Oberlandesgericht Köln
Az: 5 U 86/01
Urteil vom 18.09.2002
Vorinstanz: Landgericht Köln – Az.: 25 O 221/00
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 21. März 2001 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 25 O 221/00 – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass dem Beklagten gegen den Kläger aus der Rechnung vom 8. Februar 1999 kein Zahnarzthonoraranspruch über einen Betrag von 1.350,- EUR (2.640,37 DM) hinaus zusteht.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 500,- EUR nebst 4% Zinsen seit dem 29. Juni 2000 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen zukünftigen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der auf die zahnärztliche Behandlung des Unterkiefers des Klägers durch den Beklagten im Zeitraum 19. November 1998 bis 12. März 1999 zurückzuführen ist, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 53% und der Beklagte zu 47% zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache zum Teil Erfolg.
Der Kläger ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Berufungsverfahren nicht verpflichtet, die Aufwendungen, die der Beklagte ihm für die Unterkieferprothetik in Rechnung gestellt hat, zu zahlen. Insoweit war die Behandlung durch den Beklagten fehlerhaft und für den Kläger wertlos, so dass er die Zahlung verweigern kann. Nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. R. hat der Beklagte die Unterkieferprothetik nicht passgenau gefertigt; dies hat auch der Sachverständige Dr. F. bei seiner Untersuchung der Prothetik so festgestellt. Die von Anfang an fehlende Passgenauigkeit erklärt auch den weiteren Behandlungsverlauf mit zahlreichen Nachbesserungsversuche und die schließlich aufgetretene Problematik (Zahnfraktur 43, Lockerung Innenteleskop 33, andauernde Druckstellenproblematik) nachvollziehbar. Zudem waren, wie die Sachverständige Dr. R. bei ihrer Anhörung vor dem Senat näher erläutert hat, die temporären Unterfütterungsmaßnahmen (Viscogel) mit einer Woche zu lang. Es trat eine zu starke Friktion in den Teleskopkronen ein. Der Prothesensattel lag nicht richtig auf, er federte. Dies führte zu ungleichmäßiger Belastung und damit letztlich zur Lockerung der Kronen. Es wäre Aufgabe des Beklagten – bzw. seiner Mitarbeiterin – gewesen, die Friktion vor dem definitiven Einsetzen abzubauen. Nachdem allerdings massive Folgeschäden aufgetreten sind, ist eine Nachbesserung nicht mehr möglich, sondern es musste eine Neuversorgung stattfinden. Nach diesen überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. R. ist der Kläger nicht verpflichtet, die Aufwendungen für die Unterkieferprothetik zu zahlen.
Hingegen steht nach den Ausführungen der Sachverständigen Dr. R. nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit fest, dass auch die Oberkieferprothetik fehlerhaft war. Eine eigene Überprüfung war der Sachverständigen nicht möglich, da der Zahnersatz inzwischen vom Nachbehandler Dr. G. verändert worden war. Zwar habe – so die Sachverständige Dr. R. – Dr. F. bei seiner Untersuchung des Klägers festgestellt, dass die Prothese bei Belastung kippe. Der Grund hierfür sei indes von Dr. F. nicht angegeben worden, so dass in der Rückschau auch jetzt nicht sicher gesagt werden könne, ob insoweit eine fehlerhafte Behandlung durch den Beklagten vorgelegen habe. Auch der aufgetretene Sprung der Prothese sei nicht notwendig auf eine Fehlbehandlung durch den Beklagten zurückzuführen. Eine Armierung der Prothese, um einen Bruch zu verhindern, habe der Beklagte nicht schon von vornherein vornehmen müssen. Dies alles hat die Sachverständige Dr. R. sowohl in ihrem schriftlichen Gutachten als auch bei ihrer Anhörung vor dem Senat nachvollziehbar und überzeugend dargelegt; der Senat folgt ihren Ausführungen.
Die Aufwendungen für den Oberkiefer, die der Kläger mithin zu zahlen hat, bemisst der Senat entsprechend den Angaben der auch hierzu befragten Sachverständigen Dr. R. mit rund 1.350,- EUR. Die Sachverständige hat die Kosten überschlägig ermittelt und nachvollziehbar dargelegt. Soweit der Beklagte nach Schluss der mündlichen Verhandlung auf der Grundlage einer erst jetzt vorgelegten Laborrechnung einen Betrag von 3.182,12 DM errechnet hat, sieht der Senat keinen zureichenden Anlass, nochmals in eine Beweiserhebung einzutreten. Der Beklagte hatte ausreichend Gelegenheit, bis zur mündlichen Verhandlung die entsprechenden Unterlagen vorzulegen. Dies ist nicht geschehen. Es hat deshalb bei der Kostenberechnung durch die Sachverständige Dr. R. zu verbleiben.
Die insoweit zur Überzeugung des Senats feststehende Fehlbehandlung des Unterkiefers durch den Beklagten rechtfertigt ein Schmerzensgeld von 500,- EUR. Insoweit ist zwar zu berücksichtigen, dass der Kläger sich nicht nur zahlreichen Nachbesserungsversuchen, sondern letztlich auch einer Neuversorgung unterziehen musste. Andererseits zeigt der Umstand, dass der Kläger erst nach rund 8 Monaten wieder zu einem Zahnarzt gegangen ist, dass seine Beschwerden, soweit sie von der Unterkieferprothese herrührten, nicht sonderlich gross waren; dies hat die Sachverständige Dr. R. nachvollziehbar damit erklärt, dass der Patient die Veränderungen im Unterkieferbereich zunächst nicht registriert. Auch unter Berücksichtigung der Notwendigkeit der Extraktion der Zahnstümpfe 43 und 33 erscheint dem Senat ein Schmerzensgeld von 500,- EUR ausreichend.
Da – auch wenn der Kläger inzwischen im Unterkiefer neu versorgt worden ist – mögliche Folgeschäden nicht sicher ausgeschlossen werden können, ist auch der Feststellungsantrag begründet.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO n.F. liegen nicht vor.
Berufungsstreitwert: 12.249,06 EUR