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Unterschriftenliste initiiert – Kündigung


Landesarbeitsgericht Hamm

Az: 4 Sa 235/14

Urteil vom 03.09.2014


Anmerkung des Bearbeiters

Kann einem Vorarbeiter die Kündigung ausgesprochen werden, weil er eine Unterschriftenliste zur Einführung der 35-Stunden-Woche im Betrieb initiiert hat?


Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 28.01.2014 – 2 Ca 1062/13 O – unter teilweiser Zurückweisung der weitergehenden Berufung abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 15.10.2013 beendet wurde.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 17.10.2013 beendet wurde.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis wird zum 30.04.2014 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 35.000 € aufgelöst.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Arbeitszeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer sowie Führung und Leistung erstreckt.

3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand

Die Parteien streiten über den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses, über Zahlungsansprüche sowie über die Erteilung eines Arbeitszeugnisses.

Der am 12.01.1967 geborene Kläger, der zwei Kindern gegenüber zum Unterhalt verpflichtet ist, ist seit dem 01.08.1997 bei der Beklagten auf Grundlage eines ursprünglich befristeten Arbeitsvertrags vom 22.07.1997, hinsichtlich dessen Einzelheiten auf ABl. 8, 11 und 12 verwiesen wird, beschäftigt. Zu einem nicht genau vorgetragenen Zeitpunkt wurde ihm die Funktion eines Schichtleiters im Bereich „Imprägnierung“ übertragen. Er erhielt zuletzt einen Monatsfestlohn in Höhe von 2.177,98 Euro, eine freiwillige Zulage von 378,35 Euro sowie eine Funktionszulage in Höhe von 309,26 Euro. Hinzu kamen Vergütungen und Zuschläge für Mehrarbeit, Wochenend- und Schichtzulagen sowie verschiedene Einmalzahlungen. Wegen des erzielten Arbeitsentgelts in den Monaten Oktober 2012 bis September 2013 wird auf die von der Beklagten vorgelegte tabellarische Übersicht auf ABl. 174 verwiesen. Bei Einstellung des Klägers galt im Betrieb der Beklagten eine Arbeitszeit von 35 Wochenstunden. Durch vertragliche Vereinbarung vom 13.06./08.07.2005 verabredeten die Parteien mit Wirkung zum 01.09.2005 eine Erhöhung um 3 Wochenstunden ohne Lohnausgleich.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der holzverarbeitenden Industrie. Sie beschäftigt ca. 55 Arbeitnehmer und ist Mitglied im tarifschließenden Arbeitgeberverband, allerdings ohne Tarifbindung.

Die Beklagte hat eine Betriebsordnung erlassen, in der es u.a. heißt:

„4.1.20 Probleme und Konflikte

In unserem Unternehmen setzen wir uns für eine offene Kommunikation in allen Situationen des Arbeitsalltags ein. Wir rufen alle Mitarbeiter auf, Probleme offen anzusprechen.

Im Betrieb auftretende Meinungsverschiedenheiten sollen in vertrauensvoller Zusammenarbeit möglichst innerhalb des Unternehmens beigelegt werden. Mitarbeiter, die sich durch Anordnungen des Vorgesetzten oder durch das Verhalten dessen benachteiligt oder von anderen Mitarbeitern beeinträchtigt fühlen, haben grundsätzlich das Recht zur Beschwerde. Allerdings sollte dieses Recht als letzte Möglichkeit genutzt werden, einen Konflikt beizulegen. Anonyme Beschwerden werden nicht berücksichtigt.

4.1.23 Wahrung des Betriebsfriedens

Eine gute Zusammenarbeit beruht auf gegenseitiger Achtung, Offenheit und Sachlichkeit. Wir erwarten daher von allen Mitarbeitern kollegiales Verhalten und Rücksichtnahme auf die persönlichen und beruflichen Interessen der Kollegen. Der Meinungsaustausch unter den Mitarbeitern darf nicht zur Störung des Arbeitsablaufs oder des Betriebsfriedens führen.

Es ist außerdem nicht gestattet, ohne vorherige schriftliche Zustimmung der Geschäftsleitung

– Plakate anbringen

– Aufkleber an Betriebsfahrzeugen oder Betriebseinrichtungen anzubringen

– Flugblätter oder Handzettel herzustellen, zu vervielfältigen, anzuschlagen oder zu verteilen

– Versammlungen abzuhalten

– im Betrieb Waren zu verkaufen oder dafür zu werben.

Private Veröffentlichungen können in einem angemessenen Rahmen an den dafür vorgesehenen „schwarzen Brettern“ im Werk angebracht werden.“

Am 10.09.2010 sandte der Kläger unter dem Betreff „Stammtisch“ an vier Arbeitskollegen folgende E-Mail:

„Hallo zusammen,

es wird Zeit das wir uns einmal, zusammensetzen und ausführlich über das Thema Abteilungsleiter bzw. Abteilungsleitervertreter sprechen!

Um diesbezüglich einen Termin zu wellen nennt bitte einmal einen Tag bzw. Ort wo wir uns treffen (neutral).

So wie es jetzt alles läuft kann es nicht weiter gehen.

Es stellt sich einmal die Frage was wollen wir???

Gruß

O“

Im Dezember 2012 beantragte der Kläger Reduzierung seiner Arbeitszeit auf 35 Wochenstunden. Diesen Antrag zog er später aus finanziellen Gründen zurück.

Im Herbst 2013 initiierte der Kläger im Betrieb der Beklagten eine Unterschriftenaktion zur Wiedereinführung der 35-Stundenwoche. Zu diesem Zweck erstellte er eine Liste, der folgender Satz vorangestellt ist: „Die Produktionsmitarbeiter der Firma F wünschen sich aus alters und gesundheitlichen Gründen die Umstellung von der 38 Stunden Woche auf die 35 Stunden Woche mit vollem Lohnausgleich.“ Daran schließt sich eine vierspaltige Tabelle an, in der links die Namen von  31 Mitarbeitern der Beklagten eingetragen sind. In den nächsten beiden Spalten unter der Überschrift „38 Std. dafür“ bzw. „35 Std. dafür“ konnten die namentlich aufgeführten Mitarbeiter durch Ankreuzen sich für eine der beiden Alternativen entscheiden. Die Spalte ganz rechts ist für die Unterschrift vorgesehen. Die Liste wurde von den Mitarbeitern der vom Kläger geführten Schicht sowie von einer weiteren Schicht unterzeichnet. Insgesamt sprachen sich 10 teilnehmende Mitarbeiter für die Wiedereinführung der 35 Stundenwoche aus.

Einige Monate davor hatte es im Betrieb der Beklagten bereits einmal eine vergleichbare Unterschriftenaktion gegeben, in der es um ein zum 01.01.2013 versuchsweise eingeführtes Schichtmodell „Friesland“ ging. In jener Unterschriftenliste bekundeten beinahe alle Beschäftigten der Beklagten ihre ablehnende Meinung zu diesem Schichtmodell, das daraufhin zum 30.06.2013 von der Beklagten beendet wurde. Auch diese Unterschriftenliste wurde vom Kläger initiiert, wie er in der Berufungsverhandlung einräumte. Zuvor hatte er durch seinen Prozessbevollmächtigten in der Berufungserwiderung vom 25.04.2014 vorgetragen, mit Erstellung einer Unterschriftenliste gegen das Schichtmodell Friesland habe er nichts zu tun gehabt.

Bezüglich der Liste wegen der Wiedereinführung der 35-Stundenwoche räumte der Kläger in einem Gespräch mit der Geschäftsleitung am 02.10.2013 ein, dass er diese Unterschriftenaktion initiiert habe. Er wurde daraufhin von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Am 10.10.2013 hörte die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger an. Nachfolgend kündigte sie dem Kläger zunächst durch Schreiben vom 15.10.2013, diesem zugegangen am 16.10.2013 außerordentlich und mit weiterem Schreiben vom 17.10.2013, zugegangen am 18.10.2013, hilfsweise ordentlich zum 30.04.2014.

Der Kläger hält die Kündigungen der Beklagten vom 15.10. und 17.10.2013 für unwirksam und hat dazu vorgetragen, die von der Beklagten erhobenen Vorwürfe seien unhaltbar. Er habe lediglich eine Unterschriftenliste entworfen und Kopien abteilungsübergreifend über Dritte weitergereicht. Es sei ihm darum gegangen, mit seiner Initiative Gespräche zu erreichen und das Miteinander zu verbessern. Er habe lediglich einen latent vorhandenen Wunsch geäußert. Mit der völlig überzogenen Reaktion der Beklagten habe er nicht rechnen können. Er habe lediglich mit einem Schichtleiter gesprochen. Weitere Mitarbeiter habe er selbst nicht gezielt angesprochen und habe auch niemanden von der Erbringung seiner Arbeitsleistung abgehalten. Er habe auch nicht Schichtleiter aufgefordert, auf Mitarbeiter Einfluss zu nehmen. Das Schichtmodell „Friesland“ habe nicht er zum Scheitern gebracht. Dies sei allein eine Entscheidung der Geschäftsführung gewesen. Ein Verstoß gegen die Betriebsordnung liege nicht vor. Die Ausübung von Grundrechten könne die Betriebsordnung nicht verbieten. Den Betriebsrat habe er nicht übergangen. Seinen schriftlichen Aufruf habe er vorab dem Betriebsratsmitglied U übergeben. Lohnverhandlungen und Verhandlungen über die Arbeitszeit führe die Tarifkommission, der der Zeuge U ebenfalls angehöre.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 15.10.2013 nicht beendet wurde,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 17.10.2013 beendet wurde,

3. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie Führung und Leistung im Arbeitsverhältnis erstreckt und dem beruflichen Fortkommen dienlich ist;

hilfsweise für den Fall, dass der Feststellungsantrag zu Ziffer 1 abgewiesen wird, die beklagte Partei zu verurteilen, der klägerischen Partei ein endgültiges Zeugnis zu erteilen und

a) der Beklagten hierüber eine Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft des Urteils zu setzen, nach deren Ablauf der Kläger die Annahme ablehnt und

b) die Beklagte zu verurteilen, nach fruchtlosem Fristablauf an den Kläger eine Entschädigung in Höhe von 3.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit zwei Wochen nach Rechtskraft des Urteils zu zahlen,

4. die beklagte Partei zu verurteilen, die klägerische Partei bis zum rechtskräftigen Abschluss des Bestandsschutzstreits als Mitarbeiter im Werk Brilon in der Imprägnierung bei einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt von 4.000,00 € zu den im Arbeitsvertrag vom 22.07.1997 geregelten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen und

5. ausstehendes Arbeitsentgelt an den Kläger zu zahlen, jeweils brutto 4.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hieraus über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 01.11.2013, 4.000,00 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2013.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, nachdem sie davon erfahren gehabt habe, dass im Betrieb eine Unterschriftenliste zur Einführung einer 35-Stundenwoche im Umlauf sei, habe sie zunächst beim Betriebsrat nachgefragt, der ihr mitgeteilt habe, dass er von einer solchen Aktion gehört habe. Diese sei aber nicht mit ihm abgestimmt und werde auch nicht von ihm unterstützt. Es habe sich dann der Verdacht ergeben, dass der Kläger für die Liste verantwortlich sei, was sich erst durch das Gespräch am 02.10.2013 bestätigt habe. Damit habe der Kläger seine arbeitsvertragliche Treuepflicht grob und vorsätzlich verletzt und darüber hinaus seine Funktion als Vorgesetzter missbraucht, um Kollegen und Mitarbeiter seiner Schicht zu beeinflussen, an der Unterschriftenaktion teilzunehmen. Nachdem nur zwei von fünf Schichtteams die Unterschriften geleistet hätten, habe er die anderen Schichtführer aufgefordert, entsprechend Einfluss auf ihre Mitarbeiter zu nehmen. Dies stelle eine grobe Störung des Betriebsfriedens dar. Während der Zeit, innerhalb derer der Kläger versucht habe, die Mitarbeiter zu einer Unterschrift zu bewegen, hätten sowohl er selbst als auch die von ihm angesprochenen Mitarbeiter keine Arbeitsleistung erbracht. Gehe man davon aus, dass jedes Gespräch drei bis fünf Minuten gedauert habe, hätten sowohl der Kläger als auch seine Arbeitskollegen insgesamt ca. 90 – 150 Minuten nicht gearbeitet. Damit seien die betrieblichen Abläufe empfindlich gestört gewesen. Durch die Vielzahl der geführten Gespräche sei der Betriebsfrieden erheblich gestört worden. Es hätten sich weitere Diskussionen der Mitarbeiter untereinander ergeben, die ebenfalls dazu geführt hätten, dass deren Arbeit vernachlässigt worden sei. Es sei davon auszugehen, dass Mitarbeiter Unterschriften nur geleistet hätten, um Nachteile zu vermeiden. Auf Grund der dem Kläger am 19.09.2013 übergebenen aktuellen Betriebsordnung habe dieser gewusst, dass sein Verhalten gegen Ziffer 4.1.20 und 4.1.23 der Betriebsordnung verstoße. Er sei als Vorgesetzter in ihrem Unternehmen nicht mehr tragbar. Sie erwarte von ihren Führungskräften, dass diese die Interessen des Arbeitsgebers unterstützten und nicht unterliefen. Dem Kläger sei bekannt, dass die Forderung nach einer 35-Stundenwoche gar nicht umsetzbar sei, weil zur Aufrechterhaltung des Schichtmodells eine Arbeitszeit von 38 Wochenstunden erforderlich sei. In der Vergangenheit habe es mehrere Gespräche mit dem Kläger gegeben, die sein Verhalten gegenüber Mitarbeitern, Leiharbeitnehmern und Vorgesetzten zum Thema gehabt hätten. Zuletzt habe ein derartiges Gespräch am 08.11.2010 stattgefunden. Darin sei dem Kläger mitgeteilt worden, dass das Arbeitsverhältnis beendet werde, wenn sich sein Verhalten nicht ändere. Da sie bis zum 02.10.2013 keinerlei konkrete Kenntnis über den Initiator der Unterschriftenaktion gehabt habe, sei die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt.

Das Arbeitsgericht Arnsberg hat durch Urteil vom 28.01.2014 wie folgt entschieden:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 15.10.2013 beendet wurde.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 17.10.2013 beendet wurde.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses erstreckt und dem beruflichen Fortkommen dienlich ist.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den im Arbeitsvertrag vom 22.7.1997 geregelten Arbeitsbedingungen als Mitarbeiter im Werk Brilon in der Imprägnierung bei einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt von 4.000,00 € brutto bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Feststellungsanträge weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.000,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %Punkten über dem Basiszinssatz seit 1.12.2013 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt 9/10, der Kläger 1/10 der Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert wird auf 40.000,00 € festgesetzt.

Zur Begründung führt das Arbeitsgericht aus, die fristlose Kündigung der Beklagten vom 15.10.2013 sei unwirksam. Es gebe keine Rechtsvorschrift, die Unterschriftenaktionen am Arbeitsplatz verbiete oder es einzelnen Arbeitnehmern verwehre, sich auch unabhängig von Betriebsrat und Gewerkschaften für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen. In dem Erheben einer derartigen Forderung könne keine Störung des Betriebsfriedens gesehen werden. Gleiches gelte für das Werben um Unterstützung für eine solche Forderung. Unter Berücksichtigung der Meinungsfreiheit als zentralem Grundrecht könne der Betriebsfrieden nicht alleine deshalb als gestört angesehen werden, weil ein Arbeitnehmer eine Meinung öffentlich äußere und um Unterstützung dieser Meinung werbe. Vielmehr müsse die Beklagte Meinungsäußerungen und das Werben um Meinungen und Forderungen im Betrieb auch dann akzeptieren, wenn sie im Fall der Umsetzung hiervon wirtschaftlich betroffen sei. Soweit die Beklagte sich auf die Störung von Arbeitsabläufen und der Produktionstätigkeit berufe, sei nicht nachvollziehbar, worin die Störungen genau bestanden hätten und in welcher Art und Weise Arbeitnehmer konkret von der Erbringung der Arbeitsleistung abgehalten worden seien. Die Beklagte beziehe sich auf pauschale Überlegungen, die nicht zwingend seien. Es sei durchaus vorstellbar, dass der Kläger seine Kollegen in den Pausen angesprochen habe oder die Ansprachen so gewählt habe, dass es zu keinen Verzögerungen bei der Erbringung der Arbeitsleistung gekommen sei. Auch wenn der Kläger Vorgesetztenfunktion wahrnehme, bleibe er gleichwohl Arbeitnehmer und es sei ihm daher unbenommen, Verbesserungen für alle Arbeitsverhältnisse zu fordern. Soweit die Beklagte vermute, der Kläger habe seine Vorgesetztenstellung ausgenutzt, um untergebene Mitarbeiter zur Unterschriftsleistung zu drängen, sei ihr Vortrag unsubstantiiert. Es sei nicht erkennbar, durch welche Handlungen der Kläger welche Arbeitnehmer dazu gebracht habe, ihre Unterschrift auf die Liste zu setzen. Da der Kläger sich nicht pflichtwidrig verhalten habe, sei die fristlose Kündigung unwirksam. Gleiches gelte für die ordentliche Kündigung vom 17.10.2013. Der Kläger habe Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses. Das dafür erforderliche berechtigte Interesse ergebe sich daraus, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis gekündigt habe. Da die Kündigungen unwirksam seien, stehe dem Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtstreits ein Weiterbeschäftigungsanspruch zu. Schließlich schulde die Beklagte ihm das Gehalt für den Monat November 2013.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Urteils wird auf ABl. 95 – 109 verwiesen. Die Beklagte hat gegen das ihr am 05.02.2014 zugestellte Urteil mit am 25.02.2014 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 03.04.2014 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Beklagte trägt vor, auch wenn konkrete Rechtsvorschriften eine Unterschriftenaktion am Arbeitsplatz nicht verböten, sei doch im Bezug auf die Person des Klägers ein Pflichtenverstoß festzustellen. Dieser habe den Rang eines Schichtleiters bekleidet und hätte aus der sich daraus ergebenen Treuepflicht auch Interessen des Arbeitgebers zu vertreten gehabt. Er habe sich auch nicht für allgemein bessere Arbeitsbedingungen eingesetzt, vielmehr habe er versucht, seine eigenen Interessen durchzusetzen. In ihrem Unternehmen herrschten gute Arbeitsbedingungen, die den tariflichen Standards entsprächen. Die bei ihr geltende 38-Stundenwoche liege unterhalb der arbeitszeitgesetzlichen Regelung. Der Kläger habe auch nicht nur seine eigene Meinung geäußert, sondern Arbeitskollegen in die Aktionen mit einbezogen. Dies gehe deutlich über eine Meinungsäußerung hinaus und begründe eine Störung des Betriebsfriedens. Er sei während der Arbeitszeit an die ihm unterstellten Mitarbeiter herangetreten und habe diese aufgefordert, auf der von ihm erstellten Liste eine Unterschrift zu leisten. Derartige Gespräche hätten den zeitlichen Rahmen von etwa drei bis fünf Minuten gehabt. So habe der Kläger etwa den Zeugen E angesprochen und aufgefordert, der Forderung nach einer Reduzierung der Arbeitszeit zuzustimmen. Der Zeuge E habe sich zum Zeitpunkt des Gesprächs noch innerhalb der Probezeit eines befristeten Arbeitsverhältnisses befunden und habe befürchtet, dass dann, wenn er dem Verlangen des Klägers nicht nachkomme, er Nachteile erleiden werde. Deshalb habe er die Unterschrift geleistet. Ferner habe der Kläger die Liste in einer Nachschicht am Firmen-PC erstellt. Auch zu diesem Zeitpunkt habe er keine Arbeitsleistung erbracht. Zu Unrecht berufe sich der Kläger auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung. Er habe anonym eine Unterschriftenaktion gestartet und damit gerade nicht frei seine Meinung geäußert. Nach ihrer Betriebsordnung sei die Vorgehensweise des Klägers nicht zulässig. Er habe die Liste im Pausenraum zur Unterzeichnung ausgelegt und damit öffentlich gemacht. Zumindest die ordentliche Kündigung vom 17.10.2013 sei wirksam, denn der Pflichtenverstoß sei so schwerwiegend, dass in jedem Fall eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt sei. Auch zuvor habe der Kläger seine Vorgesetztenfunktion bereits missbraucht. So habe er in seiner Mail vom 10.09.2010 die weiteren Schichtleiter aufgefordert, ein Treffen zu veranstalten, um eine Strategie zu entwickeln, den Abteilungsleiter H sowie dessen Stellvertreter R gegenüber dem Unternehmen zu diskreditieren. Im gleichen Zeitraum sei es zu Beschwerden über das Verhalten des Klägers gegenüber Leiharbeitnehmern gekommen, die sich vom Kläger gemobbt gefühlt hätten. Wegen dieser Sachverhalte habe der Zeugen C mit dem Kläger am 08.11.2010 ein Gespräch geführt und diesem deutlich gemacht, dass das Unternehmen ein solches Verhalten nicht toleriere und er im Wiederholungsfall mit weiteren arbeitsrechtlichen Maßnahmen bis hin zu einer Kündigung rechnen müsse. Trotzdem habe der Kläger in der ersten Jahreshälfte 2013 mit einer weiteren Unterschriftenaktion dafür gesorgt, dass das Schichtmodell „Friesland“ gescheitert sei. Nicht nachvollziehbar sei, wie der Kläger vortragen könne, damit nichts zu tun gehabt zu haben. Das Gegenteil ergebe sich aus seiner Mail vom 04.11.2013 an den kaufmännischen Leiter der Unternehmensgruppe F, Herrn Dr. M. Da die Ausübung einer fristlosen Kündigung gerechtfertigt sei, stehe ihm auch ein Weiterbeschäftigungsanspruch nicht zu. Insbesondere habe er keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt von 4.000,00 Euro. Das durchschnittliche Bruttomonatseinkommen des Klägers habe sich ohne Sonderzahlungen auf 3.743,72 Euro belaufen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach ihrem Antrag in der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz zu erkennen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 28.01.2014 – 2 Ca 1062/14 – zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und trägt ergänzend vor, Grund für die Kündigung sei der Umstand, dass die Beklagte ihn für einen Störenfried halte, den man loswerden wolle. Die Unterschriftenaktion verstoße weder gegen § 74 BetrVG noch gegen die Vorschriften der Betriebsordnung. Er habe die Unterschriftenliste weder ausgehängt, noch verteilt. Sie sei auch nicht anonym gestaltet worden. Das Betriebsratsmitglied und Tarifkommissionsmitglied U habe den Vorgang detailliert gekannt. Die Unterschriftenliste habe weniger als fünf Minuten ausgelegen. In der Zeit hätten die Mitarbeiter unterschrieben. Er sei gar nicht zugegen gewesen, sondern habe die Liste bei Schichtwechsel lediglich an sich genommen. Der Beklagten müsse bewusst sein, dass acht Jahre nach Einführung der 38-Stundenwoche ohne Lohnausgleich die entsprechenden Zugeständnisse der Arbeitnehmer kritisch hinterfragt würden. Hinzu komme, dass bei einer 38-Stundenwoche dauerhaft die Erholungsphasen zwischen den Schichten angesichts der Anforderungen am Arbeitsplatz zu kurz seien. Er habe nur von seinem grundrechtlich geschützten Recht auf Meinungsäußerung Gebrauch gemacht. Eine Störung der Arbeitsabläufe habe es nicht gegeben. Er habe lediglich mit einem Schichtleiter gesprochen. Mitarbeiter habe er demgegenüber nicht gezielt angesprochen. Den neu eingestellten Mitarbeiter E habe er ebenso wenig wie die anderen Mitarbeiter unter Druck gesetzt und sie auch nicht von der Arbeit abgehalten. Der Zeuge E hätte allenfalls Angst vor einer Kündigung haben können, wenn er die Liste unterschrieben hätte, was er nicht getan habe. Dem Wortlaut seiner E-Mail vom 10.09.2010 lasse sich nicht entnehmen, dass er eine Strategie habe entwickeln wollen, um die Abteilungsleitung zu diskreditieren. Von einem Gespräch am 08.11.2010 sei ihm nichts bekannt. Er habe niemals Leiharbeitnehmer benachteiligt. Mit Erstellung einer Unterschriftenliste gegen das Schichtmodell „Friesland“ habe er nichts zu tun gehabt. Es sei allein die Entscheidung der Geschäftsleitung gewesen, das entsprechende Modell nicht umzusetzen. Sein tatsächliches durchschnittliches Bruttomonatsverdienst liege sogar bei 4.148,83 Euro.

Im Termin zur Verhandlung über die Berufung der Beklagten hat diese hilfsweise

beantragt, das Arbeitsverhältnis der Parteien nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG aufzulösen.

Zur Begründung hat sie mit nachgelassenem Schriftsatz vom 07.07.2014 vorgetragen, eine dem Betriebszweck dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen ihr und dem Kläger sei nicht zu erwarten. Beeinträchtigt seien im Wesentlichen das persönliche Verhältnis zum Arbeitgeber sowie die Eignung des Klägers für die ihm gestellten Aufgaben als Vorgesetztem. Dieser habe durchgängig bestritten, an der Erstellung einer Unterschriftenliste gegen das Schichtmodell „Friesland“ beteiligt gewesen zu sein. Darin liege eine vorsätzliche Verletzung des Vertrauensverhältnisses. Erst auf ausdrücklichen Hinweis des Gerichts habe er im Termin erstmals eingeräumt, es habe zwei Listen gegeben und er sei Urheber einer der beiden Listen. Dies sei zum einen verspäteter Vortrag, zum anderen sei aus den überreichten Unterlagen nicht ersichtlich, dass es sich um zwei gesonderte Listen handle. Vielmehr seien die Listen als einheitliches Schriftstück übergeben worden und mit der Überschrift „Imprägnierung“ überschrieben gewesen. Das Verhalten des Klägers ziele darauf ab, Verantwortung für von ihm vorgenommene Handlungen auf Dritte, entweder auf Arbeitskollegen aus dem Bereich des Kraftwerks oder auf die Mitglieder des Betriebsrats abzuwälzen. Auch die anonyme Vorgehensweise des Klägers mache es ihr unzumutbar, ihn weiter zu beschäftigen. Ferner habe er zur Durchsetzung eigener Interessen Arbeitskollegen und Untergebene instrumentalisiert. Durch die Ansprache der Mitarbeiter am Arbeitsplatz habe er den Betriebsfrieden gestört. Da der Kläger zuvor bereits eine andere anonyme Unterschriftenaktion initiiert habe, bestehe Wiederholungsgefahr. Mit seiner Mail vom 10.09.2010 habe der Kläger unstreitig dazu aufgefordert, ausführlich über das Thema Abteilungsleiter bzw. Abteilungsleitervertreter zu sprechen. Auch hier zeige sich, dass er ohne Einhaltung der Wege, wie sie die §§ 82 ff. BetrVG vorsähen, bereit sei, gegen seine Vorgesetzten zu opponieren. Noch im Termin habe er geleugnet, ein Gespräch mit dem Zeugen C und ihrem Personalleiter geführt zu haben. Unzutreffend sei auch die Behauptung des Klägers, er habe vor Einleitung der Unterschriftenaktion die Tarifkommission bzw. den Betriebsrat informiert. Nach dessen Ausscheiden sei der durch ihn gestörte Betriebsfrieden wieder hergestellt gewesen. Derzeit verhandle sie mit dem Betriebsrat über Änderungen des praktizierten Schichtmodells. Eine Rückkehr des Klägers in das Unternehmen würde den Betriebsfrieden erneut stören und dazu führen, dass die Verhandlungen über die Einführung eines neuen Schichtmodells wesentlich erschwert würden. Die im Unternehmen tätigen Führungskräfte hätten das Vertrauen in den Kläger unwiderruflich verloren. Sie seien nicht bereit, weiter mit ihm zusammenzuarbeiten, was abteilungsübergreifend gelte. Mit der Funktion als Schichtleiters gehe aber einher, dass auch abteilungsübergreifend Arbeitsabläufe koordiniert werden müssten. Der Arbeitsplatz des Klägers sei zwischenzeitlich nachbesetzt worden. Sein Nachfolger werde von den Mitarbeitern akzeptiert. Eine Herausnahme des jetzigen Schichtleiters und die erneute Besetzung der Position mit dem Kläger würde erhebliche Unruhe in der Abteilung und insbesondere in der entsprechenden Schicht verursachen. Eine Zusammenarbeit mit dem Kläger werde dort nicht mehr gewünscht. Es sei davon auszugehen, dass er bei einer Rückkehr an den ehemals von ihm besetzten Arbeitsplatz mit gegen ihn gerichteten Maßnahmen rechnen müsse. Davor müsse sie ihn schützen, was sie auf Grund des Schichtbetriebes jedoch nicht durchgehend gewährleisten könne. Auch dies mache es ihr unzumutbar, ihn weiter zu beschäftigen. In Anbetracht der vorsätzlichen und perpetuierten Verletzung seiner Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis sei eine mit 30.000 Euro zu bemessende Abfindung ausreichend.

Der Kläger ist dem Auflösungsantrag der Beklagten entgegengetreten und hat dazu vorgetragen, die von der Beklagten geltend gemachten Auflösungsgründe entsprächen nicht den Tatsachen und seien außerdem nicht ausreichend. Der Schriftsatz bestehe aus einer Aneinanderreihung von Vermutungen, Unterstellungen und subjektiven Befindlichkeiten. Die von der Beklagten vorgelegte Unterschriftenliste bezüglich des Schichtmodells „Friesland“ trage die Überschrift „Imprägnierung“. Diese Überschrift stamme aber nicht von ihm, sodass die Liste manipuliert worden sei. Die zweite Seite stamme offensichtlich aus dem Kraftwerk. Er habe niemals den Betriebsfrieden gestört und ihm sei auch nicht die von der Beklagten beschriebene Abmahnung erteilt worden. Weder die von der Beklagten benannten Zeugen, noch sonst ein Mitarbeiter habe das Vertrauen in ihn verloren. Alle Mitarbeiter seien weiterhin bereit, mit ihm zusammenzuarbeiten. Sein Einsatz als Schichtleiter sei weiterhin möglich und zumutbar und werde von den Mitarbeitern aller Schichten gewünscht.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die zu Protokoll genommenen Erklärungen der Parteien ergänzend Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft und wurde form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

Die Berufung ist aber nur teilweise begründet. Zu Recht ist das Arbeitsgericht Arnsberg davon ausgegangen, dass sowohl die streitgegenständliche außerordentliche Kündigung vom 15.10.2013, als auch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 17.10.2013 zum 30.04.2014 unwirksam sind. Demgegenüber war die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Annahmeverzugslohn für den Monat November 2013 aufzuheben, weil der Kläger diesbezüglich zur Höhe des Anspruchs nicht schlüssig vorgetragen hat. Auf zulässigen Antrag der Beklagten war das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30.04.2014 aufzulösen. Dadurch entfällt der erstinstanzlich ausgeurteilte Weiterbeschäftigungsanspruch. Außerdem steht dem Kläger wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr, wie erstinstanzlich entschieden, die Erteilung eines Zwischenzeugnisses zu, sondern stattdessen eines Endzeugnisses. Dementsprechend war das Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 28.01.2014 abzuändern. Im Einzelnen hat die Kammer dazu die nachfolgenden Erwägungen angestellt:

1. Die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung bestimmt sich nach § 626 BGB. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigendem unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Kammer folgt, ist dabei die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung in zwei Stufen zu prüfen. Zunächst ist festzustellen, ob ein Kündigungsgrund vorliegt, der „an sich“ geeignet ist, das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist aufzulösen. In einem zweiten Schritt sind sodann die Interessen beider Vertragsteile umfassend gegeneinander abzuwägen (ErfK/Müller-Glöge, 14. Auflage 2014, § 626 BGB Rn. 15 m. w. N.). Die außerordentliche Kündigung im Sinne von § 626 BGB setzt regelmäßig ein vertragswidriges Verhalten voraus. Verhaltensweisen eines Vertragspartners, die keine Haupt- oder Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzen, können weder eine verhaltensbedingte außerordentliche, noch eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung rechtfertigen. Fehlt es an einem vertragswidrigen Verhalten des Arbeitnehmers, kommt allenfalls eine personenbedingte Kündigung in Betracht (APS/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, 4. Auflage 2012 § 626 BGB, Rn. 72).

Im vorliegenden Fall hat das Arbeitsgericht Arnsberg zu Recht entschieden, dass dem Kläger ein kündigungsrelevantes, vertragswidriges Fehlverhalten nicht zur Last fällt. Ein solches kann zunächst nicht darin gesehen werden, dass er sich dafür eingesetzt hat, im Betrieb der Beklagten die 35-Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich wieder einzuführen. Dies ist ohne weiteres durch das – weit zu verstehende – Anhörungs- und Erörterungsrecht nach § 82 Abs. 1 BetrVG und das Beschwerderecht nach § 84 Abs. 1 Satz 1 BetrVG gedeckt. Daran vermag der Umstand, dass die vom Kläger verfasste Unterschriftenliste selbst den Urheber nicht erkennen lässt, nichts zu ändern. Nach Abschluss der für das Einsammeln der Unterschriften benötigten Phase hätte er – abhängig vom Ergebnis der Unterschriftenaktion – entscheiden müssen, ob und an wen (Geschäftsleitung oder Betriebsrat) er die gesammelten Unterschriften weiterleitet. Dafür, dass dies hätte anonym geschehen sollen, etwa durch kommentarlosen Einwurf in den Briefkasten der Beklagten, ist nichts ersichtlich, sodass dahinstehen kann, ob eine anonyme Vorgehensweise noch von den Arbeitnehmerrechten gemäß §§ 82 und 84 BetrVG gedeckt wäre. Der Beklagten ist einzuräumen, dass die §§ 82 und 84 BetrVG Individualrechte des Arbeitnehmers darstellen. Dies schließt es freilich nicht aus, dass die Arbeitnehmer bei Vorliegen eines gemeinsamen Anliegens dieses gebündelt an den Arbeitgeber herantragen, um diesem dadurch mehr Gewicht und Aufmerksamkeit zu verschaffen. Zwar sind zur Wahrnehmung der kollektiven Arbeitnehmerrechte in erster Linie die Betriebsräte bzw. Gewerkschaften berufen. Dies schließt es jedoch nach Auffassung der Kammer nicht aus, dass mehrere Arbeitnehmer auch ohne Einschaltung des Betriebsrates bzw. der gewerkschaftlichen Gremien gemeinschaftlich an den Arbeitgeber herantreten. Das ergibt sich schon aus der Überlegung, dass die in §§ 81 – 84 BetrVG eingeräumten Individualrechte nicht das Bestehen eines Betriebsrates voraussetzen. Sie gelten auch für Arbeitnehmer in betriebsratslosen Betrieben (Richardi/Thüsing, BetrVG, 14. Auflage 2014, Vorbemerkung §§ 81 – 86 a Rn. 5). Da eine Norm, die in Betrieben mit vorhandenem Betriebsrat die Arbeitnehmerrechte aus dem §§ 81 ff. BetrVG auf den Betriebsrat überleitet, nicht existiert, spielt es für den Inhalt und die Reichweite der dort geregelten Rechte keine Rolle, ob ein Betriebsrat vorhanden ist oder nicht. Dass bei vorhandenem Betriebsrat womöglich Initiativen des Betriebsrats mit denen einzelner Arbeitnehmer kollidieren können, ist in Kauf zu nehmen, zumal dadurch Rechtsposition des Arbeitgebers nicht tangiert sind.

Eine Vertragspflichtverletzung ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger – den Sachvortrag der Beklagten als zutreffend unterstellt – während der Arbeitszeit mit einzelnen Arbeitnehmern über seine Unterschriftenaktion gesprochen hat. In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Sachvortrag der Beklagten diesbezüglich vage und wechselhaft ist. Insbesondere erstinstanzlich hat sie den Eindruck zu erwecken versucht, als hätte der Kläger mit jedem der anderen 30 auf der Unterschriftenliste namentlich aufgeführten Arbeitnehmer ein Gespräch von drei bis fünf Minuten Dauer geführt, wobei in Ermangelung eines anderweitigen Sachvortrags davon auszugehen ist, dass die Beklagte diese Zeitspanne frei geschätzt hat. Da es sich um einen überschaubaren Sachverhalt handelt – das Anliegen ist einem einzigen Satz formuliert – ist die Schätzung der Beklagten jedenfalls nicht gerade als vorsichtig zu bezeichnen. Dessen ungeachtet ist nicht vorgetragen, dass der Kläger außerhalb seiner eigenen Schicht in den Betrieb gegangen ist, um für sein Anliegen zu werben. Vielmehr hat die Beklagte selbst vorgetragen, dass er dazu andere Schichtleiter angesprochen hat, um diese dazu zu bewegen, in ihren Schichten die Unterschriften einzusammeln. Zuletzt hat die Beklagte auf Seite 2 ihres Schriftsatzes vom 26.06.2014 ausdrücklich vorgetragen, der Kläger habe die Liste im Pausenraum zur Unterzeichnung ausgelegt. Dies unterstreicht das Argument des Arbeitsgerichts, es stehe gar nicht fest, ob der Kläger in der Arbeitszeit oder etwa in den Pausen für seine Unterschriftenaktion geworben hat. Konkret vorgetragen hat die Beklagte jedenfalls nur, dass der Kläger den neu eingestellten Mitarbeiter Mario E angesprochen hat und zwar „während der Schicht“. Aber selbst wenn man unterstellt, dass der Kläger jedenfalls in seiner eigenen Schicht die ihm unterstellten Mitarbeiter außerhalb der Pausenzeiten und damit während der Arbeitszeit angesprochen hat, ergibt sich keine andere Bewertung. Das Führen von Gesprächen zwischen Arbeitnehmern untereinander auch während der Arbeitszeit ist in gewissem Umfang und in bestimmten Grenzen als sozial-adäquat zu bewerten. Es ist ein normaler Vorgang, dass Arbeitnehmer im Betrieb nicht nur über die Verrichtung der ihnen übertragenen Arbeitstätigkeit kommunizieren, sondern auch über andere Angelegenheiten sprechen. Das ist vom Arbeitgeber hinzunehmen, solange dadurch die Arbeitsleistung nicht leidet oder gar der Arbeitsablauf ins Stocken gerät, was von der Beklagten nicht konkret vorgetragen wurde. Bezüglich des Inhalts der  Gespräche sind die Arbeitnehmer auch nicht darauf beschränkt, sich über das Wetter, Urlaubsreisen, Fußball und andere private Angelegenheiten auszutauschen. Es ist ihnen nicht verwehrt, auch über betriebliche Angelegenheiten, die nicht unmittelbar mit der Verrichtung ihrer Arbeitstätigkeit verbunden sind, zu sprechen. Da der Sachvortrag der Beklagten nicht erkennen lässt, dass der Kläger über den Rahmen des Zulässigen hinausgegangen ist, würde ein Gespräch zwischen dem Kläger und anderen Mitarbeitern der Beklagten während der Arbeitszeit keine Vertragspflichtverletzung darstellen, auch wenn es darin um den Wunsch ging, die betriebliche Wochenarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich zu verkürzen.

Die Unterschriftenaktion des Klägers ist – dem Sachvortrag der Beklagten folgend – auch nicht über das Maß der Sozialadäquanz hinausgegangen. Der Beklagten ist zwar darin zuzustimmen, dass das Ausnutzen einer Vorgesetzteneigenschaft oder gar das Unter-Druck-Setzen der unterstellten Mitarbeiter nicht mehr als sozial-adäquat eingestuft werden könnte. Was die Vorgesetzteneigenschaft des Klägers anbelangt, ist aber darauf hinzuweisen, das allein der Umstand, dass er eine solche Funktion innehatte, noch nicht geeignet war, seine Rechte aus §§ 82 und 84 BetrVG einzuschränken. Dies gilt auch dann, wenn man bedenkt, dass die seiner Schicht zugeordneten Mitarbeiter den Umstand, dass er ihr Vorgesetzter war, naturgemäß nicht ausblenden konnten. Aus der bloßen Vorgesetzteneigenschaft als solcher lässt sich noch nicht die Herstellung oder Ausübung einer Drucksituation ableiten. Dass der Kläger darüber hinausgehend konkret Druck auf andere Mitarbeiter der Beklagten ausgeübt hat, um diese zur Ableistung einer Unterschrift zu nötigen, ist seitens der Beklagten nur bezüglich des Mitarbeiters Mario E ansatzweise vorgetragen worden. Diesbezüglich ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das von ihr vorgelegte „Befragungsprotokoll“ (ABl. 231) wenig ergiebig ist, denn sie hat schon bei ihrer Fragestellung nicht unterschieden zwischen ausgeübtem und empfundenem Druck. Die Antwort des Mitarbeiters E beschränkt sich auf einen Hinweis darauf, er habe sich ja in der Probezeit befunden und sei befristet eingestellt gewesen, weshalb er die von der Beklagten gestellte Frage „mehr oder weniger“ bejahe. Jedenfalls dürfte geklärt sein, dass der Mitarbeiter E entgegen dem ursprünglichen Sachvortrag der Beklagten gerade nicht auf der Liste des Klägers unterzeichnet hat. Deshalb kann ihn auch nicht ein von diesem ausgeübter Druck zur Unterschriftsleistung genötigt haben. Ohnehin ist der Erklärungsversuch der Beklagten nicht plausibel. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Zeuge befristet eingestellt war und sich noch in der Probezeit befunden hat, erscheint es jedenfalls naheliegender, sich aus der fraglichen Aktion herauszuhalten, anstatt zu liebe seines unmittelbaren Vorgesetzten, der nicht zur Einstellung und Entlassung befugt war, eine Unterschrift zu leisten. Ein in der Probezeit befindlicher Arbeitnehmer versucht typischerweise viel eher, gegenüber der Geschäftsleitung nicht „negativ aufzufallen“. Eben dies ist geschehen, indem der Mitarbeiter E von einer Unterschriftsleistung Abstand nahm.

Der Kläger hat auch nicht gegen die von der Beklagten auszugsweise vorgelegte Betriebsordnung verstoßen, insbesondere nicht gegen die Ziffern 4.1.20 bzw. 4.1.23. Ein Verstoß gegen Ziffer 4.1.20 „Probleme und Konflikte“ dürfte schon deshalb ausscheiden, weil darin an die sich aus den §§ 82 und 84 BetrVG ergebenen Arbeitnehmerrechte angeknüpft wird. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass die Betriebsordnung diese Rechte einschränken wollte; dies wäre ohnehin ein Verstoß gegen höherrangiges Recht und damit unwirksam. Soweit in Ziffer 4.1.23 der Betriebsordnung darauf hingewiesen wird, dass ein Meinungsaustausch unter den Mitarbeitern nicht zur Störung des Arbeitsablaufs und des Betriebsfriedens führen darf, steht auch dies mit den oben dargestellten Ausführungen in Einklang. In der Betriebsordnung wird sogar ausdrücklich ein „Meinungsaustausch unter den Mitarbeitern“ mit den genannten Einschränkungen als zulässig vorausgesetzt. Eine Störung des Arbeitsablaufs kann aber nicht festgestellt. Diesbezüglich kann  auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Die Beklagte hat auch nicht eine Störung des Betriebsfriedens durch den Kläger konkret dargelegt. Allerdings kann die Störung des Betriebsfriedens u. U. einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 BGB begründen (LAG Schleswig-Holstein, Teilurteil vom 22.03.2002 – 1 Sa 430/01 – juris). Eine kündigungsrechtlich erhebliche Störung des Arbeitsverhältnisses ist aber nur anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer durch die Art und Weise seiner Meinungsäußerung entweder das Vertrauensverhältnis zu den Mitarbeitern innerhalb des Betriebs oder zum Arbeitgeber oder den Arbeitsablauf tatsächlich gestört hat (APS/Dörner/Vossen a. a. O. Rn. 248; Kissel, NZA 1988, 145, 151). Eine tatsächliche Störung des Betriebsfriedens tritt etwa ein, wenn ein Arbeitnehmer andere Mitarbeiter durch ständige Angriffe auf ihre persönliche Überzeugung, auf die Gewerkschaften oder ihre religiöse Einstellung reizt und dadurch erhebliche Unruhe in der Belegschaft hervorruft (APS/Dörner/Vossen a. a. O. Rn. 250). Im vorliegenden Fall hat die Beklagte sich zwar auf eine Störung des Betriebsfriedens berufen, vermochte jedoch keine konkreten Umstände dafür vorzutragen, dass tatsächlich eine solche Störung eingetreten ist. In diesem Zusammenhang kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Unterschriftenaktion des Klägers in keiner Weise aggressiv oder polarisierend wirken konnte. Der Satz über der Unterschriftenliste drückt lediglich den Wunsch auf Umstellung von der bisher geltenden 38-Stundenwoche auf die 35-Stundenwoche mit vollem Lohnausgleich aus. Dieser Wunsch ist aufgrund des Umstands, dass die Beklagte durch Abschluss von Einzelarbeitsverträgen im Jahr 2005 die bisher betriebsübliche Arbeitszeit von 35 Wochenstunden ohne Lohnausgleich auf 38 Wochenstunden verlänger hat, durchaus nachzuvollziehen und die Beklagte wird es hinnehmen müssen, dass ein derartiger Wunsch in der Belegschaft vorhanden ist. Nach ihrem Sachvortrag ist davon auszugehen, dass sie eine gewisse Verärgerung oder Verwunderung über die Aktion des Klägers mit der Störung des Betriebsfriedens gleichsetzt, was nicht statthaft ist.

Soweit die Beklagte ergänzend darauf hinweist, dass die Wiedereinführung der 35-Stundenwoche produktionstechnisch gar nicht möglich sei, handelt es sich von vornherein nicht um einen in diesem Verfahren relevanten Aspekt. Da sie nicht gehindert ist, an sie herangetragene Wünsche abschlägig zu bescheiden, hätte sie eben dies unter Verweis auf die fehlende Realisierbarkeit tun können. Auch der Umstand, dass der Kläger durchaus eigennützig gehandelt haben mag, ändert nichts daran, dass er für den von ihm formulierten Wunsch „Verbündete“ suchen durfte. Die Statthaftigkeit der Motivation, eigene Interessen gegenüber dem Arbeitgeber vorbringen zu dürfen, wird in § 82 Abs. 1 BetrVG vorausgesetzt. Schließlich spielt es keine Rolle, dass in dem der Unterschriftenliste vorangestellten Satz auf alters- und gesundheitliche Gründe Bezug genommen wird, obwohl bei einem Teil der aufgelisteten Mitarbeiter solche Gründe gar nicht vorhanden sein dürften. Die Zielrichtung der Unterschriftenaktion ist eindeutig der Wunsch auf Wiedereinführung der 35-Stundenwoche. Aus welchem Grund einzelne Arbeitnehmer für oder gegen dieses Ziel sein mögen, ist letztlich irrelevant.

Als pflichtwidrige Verhaltensweise kann allenfalls die bestrittene Behauptung der Beklagten verbleiben, der Kläger habe während seiner Arbeitszeit die fragliche Unterschriftenliste auf dem Betriebsrechner entworfen und auf einem Dienstdrucker ausgedruckt. Unterstellt man, dass die dienstlichen Rechner und Drucker der Beklagten nicht für die private Nutzung freigegeben sind, hätte der Kläger insoweit in der Tat seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt. Da es sich aber offenbar nur um eine aus einem Blatt bestehende Liste handelt, die darüber hinaus mit geringfügigem zeitlichen Aufwand zu erstellen war, stellt dieser Verstoß für sich genommen eine geringfügige Vertragspflichtverletzung dar, die mit dem Ausspruch einer Abmahnung ausreichend hätte sanktioniert werden können.

Weitere Kündigungsvorwürfe sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Vorgänge um die E-Mail des Klägers vom 10.09.2010 sowie die – von ihm bestrittene – diskriminierende Behandlung von Leiharbeitnehmern sind nach dem Sachvortrag der Beklagten Gegenstand eines Abmahnungsgesprächs gewesen, und könne schon deshalb zur Rechtfertigung der vorliegenden Kündigung nicht herangezogen werden. Dessen ungeachtet wäre jedenfalls hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung auch die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt. Nach alledem ist das Arbeitsgericht Arnsberg zu Recht davon ausgegangen, dass es bereits an der Verletzung einer Vertragspflicht fehlt, sodass sich die streitgegenständliche außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 15.10.2013 als unwirksam erweist.

2. Aus dem gleichen Grund ist auch die ordentliche Kündigung der Beklagte vom 17.10.2013 zum 30.04.2014 unwirksam. Eine Kündigung aus Gründen im Verhalten eines Arbeitnehmers gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- und Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhafte störungsfreie Vertragserfüllung in der Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile angemessen erscheint (st. Rechtspr. des Bundesarbeitsgerichts, etwa Urteile vom 23.01.2014 – 2 AZR 638/13 – juris; vom 03.11.2011 – 2 AZR 748/10 = DB 2012, 926 f. und vom 09.06.2011 – 2 AZR 284/10 = DB 2011, 2724 ff.). Die Bestimmung des Kündigungsschutzgesetzes sind hier anwendbar, denn der Kläger hat die gesetzliche Wartezeit von sechs Monaten gemäß § 1 Abs. 1 KSchG erfüllt und die Beklagte gilt auch nicht als Kleinbetrieb im Sinne vom § 23 Abs. 1 KSchG. Die verhaltensbedingte Kündigung scheitert aber ebenso wie die außerordentliche Kündigung vom 15.10.2013 am Vorliegen einer erheblichen Verletzung der dem Kläger obliegenden Haupt- oder Nebenpflichten. Gründe für eine etwaige personen- oder betriebsbedingte Kündigung hat die Beklagte nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.

3. Soweit das Arbeitsgericht Arnsberg die Beklagte erstinstanzlich dazu verurteilt hat, als Annahmeverzugslohn an den Kläger für den Monat November 2013 4.000,00 Euro nebst Zinsen zu zahlen, war das erstinstanzliche Urteil abzuändern. Ein derartiger Anspruch wurde vom Kläger der Höhe nach nicht schlüssig vorgetragen. Allerdings ist dem Grunde nach dem Arbeitsgericht darin zuzustimmen, dass die Beklagte auf Grund ihrer unwirksamen Kündigung vom 15.10.2013 das Arbeitsentgelt des Klägers unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Annahmeverzugs für die Zeit nach Zugang dieser Kündigung jedenfalls bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zum 30.04.2014 fortzahlen muss. Dies folgt aus dem §§ 611 Abs. 1, 615 Satz 1, 293 ff. BGB. Nach § 615 Satz 1 BGB hat der Arbeitgeber die vereinbarte Vergütung weiterzuzahlen, wenn er mit der Annahme der Dienste in Verzug kommt. Die Voraussetzungen des Annahmeverzugs richten sich auch für das Arbeitsverhältnis nach den §§ 293 ff. BGB. Danach muss der Schuldner in der Regel die geschuldete Leistung anbieten (§§ 294, 295 BGB). Wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aber unberechtigterweise kündigt, gerät er in Annahmeverzug, ohne dass es eines Arbeitsangebots des Arbeitsnehmers bedarf. Nach § 296 BGB ist auch ein wörtliches Angebot (§ 295 BGB) überflüssig, wenn für eine vom Gläubiger vorzunehmende Mitwirkungshandlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist und der Gläubiger die Handlung nicht rechtzeitig vornimmt. Die nach dem Kalender bestimmte Mitwirkungshandlung des Arbeitsgebers besteht darin, dem Arbeitnehmer einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen und ihm Arbeit zuzuweisen. Da der Arbeitgeber mit der fristlosen Kündigung deutlich zu erkennen gibt, dass er die Entgegennahme der Arbeitsleistung des gekündigten Arbeitnehmers für die Zukunft ablehnt, muss er diesen zur Arbeit auffordern, wenn er trotz fristloser Kündigung nicht in Annahmeverzug geraten will (st. Rechtspr. des Bundesarbeitsgerichts seit seinem Urteil vom 09.08.1984 – 2 AZR 374/83 = NJW. 1985, 935 f.; vgl. auch BAG Urteil vom 19.01.1999 – 9 AZR 679/97 = NZA 1999, 925 f.; BAG, Urteil vom 29.10.1987 – 2 AZR 144/87 = NZA 1988, 465 f.). Demzufolge ist die Beklagte auf Grund ihrer unwirksamen außerordentlichen Kündigung vom 15.10.2013 in Annahmeverzug geraten.

Rechtsfolge nach § 615 Satz 1 BGB ist es, dass der gekündigte Arbeitnehmer die vereinbarte Vergütung verlangen kann, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Für die Höhe des Vergütungsanspruchs gilt das Lohnausfallprinzip. Der Arbeitnehmer ist grundsätzlich so zu vergüten, als ob er gearbeitet hätte (ErfK/Preis, a. a. O., § 615 BGB Rn. 76). Es kann zu Gunsten des Klägers unterstellt werden, dass er auf das Jahr bezogen insgesamt eine durchschnittliche Bruttovergütung von 4.000,00 Euro oder mehr erzielt hat. Gleichwohl ist es geboten, soweit wie möglich eine konkrete Betrachtungsweise anzustellen, zumal die Beklagte den diesbezüglichen Sachvortrag des Klägers bestritten hat und darauf hinwies, dieser habe nur ein durchschnittliches Monatseinkommen von brutto 3.743,72 Euro – ohne Einmalzahlungen – erhalten. Ausweislich der vom Kläger selbst vorgelegten Entgeltabrechnungen setzte sich sein Arbeitsentgelt aus verschiedenen Bestandteilen zusammen, wobei Monatslohn, freiwillige Zulage und Funktionszulage monatlich gleichbleibend in Höhe von zusammengerechnet 2.865,59 Euro brutto gezahlt wurden. Demgegenüber fielen die weiteren Zulagen, Zuschläge und die Mehrarbeitsvergütung naturgemäß in schwankender Höhe an. Diesbezüglich wäre es daher tatsächlich geboten gewesen, auf eine Durchschnittsberechnung abzustellen. Das rechtfertigt es jedoch nicht, insgesamt den Annahmeverzugslohn auf die Basis einer letztlich nach § 287 Abs. 2 ZPO zu schätzenden Grundlage zu stellen. Die Berechnungsmethode des Klägers ist insbesondere deshalb unzutreffend, weil bezüglich der anfallenden Sonderzahlungen von ihm konkret darzulegen gewesen wäre, ob und in welchem konkreten Monat im Annahmeverzugszeitraum Anspruch auf derartige Vergütungsbestandteile bestand. Die Sonderzahlungen können nicht auf alle Monate umgelegt werden, sondern müssen bei der Bemessung des Annahmeverzugslohn in dem Monat zusätzlich berücksichtig werden, in dem sie fällig werden. Da der Kläger diese Grundsätze nicht beachtet hat, ist der von ihm verfolgte Zahlungsanspruch der Höhe nach nicht schlüssig vorgetragen, sodass eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung nicht erfolgen konnte.

4. Das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis war auf Grund des nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG statthaften Antrags der Beklagten zum 30.04.2014 aufzulösen. Zugleich war diese zur Zahlung einer Abfindung zu verurteilen, die die Kammer mit 35.000 Euro für angemessen erachtet. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 KSchG durfte die Beklagte den Auflösungsantrag noch im Termin über die Berufungsverhandlung stellen.

Wie unter Ziffer 2 des Urteils ausgeführt, ist die Kündigung der Beklagten vom 17.10.2013 zum 30.04.2014 sozial ungerechtfertigt i.S.v. § 1 Abs. 1 KSchG und vermochte daher das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufzulösen. Der Anwendungsbereich des § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG ist eröffnet, denn die streitgegenständliche Kündigung ist nicht auch aus anderen Gründen unwirksam. Über die Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung sowie über die Einhaltung der Zweiwochenfrist nach § 626 Abs. 2 BGB haben die Parteien zweitinstanzlich nicht mehr gestritten und es sind diesbezüglich auch keine die Unwirksamkeit der Kündigung bedingende Mängel ersichtlich. Soweit der Kläger in der Klageschrift die §§ 138 und 612 a BGB als weitere Unwirksamkeitsgründe genannt hat, geschah dies ersichtlich durch Textbaustein. Im weiteren Verlauf des Verfahrens hat der Kläger sich auf die Verletzung dieser Normen nicht mehr berufen.

Der Auflösungsantrag der Beklagten ist erfolgreich. Allerdings führt nach der Grundkonzeption des Kündigungsschutzgesetzes die Sozialwidrigkeit einer Kündigung zu deren Rechtsunwirksamkeit und damit zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Das Kündigungsschutzgesetz ist vorrangig ein Bestandsschutz- und kein Abfindungsgesetz. An die Auflösungsgründe sind deshalb strenge Anforderungen zu stellen. Eine Auflösung kommt vor allem dann in Betracht, wenn während des Kündigungsschutzprozesses zusätzliche Spannungen zwischen den Parteien auftreten, die dem Antragsteller eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen (BAG, Urteil vom 10.12.2009 – 2 AZR 534/08 = NZA 2010, 698 ff.; BAG, Urteil vom 10.07.2008 – 2 AZR 1111/06 = NZA 2009, 312 ff.). Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist derjenige der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht. Von diesem Standpunkt aus ist zu fragen, ob in der Zukunft eine dem Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zu erwarten ist (BAG, Urteil vom 24.03.2011 – 2 AZR 674/09 = DB 2011, 2383 ff.). Als Auflösungsgründe für den Arbeitgeber gem. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG kommen solche Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung, seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienlichen weiteren Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht notwendigerweise im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Vielmehr kommt es darauf an, ob die objektive Lage beim Schluss der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz beim Arbeitgeber die Besorgnis aufkommen lassen kann, dass die weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist. Als Auflösungsgrund geeignet sind demnach etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen (BAG, Urteil vom 10.07.2008 a. a. O.; Urteil vom 24.03.2011 – 2 AZR 674/09 a. a. O.). Zur Begründung seines Auflösungsantrags kann der Arbeitgeber sich auch auf solche Umstände berufen, die er zuvor erfolglos der ausgesprochenen Kündigung zugrundegelegt hat. Hierfür muss er aber nachvollziehbar darlegen, dass der fragliche Sachverhalt, obwohl er die Kündigung nicht zu rechtfertigen vermochte, dennoch so beschaffen ist, dass er eine gedeihliche weitere Zusammenarbeit der Parteien nicht erwarten lässt. Während es für die Rechtswirksamkeit der Kündigung auf eine rückwirkende Bewertung der vorgetragenen Kündigungsgründe ankommt, betrifft § 9 KSchG die künftige Beziehung der Arbeitsvertragsparteien (BAG, Urteil vom 10.12.2009 –  2 AZR 534/08 a. a. O.). Als Auflösungsgrund in Betracht kommt auch ein vorsätzlich falscher Prozessvortrag (BAG, Urteil vom 10.07.2008 – 2 AZR 1111/06 a. a. O.; LAG Hamm, Urteil vom 14.04.2005 – 15 Sa 77/05 – juris; Hessisches LAG, Urteil vom 16.03.2010 – 4 Sa 1616/09 – juris, ErfK/Kiel, a. a. O., § 9 KSchG Rn. 15). Auch im Rahmen der prozessualen Auseinandersetzung wird der zulässige Sachvortrag der Parteien begrenzt durch den Grundsatz der Wahrheitspflicht (BAG, Urteil vom 23.02.2010 – 2 AZR 554/08 = NZA 2010, 1123 ff.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und der von der Beklagten mit Schriftsatz vom 07.07.2014 vorgetragenen Auflösungsgründe nimmt die Kammer an, dass eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen dem Kläger und der Beklagten nicht zu erwarten steht. Dabei ist für die Kammer tragend, dass der Kläger im Bezug auf die erste Unterschriftenaktion hinsichtlich des Schichtmodells „Friesland“ erwiesenermaßen falsch vorgetragen hat. Die im Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 25.04.2014 getätigte Aussage, mit der Erstellung einer Unterschriftenliste gegen das Schichtmodell „Friesland“ habe er nichts zu tun gehabt, ist eindeutig und sie ist falsch, wie der Kläger im Termin am 02.07.2014 auf Vorhalt auch einräumen musste. Obwohl die Beklagte unter Ziffer 12 ihres Schriftsatzes vom 26.06.2014 dem Kläger seine E-Mail vom 04.11.2013 vorhielt, nahm dieser in der schriftsätzlichen Erwiderung vom 30.06.2014 keineswegs, wie es geboten gewesen wäre, von seiner Behauptung, etwa unter Hinweis auf ein Missverständnis, Abstand, verwies auf den bisherigen Sachvortrag und blieb damit bei seiner leugnenden Haltung. Nach Lage der Dinge geschah dies vorsätzlich, denn es sind keine Gründe vorgetragen oder ersichtlich, aus denen abgeleitet werden könnte, dass er am 30.06.2014 noch einem Irrtum erlegen war, der am 02.07.2014 nicht mehr bestand. Auch wenn der Kläger, weil die Kammer die Durchführung von betrieblichen Unterschriftenaktionen ohne Hinzutreten weiterer Umstände aus den oben genannten Gründen nicht für kündigungsrelevant hält, keinen versuchten Prozessbetrug begangen haben dürfte, hat er jedenfalls in einem Punkt, der für die Beklagte ersichtlich von Bedeutung war, die ihm nach § 138 Abs. 1 ZPO obliegende Wahrheitspflicht vorsätzlich missachtet. Dies führt zwar nicht dazu, das die streitgegenständliche Kündigungen als wirksam zu achten sind, es begründete aber berechtigte und ernsthafte Zweifel der Beklagten daran, ob er bereit ist, mit ihr auf Grundlage des erforderlichen Vertrauensverhältnisses zusammenzuarbeiten. In diesem Zusammenhang ist auch seine Vorgesetztenfunktion von Bedeutung. Da ihm als Schichtführer die Führung anderer Mitarbeiter übertragen war, ist ein gewisses Vertrauensverhältnis zwischen der Beklagten und ihm unabdingbar. Ein derartiges Vertrauensverhältnis wird aber nachhaltig gestört, wenn der Kläger durch sein Verhalten zu erkennen gibt, dass er bereit ist, zur Durchsetzung seiner Interessen gegebenenfalls auch das Mittel der Lüge einzusetzen und auf dieser selbst bei objektiven Umständen, die eindeutig gegen die fragliche Behauptung sprechen, hartnäckig beharrt. Selbst im letzten Schriftsatz vom 15.07.2014 hat er keinen Anlass gesehen, sich für seinen wahrheitswidrigen Sachvortrag zu entschuldigen oder wenigstens dafür Gründe anzugeben. Stattdessen hält er den Hinweis für geboten, es gehe um zwei Listen und für jene aus dem Kraftwerk stammende trage er keine Verantwortung. Dies sind letztlich Ausflüchte, weil es allein darauf ankommt, ob er die Unterschriftenliste im Betrieb der Beklagten initiiert hat oder nicht und das steht spätestens nach seinem Geständnis am 02.07.2014 fest. Aus diesem Grund kann es auch nicht als vertrauensbildend angesehen werden, wenn er es für richtig hält, zum „Gegenangriff“ überzugehen und die Beklagte vorzuhalten, die Listenüberschrift „Imprägnierung“ sei manipuliert.

Unabhängig davon, ob der Kläger auch in weiteren Punkten, etwa im Zusammenhang mit dem von der Beklagten behaupteten Abmahngespräch, die Unwahrheit vorgetragen hat, was die Kammer nicht für aufklärungsbedürftig hält, ist das Arbeitsverhältnis der Parteien jedenfalls dadurch zusätzlich belastet, dass er in seiner E-Mail vom 10.09.2010 zum Ausdruck gebracht hat, er sei bereit, hinter dem Rücken der Abteilungsleitung gegen diese zu opponieren. Anders als bei den beiden Unterschriftenlisten ist der Anlass für diese E-Mail nicht aus sich heraus verständlich. Worauf der Kläger Bezug nehmen möchte mit seiner Aussage, so wie es jetzt laufe, könne es nicht weitergehen, kann der E-Mail nicht entnommen werden. Er hat auch davon abgesehen, den Inhalt seiner E-Mail zu erläutern. Auch wenn nicht ausgeschlossen werden kann, das Anlass und Gegenstand der von ihm intendierten Aussprache womöglich harmloser Natur waren, hat er nichts dazu beigetragen, dies zu klären, sodass die Annahme im Raum steht, er wolle sich mit anderen Schichtleitern gegen seine Vorgesetzten verbünden.

Auch wenn die Beklagte aus den vorgenannten Gründen mit den streitgegenständlichen Kündigungen ersichtlich überreagiert hat, ist für die Kammer nicht zu erkennen, wie das zerrüttete Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien kurzfristig wiederherzustellen ist. Eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit bezogen auf den Termin der letzten mündlichen Verhandlung vermag die Kammer daher nicht zu prognostizieren. Der Auflösungsantrag der Beklagten musste daher Erfolg haben.

Nach § 9 Abs. 2 KSchG setzt das Gericht in einem solchen Fall als Auflösungszeitpunkt den Termin fest, zu dem bei einer sozial gerechtfertigten Kündigung das Arbeitsverhältnis geendet hätte. Das ist der 30.04.2014.

Die Kammer hält es für angemessen, die an den Kläger zu zahlende Abfindung auf 35.000 Euro festzusetzen. Für den zum Zeitpunkt seines Ausscheidens 47-jährigen Kläger war nach § 10 Abs. 1 KSchG eine Abfindung in Höhe von bis zu 12 Monatsverdiensten festzusetzen. Unter Berücksichtigung der von der Beklagten aufgelisteten Sonderzahlungen kommt er auf ein durchschnittliches Monatsverdienst von beinahe 4.200 Euro. Zum Ausscheidenszeitpunkt wies er eine Betriebszugehörigkeit von 16 Jahren und 9 Monaten auf. Die Kammer hat es für gerechtfertigt gehalten, pro Jahr des Beschäftigungsverhältnisses ein halbes Monatsverdienst als Abfindung vorzusehen, sodass sich ein gerundeter Betrag von 35.000 Euro ergibt. Die Kammer hat dabei weder eine Abweichung nach oben noch nach unten für gerechtfertigt gehalten. Eine über das Normalmaß hinausgehende Schutzbedürftigkeit des Klägers, die womöglich die Festsetzung einer höheren Abfindung gerechtfertigt hätte, ist nicht ersichtlich. Umgekehrt sind auch Abzüge nicht vorzunehmen. Zwar wird die Auflösung nicht zuletzt auf vorsätzlichen wahrheitswidrigen Prozessvortrag gestützt. Andererseits muss berücksichtigt werden, dass die Beklagte die Ursache dafür gesetzt hat, dass es überhaupt zum Rechtstreit gekommen ist, denn die von ihr ausgesprochenen Kündigungen erwiesen sich als unwirksam und mit etwas mehr Gelassenheit hätte sich die gesamte Auseinandersetzung vermeiden lassen.

5. Nachdem das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis somit auf Grund der Auflösungsentscheidung vom 30.04.2014 geendet hat, war die erstinstanzliche Weiterbeschäftigungsentscheidung aufzuheben, da der Kläger jedenfalls zum Zeitpunkt der Verkündung dieser Entscheidung nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis der Beklagten steht und daher die Grundlage für einen Beschäftigungsanspruch entfallen ist.

Da das Arbeitsverhältnis zum 30.04.2014 geendet hat, war die Beklagte außerdem gemäß § 109 Abs. 1 GewO verpflichtet, dem Kläger ein qualifiziertes Arbeitszeugnis zu erteilen. Der Anspruch auf Erteilung eines Schlusszeugnisses tritt an die Stelle des erstinstanzlich ausgeurteilten Anspruchs auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses.

6. Unter Berücksichtigung des Anteils des gegenseitigen Obsiegens und Unterliegens hat die Kammer es insgesamt gemäß §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO für geboten gehalten, die Kosten des Rechtstreits gegeneinander aufzuheben. Dabei hat die Kammer – insoweit abweichend von der erstinstanzlichen Entscheidung – die beiden streitgegenständlichen Kündigungen vom 15. und 17.10.2013 insgesamt nur mit einem Vierteljahresverdienst nach § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG berücksichtigt, weil beide Kündigungen auf einen einheitlichen Lebenssachverhalt gestützt werden. Die mit der Auflösungsentscheidung verknüpfte Zuerkennung einer Abfindung war nach § 42 Abs. 3 Satz 1, 2.Halbs. GKG bei der Streitwertbemessung und damit auch bei der Kostenentscheidung nicht zu berücksichtigen.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht ersichtlich.


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