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Verkehrsunfall – Beweis des ersten Anscheins bei Auffahrunfall

LG Berlin – Az.: 42 O 187/10 – Urteil vom 16.03.2011

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 6.138,96 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03. Mai  2010  zu zahlen.

2. Die Beklagten werden weiter als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger die außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 673,16 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03. Mai 2010 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 14 % und die Beklagten 86 % zu tragen.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand

Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger Ansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 12. August 2009 gegen 11:45 Uhr im Bereich B Damm / P Weg in B-S geltend. Der Kläger befuhr mit seinem Pkw BMW mit dem amtlichen Kennzeichen B-… den B Damm auf der linken Fahrspur in östlicher Richtung. Die Beklagte zu 2. befuhr mit dem bei der Beklagten zu 1. gegen Haftpflicht versicherten Pkw Skoda mit dem amtlichen Kennzeichen B-… ebenfalls den B Damm in gleicher Fahrtrichtung wie der Kläger. Unter im Einzelnen streitigen Umständen kam es in Höhe des P Wegs zu einer Berührung zwischen den Fahrzeugen, wobei sich die rechte Fronthälfte des Klägerfahrzeugs und die hintere linke Ecke des Beklagtenfahrzeugs berührten.

Der Kläger trägt vor, die Beklagte zu 2. sei auf der rechten Fahrspur gewesen, während er die linke Spur befahren habe. Da in der Einmündung P Weg nach rechts abbiegende Fahrzeuge diese Spur blockiert hätten, habe die Beklagte zu 2. plötzlich und ohne zu blinken die Spur nach links gewechselt und dabei das dort fahrende Fahrzeug des Klägers übersehen. Die eingeleitete Bremsung des Klägers habe nicht mehr ausgereicht, um einen Zusammenstoß zu verhindern.

Der Kläger verlangt deshalb 100 % Schadensersatz für folgende Positionen:

– Reparaturkosten: 6.071,03 €

– Gutachterkosten: 637,25 €

– Kostenpauschale: 25,00 €

– Nutzungsausfall (4 x 65,00 €): 380,00 €

7.113,28 €

sowie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 661,16 €  nebst Kosten für die Vornahme der Akteneinsicht von 12,00 €.

Nachdem er die Klage in Höhe von 969,32 € (Mehrwertsteuer der Reparaturkosten) zurückgenommen hat, beantragt der Kläger nunmehr,

1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn 6.143,96 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. Oktober 2009 zu zahlen;

2. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu  verurteilen, die vorgerichtlichen Kosten als Verzugsschaden gemäß §§ 280, 286 BGB in Höhe von 673,16 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. Oktober  2009 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie bestreiten, dass die Beklagte zu 2. einen unfallkausalen Spurwechsel durchgeführt hat. Vielmehr habe die Beklagte zu 2. ebenfalls den linken Fahrstreifen befahren. Vor der Einmündung P Weg sei der Kläger, nachdem er eine Vollbremsung durchgeführt gehabt habe, auf das Beklagtenfahrzeug aufgefahren. Zudem habe er die zulässige Höchstgeschwindigkeit erheblich überschritten. Statt der erlaubten 50 km/h sei er mindestens 90 km/h gefahren, was sich aus der von der Polizei gemessenen Bremsspur von 29 Metern ergeben würde.

Weiterhin machen sie Einwendungen zur Schadenshöhe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat sowohl den Kläger als auch die Beklagte zu 2. jeweils gemäß § 141 ZPO persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift vom 16. Februar 2011 (Bl. 83-85 d. A. ) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Verkehrsunfall - Beweis des ersten Anscheins bei Auffahrunfall
(Symbolfoto: Von Piyawat Nandeenopparit/Shutterstock.com)

Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.

Dem Kläger steht ein Schadensersatzanspruch aus  §§ 7 Abs. 1,  17 Abs. 1 StVG, §§ 823, 249 ff. BGB i.V.m. § 115 VVG dem Grunde nach zu 100 % zu. Seine Aktivlegitimation folgt aus § 1006 Abs. 1 BGB, da er zum Unfallzeitpunkt das beschädigte Fahrzeug unstreitig in Besitz hatte und somit die gesetzliche Eigentumsvermutung zu seinen Gunsten eingreift.

Da keine der Parteien für sich in Anspruch nehmen kann, dass der Unfall für den jeweiligen Fahrzeugführer ein die Gefährdungshaftung ausschließendes Ereignis höherer Gewalt i.S.v. § 7 Abs. 2 StVG gewesen ist und auch nicht, dass es sich um ein unabwendbares Ereignis im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG gehandelt hat, dass also der Unfall auch von einem Idealfahrer trotz Beachtung der größtmöglichen Sorgfalt nicht zu verhindern war, ist nach § 17 Abs. 1 StVG eine Haftungsverteilung vorzunehmen, die nach dem Maß der beiderseitigen Verursachungsbeiträge zu erfolgen hat. Im Rahmen dieser Abwägung sind neben feststehenden, bzw. unstreitigen Tatsachen nur bewiesene Umstände zu berücksichtigen. Nach diesen Grundsätzen muss die gebotene Abwägung hier dazu führen, dass die Beklagten den unfallkausalen Schaden des Klägers in voller Höhe zu erstatten haben.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht der vollen Überzeugung, dass die Behauptung des Klägers, der Unfall sei durch einen unachtsamen Fahrspurwechsel der Beklagten zu 2. verursacht worden, zutrifft.

Ein Anscheinsbeweis gegen den Kläger wegen Auffahrens liegt nicht vor. Der Beweis des ersten Anscheins gegen den Auffahrenden setzt voraus, dass beide Fahrzeuge – unstreitig oder erwiesenermaßen – so lange in einer Spur hintereinander hergefahren sind, dass sich beide Fahrzeugführer auf die vorangegangenen Fahrbewegungen hätten einstellen können (OLG Celle, VersR 1982, 960; OLG München, NZV 1989, 438; KG, Urteile vom 22. Juni 1992 – 12 U 7008/ 91 – ; vom 7. Juni 1999 – 12 U 4408/97 – ; vom 11. September 2000- 12 U 1361/99 – ). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Vielmehr streiten die Parteien gerade darüber, ob die Beklagte zu 2. vor dem Unfall bereits in der linken Fahrspur gefahren ist, oder ob sie erst unmittelbar vor dem Klägerfahrzeug in die linke Spur gewechselt ist.

Auch aus dem Schadensbild kann ein Anscheinsbeweis nicht  abgeleitet werden. Der Beweis des ersten Anscheins spricht zwar gegen den Auffahrenden, wenn sich beide Fahrzeuge im gleichgerichteten Verkehr bewegt haben und der Nachfolgende auf das Heck des Vorausfahrenden gestoßen ist. Dies gilt auch bei bloßer Teilüberdeckung der Stoßflächen. Das atypische Schadensbild (Schrägaufprall, knappe Überdeckung), der Fahrbahnverlauf oder die Stellung der Fahrzeuge auf der Fahrbahn können jedoch im Einzelfall auch ein Indiz für einen behaupteten Fahrstreifenwechsel darstellen (KG, Urteil vom 22. Januar 2001 – 22 U 1044/00 –, KGR 2001, 93 = MDR 2001, 808). Je mehr sich die Anstoßstellen im Heck- bzw. Frontbereich zu den jeweiligen Fahrzeugecken hin verlagern, desto eher stellt sich die Frage, ob ein atypischer Geschehensablauf vorliegt (vgl. KG, Urteil vom 01. November 1993 – 12 U 7089/91 -). Vorliegend befindet sich der Schaden am Klägerfahrzeug an dessen vorderer rechter Ecke und beim Beklagtenfahrzeug sogar an der hinteren linken Ecke bis Seite. Daraus folgt eine Anstoßkonstellation, bei welcher die Fahrzeuge derart seitlich versetzt waren, dass sie während des Anstoßes mehr nebeneinander als hintereinander gewesen sein müssen. Mit  einem „schlichten“ Auffahren lässt sich dieses Schadensbild nicht erklären, vielmehr waren die Fahrzeuge so weit seitlich versetzt, dass sie während der Kollision gar nicht beide innerhalb einer Spur gewesen sein können. Auch aus diesem Grund liegt kein Anscheinsbeweis wegen Auffahrens vor.

Der Kläger hat anlässlich seiner persönlichen Anhörung angegeben, dass die Beklagte zu 2. auf der rechten Spur hinter einem sehr langsam fahrenden und schließlich stehen gebliebenen Fahrzeug ebenfalls habe anhalten müssen. Als er noch ca. zwei oder drei Fahrzeuglängen von dem auf der rechten Spur befindlichen Beklagtenfahrzeug entfernt gewesen sei, habe die Beklagte zu 2. plötzlich nach links gewechselt. Trotz sofort eingeleiteter Vollbremsung habe er eine Kollision mit dem Beklagtenfahrzeug nicht verhindern können. Ein Ausweichen nach links sei nicht möglich gewesen, weil sich dort eine Mittelinsel befunden habe.

Die Beklagte zu 2. hat bei ihrer ebenfalls durchgeführten persönlichen Anhörung zunächst bestätigt, dass sie wegen eines langsam vor ihr fahrenden Fahrzeugs von der rechten Spur nach links gewechselt habe, um dieses zu überholen. Dieser Spurwechsel habe jedoch für den Unfall keine Rolle gespielt. Denn danach sei sie bis zur Kollision noch mindestens 200 Meter, möglicherweise auch mehr, auf der linken Spur gefahren. Vor dem Spurwechsel habe sie in den Außenspiegel geschaut und keinen bevorrechtigten Verkehr wahrgenommen. Auf der linken Spur habe sich ein Fahrzeug befunden, dass noch so weit entfernt gewesen sei, dass sie dieses lediglich als einen schwarzen Punkt wahrgenommen habe. Deshalb sei ein gefahrloses Wechseln auf die linke Spur möglich gewesen.  Danach sei sie ganz normal weiter gefahren, bis sie hinter sich ein Quietschen vernommen habe. Als sie daraufhin erschrocken in den Rückspiegel geschaut habe, habe sie das Klägerfahrzeug hinter sich bemerkt. Unmittelbar danach habe es geknallt. Sie sei die ganze Zeit ca. 50 km/h gefahren. Der Unfall habe sich in Höhe des Mittelstreifendurchbruchs ereignet. Sie vermute, dass der Kläger versucht habe, dort nach links auszuweichen.

Während die Angaben des Klägers schlüssig und plausibel sind und sich zudem mühelos mit den objektiv eingetretenen Schäden in Übereinstimmung bringen lassen, sind die Angaben der Beklagten zu 2. eher unglaubhaft. Nach ihrer Schilderung ist schon nicht nachvollziehbar, weshalb der Kläger auf das Beklagtenfahrzeug „aufgefahren“ sein soll, obwohl dieses über eine Strecke von mindestens 200 Metern mit gleichmäßiger Geschwindigkeit von 50 km/h gefahren ist. Da die Beklagte zu 2. nach ihrer Angabe weder gebremst noch sonst verlangsamt hat, müsste der Kläger geradezu blind auf das Beklagtenfahrzeug zugerast sein, um erst im letzten Augenblick einen untauglichen Bremsversuch zu unternehmen. Zwar ist ein solchermaßen gänzlich unsinniges Verkehrsverhalten selbstverständlich nie ganz ausgeschlossen, aber im höchsten Maße unwahrscheinlich. Auffällig ist zudem, dass der Kläger, der als erster angehört worden ist, angegeben hat, dass die Beklagte zu 2. nach links gewechselt hat, weil sie ein vor ihr befindliches, langsam fahrendes bzw. anhaltendes Fahrzeug überholt hat, was die Beklagte zu 2. im Wesentlichen bestätigt hat. Da dies jedoch zuvor schriftsätzlich von keiner Seite vorgetragen worden war, fragt es sich, woher der Kläger von diesem Überholvorgang Kenntnis haben konnte, wenn er doch nach der Behauptung der Beklagten zu 2. zu diesem Zeitpunkt noch so weit entfernt gewesen ist, dass sein Fahrzeug für die Beklagte zu 2. nur als schwarzer Punkt wahrnehmbar war. Bei einer derart großen Entfernung hätte der Kläger seinerseits kaum beobachten können, dass die Beklagte zu 2. ein langsames oder stehendes Fahrzeug überholt. Dies legt den Schluss nahe, dass der Kläger bereits sehr viel näher war, als die Beklagte zu 2. angibt. Schließlich lässt sich nach der Angabe der Beklagten zu 2. nicht nachvollziehen, wie die Schäden an der hinteren linken Seite ihres Fahrzeugs zustande gekommen sind. Bei  einem normalen Auffahren – wie sie behauptet – wäre der Kläger mit der Front seines Fahrzeuges gegen das Heck des Beklagtenfahrzeugs geraten. Ein seitliches Aneinandergeraten zweier in derselben Spur hintereinander fahrender Fahrzeuge ist dagegen schwer vorstellbar. Soweit die Beklagte zu 2. die Schäden mit einem Ausweichversuch des Klägers nach links in den Mittelstreifendurchbruch zu erklären versucht, ist dies durch die Bremsspur des Klägerfahrzeugs widerlegt. Bei den auf den Fotos in Hülle Bl. 6 d. A. deutlich erkennbaren Bremsspuren handelt es sich unstreitig um diejenigen des Klägerfahrzeuges. Die Beklagten haben dies nicht bestritten, sondern – im Gegenteil – sich auf diese Bremsspur zum Nachweis der behaupteten erhöhten Geschwindigkeit des Klägers sogar selbst berufen. Die Spuren weisen aber eine vollkommen gerade Richtung auf und verlaufen fast bis zum Ende des Mittelstreifendurchbruchs. Wäre der Kläger nach links in den Mittelstreifendurchbruch ausgewichen, wie die Beklagte zu 2. behauptet, hätten auch die Bremsspuren nach links in den Mittelstreifendurchbruch führen müssen. Diese verlaufen aber völlig geradlinig auf der linken Fahrspur und brechen erst am Ende des Mittelstreifendurchbruchs ab. Diese Spurzeichnung beweist deshalb, dass der Kläger die Bremsung ausschließlich innerhalb der linken Fahrspur durchgeführt hat. Ein Ausweichen nach links kann hingegen ausgeschlossen werden. Mithin muss sich das Beklagtenfahrzeug während der Kollision rechts neben dem auf der linken Fahrspur befindlichen Klägerfahrzeug und damit weitestgehend in der rechten Spur befunden haben. Dies wiederum lässt sich nur mit einem, wie  vom Kläger behaupteten, unfallkausalen Spurwechsel der Beklagten zu 2. in Übereinstimmung bringen.

Das Gericht glaubt deshalb allein den Angaben des Klägers. Die Angaben der Beklagten zu 2. sind hingegen entweder bloße Schutzbehauptungen oder beruhen auf einer völlig falschen Wahrnehmung.

Mithin ist der Unfall durch einem unachtsamen Spurwechsel der Beklagten zu 2. verursacht worden.

Nach § 7 Abs. 5 StVO hat sich ein Verkehrsteilnehmer beim Spurwechsel so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Kommt es bei einem solchen Fahrmanöver zu einem Unfall mit einem Teilnehmer des nachfolgenden Verkehrs, so spricht ein Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Spurwechsler den Unfall dadurch verursacht hat, dass er nicht genügend auf den Nachfolgeverkehr geachtet hat, sofern es ihm nicht gelingt, ein ins Gewicht fallendes Mitverschulden des Teilnehmers des Nachfolgeverkehrs an dem Unfall zu beweisen. Nach diesen Grundsätzen spricht der Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden der Beklagten zu 2.).

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Für eine Mithaftung des Klägers wegen eines mitwirkenden Verschuldens durch Verstoß gegen die allgemeine verkehrsrechtliche Grundregel aus § 1 Abs. 2 StVO fehlt es dagegen vorliegend an einer ausreichend gesicherten Tatsachengrundlage. Die Beklagten hätten ihrerseits solche Tatsachen darlegen und beweisen müssen, aus denen folgt, dass der Kläger das Fahrzeug der Beklagten zu 2. rechtzeitig hätte erkennen können und auch noch in der Lage gewesen wäre, unfallverhütend zu reagieren, das heißt vor dem Spurwechsel abzubremsen und / oder anzuhalten. Hierzu fehlt jeglicher Sachvortrag der Beklagten.

In diesem Zusammenhang können sie sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Kläger die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten hat. Denn es fehlt – selbst bei überhöhter Geschwindigkeit als wahr unterstellt – an der Darlegung der Kausalität einer solchen Geschwindigkeitsüberschreitung für den Unfall. Grundsätzlich beseitigt ein Verstoß gegen die zugelassene Höchstgeschwindigkeit nicht die an sich bestehende Bevorrechtigung eines Verkehrsteilnehmers gegenüber einem Wartepflichtigen. Denn es muss grundsätzlich damit gerechnet werden, dass bevorrechtigte Fahrzeuge die zulässige Höchstgeschwindigkeit auch deutlich überschreiten. Ob eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Mithaftung des Bevorrechtigten führt, hängt deshalb entscheidend davon ab, ob der Unfall unter Berücksichtigung einer angemessenen Reaktionszeit bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit hätte vermieden werden können (vgl. KG, Urteil vom 29. April 2004 – 12 U 140/03 -). Der rechtliche Zusammenhang zwischen Geschwindigkeitsüberschreitung und Unfall ist nur zu bejahen, wenn bei Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit zum Zeitpunkt des Eintritts der kritischen Verkehrssituation der Unfall vermeidbar gewesen wäre ( BGH NJW 2003, 1929, 1930). Die kritische Verkehrslage beginnt für einen Verkehrsteilnehmer dann, wenn die ihm erkennbare Verkehrssituation einen konkreten Anhaltspunkt dafür bietet, dass eine Gefahrensituation unmittelbar entstehen kann (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 29. August 2005 – 12 U 422/04 -). Ein Wartepflichtiger, der eine Mithaftung des Bevorrechtigten damit begründen will, dass dieser den Unfall durch rechtzeitige unfallverhütende Reaktion hätte vermeiden können, muss deshalb darlegen und beweisen, dass der Bevorrechtigte aufgrund überhöhter Geschwindigkeit nicht in der Lage war, unfallverhütend zu reagieren oder sich im Zeitpunkt der Erkennbarkeit der Vorfahrtsverletzung in einer solchen Entfernung vom Kollisionsort befand, dass eine unfallverhütende Reaktion möglich gewesen wäre (vgl. KG, Urteil vom 14.11.2002  -12 U 140/01 -). Hierzu haben die Beklagten nichts vorgetragen.

Zur Schadenshöhe:

Der Kläger kann die Nettoreparaturkosten fiktiv aus dem Gutachten des Sachverständigen Altin vom 29. August 2009 verlangen. Das Gericht hält insofern an seinen mit Hinweis vom 04. Oktober 2010 geäußerten Bedenken bezüglich des Wiederbeschaffungswerts nicht mehr fest. Aus dem privaten Sachverständigengutachten, für dessen inhaltliche Unrichtigkeit es keine Anhaltspunkte gibt, und die auch von den Beklagten nicht substantiiert behauptet worden ist, ergibt sich eindeutig, dass ein Reparaturschaden vorliegt. Der Sachverständige, der das Fahrzeug in Augenschein genommen hat, hat nicht daran gezweifelt, dass der Wiederbeschaffungswert die Reparaturkosten übersteigt und hat die Reparaturwürdigkeit ohne Einschränkung bejaht. Dagegen haben die Beklagten keine substantiierten Einwendungen vorgetragen.

Die der Höhe nach unstreitigen Gutachterkosten stehen dem Kläger ebenfalls zu. Die Kostenpauschale ist jedoch nur in Höhe von 20,00 € begründet. Nach der weiter geltenden Rechtsprechung des Kammergerichts wird bei Unfällen, die sich nach Einführung des Euro am 1. Januar 2002 ereignet haben, die allgemeine Unkostenpauschale weiter mit 20,00 € bemessen (KG, Urteil vom 27. Februar 2006 – 22 U 170/05; KG, OLGR 2006, 252; KG, OLGR 2005, 994 = DAR 2006, 211 = MDR 2006, 568 = NZV 2006, 307; KG, OLGR 2005, 664; KG, Urteil vom 8. November 2004 – 22 U 225/03 –).

Auch der Nutzungsausfallschaden steht dem Kläger zu, nachdem er durch das Schreiben des Zeugen … vom 21. Februar 2011 hinreichend nachgewiesen hat, dass sich sein Fahrzeug unfallbedingt für sechs Tage zur Reparatur in der Werkstatt des Zeugen befunden hat. Dagegen ist das bloße Bestreiten der Beklagten unerheblich.

Der begründete Schaden des Klägers berechnet sich wie folgt:

– Reparaturkosten (netto): 5.101,71 €

– Gutachterkosten:  637,25 €

– Nutzungsausfall (4 x 65,0 €):  380,00 €

– Kostenpauschale:   20,00 €

6.138,96 €

Schließlich kann der Kläger als Nebenforderung auch diejenigen Anwaltskosten als Schadensersatz ersetzt verlangen, die ihm durch die vorgerichtliche Beauftragung seines Prozessbevollmächtigten entstanden sind, einschließlich der Auslagen für die Akteneinsicht. Eine Bezahlung dieser Kosten hat laut Auskunft des Prozessbevollmächtigten des Klägers stattgefunden.

Der Zinsantrag ist gemäß §§ 288, 291 BGB nur als Rechtshängigkeitszins gerechtfertigt. Das Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 02. September 2009 enthält eine erstmalige Zahlungsaufforderung zum 16. September 2009 und stellt die Forderung mithin zu diesem Zeitpunkt fällig. Ein Mahnschreiben hat der Kläger dagegen nicht vorgelegt, so dass ein Verzug im Sinne des § 286 BGB nicht festgestellt werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 ZPO. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 11, 709, 711  ZPO.

 

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