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Verhütungsmitteleinsetzung – Behandlungsfehler des Arztes – Schadensersatz

BUNDESGERICHTSHOF

Az.: VI ZR 48/06

Urteil vom 14.11.2006

Vorinstanzen:

LG Waldshut-Tiengen, Az.: 2 O 70/04, Entscheidung vom 29.07.2004

OLG Karlsruhe in Freiburg, Az.: 13 U 134/04, Entscheidung vom 01.02.2006


Leitsätze:

a) In den Schutzbereich eines auf Schwangerschaftsverhütung gerichteten Vertrages zwischen Arzt und Patientin ist nicht nur ein ehelicher, sondern auch der jeweilige nichteheliche Partner einbezogen, der vom Fehlschlagen der Verhütung betroffen ist.

b) Eine Ersatzpflicht des Arztes besteht in derartigen Fällen auch dann, wenn die gegenwärtige berufliche und wirtschaftliche Planung der Mutter durchkreuzt wird und die zukünftige Planung nicht endgültig absehbar ist; einer abgeschlossenen Familienplanung in dem Sinne, dass auch die hypothetische Möglichkeit eines späteren Kinderwunsches völlig ausgeschlossen sein muss, bedarf es nicht.

c) Der Tatrichter darf bei der Bemessung des Betreuungsunterhaltsschadens einen Zuschlag in Höhe des Barunterhaltsschadens (135 % des Regelsatzes der Regelbetrag-Verordnung) als angemessenen Schadensausgleich ansehen, sofern nicht die Umstände des Falles eine abweichende Bewertung nahe legen.


In dem Rechtsstreit hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs auf die mündliche Verhandlung vom 14. November 2006 für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 1. Februar 2006 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin ist Mutter eines im Dezember 2002 geborenen gesunden Sohnes. Sie verlangt von ihrem Gynäkologen, dem Beklagten, aus eigenem und aus abgetretenem Recht des Vaters Ersatz des den Eltern durch die Unterhaltsverpflichtung entstandenen und noch entstehenden Schadens.

Der Beklagte hatte es übernommen, der Klägerin im Januar 2002 das lang wirkende Verhütungsmittel „Implanon“ zu verabreichen. Bei diesem Präparat handelt es sich um ein circa 3 mm starkes und wenige Zentimeter langes Plastikröhrchen, welches oberhalb der Ellenbogenbeuge unter die Haut eingebracht wird. Der Beklagte hat die Behandlung abgerechnet, die Klägerin hat sie bezahlt. Im Juli 2002 stellte der Beklagte bei der Klägerin eine Schwangerschaft in der 16. Woche fest. Das „Implanon“-Implantat konnte nicht mehr gefunden werden. Der Wirkstoff des „Implanons“ konnte im Blut der Klägerin nicht nachgewiesen werden.

Die Klägerin konnte wegen der Schwangerschaft und der Betreuung des Kindes eine ihr zugesagte Arbeitsstelle nicht antreten. Der Vater des Kindes, den die Klägerin im Zeitpunkt der Zeugung etwa seit einem halben Jahr kannte, hat die Vaterschaft anerkannt, lebt aber nicht mit der Klägerin zusammen. Er kommt seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem gemeinsamen Sohn nach.

Die Klägerin hat geltend gemacht, dem Beklagten sei beim Einsetzen des Verhütungsmittels ein Behandlungsfehler unterlaufen, so dass er hinsichtlich der nunmehr bestehenden Unterhaltsverpflichtung ersatzpflichtig sei. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin Unterhaltsschadensersatz in Höhe von 14.082 € für den zurück liegenden Zeitraum (Dezember 2002 bis Dezember 2005) und bis zum Eintritt der Volljährigkeit des Sohnes monatlich im Voraus in Höhe von 270 % des Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe der Regelbetragsverordnung abzüglich des jeweiligen gesamten Kindergeldes zu bezahlen.

Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten, mit der er sein Ziel einer Klageabweisung weiter verfolgt.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht, dessen Urteil veröffentlicht ist (u. a. VersR 2006, 936 und NJW 2006, 1006), bejaht einen Behandlungsfehler des Beklagten und ist der Ansicht, in den Schutzbereich eines auf Schwangerschaftsverhütung gerichteten Vertrages zwischen Arzt und Patientin sei auch der gegenwärtige Partner einer ungefestigten Partnerschaft einbezogen. Eine den Arzt zum Schadensersatz verpflichtende fehlgeschlagene Familienplanung sei – entgegen der Auffassung des Landgerichts – auch dann denkbar, wenn die gegenwärtige Planung durchkreuzt werde und die zukünftige Planung endgültig noch gar nicht absehbar sei. Hinsichtlich der Schadenshöhe seien in derartigen Fällen für den Barunterhalt 135 % der Regelbetragsverordnung anzusetzen, zusätzlich sei Ersatz für den Betreuungsunterhalt zu leisten, dessentwegen eine pauschale Verdoppelung des Baraufwandes geboten sei.

II.

Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.

1.

Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats sind – außerhalb der Fallgestaltungen, die aufgrund ärztlicher Fehler nicht durchgeführte bzw. fehlgeschlagene Schwangerschaftsabbrüche betreffen (vgl. dazu etwa Senatsurteile BGHZ 129, 178, 181 ff.; 143, 389, 393 ff.) – die mit der Geburt eines nicht gewollten Kindes für die Eltern verbundenen wirtschaftlichen Belastungen, insbesondere die Aufwendungen für dessen Unterhalt, als ersatzpflichtiger Schaden auszugleichen, wenn der Schutz vor solchen Belastungen Gegenstand des jeweiligen Behandlungs- oder Beratungsvertrages war. Diese – am Vertragszweck ausgerichtete – Haftung des Arztes oder Krankenhausträgers hat der Senat insbesondere bejaht für Fälle fehlgeschlagener Sterilisation aus Gründen der Familienplanung (vgl. BGHZ 76, 259, 262; Senatsurteile vom 2. Dezember 1980 – VI ZR 175/78 – VersR 1981, 278; vom 10. März 1981 – VI ZR 202/79 – VersR 1981, 730; vom 19. Juni 1984 – VI ZR 76/83 – VersR 1984, 864; vom 27. Juni 1995 – VI ZR 32/94 – VersR 1995, 1099, 1101), bei fehlerhafter Beratung über die Sicherheit der empfängnisverhütenden Wirkungen eines vom Arzt verordneten Hormonpräparates (Senatsurteil vom 3. Juni 1997 – VI ZR 133/96 – VersR 1997, 1422 f.) sowie für Fälle fehlerhafter genetischer Beratung vor Zeugung eines genetisch behinderten Kindes (BGHZ 124, 128 ff.).

Diese Rechtsprechung des Senats hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss des Ersten Senats vom 12. November 1997 als verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet (BVerfGE 96, 375, 397 ff.).

Der Streitfall gehört zu diesen Fallgruppen. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts war der zwischen den Parteien geschlossene Behandlungsvertrag darauf gerichtet, der Klägerin das Mittel „Implanon“ zu verabreichen. Einziger Zweck dieser Maßnahme konnte ersichtlich nur die Verhütung einer Schwangerschaft bei der Klägerin sein.

Dieser Zweck wurde nicht erreicht, weil dem Beklagten nach den – insoweit von der Revision nicht angegriffenen – Feststellungen des Berufungsgerichts ein Behandlungsfehler unterlaufen ist, der als kausal für die Schwangerschaft anzusehen ist, weil das Präparat bei ordnungsgemäßer Einlage eine volle kontrazeptive Sicherheit gewährt und die Versagerrate vom Arbeitskreis Lakon (Langzeitkontrazeption) mit Null angegeben wird. Die Feststellung des Berufungsgerichts,

die fehlgeschlagene Verhütungsmaßnahme habe bezweckt, die Klägerin, auch angesichts ihrer beruflichen Situation, vor einer unerwünschten Unterhaltsbelastung zu schützen, wird von der Revision nicht angegriffen; dies liegt bei der gegebenen Sachlage auch auf der Hand. Im Übrigen muss die Vermeidung der wirtschaftlichen Belastung nicht unbedingt im Vordergrund stehen (vgl. Senatsurteile BGHZ 124, 128, 138; 143, 389, 394).

Eine Haftung des Beklagten nach den dargestellten Maßstäben kommt danach grundsätzlich in Betracht.

2.

Die Revision macht geltend, die Klägerin habe einen eigenen Unterhaltsschaden nicht ausreichend dargelegt, weil nach ihrem Vortrag nicht von einer abgeschlossenen Familienplanung ausgegangen werden könne. Dem kann nicht gefolgt werden.

Zum einen hat die Klägerin – worauf die Revisionserwiderung mit Recht hinweist – in erster und zweiter Instanz vorgetragen, sie habe den Eingriff, der auf eine langjährige Verhütung angelegt war, vornehmen lassen, weil sie kein Kind gewollt habe.

Zum anderen ist die Haftung des Arztes nach den dargestellten Grundsätzen nicht davon abhängig, dass die Familienplanung der Eltern oder eines Elternteils „abgeschlossen“ ist in dem Sinne, dass auch die hypothetische Möglichkeit eines späteren Kinderwunsches, etwa nach beruflicher Konsolidierung und mit einem anderen Partner, völlig ausgeschlossen werden muss. Zwar hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 18. März 1980 (BGHZ 76, 259, 265) beiläufig ausgeführt, in den nicht seltenen Fällen, in denen ein junges Ehepaar – etwa um zunächst die wirtschaftlichen Grundlagen der Familie zu festigen oder den Ausbildungsabschluss eines Elternteils zu erleichtern – nur zunächst ein Kind nicht haben wolle, könne aus der Durchkreuzung des derzeitigen Zeitplans nicht schon auf eine nachhaltige Planwidrigkeit des demnach zur Unzeit geborenen Kindes geschlossen werden.

Zutreffend nimmt das Berufungsgericht aber an, dass auch eine aus persönlichen oder wirtschaftlichen Gründen auf längere Zeit geplante Kinderlosigkeit Grundlage dafür sein kann, die unerwünschte Belastung mit einer Unterhaltsverpflichtung der ärztlichen Vertragsverletzung zuzurechnen, wenn eine zukünftige Planung noch nicht absehbar ist. In einem solchen Fall kann die Haftung nicht davon abhängen, dass der Geschädigten ein ohnehin nicht verifizierbarer Vortrag über ihre spätere Lebensplanung abverlangt wird.

In Fällen der vorliegenden Art geht es – jenseits aller weltanschaulichen Erwägungen und aller Überlegungen, die das Eltern-Kind-Verhältnis betreffen – lediglich darum, dass eine von den Eltern nicht gewünschte Belastung der wirtschaftlichen Verhältnisse durch die Vertragsverletzung des Arztes herbeigeführt wird und dieser zuzurechnen ist (vgl. Senatsurteile BGHZ 124, 128, 138 und vom 19. Juni 1984 – VI ZR 76/83 – aaO; ferner BVerfGE 96, 375, 400). Der Arzt, der einen vom Patienten gewünschten Erfolg verspricht, diesen aber durch fehlerhafte Behandlung vereitelt, soll für die dadurch verursachte wirtschaftliche Belastung haften.

Eine solche rein schadensrechtliche Betrachtung wird bei das Vermögen schädigenden Vertragsverletzungen außerhalb des Arzthaftungsrechts auch nicht ernsthaft in Zweifel gezogen. Der Einwand, das schädigende Verhalten beeinträchtige die Lebensplanung des Vertragspartners nur auf Zeit, kann allenfalls für die Schadenshöhe, nicht aber für die grundsätzliche Haftungsfrage von Bedeutung sein. Eine Mutter, die den – gesellschaftlich weitgehend akzeptierten – Entschluss fasst, auf ein Kind zu verzichten, um beispielsweise ihr berufliches Fortkommen zu sichern, kann nicht mit Erfolg darauf verwiesen werden, sie müsse die Vereitelung ihrer Lebensplanung entschädigungslos hinnehmen, weil sie sich in Zukunft möglicherweise doch einmal entschlossen haben würde, Kinder zu bekommen. Die Haftung des Arztes entfällt nur dann, wenn im Einzelfall der innere Grund der haftungsrechtlichen Zurechnung, nämlich die Störung der Familienplanung, nachträglich weggefallen ist (vgl. Senatsurteile BGHZ 76, 249, 258; 76, 259, 264 f. und vom 19. Juni 1984 – VI ZR 76/83 – aaO, Seite 865), was der beklagte Arzt darzulegen und zu beweisen hat (Senatsurteil BGHZ 76, 259, 265).

Auch ein auf Zeit angelegter Verzicht auf einen Kinderwunsch kann mithin die Haftung auslösen. Gerade bei Betroffenen, die am Anfang ihres Berufslebens stehen und zunächst auf Zeit geplant haben, ohne Kind zu bleiben, kann sich eine Vereitelung dieser Lebensplanung wirtschaftlich in schwer wiegender Weise auswirken. In solchen Fällen kann der Zurechnungszusammenhang nicht mit der Erwägung verneint werden, dass bei einer temporären Verhütungsmaßnahme nicht auszuschließen sei, dass sich später doch ein Kinderwunsch einstelle und dieser erfüllt werde. Eine solche Betrachtung berücksichtigt nicht ausreichend, dass der Schaden in der konkreten nicht gewünschten Unterhaltsbelastung besteht und nicht dadurch hinwegdiskutiert werden kann, dass auf eine möglicherweise später willentlich entstehende ähnliche Belastung verwiesen wird. Das möglicherweise später geborene Kind kann nicht, etwa im Sinne einer „überholenden Kausalität“, mit dem tatsächlich geborenen gleich gesetzt werden. Dass dieses Kind ungeachtet der gestörten Lebensplanung der Eltern akzeptiert werden muss und im Streitfall ersichtlich akzeptiert wird, kann in Fällen dieser Art durch den Beitrag des Arztes zum Unterhalt für das Kind, den er auf Grund der vertraglichen Schlechterfüllung zu leisten hat, in wirksamer Weise unterstützt werden (vgl. Senatsurteil BGHZ 124, 128, 143 f.; BVerfGE 96, 375, 402).

Der erkennende Senat hat demgemäß auch schon früher eine Haftung nicht nur dann für möglich gehalten, wenn eine endgültige Maßnahme (etwa eine Sterilisation) gewünscht war, sondern auch dann, wenn eine temporäre Verhütungsmaßnahme aufgrund fehlerhafter Behandlung erfolglos blieb (vgl. Senatsurteil vom 3. Juni 1997 – VI ZR 133/96 – VersR 1997, 1422, 1423 – Verordnung von Hormonpräparaten ohne empfängnisverhütende Wirkung).

3.

Die Revision rügt ferner, das Berufungsgericht habe der Schadensberechnung zu Unrecht den Unterhaltsbedarf bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres zugrunde gelegt. Auch diese Rüge bleibt ohne Erfolg.

Entgegen den Ausführungen der Revision musste die Klägerin nicht eine „gegen Kinder gerichtete Lebensplanung“ über einen Zeitraum von 18 Jahren vortragen, dahin gehend, dass sie während dieses Zeitraums keinen Kinderwunsch gehegt hätte, das Kind „mithin nicht dazu gedient hätte/dienen würde, diesen Kinderwunsch zu befriedigen“. Ein solcher Vortrag ist bei Berücksichtigung des Wahrheitsgebots (§ 138 Abs. 1 BGB) nicht möglich. Niemand kann verbindliche Erklärungen zu seiner Lebensplanung über einen Zeitraum von 18 (bzw. jetzt noch 14) Jahren abgeben, geschweige denn, was der Revision möglicherweise vorschwebt, einen solchen Vortrag unter Beweis stellen und den Beweis führen. Ein solcher Vortrag ist zur Begründung des Schadensersatzanspruchs auch nicht geboten. Die durch die ärztliche Schlechterfüllung verursachte Unterhaltsbelastung knüpft an die in Frage stehende konkrete Geburt des Kindes an, einen singulären, hier von der Mutter akzeptierten Vorgang, der – schadensrechtlich betrachtet – nicht dazu „dienen“ kann, solche Wünsche oder Vorstellungen zu befriedigen, die sich hypothetisch bei ungestörter Lebensplanung später einmal eingestellt hätten. Selbst wenn sich bei der Klägerin in Zukunft ein Kinderwunsch eingestellt haben würde, bezöge sich dieser auf den dann maßgeblichen Zeitpunkt und die anschließende Lebensphase. Die vom Beklagten verursachte Unterhaltsbelastung bleibt dessen ungeachtet bestehen.

Wie oben bereits ausgeführt, entfällt die Haftung des Arztes allerdings dann, wenn im Einzelfall der innere Grund der haftungsrechtlichen Zurechnung, nämlich die Störung der Familienplanung, nachträglich weggefallen ist (vgl. Senatsurteil vom 19. Juni 1984 – VI ZR 76/83 – aaO). Dies hat das Berufungsgericht gesehen und eine solche Fallgestaltung für den vorliegenden Fall verneint.

Dagegen bringt die Revision nichts Erhebliches vor.

4.

Ohne Erfolg rügt die Revision die Auffassung des Berufungsgerichts, der nichteheliche Vater des Kindes der Klägerin sei in den Schutzbereich des Behandlungsvertrages einbezogen.

Der erkennende Senat hat in Fällen fehlerhafter genetischer Beratung und sonstiger Fehler im vorgeburtlichen Bereich bereits die Einbeziehung des ehelichen Vaters in den Schutzbereich des Arztvertrages bejaht (Senatsurteile BGHZ 86, 240, 249 f.; 89, 95, 98; 151, 133, 136). Sie wird auch für Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft befürwortet (vgl. Gehrlein, MDR 2002, 638, 639; Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., vor § 249 Rn. 48; Staudinger/Jagmann, BGB, Neubearbeitung 2004, § 328 Rn. 132; ferner OLG Frankfurt, VersR 1994, 942, 943 mit Nichtannahmebeschluss vom 18. Januar 1994 – VI ZR 188/93).

Der Streitfall nötigt nicht zur Entscheidung der Frage, in welchem Umfang nichteheliche Väter unter allen denkbaren Umständen, etwa bei ungefestigten kurzfristigen Partnerschaften, in einen von der Frau abgeschlossenen, auf Empfängnisverhütung angelegten Behandlungsvertrag einbezogen sind.

Jedenfalls ist die Feststellung des Berufungsgerichts, die Voraussetzungen für eine Einbeziehung des Vaters des Kindes lägen unter den Umständen des Streitfalls vor, nicht zu beanstanden. Sofern die Arztleistung – wie hier – auch der wirtschaftlichen Familienplanung dient, ist ihr wesenseigen, dass der vertragliche Schutz denjenigen zukommt, die für den Unterhalt aufzukommen haben.

Dies gilt nicht nur bei ehelicher Vaterschaft (Senatsurteil, BGHZ 76, 259, 262), sondern auch bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften und Partnerschaften, die bei Durchführung der Behandlung bestehen und deren auch wirtschaftlichem Schutz die Behandlung gerade dienen soll.

Diese Voraussetzungen hat das Berufungsgericht für den Streitfall rechtsfehlerfrei bejaht. Entgegen den Ausführungen der Revision war es nicht erforderlich, dass die Klägerin dem Beklagten den Kindesvater als ihren festen Partner vorstellte oder namentlich benannte. Die Leistungsnähe des Dritten, das Interesse der Klägerin an dessen Schutz, sein Schutzbedürfnis und die Erkennbarkeit des geschützten Personenkreises (vgl. dazu Senatsurteile BGHZ 56, 269, 273 f.; vom 19. Februar 2002 – VI ZR 190/01 – VersR 2002, 767 f.; BGH, Urteil vom 26. Juni 2001 – X ZR 231/99 – NJW 2001, 3115, 3116 m. w. N.) lagen nach den Umständen des Streitfalls auch aus Sicht des Beklagten selbst dann vor, wenn ihm nähere Informationen zur Person des damaligen Lebenspartners der Klägerin und späteren Kindesvaters fehlten. Um die von der Revision herausgestellte Fallgestaltung, bei der im Zeitpunkt der ärztlichen Leistung noch völlig offen ist, wann und gegebenenfalls mit wem künftig Geschlechtsverkehr ausgeübt wird, geht es nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Streitfall nicht.

Entgegen den Ausführungen der Revision ist der (der Klägerin abgetretene) Schadensersatzanspruch des Kindesvaters nicht deshalb zu verneinen, weil die Klägerin nicht konkret zu dessen Lebensplanung vorgetragen hat. Der Kindesvater ist in den Schutzbereich des mit der Klägerin geschlossenen Behandlungsvertrages einbezogen. Deshalb kommt es auf die diesem Vertrag zugrunde liegende Planung der Klägerin an. Im Übrigen verweist die Revisionserwiderung mit Recht darauf, dass eine Störung der Lebensplanung durch die nichteheliche Vaterschaft und die damit verbundene Unterhaltsbelastung auf der Hand liegt. Dafür, dass der nichteheliche Vater die Vaterschaft gewollt hat, ist nichts vorgetragen und festgestellt.

5.

Auch die gegen die Höhe des zuerkannten Betrages erhobenen Rügen der Revision greifen nicht durch. Die Schadensschätzung (§ 287 ZPO) des Berufungsgerichts lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Sie weicht nicht in revisionsrechtlich relevanter Weise von den Vorgaben ab, die nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats für die Bemessung des Unterhaltsschadensersatzes in Fällen der vorliegenden Art bestehen.

a) Betreffend den Barunterhaltsschaden hat der Arzt von den wirtschaftlichen Belastungen, die aus der von ihm zu verantwortenden Geburt eines Kindes hergeleitet werden, nur denjenigen Teil zu übernehmen, der für die Existenzsicherung des Kindes erforderlich ist (Senatsurteil vom 4. März 1997 – VI ZR 354/95 – VersR 1997, 698, 700). Dem wird der vom Berufungsgericht ausgeurteilte Betrag in Höhe von 135 % des Satzes der Regelbetrag-Verordnung gerecht. Soweit die Revision unter Hinweis auf frühere Entscheidungen des erkennenden Senats geltend macht, es sei auf den einfachen Satz der Regelbetrag-Verordnung abzustellen, entspricht dies nicht den geänderten rechtlichen Vorgaben. Nach der Streichung des § 1615 f. BGB a. F., auf den in dem Senatsurteil vom 4. März 1997 (aaO, S. 699) hingewiesen wird, ist für den Unterhalt eines minderjährigen Kindes auf einen Vomhundertsatz des jeweiligen Regelbetrags der Regelbetrag-Verordnung (vom 6. April 1998) abzustellen.

Als Existenzminimum des Kindes sind 135 % des Regelbetrags anzusehen (BGH, Urteil vom 22. Januar 2003 – XII ZR 2/00 – NJW 2003, 1112, 1114; OLG Oldenburg, VersR 2004, 654, 655, jeweils m. w. N.; vgl. auch § 1612 b Abs. 5 BGB).

b) Hinsichtlich des Wertes der Betreuungsleistungen hat der erkennende Senat es nicht beanstandet, dass der Tatrichter einen Zuschlag in Höhe des Barunterhalts zuerkennt (Senatsurteile BGHZ 76, 259, 270 f.; vom 4. März 1997 – VI ZR 354/95 – aaO, S. 699). Daran, dass der Zuschlag die Höhe des Barunterhalts nicht erreichen muss, wohl aber erreichen kann (Senatsurteil BGHZ 76, 259, 270 f.), ist festzuhalten.

Zwar liegt die Überlegung nahe, dass sich der Betreuungsaufwand bei zunehmendem Alter des Kindes verringern und deshalb ein Betrag in Höhe von 135 % schadensrechtlich als überhöht erscheinen kann (OLG Oldenburg, aaO, S. 655 f.). Daraus lässt sich indes nicht herleiten, dass die Zuerkennung eines solchen Betrages stets außerhalb des tatrichterlichen Ermessens liegt. Dieser Betrag ist ohnehin nur auf die Existenzsicherung des Kindes abgestellt und gegebenenfalls auch bei einer Mangelverteilung anzusetzen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2003 – XII ZR 2/00 – aaO). Er wird auch bei einer Betrachtung über 18 Jahre vielfach den Betrag, der durchschnittlich für die Betreuung eines Kindes erforderlich ist, nicht wesentlich überschreiten. Die Erwägung, dass die Kindesmutter bei fortgeschrittenem Alter des Kindes zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit verpflichtet sein kann, ist in diesem Zusammenhang – anders als im Unterhaltsrecht und bei der Regulierung von Personenschäden gemäß § 844 Abs. 2 BGB – ohne Bedeutung; denn es geht hier nicht um den eigenen Unterhalt der Klägerin, auf den ein zu erzielender Arbeitsverdienst angerechnet werden kann, sondern um deren Belastung mit der Unterhaltsverpflichtung für das Kind, die auch bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ungeschmälert bestehen bleibt.

Ein Zuschlag in Höhe von 135 % des Regelsatzes darf deshalb vom Tatrichter bei der Bemessung des Betreuungsunterhaltsschadens als angemessener Ausgleich angesehen werden, sofern nicht die Umstände des Falles eine abweichende Bewertung nahe legen. Dafür zeigt die Revision im vorliegenden Fall nichts Konkretes auf.

III.

Die Revision ist demnach mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

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