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Verkehrssicherungspflicht – Sturzunfall auf unebenem Flussuferweg

OLG Koblenz – Az.: 5 U 196/11 – Urteil vom 30.06.2011

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 1. Februar 2011 teilweise geändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Verkehrssicherungspflicht - Sturzunfall auf unebenem Flussuferweg
Symbolfoto: Von ArTono/Shutterstock.com

Der Kläger hat materiellen und immateriellen Schadensersatz sowie Feststellung der Ersatzpflicht für Zukunftsschäden begehrt. Er lastet der beklagten Gemeinde eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht an.

Am 27. April 2008 gegen 21.00 Uhr trat der Kläger beim Joggen auf dem Moseluferweg in eine Vertiefung der Asphaltdecke (Fotos Bl. 19 – 21 GA). Er stürzte und zog sich eine Handverletzung zu. Dem vorausgegangen war nach der Darstellung des Klägers der Versuch, einem von links attackierenden Schwan nach rechts auszuweichen, wo die Asphaltdecke muldenförmig auf einer Ausdehnung von ca. 40 cm bis zu einer Tiefe von 8 cm abgesackt war.

Die Beklagte ist dem mit der Behauptung entgegengetreten, der schlechte Zustand der Wegoberfläche sei weithin erkennbar gewesen. Der Unfall beruhe nicht auf dem Angriff des Schwans, sondern der unzureichenden Aufmerksamkeit des Klägers.

Das Landgericht hat Zeugen- und Sachverständigenbeweis erhoben und dem Kläger hiernach unter Abweisung des Feststellungsbegehrens materiellen und immateriellen Schadensersatz zuerkannt.  Indem die beklagte Gemeinde die Unebenheit von 8 cm Tiefe nicht beseitigt habe, sei die Verkehrssicherungspflicht verletzt, was auch unfallursächlich gewesen sei.

Mit ihrer Berufung erstrebt die Beklagte die umfassende Abweisung der Klage. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht sei nicht gegeben. Mit einer derartigen, weithin sichtbaren muldenförmigen Vertiefung müssten die Nutzer eines Uferpromenadenweges rechnen.  Die abweichende Auffassung des Landgerichts widerspreche der gefestigten Rechtsprechung des OLG Koblenz. Mangels objektiver Pflichtverletzung komme es auf den konkreten Unfallhergang nicht entscheidend an, der daher nur vorsorglich bestritten bleibe und fortbestehenden durchgreifenden Zweifeln begegne. Letztlich treffe den Kläger ein überwiegendes Mitverschulden.

Der Kläger verteidigt die Entscheidung des Landgerichts. Er wiederholt, vertieft und ergänzt seinen erstinstanzlichen Sachvortrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung hat Erfolg.  Die Klage musste abgewiesen werden, weil die beklagte Gemeinde ihre Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt hat.

Zu dieser Feststellung ist der Senat befugt, weil die eingereichten Fotos die maßgeblichen örtlichen Gegebenheiten, insbesondere die Unfallstelle, hinreichend wiedergeben. Auf den Parteienstreit über Ursache und Hergang des Unfalls kommt es daneben nicht entscheidend an, so dass der Senat insoweit das Beweisergebnis erster Instanz genauso wie das Landgericht würdigt, obwohl die Berufung auch hierzu Angriffe führt, die nicht von der Hand zu weisen sind. Das kann aber dahinstehen, weil der Zustand des Uferpromenadenweges noch hinreichend verkehrssicher war.

Welche Anforderungen insoweit zu stellen sind, entzieht sich jeder Schematisierung. Maßgeblich ist eine Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Dabei können vor allem die örtliche Verkehrsbedeutung, die Verkehrsbelastung, die Einsehbarkeit etwaiger Gefahrenstellen und Umstände von Bedeutung sein, durch die Verkehrsteilnehmer in ihrer Aufmerksamkeit abgelenkt sein können.  Gemessen daran ergibt sich hier folgendes:

Die Unfallstelle ist – in Laufrichtung des Klägers –  gut einsehbar. Links des Weges befinden sich Ausgänge der an den Weg grenzenden Grundstücke, die von diesem allerdings durch einen teils mit einer Sitzbank, teils mit einem rechteckigen, erhöhten Blumenbeet versehenen, ca. 1 m breiten Geländestreifen getrennt sind. Rechts des Weges befinden sich ebenfalls rechteckige, erhöhte Blumenkübel, außerdem vereinzelt dichte Nadelholzbepflanzung.

Dass diese örtlichen Verhältnisse am Unfalltag anders waren als bei Fertigung der vorliegenden Fotos, ist nicht aufgezeigt. Falls sich auf dem erwähnten Geländestreifen links des Weges – vom dahinter liegenden Grundstück durch einen Zaun getrennt – ein Schwan aufhielt, muss das Tier für einen Jogger wahrnehmbar gewesen sein, der den Geschehnissen in seiner Blickrichtung die gebotene Aufmerksamkeit schenkte. In der konkreten Situation verstand sich von selbst, dass gesteigerte Aufmerksamkeit und Vorsicht geboten waren. Es ist nämlich allgemein bekannt, dass Wasservögel zur Brutzeit ungewöhnliches Verhalten zeigen können, sei es, dass Erpel, die auf paarungsbereite Enten lauern, die Uferwege blockieren, sei es, dass Schwäne, deren Nachwuchs Ende April soeben geschlüpft sein kann, ihre jetzt noch besonders schutzbedürftigen Jungen aus dem Wasser in die Uferanlagen geführt haben, wo die Alttiere auf tatsächliche oder vermeintliche Bedrohungen des Nachwuchses extrem aggressiv reagieren können. Darauf musste der Kläger sein weiteres Verhalten einstellen, indem er das Tier im Auge behielt, seine Laufgeschwindigkeit herabsetzte und darauf gefasst war, ganz nach rechts an den Wegrand ausweichen zu müssen. Die dort befindliche Vertiefung war erkennbar und nicht etwa nach Art eines Bordsteins scharfkantig und senkrecht abfallend, sondern muldenförmig, d.h. von den Rändern in spitzem Winkel ca. 8 cm zur tiefsten Stelle konkav eingewölbt. Damit barg die Stelle für Fußgänger, aber auch für Jogger, ja sogar für Radfahrer keine ernsthafte Gefahr,  weil mit derartigen Unebenheiten auf einem Uferweg gerechnet werden muss.  Die hier maßgebliche örtliche Situation ist in keiner Weise mit Fällen vergleichbar, bei denen eine derartige Vertiefung auf stark frequentierten Verkehrsflächen – etwa in einer belebten Fußgängerzone – als erhebliche Gefahrenstelle angesehen wurde. Die Passanten sind dort zur Geschäftszeit Ablenkungen ausgesetzt,  die auf einer abgelegenen Uferpromenade gegen 21.00 Uhr nicht zu verzeichnen und vom Kläger auch nicht aufgezeigt sind.  Dessen Behauptung in der Klageschrift, er sei von dem Schwan „angegriffen bzw. aufgeschreckt“ worden, ist mannigfach interpretierbar, erlaubt jedoch in jeder denkbaren Deutung nicht den Schluss, zu dem bedauerlichen Unfall mit seinen schwerwiegenden Folgen sei es deshalb gekommen,  weil es sich bei der muldenförmigen Vertiefung um eine Gefahrenstelle handele, die von einem Jogger nicht problemlos durchlaufen werden könne. Die gegenläufige Wertung des Landgerichts teilt der Senat nicht.

Nach alledem musste die Klage mangels Verletzung der Verkehrssicherungspflicht mit den Nebenentscheidungen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO abgewiesen werden. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt  5.290,83 €.

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