Gesamtteilnehmerzahl der Klausur betrug 49 Prüflinge.

Am 31. Januar 2013 schickte der Antragsteller dem Erstprüfer Prof. K. eine E-Mail mit folgendem Wortlaut [Rechtschreibfehler im Original]:

„Sehr geehrter Herr K.,

am 30.01.13 habe ich bei Ihnen und Herrn S. meine Physik Klausur geschrieben, da es mein letzter Versuch war und die Klausur meines Empfindens ziemlich schwer angesetzt wurde (obwohl ich sehr viel für die Klausur gelernt habe), wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir evtl vor der Ergebnisbekanntgabe mitteilen könnten ob ich Bestanden oder nicht Bestanden habe.

Mit freundlichen Grüßen

XXX“

Unruhe im Prüfungsraum aufgrund  eines Klausurdiebstahls – Rügeobliegenheit
Symbolfoto: Von Areipa.lt/Shutterstock.com

Mit E-Mail vom 04. Februar 2013 teilte Prof. K. dem Antragsteller mit, dass er auf seiner Internetseite veröffentlichen werde, wie viele Punkte nach der Erstbewertung vergeben werden konnten. Erst nach der Bewertung durch den Zweitprüfer könne aus beiden Bewertungen eine Gesamtnote gebildet und an das Prüfungsamt weitergeleitet werden. Er werde den Antragsteller aber nicht persönlich informieren. Am 08. Februar 2013 veröffentlichte Prof. K. auf seiner Internetseite die Zwischenergebnisse im Fall von Drittversuchen nach Bewertung durch den Erstprüfer. Für den Antragsteller ergaben sich danach 33,2 Gesamtpunkte. Für die Note „ausreichend“ (4.0) wären 50 von 100 möglichen Punkten notwendig gewesen.

Mit Schreiben vom 12. Februar 2013 legte der Antragsteller „Widerspruch gegen [s]einen 3. Versuch am 30.01.2013 in der Physik/Strömungslehre Klausur“ ein. Den Widerspruch begründete er damit, dass die Aufgabenstellung der Klausur nicht dem Schwierigkeitsgrad des Skriptes entsprochen habe, wodurch er sich trotz guter Vorbereitung unter Druck gesetzt gefühlt habe. Zudem habe es während der Klausur eine Störung gegeben. Kurz nach dem Austeilen der Klausur habe ein Student mit der Klausur den Saal verlassen. Die Aufsichtsführenden hätten diesen Studenten verfolgt. In dieser Zeit sei kein Aufsichtsführender im Saal gewesen, obwohl die Klausur bereits verteilt gewesen sei. Die dadurch entstandene Unruhe habe ihm die Konzentration genommen. Zudem seien ihm nach im Anschluss an den Vorfall von Prof. K. Fragen danach gestellt worden, ob er den Studenten kenne. Dies alles habe dazu geführt, dass er vollkommen den Faden verloren habe und das erlernte Wissen nicht mehr habe abrufen können. Nach diesem Vorfall sei die Klausur der nachfolgenden Semesterverbände durch eine identische Klausur des letzten Jahres getauscht worden. Dies stelle eine grobe Ungerechtigkeit dar, denn da er diese Klausur bereits im vorangegangenen Jahr mitgeschrieben habe, hätte er diese mit seinem Wissen sicherlich bestanden. Abschließend bat der Antragsteller um Nichtigerklärung seines dritten Prüfungsversuchs und die Möglichkeit zur Teilnahme an einer Nachschreibeklausur.

Mit Bescheid vom 26. Februar 2013 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass er die Prüfung in dem Modul Physik und Strömungslehre und damit die Bachelorprüfung gem. § 14 Abs. 6 und § 22 Abs. 7 des Allgemeinen Teils der Bachelorprüfungsordnungen der Antragsgegnerin endgültig nicht bestanden habe. Der Antragsteller habe somit alle zulässigen Wiederholungen der Modulprüfung Physik und Strömungslehre ausgeschöpft und die Bachelorprüfung endgültig nicht bestanden. Es werde darauf hingewiesen, dass das endgültige Nichtbestehen der Bachelorprüfung gem. § 42 Abs. 2 des Bremischen Hochschulgesetzes zur Exmatrikulation führe. Mit Schreiben vom 28. Februar 2013, zugegangen am 04. März 2013, legte der Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid vom 26. Februar 2013 ein und verwies hierbei auf seine vorangegangene „Widerspruchsbegründung“. Der zuständige Prüfungsausschuss half dem Widerspruch in seiner Sitzung vom 30. April 2013 nicht ab. Dieses Ergebnis teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Bescheid vom 24. Mai 2013 mit und erläuterte, dass der Prüfungsausschuss dem „Widerspruch gegen den 3. Versuch“ des Antragstellers damit nicht stattgegeben habe. Mit Schreiben vom 05. Juni 2013 legte der Antragsteller „Widerspruch gegen den Sitzungsbeschluss vom 30.04.2013“ ein. Er führte in diesem Zusammenhang aus, dass er während der Sitzung „aus der Reserve gelockt“ worden sei mit unwesentlichen Fragen bezüglich seiner vergangenen Studienzeit. Dies habe dazu geführt, dass man vom eigentlichen Themenschwerpunkt „Annulierung des dritten Versuchs“ abgeschweift sei.

Den Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Antragsgegnerin in seiner Sitzung vom 11. Juli 2013 zurück. Am 26. August 2013 erließ die Antragsgegnerin einen Widerspruchsbescheid, mit dem sie den Widerspruch des Antragstellers zurückwies. Zur Begründung führte sie aus, der Antragsteller wolle die Bewertungen der in Rede stehenden Klausuren nicht angreifen. Für ein verwaltungsinternes Kontrollverfahren („Überdenken“) sei daher kein Raum. Bewertungsfehler seien auch ansonsten nicht ersichtlich. Mit seinen Einwänden gegen die Durchführung der Prüfung am 30. Januar 2013 dringe der Antragsteller nicht durch. Der Ablauf der Prüfung sei nicht wesentlich gestört worden. Zwar seien die Geräuschintensität und zeitliche Dauer des vom Antragsteller reklamierten Ereignisses von den Beteiligten unterschiedlich beschrieben worden. Nach der Erinnerung des Prüfers Prof. K. habe ein Student wenige Minuten nach dem Austeilen der Klausur den Raum mit den Aufgabenzetteln durch die rückwärtige Tür verlassen. Zwei Aufsichtsführende hätten den Prüfungsraum verlassen und seien dem Student hinterher geeilt, während ein Aufsichtsführer im Raum geblieben sei. Nach Rückkehr in den Raum habe Prof. K. die um den nunmehr leeren Tisch Sitzenden nach der Identität des Studenten befragt. Der Vorfall habe auf den Prüfungsablauf keinen signifikanten Einfluss gehabt und es habe keine besondere Unruhe gegeben. Die Aufsichtsführenden hätten die Atmosphäre als eher ruhig und konzentriert beschrieben. Die Darstellung des Antragstellers, wonach große Unruhe unter den Teilnehmer geherrscht habe, sei zu unsubstantiiert, um daraus nachträglich auf eine wesentliche Störung schließen zu können. Während andauernde Geräusche sich durchaus als störend auswirken könnten, müssten kurze Einwirkungen meist hingenommen werden, da sie sich nicht wesentlich auf die Konzentration auswirken. Das Verlassen des Raumes durch den Prüfungsteilnehmer könne sich nicht störend ausgewirkt haben, denn es sei sehr rasch geschehen und tatsächlich wohl auch von vielen Anwesenden unbemerkt geblieben. Dies gelte auch für die Umstände der kurzen Nachfrage nach der Identität des den Raum verlassenden Prüfungsteilnehmers. Die Prüfungskandidaten seien entgegen der Behauptung des Antragstellers zu keinem Zeitpunkt unbeaufsichtigt gewesen. Zudem spreche der Umstand, dass außer dem Antragsteller niemand über den Ablauf Beschwerde geführt habe, dafür, dass die Prüfungsbedingungen nicht unzumutbar gewesen seien. Es hänge nicht zuletzt von der persönlichen Empfindsamkeit des Prüflings ab, ob bestimmte Einwirkungen als störend wahrgenommen würden. Hier greife die Verpflichtung des Prüflings, selbst auf störende Einflüsse aufmerksam zu machen, damit notwendigenfalls abgeholfen werden könne. Mit seiner Rüge könne der Antragsteller nicht mehr gehört werden, da er diese nicht unverzüglich vorgebracht habe. Eine Annullierung des dritten Prüfungsversuchs komme nicht in Betracht, denn es fehle an einer unverzüglichen Rücktrittserklärung durch den Antragsteller. Seine Erklärung sei 15 Tage nach der Prüfung bei der Antragsgegnerin eingegangen. Er habe sich erst in unmittelbarem Zusammenhang mit der Kenntnisnahme von seinen Prüfungsergebnissen an die Antragsgegnerin gewandt. Es sei jedoch nicht zulässig, einen vermuteten Verfahrensfehler gedanklich „aufzubewahren“, um sich eine Option auf ein späteres Angreifen eines eventuell missliebigen Prüfungsergebnisses zu bewahren. Eine Verpflichtung der Prüfungsverwaltung, die Prüflinge über Möglichkeiten des Rücktritts von der Prüfung vorab ausdrücklich in Kenntnis zu setzen, habe nicht bestanden. Aus dem Wortlaut der Mitteilung vom 12. Februar 2013 ergebe sich, dass der Antragsteller von Anfang an ein negatives Prüfungsergebnis habe beseitigen wollen, denn er habe sich nicht nur gegen den Ablauf der Prüfung gewandt, sondern auch den Schwierigkeitsgrad der Klausur bemängelt sowie den Umstand, dass einem nachfolgenden Durchgang – aus seiner Sicht ungerechterweise – eine vermeintlich einfachere Klausur gestellt worden sei. Der Hinweis des Antragstellers aus dem Widerspruchsverfahren, wonach die Rügeobliegenheit entfalle, sofern die Prüfungsbehörde von sich aus eine Störung erkenne, gehe fehl. Der Fall liege nicht so, dass die Aufsichtsführenden von Anfang an auf eine die Chancengleichheit der Prüflinge verletzende Störung schließen mussten oder die Störung sogar offensichtlich gewesen sei. Auch ansonsten könnte der Antragsteller mit seiner Rüge nicht gehört werden, denn die Bearbeitungszeit der Klausur sei um etwa 10 Minuten verlängert worden.

Der Antragsteller erhob am 06. September 2013 unter dem Aktenzeichen 1 K 1226/13 Klage, mit der er die Aufhebung des Bescheides der Antragsgegnerin vom 26. Februar 2013 sowie des Widerspruchsbescheids vom 26. August 2013 verfolgt.

Am 05. November 2013 hat der Antragsteller einen Eilantrag gestellt. Er trägt vor, die Antragsgegnerin respektiere die aufschiebende Wirkung seiner Klage nur insoweit, als sie ihn bislang nicht exmatrikuliert habe. Die aufschiebende Wirkung seiner Klage habe jedoch zur Folge, dass er das Recht habe, sein Studium einstweilen fortzusetzen; hierzu gehöre auch die Ablegung weiterer Prüfungsversuche im Modul „Physik und Strömungslehre“. Er wolle sein Studium in diesem Studiengang fortführen und weitere Module belegen, für die Voraussetzung eine erfolgreiche Teilnahme am Modul „Physik und Strömungslehre“ sei. Mit dem Eilantrag begehre er weitere Prüfungsversuche und damit die Möglichkeit, faktisch weiter zu studieren. Es sei ihm unzumutbar, das Ergebnis eines langwierigen Klageverfahrens abzuwarten. Eine Vorwegnahme der Hauptsache sei nicht zu befürchten, denn im Falle einer Klagabweisung würde das endgültige Nichtbestehen der Bachelorprüfung zwischen den Parteien feststehen. Die „Flucht“ des Prüflings habe eine große Unruhe im Kreis der verbliebenen Prüflinge ausgelöst. Es sei nicht weiter Aufsicht geführt worden und einzelne Prüflinge hätten die fehlende Aufsicht genutzt, sich über die Prüfungsaufgaben auszutauschen. Andere hätten die Frage aufgeworfen, ob angesichts des Vorfalls ein neuer Klausurtermin anberaumt werden müsse. Durch die Befragung der Prüflinge durch Prof. K. sei weitere Aufregung entstanden. Im Anschluss habe Prof. K. erklärt, die Klausur müsse weitergeschrieben werden und es gebe keinen Grund für einen Abbruch der Klausur und Anberaumung eines neuen Termins. Erst aufgrund dieser klaren Anweisung sei wieder Ruhe eingetreten. Da die mehr als 10minütige Störung allen Aufsichtsführenden bekannt war, habe es keiner Rüge durch ihn bedurft. Die Rügeobliegenheit gelte ausschließlich für Situationen, die dem Prüfungsamt nicht bekannt seien, insbesondere Erkrankungen des Prüflings. Im Übrigen habe das Prüfungsamt die Verpflichtung, von Amts wegen für einen geordneten Prüfungsablauf zu sorgen.

Der Antragsteller beantragt, der Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung aufzuerlegen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klagverfahrens 1 K YYYY/13 an Wiederholungsversuchen des Moduls „Physik und Strömungslehre“ teilnehmen zu lassen und diese Versuche zu bewerten.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.

Sie führt aus, Widerspruch und Klage bewirkten lediglich, dass die auf die Feststellung des endgültigen Nichtbestehens der Bachelorprüfung aufbauende Exmatrikulation bislang nicht verfügt sei. Ferner bleibe es dem Antragsteller unbenommen, sich zu anderen Modulen anzumelden, soweit diese nicht das Bestehen der Prüfung in dem Modul „Physik und Strömungslehre“ voraussetzten. Einer Teilnahme an weiteren Wiederholungsprüfungen des Moduls „Physik und Strömungslehre“ stehe das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegen. Aufgrund der Stellungnahmen der Prüfer und Aufsichtsführenden sowie der Tatsache, dass neben der erst Tage später vom Antragsteller erhobenen Rüge keine weiteren Beschwerden eingegangen seien, sei nicht vom Vorliegen einer erheblichen Störung auszugehen. Der Vorfall sei nur von kurzer Dauer gewesen und habe nicht zu einer Unruhe im Prüfungsraum geführt. In jedem Fall hätte der Antragsteller die Störungsrüge vor Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses erheben müssen. Dies habe er jedoch erst nach Kenntnis vom Ergebnis der Bewertung durch den Erstprüfer getan, als ihm habe klar sein müssen, dass er die Prüfung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht bestehen konnte. Letztlich wäre die vermeintliche Störung jedenfalls durch die Verlängerung der Bearbeitungszeit ausgeglichen worden.

II.

Der Antrag hat keinen Erfolg. Er ist zulässig aber unbegründet.

Der Antrag auf Verpflichtung der Antragsgegnerin, den Antragsteller bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klagverfahrens 1 K 1226/13 an Wiederholungsversuchen des Moduls „Physik und Strömungslehre“ teilnehmen zu lassen und diese Versuche zu bewerten ist gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO als Regelungsanordnung statthaft. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers führt lediglich dazu, dass er für die Dauer des Hauptsacheverfahrens nicht gemäß § 42 Abs. 2 des Bremischen Hochschulgesetzes exmatrikuliert wird. Der Antragsteller ist dementsprechend weiter bei der Antragsgegnerin als Student eingeschrieben und berechtigt, an Lehrveranstaltungen teilzunehmen. Das Begehren des Antragstellers geht hierüber jedoch hinaus, denn es zielt zusätzlich darauf ab, schon während der Dauer des Hauptverfahrens einstweilen zu weiteren Wiederholungsprüfungen zugelassen zu werden. Damit ist sein Begehren auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet, denn anders als der Antragsteller meint, würde das Nichtbestehen der Bachelorprüfung für den Fall, dass eine Wiederholungsprüfung bestanden wird, gerade nicht mehr feststehen. Eine Benotung von Prüfungsleistungen, die einzig Wirkungen im Eilverfahren entfaltet und mit Entscheidung des Hauptsacheverfahrens gleichsam automatisch entfällt, kennt das Prüfungsrecht nicht. Da es vorliegend somit um die Vorwegnahme der Hauptsache geht, sind an die Glaubhaftmachung von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch erhöhte Anforderungen zu stellen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt dann nur in Betracht, wenn ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache bei summarischer Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und dem Antragsteller ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung schwere und unzumutbare Nachteile entstünden, die auch bei einem späteren Erfolg in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnten (vgl. BVerwG, Beschl. v. 13.08.1999, Az. 2 VR 1.99 und v. 14.12.1989, Az. 2 ER 301.89; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 123 Rn. 14).

Diese Voraussetzungen liegen bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht vor. Zwar ist für den Antragsteller anzunehmen, dass ihm ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung schwere und unzumutbare Nachteile entstünden, die auch bei einem späteren Erfolg in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden. Denn bei Abwarten des Ausgangs des Hauptsacheverfahrens erscheint eine ordnungsgemäße Fortsetzung seines Studiums unabhängig vom Ausgang des Verfahrens infolge Zeitablaufs nicht gewährleistet. Der Antragsteller hat jedoch einen Anordnungsanspruch gerichtet auf die einstweilige Zulassung zu weiteren Wiederholungsprüfungen im Modul „Physik und Strömungslehre“ nicht gem. § 123Abs. 1, 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht.

Dem Antragsteller steht der geltend gemachte Anspruch nach gegenwärtiger Erkenntnis nicht zu. Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 26. Februar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. August 2013 erscheint nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Bewertung offensichtlich rechtmäßig. Der Antragsteller hat in der letzten Wiederholungsprüfung des Moduls „Physik und Strömungslehre“ lediglich die Note „mangelhaft“ erreicht. Die Bewertung hat der Antragsteller inhaltlich nicht angegriffen. Damit wurde die Prüfung in dem Modul „Physik und Strömungslehre“ und damit die Bachelorprüfung gem. § 14 Abs. 6 und § 22 Abs. 7 Allgemeiner Teil der Bachelorprüfungsordnungen der Hochschule Bremen vom 11.10.2011 (Brem. Abl. S. 1457) -AT-BPO- endgültig nicht bestanden. Der Antragsteller hat damit keinen Anspruch auf Zulassung zu weiteren Wiederholungsprüfungen.

Die angefochtenen Bescheide sind nach derzeitiger Erkenntnis verfahrensfehlerfrei zustande gekommen. Entgegen der Auffassung des Antragstellers vermag die Kammer in dem Vorfall während der Prüfung vom 30. Januar 2013 keine prüfungsrechtlich relevante Störung zu erkennen. Dem Antragsteller stand grundsätzlich ein Recht zum Rücktritt von der Prüfung aus triftigem Grund gemäß § 15 Abs. 3 Sätze 1 und 2 AT-BPO zu. § 15 Abs. 3 Satz 2 AT-BPO schreibt jedoch vor, dass der für den Rücktritt geltend gemachte Grund – und damit auch der Rücktritt selbst – unverzüglich schriftlich gegenüber der oder dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses darzulegen und durch geeignete Nachweise zu belegen ist.

Der Antragsteller ist mit seiner Rüge ausgeschlossen, denn er ist seiner Obliegenheit, Mängel des Prüfungsverfahrens unverzüglich zu rügen, nicht nachgekommen. Mit dieser Mitwirkungslast soll zum einen verhindert werden, dass der betroffene Prüfling, indem er in Kenntnis des Verfahrensmangels zunächst die Prüfung fortsetzt und das Prüfungsergebnis abwartet, sich unberechtigte Vorteile verschafft, indem er sich eine ihm nicht zustehende weitere Prüfungschance erschleicht, was im Verhältnis zu den anderen Prüflingen den Grundsatz der Chancengleichheit verletzen würde. Zum anderen dient die Obliegenheit, den Verfahrensmangel unverzüglich geltend zu machen, dazu, der Prüfungsbehörde eine eigene, möglichst zeitnahe Überprüfung des gerügten Mangels mit dem Ziel einer schnellstmöglichen Aufklärung und unter Umständen sogar einer noch rechtzeitigen Korrektur oder zumindest Kompensation eines festgestellten Mangels zu ermöglichen, und zwar auch dies zum Zweck der Wahrung der Chancengleichheit mit den anderen Prüflingen. Dabei gebietet der das gesamte Prüfungsverfahren beherrschende, verfassungsrechtlich gewährleistete Grundsatz der Chancengleichheit, dass der nachträgliche Rücktritt unverzüglich geltend gemacht wird, wobei an die Unverzüglichkeit ein strenger Maßstab anzulegen ist. Ein Prüfungsrücktritt ist danach dann nicht mehr unverzüglich, wenn der Prüfling die Rücktrittserklärung nicht zum frühestmöglichen Zeitpunkt abgegeben hat, zu dem sie von ihm zumutbarer Weise, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, hätte erwartet werden können (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.11.2005, Az. 6 B 45.05 -, NVwZ 2006, 478; Beschl. v. 03.01.1994, Az. 6 B 57.93; Urt. v. 22.06.1994, Az. 6 C 37.92).

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Nach diesen Grundsätzen hätte der Antragsteller spätestens in dem Zeitpunkt, in dem er die Unruhe um den „Klausurendiebstahl“ als so wesentlich für sich empfunden hat, dass ihm dadurch „die Konzentration genommen“ wurde, die Konsequenz ziehen müssen, eine Störung bei der Prüfungsaufsicht zu rügen. Dies hat der Antragsteller jedoch nicht getan. Er hat die laut seiner nachträglichen Darstellung von ihm als unzumutbar empfundenen Prüfungsbedingungen während der Anfertigung der schriftlichen Prüfung weder in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Anfertigung der Klausur noch im unmittelbaren Anschluss geltend gemacht. Vielmehr wartete er die Bekanntgabe der Bewertung seiner Klausur durch den Erstprüfer ab. Auch in seiner E-Mail vom 31. Januar 2013 rügte der Antragsteller keine Störung, sondern es ging ihm einzig um das Prüfungsergebnis, wobei der sogar ausdrücklich den Schwierigkeitsgrad der Klausur bemängelte. Es drängt sich der Eindruck auf, dass der Antragsteller sich den vermeintlichen Verfahrensfehler aufheben wollte, um sich im Falle des endgültigen Nichtbestehens der Prüfung durch eine nachträgliche Rüge eine weitere Prüfungschance zu verschaffen. Dieser Eindruck wird durch das weitere Verhalten des Antragstellers bestätigt, der erst mit Schreiben vom 12. Februar 2013 – neben dem abermals bemängelten Schwierigkeitsgrad der Klausur – auf den Klausurendiebstahl einging. Die Behauptung des Antragstellers, dass die in diesem Zusammenhang aufgetretene Unruhe seine Konzentration gestört habe und sich dies ursächlich auf sein Prüfungsergebnis ausgewirkt habe, wertet die Kammer als Mittel, um trotz des dreimaligen Nichtbestehens eine weitere Wiederholungsprüfung zu ermöglichen.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers entfiel die Rügeobliegenheit im vorliegenden Fall nicht wegen Offensichtlichkeit. Wie oben ausgeführt, dient die Obliegenheit zur unverzüglichen Rüge auch dazu, der Prüfungsbehörde eine eigene, möglichst zeitnahe Überprüfung des gerügten Mangels mit dem Ziel einer schnellstmöglichen Aufklärung und unter Umständen sogar einer noch rechtzeitigen Korrektur oder zumindest Kompensation eines festgestellten Mangels zu ermöglichen. Dagegen wird die Sicherheit der Aufklärung des maßgeblichen Sachverhalts mit fortschreitender Zeit immer ungewisser; wodurch wiederum die Chancengleichheit im Hinblick auf durch unberechtigte Prüfungsanfechtungen herbeigeführte zusätzliche Prüfungschancen immer weniger sichergestellt werden kann. Speziell bei Störungen des Prüfungsablaufs durch Lärmeinwirkung hat das Bundesverwaltungsgericht allerdings unterschieden zwischen solchen Fällen, in denen die Lärmstörung nach Art und Ausmaß „ohne jeden Zweifel“ die Chancengleichheit der Prüflinge verletzt mit der Folge, dass das Prüfungsamt von Amts wegen die erforderlichen Maßnahmen der Abhilfe oder des Ausgleichs der Störung treffen muss, es somit auch keiner Rüge eines Prüflings bedarf, und denjenigen Fällen, in denen „zweifelhaft“ ist, ob die fragliche Lärmstörung vom „Durchschnitts“-Prüfling als derart erheblich empfunden wird, dass er daraufhin in seiner Chancengleichheit verletzt ist, und in denen das für ein ordnungsgemäßes Prüfungsverfahren verantwortliche Prüfungsamt deshalb zwecks Behebung dieser Zweifel auf eine entsprechende Mitwirkung der Prüflinge in der Form von förmlichen Rügen angewiesen ist. Handelt es sich im dargestellten Sinn um einen zweifelsfreien Mangel im Prüfungsverfahren, so dass es keiner Rüge des Prüflings bedarf, so darf dieser dann, wenn das Prüfungsamt nicht von sich aus die gebotenen Konsequenzen – z.B. durch die Gewährung eines Ausgleichs in der Form einer Schreibverlängerung – zieht, sich später, etwa im Rahmen einer Anfechtungsklage, auf diesen Mangel berufen, obwohl er ihn nicht gerügt hat. In diesem Fall besteht also auch keine Pflicht zur „unverzüglichen“ Rüge, so dass es genügt, diesen Mangel erstmals mit einer Klage gegen den Prüfungsbescheid geltend zu machen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.08.1994, Az. 6 B 60/93).

Um einen solchen offensichtlichen und unzweifelhaften Mangel im Prüfungsverfahren handelte es sich im Falle des Antragstellers ersichtlich nicht. Es ist keineswegs so, dass die vom Antragsteller gerügte Störung zwischen den Beteiligten unstreitig ist oder gar offensichtlich wäre. Sie wird vielmehr nach Ablauf und Umfang in weiten Teilen ausdrücklich in Abrede gestellt. Nach derzeitiger Aktenlage mussten sich die Ereignisse im Zusammenhang mit dem „Klausurendiebstahl“ in der Prüfung vom 30. Januar 2013 auch nicht als störend aufdrängen. Vielmehr schildern einzig der Antragsteller sowie ein von ihm im Widerspruchsverfahren hinzugezogener Student die Atmosphäre als besonders unruhig. Dies erscheint angesichts der schlüssigen und detaillierten Schilderungen der drei Aufsichtsführenden wenig überzeugend. Im Hinblick darauf, dass außer dem Antragsteller und einem von ihm im Widerspruchsverfahren hinzugezogenen Studenten keine weiteren Beschwerden aus dem Kreis der insgesamt 49 Prüflinge erfolgten, spricht vorliegend nichts für eine Wesentlichkeit der Störung. Im Übrigen hat der Prüfer aufgrund der Ereignisse um den „Klausurendiebstahl“ die Bearbeitungszeit um ca. 10 Minuten verlängert, was sich nach gegenwärtiger Erkenntnis im Falle einer tatsächlichen Störung jedenfalls als eine ausreichende Kompensation darstellen würde. Dazu, aus welchen Gründen eine solche Schreibverlängerung nicht ausreichend gewesen sein solle, hat der Antragsteller nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, sondern sich pauschal auf die Angabe beschränkt, dass „die Störung“ länger als zehn Minuten gedauert habe. Auch mit dieser nachträglich, nämlich erst im Klageverfahren erhobenen Rüge des nicht angemessenen Ausgleichs, ist der Antragsteller jedoch wegen der nicht unverzüglichen Rüge nach obigen Grundsätzen ausgeschlossen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG (vgl. Gerichtsbescheide der Kammer vom 31.01.2012, Az. 1 K 298/09 und 1 K 625/10).

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