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Verkehrssicherungspflichten Grundstückseigentümer bei Grundstücksüberlassung

OLG Stuttgart, Az.: 3 U 147/91, Urteil vom 11.11.1992

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Grund- und Teilurteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Ravensburg vom 16.05.1991 teilweise abgeändert:

1. a) Die Beklagte ist dem Grunde nach verpflichtet, dem Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit 21.12.1989 zu bezahlen, dessen Höhe unter Berücksichtigung einer Mitverantwortlichkeit des Klägers von 2/3 festzustellen ist.

b) Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger hierauf einen Teilbetrag von 75.000,– DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit 21.12.1989 zu bezahlen.

Verkehrssicherungspflichten Grundstückseigentümer bei Grundstücksüberlassung
Symbolfoto: Pixabay

2. Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger 1/3 seines materiellen Schadens aus dem Unfallereignis vom 10.09.1989 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf einen Träger der Sozialversicherung oder einen sonstigen Dritten übergegangen sind.

3. Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen weiteren immateriellen Schaden aus dem Unfallereignis vom 10.09.1989, soweit ein solcher noch nicht überschaubar ist, unter Berücksichtigung einer Mitverantwortlichkeit des Klägers von 2/3 zu ersetzen.

4. Im übrigen werden die Feststellungsanträge abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung der Beklagten und die Berufung des Klägers werden zurückgewiesen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 86.000,– DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet. Die Sicherheit kann durch schriftliche unbedingte, unbefristete und unwiderrufliche selbstschuldnerische Bürgschaft einer als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen deutschen Bank oder Sparkasse geleistet werden.

IV. Wegen der Höhe des Schmerzensgelds wird die Sache an das Landgericht Ravensburg zurückverwiesen.

V. Beschwer des Klägers: 191.667,00 DM

Beschwer der Beklagten: 108.333,00 DM

Streitwert des Berufungsverfahrens: 300.000,00 DM

Tatbestand

Der Kläger stürzte am 10.09.1989 auf dem Anwesen der Beklagten und erlitt dabei u.a. eine Querschnittslähmung. Der Kläger begehrt mit seiner Klage Schmerzensgeld sowie Feststellung, daß ihm aller materielle Schaden sowie künftiger immaterieller Schaden zu ersetzen ist.

Der Kläger ist 46 Jahre alt, verheiratet und von Beruf Lehrer (Grund- und Hauptschule). Er war – zum Unfallzeitpunkt – Vorsitzender des Mineralienvereins Neukirch e.V.

Die Beklagte ist Eigentümerin eines früheren Bauernhofes, der abseits der Straße liegt. Sie hatte die Tenne ihres Anwesens, die Wiese beim Haus und das WC schon öfters unentgeltlich dem Mineralienverein Neukirch für dessen Sommerfest zur Verfügung gestellt. Im Sommer 1989 pflasterte der Ehemann der Beklagten den Hof auf der Nordseite des Gebäudes mit „Knochensteinen“; er renovierte auch die im westlichen Teil des Hofs befindliche Kelleraußentreppe, die entlang der Außenwand des Gebäudes angelegt und zum übrigen Hofraum mit einem 0,26 m hohen Mäuerchen als Brüstung abgegrenzt ist (außer vor der obersten Treppenstufe). Die Treppe führt in Richtung zum nordwestlichen Hauseck abwärts und endet mit einer Bodenplatte vor der Kellertür. Von dieser Bodenplatte bis zur Oberkante der Brüstung beträgt die Höhe 1,89 m. Der verbleibende Bodenbereich zwischen der Außenkante der Brüstung auf der Schmalseite und dem nordwestlichen Hauseck war in einem Viertel-Kreis leicht vertieft. Das auf der Brüstung zuvor angebrachte Geländer hatte der Ehemann der Beklagten anläßlich von Renovierungsarbeiten entfernt, ohne eine sonstige Abschrankung oder Absicherung anzubringen.

Am 25.08.1989 gegen 21.00 Uhr kam der Kläger mit dem Zeugen … zum Anwesen der Beklagten, als dort im Bereich des nördlichen Hofs die „Knochensteine“ verlegt wurden; ob sich der Kläger im Bereich der Kellertreppe aufhielt, ist streitig.

Zwei Wochen später, am 09.09.1989, richtete der Mineralienverein auf dem Anwesen der Beklagten zum fünften Mal sein Sommerfest aus. Bänke und Tische waren in der früheren Tenne (im Osten des Hauses) aufgestellt, man konnte sie durch eine Tür nach Norden, wo auf dem Hofraum geparkt werden konnte, und nach Süden, wo ebenfalls Autos standen, verlassen. Unter dem südlichen Vordach wurde gegrillt. Der Kläger kam zwischen 15.00 Uhr und 16.00 Uhr an und parkte auf der Nordseite des Anwesens vor der Tennentür.

Nachdem der Kläger bis zum Einbruch der Dunkelheit mit den Kindern gespielt hatte, aß er gegen 20.00 Uhr zu Abend und trank ein Bier dazu. Später wurde gesungen; der Kläger spielte Gitarre. Gegen 1.30 Uhr verließ der Kläger die Tenne durch den südlichen Ausgang. Als er nicht mehr zu den verbliebenen elf Festbesuchern zurückkehrte, begab sich der Zeuge … auf die Suche nach ihm. Er hörte den Kläger am Fuße der Kellertreppe stöhnen. Der Kläger lag halb auf dem Bauch, halb auf der linken Seite, mit dem Kopf auf der untersten Kellerstufe. Während Leib und Oberschenkel auf der Bodenplatte auflagen, standen die Unterschenkel an der Schmalseite die Wand hoch. Der Kläger war sehr schwer verletzt. Er erlitt neben Fleischwunden am Kopf und im Gesicht eine Halswirbelfraktur im Bereich des 6. Wirbels und Rückenmarksquetschungen im Brustwirbelbereich. Infolge dieser Verletzungen ist er querschnittsgelähmt. Er ist von den Zehen bis zum Hals fast völlig bewegungsunfähig und kann lediglich die Arme leicht anheben. Die Feinmotorik, insbesondere der Finger, ist vollständig aufgehoben.

Der Kläger hat vorgetragen, er habe weder am 25.08.1989, als er zusammen mit anderen Mitgliedern der Jedermann-Sportgruppe das Anwesen der Beklagten aufgesucht habe, noch am 08.09.1989, als er sein Auto auf der Nordseite des Hauses abgestellt habe, die Außentreppe gesehen. Welche Menge an Alkohol er zu sich genommen habe, könne er nicht sagen; sicher sei jedenfalls, daß er nicht betrunken gewesen sei. Der Alkohol sei überhaupt nicht ursächlich für seinen Sturz gewesen. Er sei die Südseite des Hauses entlanggegangen, dann den Weg an der Westseite zwischen Haus und Garten. Als er um die Nordwestecke des Hauses herumgegangen sei, sei er in der Vertiefung gestolpert und über die niedrige Mauer in den offenen Kellerabgang gestürzt. Die Treppe sei nicht beleuchtet gewesen. Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt und sei deshalb für den von ihm erlittenen materiellen und immateriellen Schaden haftbar.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zur Zahlung eines in das Ermessen des Gerichts gestellten angemessenen Schmerzensgelds nebst 4 % Zinsen seit 21.12.1989, mindestens 200.000,– DM, zu verurteilen;

2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtlichen materiellen Schaden aus dem Unfallereignis vom 10.09.1989 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf einen Träger der Sozialversicherung oder sonstige Dritte übergegangen sind;

3. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 10.09.1989 zu ersetzen, soweit diese noch nicht überschaubar sind.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und vorgetragen, der Kläger habe die Örtlichkeit gekannt, weil er schon früher bei Festen der Mineralienfreunde dabei gewesen sei. Außerdem habe er den ungesicherten Kellerabgang bereits am 25.08.1989 bemerkt. Auch beim Abstellen seines Fahrzeugs am 09.09.1989 habe er das fehlende Geländer bemerken müssen. Der Kläger habe insgesamt mindestens sechs Halbe Bier getrunken und sei so angetrunken gewesen, daß er beim Gehen geschwankt habe. Er sei nicht vorwärts über die Schmalseite der Umfassungsmauer, sondern rückwärts die Treppenstufen hinabgestürzt. Das fehlende Geländer sei deshalb nicht kausal für den Sturz gewesen. Zur Unfallzeit habe das Wohnzimmerlicht (Fenster an der Westseite) und die Lampe über dem nördlichen Nebeneingang gebrannt, so daß die Treppe erkennbar gewesen sei. Im übrigen hätte der Kläger direkt durch den nördlichen Ausgang der Tenne zu seinem Pkw gelangen können, statt den weiten Weg um das Haus herum zu machen. Dort sei der Verkehr von ihr gar nicht eröffnet worden. Die Beklagte ist der Auffassung, daß nicht sie, sondern der Verein der Mineralienfreunde als Veranstalter des Sommerfests für die Verkehrssicherungspflicht einstehen müsse.

Das Landgericht hat auf dem Grundstück der Beklagten einen Augenschein eingenommen. Außerdem wurden die Zeugen …, … (Ehemann der Beklagten), … (Ehefrau des Klägers ), …, … und … vernommen. Der Sachverständige … erstattete zur Blutalkoholkonzentration des Klägers ein mündliches Gutachten. Wegen der Angaben der Zeugen und des Sachverständigen wird auf die Sitzungsniederschriften vom 26.04.1990 und 07.03.1991 Bezug genommen. Schließlich hat das Landgericht ein schriftliches Gutachten des Sachverständigen … über die Art des Sturzes des Klägers eingeholt. Wegen des Inhalts wird auf das Gutachten vom 28.12.1990 verwiesen.

Durch Grund- und Teilurteil vom 16.05.1991 hat das Landgericht der Klage teilweise stattgegeben, indem es den Schmerzensgeldanspruch dem Grunde nach unter Berücksichtigung einer hälftigen Mitverantwortung für gerechtfertigt erklärt, einen Teilbetrag von 75.000,– DM (zuzüglich Zinsen) zugesprochen sowie festgestellt hat, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Hälfte seines materiellen Schadens (soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind) sowie weiteren immateriellen Schaden, soweit ein solcher noch nicht überschaubar ist, unter Berücksichtigung einer hälftigen Mitverantwortung des Klägers zu ersetzen.

Zur Begründung hat das Landgericht im wesentlichen ausgeführt:

Die Beklagte schulde dem Kläger Schadensersatz für die materiellen und immateriellen Schäden, da sie die ihr als Eigentümerin des Anwesens obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt habe. Auch wenn Veranstalter des Festes nicht die Beklagte, sondern der Verein der Mineralienfreunde gewesen sei, hätte sie für die Sicherung des Kellerabgangs sorgen müssen. Ihre Haftung sei nicht auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt. Das Haftungsprivileg des Verleihers gelte nicht für Verletzung von Schutz- und Verkehrssicherungspflichten. Zur Deutlichmachung der Gefahrenstelle sei das Einschalten des Außenlichts (mit einer 60-Watt-Birne), was durch die Aussage des Zeugen … erwiesen sei, nicht ausreichend gewesen. Die Beklagte habe auch damit rechnen müssen, daß Besucher von der Tenne nicht den direkten Weg zum Parkplatz nördlich des Hauses nehmen, sondern den westlich um das Haus herum führenden Weg. Die fehlende Abschrankung bzw. Abdeckung der Kellertreppe sei für den Sturz des Klägers ursächlich gewesen. Denn aufgrund der Lage des Verletzten nach dem Unfall sei entsprechend dem Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen … davon auszugehen, daß der Kläger nicht rückwärts die Treppe hinuntergefallen, sondern über die Brüstung gestürzt sei.

Der Kläger müsse sich gemäß § 254 Abs. 1 BGB ein hälftiges Mitverschulden zurechnen lassen. Ihm hätte spätestens am Nachmittag des 09.09.1989, als er sein Auto auf der Nordseite des Hauses geparkt habe, die ungesicherte Treppe auffallen müssen. Als Vorstand des Vereins habe dem Kläger gemäß § 31 BGB gegenüber den Mitgliedern – hier auch gegenüber sich selbst – neben der Beklagten die Verkehrssicherungspflicht bezüglich des Anwesens und dessen Umgebung getroffen. Er habe unstreitig diese Aufgabe nicht delegiert. Bei einem auch nur eiligen Umsehen auf dem Grundstück der Beklagten hätte ihm die ungesicherte Treppe auffallen müssen. Der Kläger habe darüber hinaus die bei Dunkelheit gebotene besondere Vorsicht nicht beachtet. Schließlich ergebe sich eine Mitverantwortlichkeit des Klägers auch aus seiner Alkoholbeeinflussung, die nach den Zeugenaussagen und dem Gutachten des Sachverständigen mit 0,6 bis 0,8 Promille Blutalkoholgehalt anzunehmen sei und nach Auffassung der Kammer mit dazu beigetragen habe, daß der Kläger in den Kellerabgang gestürzt sei.

Die Abwägung ergebe eine hälftige Haftung der Beklagten. Der Beklagten und dem Kläger sei jeweils anzulasten, daß sie eine Absicherung der Kelleraußentreppe versäumt hätten. Die Verantwortlichkeit des Klägers als Veranstalter des Festes werde etwas geringer eingeschätzt, als diejenige der Beklagten als Eigentümerin, die in erster Linie für die Verkehrssicherheit auf ihrem Grundstück zu sorgen gehabt habe. Allerdings werde das Mitverschulden des Klägers dadurch erhöht, daß der Unfall sich auch aufgrund seiner Alkoholisierung ereignet habe. Auch unter Berücksichtigung der Mitverantwortlichkeit des Klägers sei bei den schweren irreparablen Beeinträchtigungen auf jeden Fall ein Teilbetrag des Schmerzensgelds von 75.000,– DM berechtigt.

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Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen. Außerdem wird bezüglich des erstinstanzlichen Parteivorbringens auf den Inhalt der Schriftsätze verwiesen.

Der Kläger und die Beklagte haben gegen das ihnen am 21.05.1991 zugestellte Urteil jeweils am 20.06.1991 Berufung eingelegt. Die Beklagte hat ihre Berufung am 31.07.1991 begründet, der Kläger – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 21.10.1991 – durch Schriftsatz vom 18.10.1991, der am 23.10.1991 beim Oberlandesgericht Stuttgart eingegangen ist.

Die Beklagte verfolgt ihren Klagabweisungsantrag weiter und macht geltend: Den Kläger treffe einmal die Mithaftung, die ihn auch als einfaches Vereinsmitglied aufgrund seiner Unvorsichtigkeit treffen würde. Zum anderen bilde der Kläger wegen seiner Position als Vereinsvorsitzender mit dem Verein eine Haftungseinheit. Dies habe zur Folge, daß im Verhältnis zur Beklagten die Zurechnungseinheit Kläger/Verein bei Anwendung der Grundsätze des Gesamtschuldnerausgleichs gemäß § 426 BGB den Schaden allein zu tragen habe. Die Beklagte habe mit der Organisation des Sommerfestes in keiner Weise etwas zu tun gehabt. Sie habe in dem Kellerabgang eine Gefahr für Festteilnehmer nicht gesehen, da der Abgang aus ihrer Sicht für jedermann leicht erkennbar gewesen sei. Der Mineralienverein habe als Veranstalter, der den Verkehr auf ihrem Grundstück eröffnet habe, seinen Mitgliedern gegenüber die Verpflichtung gehabt, für Sicherheitsvorkehrungen zu sorgen. Dem Kläger habe als erstem Vorsitzenden des Vereins die Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht oblegen. Er habe diese Aufgabe nicht wirksam auf andere Vereinsmitglieder delegiert, zumindest beruhe es auf einem vom Kläger zu verantwortenden Organisationsmangel, wenn sich niemand um die Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht gekümmert habe. Abgesehen davon könne sich die Beklagte gemäß BGHZ 93, 23 auch im Rahmen einer etwaigen Haftung aus unerlaubter Handlung auf das Haftungsprivileg des § 599 BGB, wonach nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit gehaftet werde, berufen. Bei der Überlassung der Tenne und der Grundstücksteile, in deren räumlichem Bereich sich die Festteilnehmer bewegen konnten, habe es sich nicht um eine bloße Gefälligkeit, sondern um eine rechtsverbindlich vereinbarte Leihe gehandelt. Die Beklagte bestreitet eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Weiter bezweifelt sie, daß der Sturz des Klägers durch eine (etwaige) Verletzung der Verkehrssicherungspflicht verursacht worden sei. Allenfalls habe ihr eine Warnungspflicht oblegen. Eine Warnung etwa in Form eines rot-weißen Bandes hätte aber den Sturz nicht verhindert. Im übrigen liege eine Schutzgesetzverletzung (§ 19 LBO in Verbindung mit § 3 LBO AVO) nicht vor, da die Baumaßnahme noch nicht abgeschlossen gewesen sei, diese Vorschrift aber nur für fertige Anlagen gelte. Selbst wenn man nicht zu dem Ergebnis gelange, daß sie überhaupt keine Haftung treffe, könne auf sie nur eine minimale Haftungsquote entfallen.

Die Beklagte beantragt, die Klage unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils abzuweisen.

Der Kläger beantragt gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Verzögerung bei der Postbeförderung unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung der Anwaltsgehilfin ….

Er verfolgt mit seiner Berufung die auf eine volle Haftung der Beklagten gerichteten erstinstanzlichen Anträge weiter und macht geltend:

Eine Haftung der Beklagten entfalle nicht wegen eines Gesamtschuldnerausgleichs gemäß § 426 BGB. Denn ihn treffe keine unmittelbare eigene Haftung als Vereinsvorstand. Im übrigen habe seit Jahren beim Abhalten von Festlichkeiten eine Arbeitsteilung in der Weise bestanden, daß die Mitglieder … und … für die technischen Belange zuständig gewesen seien, der Kläger für die Unterhaltung. Abgesehen davon sei ihm das Grundstück der Beklagten bestens bekannt gewesen. Er habe dort keine unerwarteten Gefahrenquellen vermuten können. Zu Recht habe das Landgericht festgestellt, daß die Beklagte durch die unentgeltliche Überlassung von ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht befreit worden sei. Die Haftungsbeschränkung nach § 599 BGB greife im vorliegenden Fall nicht ein, da die Überlassung des Grundstücks an den Mineralienverein gefälligkeitshalber erfolgt sei. Eine analoge Anwendung des § 599 BGB scheide auch deshalb aus, weil die Gefahrenquelle nicht zum Gegenstand des (etwaigen) Leihvertrags gehört habe. Die Beklagte verkenne den Umfang ihrer Verkehrssicherungspflicht, wenn sie meine, sie wäre allenfalls verpflichtet gewesen, auf die Gefahrenquelle hinzuweisen. Vielmehr hätte die Beklagte den grob verkehrswidrigen Zustand beseitigen müssen. Eine Abschrankung oder ein Geländer hätte den Sturz verhindert. Er habe den ungesicherten Zustand des Kellerabgangs nicht wahrgenommen. Die Einfassung hebe sich in der Farbe nicht von dem Hofbelag ab. Alkoholbedingte Ausfallerscheinungen seien bei ihm nicht vorhanden gewesen. Eine Alkoholbeeinflussung könne nicht als Mitverschulden angelastet werden, da sie sich nicht unfallursächlich ausgewirkt habe.

Beide Parteien beantragen jeweils die Zurückweisung der Berufung der Gegenseite.

Wegen der Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens im Berufungsrechtszug wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 18.10.1991, 20.12.1991, 28.01.1992 und 11.05.1992 sowie auf die Schriftsätze der Beklagten vom 29.07.1991, 02.08.1991, 12.11.1991, 09.12.1991, 02.01.1992, 21.01.1992, 31.01.1992, 03.02.1992 und 15.05.1992 Bezug genommen.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 12.11.1991 dem Verein der Mineralienfreunde N… e.V. sowie … und … den Streit verkündet, die dem Rechtsstreit jedoch nicht beigetreten sind.

Der Senat hat einen Augenschein eingenommen. Wegen der getroffenen Feststellungen wird auf die Niederschrift vom 15.10.1992 Bezug genommen.

Die Strafakten AG Tettnang 6 Cs 820/89 und 6 Cs 66/89 sind beigezogen worden.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist teilweise begründet.

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ist dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da durch die eidesstattlichen Versicherungen der Rechtsanwältin … vom 20.12.1991 und der Anwaltsgehilfin … vom 21.01.1992 glaubhaft gemacht worden ist, daß die Versäumung der Frist auf einer Verzögerung bei der Postbeförderung beruht und damit unverschuldet ist (Abgabe beim Hauptpostamt Ravensburg am 18.10.1991. Eingang beim OLG am 23.10.1991). Im übrigen wäre die Berufung des Klägers ungeachtet der versäumten Berufungsbegründungsfrist als unselbständige Anschlußberufung zulässig. In der Sache hat die Berufung des Klägers allerdings keinen Erfolg.

I.

Berufung der Beklagten:

Die Beklagte ist aufgrund von §§ 823 Abs. 1, 847 BGB verpflichtet, dem Kläger 1/3 seines materiellen Schadens zu ersetzen und ein Schmerzensgeld unter Berücksichtigung einer Mitverantwortlichkeit des Klägers in Höhe von 2/3 zu zahlen.

1.

Zu Recht hat das Landgericht angenommen, daß die Beklagte schuldhaft gegen die ihr als Eigentümerin des Grundstücks obliegende Verkehrssicherungspflicht verstoßen hat.

Der Kellerabgang war von der Oberkante der Brüstung bis zur Bodenplatte fast 2 m tief. Die Umfassungsmauer mit einer Höhe von 26 cm stellte keine Sicherung dar. Diese Gefahrenquelle hätte die Beklagte ausreichend absichern müssen. Die Absicherung hätte ohne Schwierigkeit und große Kosten entweder durch ein provisorisches (aber ausreichend stabiles) Geländer oder durch eine Abdeckung des Treppenschachts erfolgen können. Auch eine weiträumige Abschrankung unter Anbringung eines weißroten Bands zur Warnung wäre in Betracht gekommen. Damit, daß die Beklagte ihr Grundstück dem Mineralienverein- zur Durchführung des Sommerfests zur Verfügung gestellt hat, war zwangsläufig verbunden, daß sich eine Vielzahl von Personen auf dem Grundstück bewegt. Das Landgericht weist auch zu Recht darauf hin, daß bei einem solchen Fest, bei dem auch alkoholische Getränke ausgeschenkt werden, mit angetrunkenen Personen gerechnet werden muß. Um so mehr hätte sich für die Beklagte eine Absicherung des Kellerabgangs aufdrängen müssen. Der Kellerabgang befindet sich innerhalb des mit Betonsteinen gepflasterten Hofs an der Nordseite des Hauses, wo Pkws abgestellt werden durften und auch abgestellt wurden. Somit lag die Gefahrenstelle in dem Bereich, in dem sich die Teilnehmer des Festes vorhersehbar bewegten und auch bewegen durften. Insbesondere war der Gartenweg entlang der Westseite des Hauses nicht gesperrt, so daß es nahelag, daß Festteilnehmer – etwa von dem von der Südseite des Hauses aus zugänglichen WC kommend – zum Parkplatz auf der Nordseite den Weg entlang der Westseite nehmen würden und damit zwangsläufig unmittelbar an dem Kellerabgang vorbeigehen mußten.

Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, daß nicht sie, sondern der Mineralienverein das Sommerfest veranstaltet und damit den Verkehr auf dem Grundstück eröffnet hat. Dies befreit sie nicht von ihrer Verkehrssicherungspflicht als Eigentümerin und Verfügungsberechtigte über das Grundstück. Auch die unentgeltliche Überlassung entlastet sie nicht von dieser Verpflichtung. Die Beklagte kann auch nicht geltend machen, daß sie in dem Kellerabgang keine Gefahr gesehen habe, da er für jedermann leicht erkennbar gewesen sei. Dies trifft zwar zu, wie im folgenden noch näher auszuführen sein wird, befreit die Beklagte aber weder von der ihr obliegenden Verkehrssicherungspflicht noch von einem Verschulden. Ihr hätte sich die Notwendigkeit einer Absicherung dieser gefährlichen Stelle aufdrängen müssen.

Soweit die Beklagte geltend macht, eine Schutzgesetzverletzung nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 19 LBO und § 3 AVO LBO liege nicht vor, da es sich bei dem Treppenabgang um keine fertige Anlage im Sinne von § 2 LBO gehandelt habe, mag dies zutreffen, ändert aber nichts an der Verpflichtung der Beklagten, für ausreichende Sicherheit auf ihrem Grundstück zu sorgen.

2.

Mit dem Landgericht sieht es der Senat als erwiesen an, daß die fehlende Absicherung ursächlich für den Sturz des Klägers war.

Daß der Kläger die Treppenstufen hinabgestürzt sein könnte, ist nach der Auffindungslage, den erlittenen Verletzungen (vgl. Gutachten des Sachverständigen … Bl. 149, 154) und den vom Senat bei der Ortsbesichtigung festgestellten örtlichen Gegebenheiten auszuschließen.

Damit bleibt allein die Möglichkeit, daß der Kläger entweder über die Schmalseite der Brüstung gleich nach der Nordwestecke des Hauses oder über die Längsseite der Brüstung abgestürzt ist. Ein Sturz über die Schmalseite erscheint dem Senat zwar nach den Gegebenheiten am wahrscheinlichsten. Letztlich kann aber dahingestellt bleiben, ob der Kläger über die Schmalseite oder über die Längsseite der Brüstung abgestürzt ist. Denn beide Seiten hätten, soweit keine Abdeckung der Grube erfolgte, durch ein Geländer oder eine Abschrankung gesichert werden müssen. Im einzelnen kann hier auf die zutreffenden Ausführungen im landgerichtlichen Urteil Bezug genommen werden.

3.

Eine Haftung der Beklagten entfällt nicht, weil der Kläger mit dem Mineralienverein eine Zurechnungseinheit bildet, die im Verhältnis zur Beklagten, wie diese meint, den Schaden allein zu tragen hat. Auch wenn den Mineralienverein als Veranstalter – worauf noch einzugehen sein wird – eine eigene Verkehrssicherungspflicht traf, so entfiel damit nicht diejenige der Beklagten. Der Mineralienverein war nicht „vorrangig“ verkehrssicherungspflichtig. Beide, sowohl die Beklagte als auch der Verein, haben die ihnen gleichrangig obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt und damit einen Ursachenbeitrag für den Schaden geleistet. Eine Zurechnungseinheit bilden somit allenfalls die Beklagte und der Mineralienverein. Daß der Kläger als erster Vorsitzender des Mineralienvereins dessen Pflichten wahrzunehmen hat und eine Pflichtwidrigkeit ihm zugerechnet wird, ist bei Betrachtung des Verhältnisses Geschädigter-Schädiger zufällig und begründet keine Zurechnungseinheit.

Auf jeden Fall besteht bei der Haftung aus Verletzung der Verkehrssicherungspflicht keine vorrangige Haftung des Vereins, welche die Haftung der Beklagten zurücktreten läßt. Etwas anderes kann auch nicht aus der Entscheidung des BGH in BGHZ 61, 213 entnommen werden.

4.

Die Beklagte ist nicht wegen des für den Verleiher gemäß § 599 BGB geltenden Haftungsprivilegs von einer Haftung befreit.

Richtig ist, daß die für den Verleiher geltende Beschränkung der Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit nach der für die Haftung des Schenkers entwickelten Rechtsprechung des BGH (BGHZ 93, 23) durchschlägt auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung, wenn der Schaden entstanden ist aus der Verletzung von Schutzpflichten, die im Zusammenhang mit dem Vertragsgegenstand stehen (vgl. auch OLG Köln NJW RR 1988, 157). Ein solcher Zusammenhang wäre hier zu bejahen, da der Kellerabgang innerhalb des als Parkplatz zur Verfügung gestellten Hofs liegt und damit unmittelbar in dem für die Teilnehmer des Sommerfestes zugänglichen und voraussehbar benutzten Grundstücksbereich.

Auf diese Haftungsbeschränkung kann sich die Beklagte aber deshalb nicht berufen, weil die Überlassung des Grundstücks (Tenne, Wiese, Parkraum, WC) nicht aufgrund eines rechtsverbindlichen Leihvertrags, sondern aus Gefälligkeit erfolgte.

Die Beklagte und deren Ehemann sind unstreitig gut bekannt mit Mitgliedern des Mineralienvereins aufgrund gemeinsamer sportlicher Aktivitäten in der sogenannten „Jedermann“-Sportgruppe. Die „Jedermann“-Sportgruppe war in der Vergangenheit verschiedentlich bei der Beklagten zusammengekommen. Aus dieser persönlichen Bekanntschaft ergab sich schließlich, daß die Beklagte dem Mineralienverein ihr Grundstück (die genannten Grundstücksteile) zur Abhaltung des Sommerfests zur Verfügung stellte. Der Kläger hatte 1983 oder 1984 den Ehemann der Beklagten anläßlich einer gemeinsamen Radtour gefragt, ob der Mineralienverein sein Sommerfest auf dem Anwesen der Beklagten veranstalten könne. Die Beklagte war damit einverstanden. In der Folgezeit wurde jährlich das Sommerfest des Vereins auf dem Grundstück der Beklagten in derselben Weise abgehalten. Auf dieser Tatsachengrundlage kann das Versprechen der Beklagten, das Grundstück zur Durchführung des Sommerfests zu überlassen, nicht als eine Zusage angesehen werden, die aus der Sicht des Vereins nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte rechtlich bindend sein sollte. Diese Zusage erfolgte vielmehr als Gefälligkeit im rein gesellschaftlichen Bereich (vgl. BGHZ 21, 102; BGH NJW 1992, 498). Für den Mineralienverein standen nicht wesentliche wirtschaftliche Interessen auf dem Spiel. Auch wenn sich der Verein auf die Zusage eingestellt und das Sommerfest in seinem schriftlichen Programm den Mitgliedern angekündigt hat, war die Beklagte durch ihre Zusage nicht rechtlich gebunden. Sie hätte auch ohne Vorliegen der Kündigungs-voraussetzungen nach § 605 BGB ihre Zusage zurückziehen können. Dadurch, daß der Verein unmittelbar vor dem Fest für dessen Vorbereitung Aufwendungen getätigt hat (Einkauf von Fleisch, Wurst, Getränken, Besorgung von Tischen, Stühlen etc.), hat sich das Gefälligkeitsverhältnis nicht in eine Beziehung mit rechtsverbindlichem Charakter umgewandelt. Die Tatsache, daß der Mineralienverein im Vertrauen auf die Einhaltung der Zusage in gewissen Umfang Aufwendungen getätigt hat, führt nicht zwingend zur Annahme einer vertragsrechtlichen Bindung. Im übrigen können auch auf der Grundlage eines Gefälligkeitsverhältnisses Ersatzansprüche wegen Aufwendungen im Vertrauen auf die Einhaltung der Zusage in Betracht kommen (vgl. Kramer Münchner Kommentar 2. Aufl. Einl. Rn 34, 37).

Nach den hier gegebenen Gesamtumständen ist sonach die Überlassung des Grundstücks an den Verein als außervertragliche Gefälligkeitsleihe zu beurteilen. Für eine solche Beziehung gilt die Haftungsbeschränkung des § 599 BGB nicht. Die Beschränkung der Haftung kann auch nicht isoliert auf das Deliktsverhältnis übertragen werden (vgl. BGH NJW 1992, 2474).

Im übrigen würde die Beklagte auch dann haften, wenn hier die für die vertragliche Leihe geltende Haftungsbeschränkung eingreifen und auf die deliktischen Ansprüche durchschlagen würde. Denn für grobe Fahrlässigkeit bleibt die Haftung des Verleihers bestehen. Die Unterlassung jeder Absicherung muß als grobe Fahrlässigkeit gewertet werden. Daß der Treppenabgang abgesichert werden muß, wenn sich anläßlich eines Festes eine Vielzahl von Personen auf dem Grundstück bewegt, muß sich jedem ohne weiteres aufdrängen. – Auch für die Beklagte lag die Gefährlichkeit des ungesicherten Kellerabgangs offen zutage. Daß sie nicht für eine Absicherung sorgte, muß deshalb als sowohl objektiv als auch subjektiv besonders schweres Verschulden gewertet werden, weil sich der Beklagten die naheliegende Möglichkeit von Unfällen infolge des fehlenden Geländers geradezu aufdrängen mußte.

5.

Bei der Haftung der Beklagten ist zu berücksichtigen, daß der Kläger für den Unfall mitverantwortlich ist. Auch insoweit kann zunächst Bezug genommen werden auf die zutreffenden Ausführungen im landgerichtlichen Urteil.

Die Mitverantwortlichkeit des Klägers ergibt sich aus zwei Gesichtspunkten:

a) Der Mineralienverein war Veranstalter des Festes. Als Veranstalter war er verpflichtet, für die Sicherheit der Teilnehmer Sorge zu tragen. Der unmittelbare Bereich der zur Verfügung gestellten Grundstücksteile war zu überprüfen, und etwaige Gefahrenstellen hätten beseitigt oder abgesichert werden müssen. Diese Verpflichtung traf den Kläger als ersten Vorsitzenden des Vereins. Eine Delegation dieser Aufgabe an ein anderes Vereinsmitglied, die den Kläger freistellen würde, ist nicht erfolgt. Geht man vom Vortrag des Klägers aus, so wurde die Organisation des Festes so gehandhabt, daß die Vereinsmitglieder … und … „für die technischen Belange“ zuständig waren, nämlich für die Besorgung von Tischen und Bänken sowie für Getränke; der Kläger war für die Unterhaltung zuständig. Diese „Arbeitsteilung“ befreite den Kläger nicht von der ihm als Vorstand obliegenden Verkehrssicherungspflicht. Die Übertragung der „technischen Belange“ bezog sich nach dem Vortrag des Klägers auf die Ausstattung mit dem erforderlichen Mobiliar und der Beschaffung von Verpflegung, umfaßte aber nicht – jedenfalls nicht ohne ausdrücklich dahingehenden Hinweis – die weitergehende Verpflichtung, für die Verkehrssicherheit zu sorgen.

Der Kläger hatte sonach für den Verein als dessen Vorstand die allgemeine Verkehrssicherungspflicht wahrzunehmen. Dieser Verpflichtung kam der Kläger nicht nach. Dahingestellt bleiben kann, ob der Kläger bereits am 25.08.1989, als er zusammen mit Mitgliedern der „Jedermann“-Sportgruppe auf dem Anwesen der Beklagten war, den ungesicherten Kellerabgang wahrgenommen hat. Auf jeden Fall hätte er bei seiner Ankunft auf dem Anwesen am 09.09.1989 zwischen 15.00 Uhr und 16.00 Uhr vor Beginn des Fests den ungesicherten Kellerabgang bemerken müssen. Die räumlichen Verhältnisse auf der Nordseite des Gebäudes sind – wie der Senat bei seiner Ortsbesichtigung festgestellt hat – so eng, daß man, wenn man auf der Nordseite parkt, den Kellerabgang mit der auf zwei Seiten umlaufenden Brüstung schlechterdings nicht übersehen kann. Es handelte sich keineswegs um eine versteckte Gefahrenquelle, die man, wenn man nicht darauf besonders aufmerksam gemacht wird, leicht übersieht. Der Kläger hätte – ebenso wie die Beklagte – diese Gefahrenstelle erkennen und für eine Sicherung sorgen müssen, was mit einfachen Hilfsmitteln ohne großen technischen Aufwand möglich gewesen wäre.

Dieses Verschulden als Vereinsvorstand muß sich der Kläger im Rahmen der Deliktshaftung der Beklagten als eigenes Verschulden zurechnen lassen. Die Vorschrift des § 31 BGB beseitigt nicht die Eigenhaftung des unmittelbar verantwortlichen Vorstands (vgl. BGH NJW 1990, 976/977; RGRK 12. Aufl. § 31 Rn 9; § 823 Rn 426).

b) Als Mitverschulden des Klägers ist desweiteren zu berücksichtigen, daß er in der Nacht, als er gegen 1.30 Uhr die Tenne verließ, um – vermutlich – zu seinem Pkw zu gehen, nicht die Vorsicht anwandte, die besonders dann erforderlich ist, wenn man sich bei Dunkelheit in fremder Umgebung bewegt. Der Senat hat die Örtlichkeit am 15.10.1992 nach Eintritt der Dunkelheit gegen 18.30 Uhr in Augenschein genommen. Dabei war die Außenleuchte (mit 60-Watt-Birne, wie bei der Ortsbesichtigung unstreitig war) eingeschaltet, wie auch in der Nacht vom 09./10.09.1989, wie der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht aufgrund der detaillierten und glaubhaften Aussage des Zeugen … als bewiesen ansieht (Bl. 114/117). Bei der Besichtigung wurde festgestellt, daß bei eingeschaltetem Außenlicht für jemand, der den Gartenweg entlang- und um die Nordwestecke des Hauses herumgeht, die Mauerkrone der Brüstung gut erkennbar ist, da das Licht auf die damit deutlich erleuchtete Mauerkrone fällt und sich der Schatten, den die Brüstung wirft, davon scharf abgrenzt. Bei Anwendung geringster Aufmerksamkeit kann die Brüstungsmauer schlechterdings nicht übersehen werden. Man kann ohne jede Schwierigkeit um den etwas vertieften Viertelkreis vor dem Beginn der Schmalseite der Brüstung und um die Brüstungsmauer herumgehen.

In der Unfallnacht war im nordwestlichen Teil des Hofraums ein Pkw abgestellt. Nach den übereinstimmenden Angaben der Zeugen … und … war aber mit ca. 1 m Abstand zum unbefestigten Bereich des Viertelkreises genügend Platz zum Vorbeigehen (vgl. Bl. 122).

Aus den Aussagen der Zeugen …, …, …, … und … kann entnommen werden, daß der Kläger gegen Ende des Festes angeheitert war, aber keine schwerwiegenden Ausfallerscheinungen (Schwanken, undeutliches Sprechen) hatte. Das Landgericht hat aufgrund der Bekundungen der Zeugen … und … und den Ausführungen des Sachverständigen … die Überzeugung gewonnen, daß der Kläger zwischen 17.00 Uhr und 1.00 Uhr nachts etwa 5 bis 6 Halbe Bier getrunken und daß sein Blutalkoholgehalt 0,6 bis 0,8 Promille betragen hat. Der Senat schließt sich dieser Würdigung des Beweisergebnisses an. Die Parteien haben in der Berufung die diesbezüglichen Feststellungen des Landgerichts auch nicht angegriffen.

Ob und in welcher Weise die Alkoholbeeinflussung des Klägers bei dem Sturz mitgewirkt hat, läßt sich nicht feststellen, ist letztlich aber auch nicht entscheidend für die Bewertung des Eigenverschuldens des Klägers. Die Unvorsichtigkeit des Klägers, die zum Sturz führte, ist – ob alkoholbedingt oder nicht – ihm als Mitverschulden zuzurechnen. Soweit die Unaufmerksamkeit alkoholbedingt war, entlastet dies den Kläger auf jeden Fall nicht (vgl. BGH NJW 1983, 624, 626 am Ende).

6.

Bei der nach § 254 BGB vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Verursachung ist zu berücksichtigen, daß die fehlende Absicherung des Treppenabgangs als Ausgangsursache beiden Parteien gleichermaßen anzulasten ist. Das Verschulden des Klägers bei der Wahrnehmung der ihm als Vereinsvorsitzendem obliegenden Verkehrssicherungspflicht ist nicht geringer als das der Beklagten. Denn auch für ihn mußte sich die Notwendigkeit einer Absicherung aufdrängen.

Als weitere Ursache kommt auf Seiten und zu Lasten des Klägers dessen Unvorsichtigkeit hinzu, ohne die es nicht zu dem Unfall gekommen wäre.

Bei Abwägung dieser Verursachungsbeiträge hält der Senat eine Haftungsquote der Beklagten von 1/3 für gerechtfertigt.

7.

Der vom Landgericht zugesprochene Schmerzensgeld-Teilbetrag von 75.000,– DM liegt bei der vom Kläger erlittenen irreparablen Querschnittslähmung mit Lähmung der Hand- und Fingerfunktionen auch bei Berücksichtigung einer Mitverantwortlichkeit von 2/3 auf jeden Fall nicht über dem dem Kläger zustehenden angemessenen Schmerzensgeldbetrag und bedarf deshalb keiner Korrektur.

II.

Berufung des Klägers:

Aus den Ausführungen zur Berufung der Beklagten ergibt sich, daß die Berufung des Klägers unbegründet ist.

Die vom Kläger mit seiner Berufung geltend gemachten Gesichtspunkte sind im Rahmen der Berufung der Beklagten erörtert.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollsteckbarkeit (bezüglich des Schmerzensgeld-Teilbetrags) beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Über die Kosten, auch die Kosten des Berufungsverfahrens, wird das Landgericht im Schlußurteil zu entscheiden haben.

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