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Verkehrsunfall – Haftungsprivilegierung von Arbeitgebern und Arbeitskollegen

Verkehrsunfall auf dem Weg zur Arbeit: Einstandspflicht und Schadenersatzansprüche

Bei der Beurteilung von Verkehrsunfällen kann das Gesetz manchmal überraschend sein. Vor allem, wenn diese auf dem Weg zur oder von der Arbeit passieren, werden Fragen der Haftung komplexer. Ein aktuelles Urteil des Landgerichts Cottbus (Az.: 2 O 106/20) liefert dazu interessante Erkenntnisse.

Zwei Mitarbeiter eines Krankenhauses in Cottbus waren an dem Unfall beteiligt. Die Klägerin, eine 53-jährige Fahrradfahrerin, und die Beklagte, die Fahrerin eines Dienstwagens. Der Unfall ereignete sich auf dem Gelände des Krankenhauses, einem Bereich, der für Besucher und Mitarbeiter frei befahrbar ist. Die Klägerin war auf dem Weg zur Arbeit, während die Beklagte das Gelände verließ.

Direkt zum Urteil Az: 2 O 106/20 springen.

Haftungsfragen bei Verkehrsunfällen imArbeitskontext

Die Klägerin fuhr auf einem Fußweg, um einen doppelten Schrankenbereich zu passieren. Sie lenkte nach rechts über den Fahrbahnbereich, um auf das Betriebsgelände zu gelangen. Gerade als sie diesen Bereich passierte, wurde sie vom Auto der Beklagten erfasst. Die Beklagte war im Begriff, das Betriebsgelände zu verlassen. Als Folge des Unfalls erlitt die Klägerin schwere Verletzungen und musste noch am Unfalltag operiert werden.

Die Entscheidung: Gesamtschuldnerische Haftung

Das Gericht stellte fest, dass die Beklagten – also sowohl der Arbeitgeber als auch die Fahrerin des Autos – als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin alle materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihr durch den Unfall entstanden sind oder noch entstehen werden. Die Kosten des Rechtsstreits mussten ebenfalls die Beklagten tragen.

Vorläufige Vollstreckbarkeit und Sicherheitsleistung

Zudem ist das Urteil vorläufig vollstreckbar, allerdings gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zur Vollstreckung gelangenden Betrages. Der Streitwert wurde auf der Gebührenstufe „bis 50.000,00 €“ festgesetzt.

Dieser Fall zeigt deutlich, dass die Frage der Haftung bei Arbeitsunfällen komplex ist und oft eine juristische Beurteilung erfordert. Auch wenn der Arbeitgeber die entsprechende Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat, kann er in bestimmten Situationen haftbar gemacht werden. Daher ist es für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen wichtig, sich über ihre Rechte und Pflichten im Klaren zu sein.


Das vorliegende Urteil

LG Cottbus – Az.: 2 O 106/20 – Urteil vom 14.12.2020

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin alle materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die der Klägerin aus dem Unfallereignis vom 14. Juni 2017 in Cottbus, …, Zufahrtsbereich zum C…-T…-Klinikum Cottbus entstanden sind bzw. noch entstehen werden, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder einen Dritten übergegangen ist.

2. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zur Vollstreckung gelangenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf der Gebührenstufe „bis 50.000,00 €“ festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für materielle und immaterielle Schadenersatzansprüche wegen eines Verkehrsunfalls vom 14.06.2017 in Cottbus.

Der Unfall, an dem die seinerzeit 53-jährige Klägerin mit ihrem Fahrrad und die Beklagte zu 2. als Fahrerin des von der Beklagten zu 1. gehaltenen und bei der Beklagten zu 3. haftpflichtversicherten Pkw …(Transporter) mit dem amtlichen Kennzeichen … beteiligt waren, ereignete sich im Zu- und Abfahrtsbereich auf dem Gelände des C…-T…-Klinikum Cottbus.

Dieser Bereich mit dem angrenzenden Parkflächenbereich ist für Besucher einschließlich der Besucher des … frei befahrbar. Es geltend die Vorschriften des StVG uneingeschränkt. Das ist gerichtsbekannt (Die zuständige Richterin hat diesen Bereich in der Vergangenheit schon mehrfach befahren und dort geparkt.).

Beide Unfallbeteiligten sind Mitarbeiter der Beklagten zu 1. Die Klägerin war mit dem Fahrrad auf dem Weg zur Arbeit. Die Beklagte zu 2. wollte das Gelände mit dem Dienstfahrzeug in Ausübung einer betrieblich veranlassten Tätigkeit verlassen. Zur Örtlichkeit wird auf die Lichtbilder auf Bl. 7 ff. und Bl. 53 GA Bezug genommen.

Die Klägerin fuhr vom Radweg an der … auf das Betriebsgelände auf den linksseitig gelegenen Fußweg, ersichtlich auf Bild 1 auf Bl. 7 GA, um den doppelten Schrankenbereich zu passieren. Am Ende dieses Fußweges ist der Bordstein abgesengt. Dort verließ sie fahrend den Fußweg und lenkte nach rechts diagonal über den gepflasterten Fahrbahnbereich, um von dort auf das Betriebsgelände der Beklagten zu 1. zu gelangen. Dieser Zu- und Abfahrtsbereich ist wiederum mit zwei Schranken versehen. Insoweit wird auf die Bilder 2 bis 5 auf Bl. 7 ff. sowie Bl. 53 GA verwiesen. Die Klägerin hatte den oben genannten „Diagonalweg“ bereits im wesentlichen passiert, als sie vom Pkw linksseitig erfasst wurde und stürzte. Die Beklagte zu 2. war gerade im Begriff, dass Betriebsgelände der Beklagten zu 1. zu verlassen mit linksseitigem Einlenken auf den Ausfahrbereich. Zur Kollision und zum Sturz kam es auf dem – optisch erkennbar – helleren gepflasterten Weg, der zum Betriebsgelände des C…-T…-Klinikums gehört (Bl. 53 GA). Dabei erlitt die Klägerin insbesondere eine mehrfragmentäre zweigradig offene Unterschenkelfraktur links, eine Endgliedfraktur der linken Großzehe sowie einen massiven Weichteilschaden am linken Unterschenkel im Sinne einer Decollement-Verletzung (Abscherverletzung) der Ferse links. Die Klägerin wurde noch am Unfalltag operiert. Nach geschlossener Repositionierung und Stabilisierung der Tibiastückfraktur durch einen Tibianagel und der Wundversorgung der Decollement-Verletzung erfolgte die osteosynthetische Versorgung der Fibularfraktur durch offene Reposition und Frakturstabilisierung mit einer Drittelrohrplatte. Am 28.06.2017 erfolgte eine Weichteilabdeckung der großen Defektwunde am linken Unterschenkel durch einen Radialis-Transfer vom linken Unterarm unter gleichzeitiger Entnahme eines Saphenainterponates zum Anschluss an die Arteria tibialis posterior. Weitere operative Maßnahmen, um eine ausreichende Durchblutung des Transplantates und schließlich des linken Fußes insgesamt zu schaffen, insbesondere einer aufwendigen Gefäßrekonstruktion, blieben erfolglos. Am 01.08.2017 wurde deshalb eine Unterschenkelamputation bei der Klägerin notwendig. Danach erfolgte die Stumpfwundheilung regelrecht. Nach Anpassung einer Unterschenkel-Interimsprothese wurde die Mobilisation der Klägerin eingeleitet. Am 31.08.2017 wurde die Klägerin aus dem Krankenhaus entlassen. Es schloss sich vom 05.09. bis 18.10.2017 die Anschlussheilbehandlung in einer Fachklinik an. Bis zum 04.04.2018 unterzog sich die Klägerin einer Vielzahl physiotherapeutischer Behandlungen. Anschließend gelang der Klägerin die stufenweise Wiedereingliederung in ihre berufliche Tätigkeit als medizinisch-technischen Laborassistentin. Volle Berufstätigkeit besteht wieder seit dem 01.07.2018.

Vorprozessual hat die Beklagte zu 3. ohne Anerkennung einer Rechtspflicht zur freien Verrechenbarkeit an die Klägerin 20.000,00 € gezahlt. Einen Abfindungsvergleich mit Zahlung weiterer 30.000,00 € lehnte die Klägerin ab.

Aufgrund der unfallbedingten Verletzungen ist die Klägerin schwerbehindert mit einem GdB 50%. Mit Rentenbescheid der Unfallversicherung vom 19.11.2018 hat die gesetzliche Unfallversicherung das Unfallgeschehen als Arbeitsunfall anerkannt und auf Basis einer MdE von 40% eine monatliche Rente von 851,10 € als vorläufige Entschädigung festgesetzt (Bl 54 f. GA). Bzgl. der Höhe der MdE ist ein Verfahren vor dem Sozialgericht rechtshängig mit dem Ziel einer höheren Einstufung.

Die Klägerin behauptet, sie leide unfallverletzungsbedingt unter rezidivierenden Phantomschmerzen und zunehmenden Beschwerden im Hüftbereich und der Wirbelsäule. Eine Verschlechterung dieses Zustandes sei zu erwarten. Weitere Nebenfolge seien zunehmende Arthroseerscheinungen in beiden Knien. Die Protheseversorgung sei im Hinblick auf Veränderungen am Amputationsstumpf noch nicht endgültig abgeschlossen. Vor der Kollision habe der Pkw den Schrankenbereich sehr schnell passiert.

Die Klägerin beantragt: – wie unter 1. des Urteilstenors –

Die Beklagten beantragen: Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagten wenden den Haftungsausschluss bei Arbeitsunfall für Personenschäden nach § 104 ff. SGB VII ein. Der Unfall habe sich im Rahmen des innerbetrieblichen Verkehrs auf einem Betriebsweg ereignet.

Die Klägerin sei für das Unfallgeschehen überwiegend verantwortlich. Denn sie sei mit dem Fahrrad vom Gehweg auf die Straße gefahren – zudem auf der „falschen“ Straßenseite wobei die Beklagte zu 2. damit nicht habe rechnen können. Unglücklicherweise sei die Klägerin schließlich von der linken A-Säule verdeckt gewesen, sodass die Beklagte zu 2. die Klägerin nicht habe sehen können unmittelbar vor der Kollision.

Sämtliche Folgebeeinträchtigungen werden bestritten, ebenso der Umstand, dass die Protheseversorgung noch nicht abgeschlossen sei.

Das Gericht hat die Unfallbeteiligten persönlich angehört (Bl. 92 ff. GA)

Wegen des weiteren Vortrages der Parteien wird auf die jeweils gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

a)

Die Feststellungsklage ist zulässig. Das Feststellungsinteresse wurde von der Klägerin ausreichend dargestellt. Dieses ergibt sich insbesondere aus dem plausiblen Vortrag, dass sich der Schaden mit Blick auf das Verletzungsbild noch nicht abschließend beziffern lasse, Folgebeeinträchtigungen nicht auszuschließen seien. Dabei lässt sich das Gericht von dem Grundsatz leiten, je schwerer und umfangreicher die Verletzungen und ihre Folgen sind, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit möglicher Folgebeeinträchtigungen.

b)

Der Anspruch folgt dem Grunde nach aus §§ 7 Abs. 1, § 18 StVG, § 115 VVG.

Die Beklagte zu 1. als Halterin des Fahrzeugs haftet aus der Gefährdungshaftung, die Beklagte zu 2. als Fahrerin des Fahrzeugs haftet wegen vermutetes Verschulden. Eine Entlastung insoweit liegt nicht vor.

Bereits aus der Anhörung der am Unfall Beteiligten ergibt sich ein deutliches Bild, wie es zum Unfall gekommen ist, wobei die Klägerin und die Beklagte zu 2. letztlich keine sich widersprechenden Angaben gemacht haben. Danach befuhr die Klägerin den linksseitig verlaufenden Fußweg mit dem Fahrrad und am abgesengten Bordstein nach rechts diagonal über die Fahrbahn. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Beklagte zu 2. mit dem Pkw vor der beschrankten Ausfahrt des Betriebsgeländes der Beklagten zu 1.. Das Fahrzeug war leicht rollend oder stehend, um die durch Lichtschranke auslösende Schrankenöffnung abzuwarten. Nachdem die Schranke geöffnet war, beschleunigte die Beklagte zu 2. bzw. fuhr an. Entscheidend ist, dass sie den dann erforderlichen Lenkvorgang nach links nicht so vornahm, dass sie die Kurve ausreichend ausfuhr, sondern diese schnitt und dabei die Klägerin erfasste, die sich mit dem Fahrrad bereits auf der „Gegenfahrbahn“ zu der von der Beklagten zu 2. befand.

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Soweit sich die Klägerin im Vorfeld verkehrswidrig verhalten hatte, indem sie mit dem Fahrrad – zudem auf der falschen Straßenseite – auf dem Fußweg fuhr und von dort diagonal die Straße passiert hatte, war dieses Verhalten nicht unfallursächlich. Denn wo sie sich letztlich mit dem Fahrrad unmittelbar vor dem Unfallgeschehen befand, durfte sie mit dem Fahrrad am Verkehr teilnehmen. Sie befand sich mit dem Fahrrad zu diesem Zeitpunkt bereits auf der für sie zutreffenden Zufahrtsstraße. Die Ursachen für das Erfassen der Klägerin durch den Pkw sind ausschließlich in der Sphäre der Beklagten zu 2. gelegen, die zum einen die Linkskurve erheblich geschnitten hatte und zum anderen nicht mit der erforderlichen Aufmerksamkeit gefahren ist. Anderenfalls lässt sich nicht plausibel erklären, warum sie die Klägerin – entweder durch die Frontscheibe oder das Seitenfenster – nicht gesehen hat. Selbst wenn die A-Säule teilweise die Sicht nach links eingeschränkt haben sollte, ist diese Einschränkung aber zu kompensieren durch eine aktive Sichtweise durch Front- und Seitenscheibe.

c)

Ein Haftungsausschluss für Personenschäden nach §§ 104 ff. SGB VII greift für die Beklagten nicht.

Sowohl das Haftungsprivileg der Beklagten zu 1. als Unternehmer nach § 104 SGB VII als auch das Haftungsprivileg der Beklagten zu 2. als „Arbeitskollegin“ nach §§ 105,106 SGB VII setzen einen nicht vorsätzlich herbeigeführten Arbeitsunfall auf einem „Betriebsweg“ voraus.

Denn hat sich der Unfall bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr auf einem versicherten Weg nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII ereignet, wird die Haftung für den Schädiger wieder „entsperrt“.

Zutreffend haben die Beklagten ausgeführt, dass es bei der Bewertung dieses Tatbestandsmerkmals für die Privilegierung nicht allein darauf ankommt, wo der Unfall stattgefunden hat. Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 25.10.2005 – VI ZR 334/04 hierzu ausgeführt:

„Zutreffend zieht das Berufungsgericht für die Abgrenzung, ob der Versicherungsfall auf einem Betriebsweg im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB VII oder einem von der Haftungsbeschränkung ausgenommenen versicherten Weg nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII eingetreten ist, die Kriterien heran, die von der Rechtsprechung für das frühere Abgrenzungsmerkmal des § 637 RVO zwischen privilegierten und nicht privilegierten Wegen – nämlich die Teilnahme am allgemeinen Verkehr – entwickelt worden sind (vgl. Senatsurteil BGHZ 157, 159, 163 f. m.w.N.). Zur Abgrenzung der Unfälle, die unter das Haftungsprivileg der §§ 104 ff. SGB VII fallen, von sonstigen Wegeunfällen im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII, bei denen eine Entsperrung der Haftung erfolgt, ist zu prüfen, ob nach der ratio legis der §§ 104 ff. SGB VII eine Haftungseinschränkung geboten ist, weil sich aufgrund der bestehenden betrieblichen Gefahrengemeinschaft ein betriebsbezogenes Haftungsrisiko verwirklicht hat, von dem der Unternehmer auch hinsichtlich eventueller Freistellungs- und Erstattungsansprüche grundsätzlich befreit werden soll. Maßgebend ist dabei das Verhältnis des Geschädigten zu dem in Anspruch genommenen Schädiger (vgl. Senatsurteile vom 21. November 1958 – VI ZR 255/57 – VersR 1959, 52, 53 und vom 9. März 2004 – VI ZR 439/02 – VersR 2004, 788, 789; BGHZ 17, 65, 66 f.; 33, 339, 349 f.; 64, 201, 203; 121, 131, 136 und vom 27. November 2003 – III ZR 54/03 – VersR 2004, 473, 474), ob sich also im Unfall das betriebliche Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigten manifestiert oder ob dieses Verhältnis zum Unfall keinen oder nur einen losen Zusammenhang hat (vgl. Senatsurteil vom 19. Januar 1988 – VI ZR 199/87 – VersR 1988, 391 f. m.w.N.). Im ersten Fall gelten die Haftungsbefreiungen, die §§ 104, 105 SGB VII an das betriebsbezogene Verhältnis zwischen dem Verletzten und dem Schädiger knüpfen. Fehlt es jedoch an diesen besonderen Voraussetzungen, so steht der Versicherte jedem anderen Verkehrsteilnehmer gleich, so dass es unbillig wäre, ihn gegenüber den anderen Verkehrsteilnehmern durch eine Beschränkung seiner Ansprüche zu benachteiligen. Deshalb ist nicht allein maßgebend, wo sich der Unfall ereignet hat, sondern auch, inwieweit er mit dem Betrieb und der Tätigkeit des Versicherten zusammenhängt und ob er Ausdruck der betrieblichen Verbindung zwischen ihm und dem Unternehmen ist, deretwegen das Haftungsprivileg nach § 105 SGB VII besteht (vgl. Senatsurteile vom 19. Januar 1988 – VI ZR 199/87 – a.a.O.; vom 2. Dezember 2003 – VI ZR 349/02 – VersR 2004, 379 m.w.N.; BAG, VersR 2004, 1047, 1048). Das gilt auch für die Abgrenzung zwischen einem Arbeitsunfall auf einem Betriebsweg im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB VII und einem Unfall auf einem versicherten Weg nach § 8 Abs. 2 SGB VII (vgl. BAG, VersR 2005, 1439 f.). Andererseits stellt das Verlassen des Arbeitsplatzes einschließlich des Weges auf dem Werksgelände bis zum Werkstorwegen des engen Zusammenhanges mit der Arbeitsleistung noch eine betriebliche Tätigkeit dar, weil der Arbeitnehmer hier in enger Berührung mit der Arbeitsleistung anderer Arbeitnehmer des Betriebs steht, sich in der Herrschaftssphäre des Arbeitgebers aufhält und dessen Ordnungsgewalt unterliegt, (vgl. BAG, VersR 2001, 720). Hierfür ist nicht von ausschlaggebender Bedeutung, dass im Streitfall der Unfallort außerhalb des firmeneigenen Betriebsgeländes gelegen ist. Ort der Tätigkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB VII ist nicht der Sitz des Unternehmens, sondern der Ort, an dem die versicherte Tätigkeit tatsächlich verrichtet wird.“

Nach diesen Grundsätzen kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich ein betriebsbezogenes Haftungsrisiko auf einem Betriebsweg verwirklicht hat. Denn die Unfallbeteiligten haben sich zum Unfallzeitpunkt gerade nicht mehr im Gefahrenbereich ihrer gemeinsamen Arbeitsstätte bewegt. Eine betriebliche Gefahrenlage, die Ausdruck einer betrieblichen Verbindung ist, hat sich gerade nicht verwirklicht, sondern eine typische im Straßenverkehr. Der Unfall ereignete sich zwar noch auf dem Gelände des C…-T…- Klinikums. Dieser abgegrenzte Geländeteil war aber für die Öffentlichkeit zugänglich befahrbar. Die Unfallbeteiligten bewegten sich daher nur als „normale Verkehrsteilnehmer“.

d)

Die Haftung der Beklagten war demnach uneingeschränkt festzustellen, uneingeschränkt auch in dem Sinne, dass wegen eines eingewandten Mitverschuldens der Klägerin eine Haftungsquote hätte bestimmt werden müssen. Eine solche war nicht zu bestimmen, weil für die Klägerin kein unfallverursachendes Mitverschulden festzustellen war. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen zum Unfallgeschehen verwiesen.

e)

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.

Mit der Entscheidung ist der Gebührenstreitwert festzusetzen (§ 63 Abs. 2 GKG).


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant:

  1. Arbeitsrecht: Dieses Urteil betrifft Arbeitgeber und Arbeitnehmer, da der Unfall auf dem Gelände des Arbeitgebers stattgefunden hat und sowohl die Klägerin als auch die Beklagte zu 2. Mitarbeiter der Beklagten zu 1. sind. In diesem Zusammenhang können verschiedene arbeitsrechtliche Bestimmungen eine Rolle spielen. Zudem ist es wichtig zu beachten, dass es im Arbeitsrecht Haftungsprivilegien gibt, die in bestimmten Fällen greifen und die Haftung des Arbeitgebers bzw. der Arbeitskollegen einschränken können.
  2. Verkehrsrecht: Die spezifischen Umstände des Unfalls, einschließlich der Beteiligung eines Fahrzeugs und eines Fahrrads, erfordern eine Anwendung und Auslegung der Straßenverkehrsgesetze (StVG). Insbesondere die Einhaltung der Verkehrsvorschriften durch die beteiligten Parteien und die Bewertung ihrer jeweiligen Pflichtverletzungen sind hier relevant.
  3. Schadensersatzrecht: Dies ist ein zentraler Aspekt dieses Falles, da die Klägerin materiellen und immateriellen Schadenersatz von den Beklagten verlangt. Hierbei spielen Normen aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), insbesondere die §§ 249 ff. BGB, eine wichtige Rolle. Sie legen unter anderem fest, wann und in welcher Höhe Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden können.
  4. Versicherungsrecht: Da der beteiligte PKW haftpflichtversichert war, sind auch Aspekte des Versicherungsrechts relevant. Hier geht es insbesondere um die Frage, inwieweit die Haftpflichtversicherung des PKWs für den Schaden aufkommen muss. Relevante Normen sind in diesem Fall vor allem die Bestimmungen des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG).

Diese Analyse zeigt, dass das Urteil eine Vielzahl von Rechtsnormen und -gebieten berührt und eine sorgfältige Prüfung und Anwendung dieser Normen erfordert. Insbesondere das Zusammenspiel von Arbeits-, Verkehrs-, Schadensersatz- und Versicherungsrecht macht den Fall rechtlich komplex.

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